Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 337



112 II 337

57. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. November 1986 i.S. Firma
X. gegen Y. Corporation Inc. (Berufung) Regeste

    Auktion von Kunstgegenständen, Scheingebote des Einlieferers.

    1. Art. 57 Abs. 5 OG. Abweichung von der Regel, dass die
staatsrechtliche Beschwerde vor der Berufung zu beurteilen ist (E. 1).

    2. Auktionsvertrag mit internationalem Schuldverhältnis, anwendbares
Recht (E. 2).

    3. Rechte und Pflichten der Beteiligten nach den Vereinbarungen
des Versteigerers mit dem Einlieferer einerseits und mit den Bietern
andererseits (E. 3).

    4. Zuschlag an den Einlieferer: Berufung auf Simulationsabrede;
Beweislast und Anforderungen an den Beweis (E. 4a und b). Rechtsfolgen
eines allfälligen Zuschlags unter der vereinbarten Limite (E. 4c).

    5. Umstände, unter denen ein Scheinangebot des Einlieferers weder als
Willensmangel noch als Widerruf des Auftrages betrachtet werden kann,
sondern es sich rechtfertigt, ihn das Risiko eines solchen Angebotes
selber tragen zu lassen (E. 4d).

Sachverhalt

    A.- Die Firma X. in Zürich handelt mit Kunstgegenständen und
veranstaltet periodisch Auktionen. Gemäss "Auktionsvertrag" vom 18. Oktober
1982 wollte die Y. Corporation Inc., Panama, durch die Firma X. mehrere
Kunstgegenstände versteigern lassen. Dazu gehörte insbesondere ein
dreiteiliges Gemälde (Triptychon) von Z. aus dem Jahre 1914, wofür der
Vertrag bei einem Schätzungswert von Fr. 300'000.-- bis 350'000.-- eine
"Bruttolimite" von Fr. 262'500.-- vorsah.

    Die Versteigerung fand am 12. November 1982 im Rahmen einer Auktion
statt. Für die Y. Corporation Inc. nahm daran unter anderen Frau B. teil,
die im August 1982 in Genf mit einer Vertreterin der Firma X. bereits die
Schätzungswerte der Kunstgegenstände besprochen und festgelegt hatte. Als
das Gemälde versteigert wurde, überbot Frau B. das letzte Angebot eines
Dritten um Fr. 5'000.--, worauf das Gemälde zum Preise von Fr. 265'000.--
ihr zugeschlagen wurde.

    Die Firma X. betrachtete hierauf die Y. Corporation Inc. als Käuferin
des von ihr eingelieferten Gemäldes. Mit Rechnung vom 22. November forderte
sie von ihr den Kaufpreis, 10% Kommission und 6,2% Warenumsatzsteuern
(WUST), was zusammen angeblich Fr. 309'573.-- ausmachte. Die Y. Corporation
Inc. wies die Rechnung am 26. November zurück. In ihrer Auktionsabrechnung
vom 17. Dezember, die zugunsten der Y. Corporation Inc. einen Nettoerlös
von Fr. 494'582.-- aus den Versteigerungen ergab, hielt die Firma X. an
ihren Forderungen jedoch fest und verrechnete sie einige Tage später mit
diesem Betrag. Den Saldo von Fr. 185'009.--, den sie am 7. Januar 1983
auf Fr. 195'009.-- erhöhte, zahlte sie der Y. Corporation Inc. aus.

    B.- Am 24. Januar 1984 klagte die Y. Corporation Inc. gegen die
Firma X. auf Zahlung von Fr. 74'323.-- nebst 5% Zins seit verschiedenen
Verfalldaten. Sie forderte damit einen Teil des Versteigerungserlöses,
den sie aus anderen Kunstgegenständen erzielt hatte, den die Beklagte
aber mit Gegenforderungen aus dem Verkauf des Gemäldes verrechnet wissen
wollte. Die Klägerin machte geltend, durch den Zuschlag des Gemäldes
an sie sei kein Kauf zustande gekommen, weshalb sich daraus auch keine
Forderungen zugunsten der Beklagten ergäben.

    Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte am 30. November 1985
die eingeklagte Forderung nebst 5% Zins seit 26. Oktober 1983. Es schloss
sich der Auffassung der Klägerin an; es fand zudem, die Klägerin hafte auch
nicht dafür, dass sie das letzte Angebot eines Dritten durch Weiterbieten
verhindert habe, da dieses Angebot noch unter dem vereinbarten Mindestpreis
von Fr. 262'500.-- gelegen sei.

    Eine Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil wurde
vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 30. April 1986 abgewiesen,
soweit auf sie eingetreten werden konnte.

    C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Handelsgerichts auch Berufung
eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen oder
die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Sie führt ausserdem staatsrechtliche Beschwerde gegen
den Entscheid des Kassationsgerichts.

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde macht die Beklagte geltend,
das Handelsgericht habe entgegen ihrem Beweisantrag nicht abgeklärt,
dass im Zürcher Auktionshandel die Übung bestehe, Kunstgegenstände
auch unter der Bruttolimite an den Meistbietenden zuzuschlagen. Das
Kassationsgericht habe sich darüber ebenfalls hinweggesetzt in der
Meinung, dass das Bundesgericht im Berufungsverfahren prüfen könne, ob
eine solche Übung genügend behauptet worden und ob sie für die Auslegung
der Vereinbarungen zwischen den Beteiligten von Bedeutung sei. Dadurch
sei ihr das rechtliche Gehör verweigert worden.

    Wie es sich mit dieser Rüge verhält, kann indes dahingestellt bleiben,
wenn es für die Beurteilung der Berufung so oder anders nicht auf die
behauptete Handelsübung ankommt. Das ist der Fall, wenn die Vereinbarungen
der Beteiligten unbekümmert um eine solche Übung für die Rechtsauffassung
der einen oder anderen Partei sprechen. Wie Vertragsbestimmungen nach
Treu und Glauben auszulegen sind, ist aber eine Frage der Rechtsanwendung,
die im Berufungsverfahren frei überprüft werden kann (BGE 102 II 246 E. 2,
101 II 325 E. 1 und 331 E. 2, je mit weiteren Hinweisen). Die Berufung kann
daher entgegen der Regel des Art. 57 Abs. 5 OG vor der staatsrechtlichen
Beschwerde behandelt werden.

Erwägung 2

    2.- Die Parteien sind sich einig über die Vorfrage, dass die
Streitigkeit nach schweizerischem Recht zu beurteilen ist, weil es sich
beim Auktionsvertrag um ein auftragsähnliches Vertragsverhältnis handelt
und die für das Rechtsverhältnis charakteristische Leistung in Zürich
erbracht worden ist (BGE 96 II 89 E. 7c, 91 II 446, 77 II 93). Davon geht
auch das Handelsgericht aus.

Erwägung 3

    3.- Die Parteien streiten sich hingegen darüber, ob an einer
freiwilligen öffentlichen Versteigerung ein Gegenstand seinem Einlieferer,
der wie hier meistens auch sein Eigentümer ist, wie einem anderen
Interessenten zugeschlagen werden kann, wenn er mitbietet und das letzte
Angebot macht. Die Beklagte ist der Auffassung, als Kommissionärin habe
sie unbekümmert um die Person, der das Gemälde zugeschlagen worden sei,
Anspruch auf die mit der Kommittentin vereinbarten Vergütungen. Die
Klägerin beharrt dagegen darauf, dass sie der Beklagten mangels eines
rechtlich relevanten Angebotes weder Provisionen noch Schadenersatz
schulde. Das Handelsgericht seinerseits hält für gerichtsnotorisch, dass
Einlieferer häufig mitbieten, um eine Rücknahme des Auktionsgegenstandes
vor dem Publikum zu vermeiden oder einen möglichst hohen Preis zu erzielen;
wenn der Versteigerer den Gegenstand dem Eigentümer zuschlage, liege daher
eine Simulation vor. Ein Verkauf an sich selbst sei übrigens rechtlich
und sachlich unmöglich.

    Wie ein Zuschlag an den Eigentümer zu beurteilen ist und welche
Rechtsfolgen sich daraus für die Beteiligten ergeben, hängt vor allem von
ihren Vereinbarungen ab, wobei zwischen den Abreden des Versteigerers
mit dem Einlieferer einerseits und mit den Bietern andererseits zu
unterscheiden ist. Der Auktionsvertrag vom 18. Oktober 1982, bestehend aus
einem vorgedruckten Formular der Beklagten, enthält auf der Vorderseite
namentlich Angaben über die vereinbarte Kommission, die Versicherung
und die WUST, ferner eine Liste der eingelieferten Gegenstände mit der
festgesetzten Bruttolimite und ihrem ungefähren Schätzungswert. Aus
den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf der Rückseite ergibt
sich insbesondere, dass an den Meistbietenden zugeschlagen wird,
der Versteigerer bei zu tiefen Angeboten berechtigt ist, im Interesse
des Einlieferers nicht zu verkaufen, und dass Mindestpreise vereinbart
werden können (Ziff. 1), dass ferner die Firma X. vom Total der erzielten
Zuschläge 18% Kommission erhält (Ziff. 2), die vorliegend im Vertrag
auf 15% beschränkt worden ist, und dass der Auftraggeber ihr auf nicht
verkaufte Gegenstände 3% der festgesetzten Limite als Rückkauf zu vergüten
hat (Ziff. 6).

    Wer als Interessent an einer Versteigerung der Beklagten teilnehmen
will, erhält eine "Bieternummer" und hat unterschriftlich zu bestätigen,
dass er die Auktionsbedingungen anerkennt und "für alle Käufe dieser
Nummer während der Auktion" haftet. Nach den Auktionsbedingungen (AB)
wird gegen Barzahlung in Schweizer Franken versteigert (Ziff. 1). Ausser
dem Zuschlagspreis hat der Ersteigerer ein Aufgeld zu entrichten, das
bei einem Zuschlag über Fr. 100'000.-- 10% beträgt (Ziff. 2). Auf
Gegenständen, deren Nummern mit einem Sternchen versehen sind,
werden zudem 6,2% WUST erhoben (Ziff. 3). Bieter, die dem Versteigerer
persönlich unbekannt sind, haben sich vor Abgabe eines Angebotes bei der
Auktionsleitung auszuweisen (Ziff. 6). "Die Abgabe eines Gebotes bedeutet
eine verbindliche Kaufofferte" (Ziff. 8). Die Auktionsbedingungen gelten
als Bestandteil jedes Kaufvertrages, der an der Auktion geschlossen
wird; Abänderungen sind nur schriftlich gültig (Ziff. 12). "Angebote,
Aufrufe und Zuschläge unter etwaigen Limiten sind zulässig, somit können
Gegenstände ohne Verkauf zugeschlagen werden" (Ziff. 14).

Erwägung 4

    4.- Eine klare Antwort auf die Streitfrage, welches die Rechtsfolgen
eines Zuschlages an den Einlieferer (Auftraggeber) sind, ist dem
Auktionsvertrag und den dazu gehörenden allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten nicht zu entnehmen; die Möglichkeit eines solchen Zuschlages
wird darin ausdrücklich weder ausgeschlossen noch vorbehalten. Ziff. 1
und 2 AGB sprechen immerhin eher dafür, dass ein Einlieferer wie ein
anderer Teilnehmer zu behandeln ist, wenn er bei von ihm eingelieferten
Gegenständen mitbietet und einen von ihnen zugeschlagen erhält. Dem
entspricht jedenfalls für Zuschläge über der Bruttolimite auch die Meinung
der Beklagten. Die Klägerin hingegen leitet ihre Auffassung nicht aus einer
schriftlichen Vereinbarung mit der Beklagten ab. Sie beruft sich vielmehr
auf das Interesse des Einlieferers an Scheingeboten, die an Kunstauktionen
häufig vorkämen und auch nach den Auktionsbedingungen der Beklagten
möglich seien, um den Nichtverkauf eines Gegenstandes zu verschleiern;
der Auktionsvertrag stehe gleichsam unter dem stillschweigenden Vorbehalt,
dass der Einlieferer solche Angebote machen könne, wenn von seiten Dritter
zu wenig oder nicht mehr geboten werde.

    a) Damit behauptet die Klägerin, mit der Beklagten eine Simulation
verabredet zu haben, wofür nach der allgemeinen Regel des Art. 8 ZGB
sie beweispflichtig ist. Mit diesem Beweis ist es zudem streng zu nehmen
(JÄGGI/GAUCH, N. 134 zu Art. 18 OR). Allgemeine Behauptungen oder blosse
Vermutungen reichen nicht aus. Das gilt insbesondere von den Einwänden
der Klägerin, wer als Versteigerer wie die Beklagte bereit sei, auch zum
Scheine zuzuschlagen, könne die Ernsthaftigkeit seiner Willensbildung
erst beurteilen, wenn ihm bekannt werde, wem er den Zuschlag tatsächlich
erteilt habe; diesen Umstand habe das Auktionshaus zu vertreten, wenn
es unbekümmert um seine Organisation Zuschläge an Unbekannte in Kauf
nehme. In jedem Angebot stecke aus der Sicht des Versteigerers auch die
Möglichkeit eines Scheingebotes; deshalb genüge selbst ein nachträglicher
Simulationswille des Auktionshauses.

    Solche Einwände scheitern schon am Begriff eines simulierten
Rechtsgeschäfts im Sinne von Art. 18 OR. Ein solches Geschäft liegt vor,
wenn beide Parteien darüber einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen
nicht ihrem Willen entsprechende Rechtswirkungen haben sollen, weil sie
entweder ein Vertragsverhältnis vortäuschen oder mit dem Scheingeschäft
einen wirklich beabsichtigten Vertrag verdecken wollen (BGE 97 II
207 E. 5 mit Hinweisen; VON TUHR/PETER, OR Allg. Teil I S. 293/94;
GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 113/14). Die Simulationsabrede
setzt in Fällen wie hier somit voraus, dass der Versteigerer um das
Scheingebot eines bestimmten Bieters weiss und bei der damit verfolgten
Täuschung Dritter mitmacht, notfalls also bewusst zum Scheine zuschlägt
(JÄGGI/GAUCH, N. 104 ff. zu Art. 18 OR). Ob die Beklagte dies getan
habe, hat das Handelsgericht aber ausdrücklich offengelassen. Es meint
freilich, die Beklagte müsse sich bei ihrem nachträglichen Wissen so
oder anders behaften lassen, weil es ihr gleichgültig gewesen sei, "mit
wem sie den Vertrag abschloss". Aus einem solchen Wissen darf hier indes
ebenfalls nicht auf einen Simulationswillen des Auktionshauses zur Zeit
der Versteigerung geschlossen werden, hiesse dies doch, die Beklagte
habe sich den Absichten der Klägerin, gegebenenfalls Scheingebote zu
machen, zum vornherein unterworfen und mit ihr bewusst gemeinsame Sache
gemacht; das aber hat ihr Versteigerer gerade stets bestritten. Bei
dieser Beweislage taugt auch der Vorhalt nicht, dass das nachträgliche
Verhalten von Vertragspartnern nach der Rechtsprechung (BGE 107 II 418)
Rückschlüsse auf ihren wirklichen Willen bei Vertragsabschluss erlaube; der
Vorhalt läuft darauf hinaus, der Beklagten unter Umgehung der Beweislast
der Klägerin einen Simulationswillen zu unterstellen. Das ist auch dem
Hinweis der Klägerin auf Art. 32 Abs. 2 OR entgegenzuhalten.

    b) Dass die Simulationsabrede keiner besonderen Form bedarf und
sich aus konkludentem Verhalten der Beteiligten ergeben kann, z.B. wenn
der Versteigerer von der Simulationsabsicht eines Bieters Kenntnis
hat und dessen Angebot widerspruchslos "annimmt" (JÄGGI/GAUCH, N. 103
zu Art. 18 OR), ändert daran nichts. Das entbindet den Einlieferer
nicht von der Pflicht, auch eine stillschweigende Abrede zu beweisen,
wenn er aus irgendwelchen Gründen mitgeboten hat, das Angebot im Falle
eines Zuschlages aber nicht gegen sich gelten lassen will. Auch diesen
Beweis hat die Klägerin nicht erbracht; fest steht vielmehr, dass der
Versteigerer der Beklagten von einem echten Angebot ausgegangen ist,
als er das Gemälde zum Preise von Fr. 265'000.-- Frau B. zugeschlagen hat.

    Der Hinweis auf RUOSS (Scheingebote an Kunstauktionen, Diss. Zürich
1983, S. 90) hilft der Klägerin nicht. Gewiss nimmt dieser Autor an,
der Versteigerer könne die Eigenschaft eines Einlieferers, der mitbietet,
"regelmässig" erkennen, weil jedes Auktionshaus ein genaues Verzeichnis
darüber führe, wer welchen Gegenstand eingeliefert habe. Dass dies für
die Annahme einer stillschweigenden Simulationsabrede stets ausreiche,
leuchtet bei grossen Auktionen mit über 100 Teilnehmern jedoch nicht
ein. Deshalb sehen die in der Schweiz verwendeten Auktionsbedingungen,
wie RUOSS an der gleichen Stelle beifügt, denn auch durchwegs vor, dass
Bieter sich vor der Abgabe des ersten Angebots auszuweisen haben, wenn sie
dem Versteigerer nicht persönlich bekannt sind. Dazu war gemäss Ziff. 6
AB auch Frau B. verpflichtet, die am 12. November 1982 die Bieternummer
739 erhalten und die Auktionsbedingungen der Beklagten vorbehaltlos
anerkannt, sich bei der Eingangskontrolle über ihre Eigenschaft als
Vertreterin der Klägerin aber ausgeschwiegen hat. Die Klägerin verkehrt
diese Bestimmung ins Gegenteil, wenn sie aus der Auskunftspflicht des
Bieters eine Informationspflicht der Auktionsleitung macht.

    Ebensowenig hilft der Klägerin, dass im Auktionsvertrag nicht auf
die Auktionsbedingungen verwiesen worden ist, diese Bedingungen folglich
nicht als Bestandteil dieses Vertrages zu betrachten sind. Die Klägerin
verkennt, dass ihre Vertreterin nicht nur die Pflichten einer Bieterin
übernommen, sondern sich auch als solche benommen hat, sie sich daher
deren Verhalten anrechnen und auch die Auktionsbedingungen, insbesondere
Ziff. 1 bis 3 und Ziff. 8 AB, entgegenhalten lassen muss. Aus Ziff. 14 AB
sodann, die unklar abgefasst ist, könnte die Klägerin höchstens folgern,
dass Frau B. unbekümmert um ihre Auskunftspflicht bis zum vorgesehenen
Mindestpreis mitbieten durfte, ohne mit einem verbindlichen Zuschlag und
der damit verbundenen Kommission der Beklagten rechnen zu müssen. Auch
das würde sie aber nicht vom Nachweis einer Simulationsabrede mit der
Beklagten befreien; das gälte selbst dann, wenn man im zweiten Satzteil
der Bestimmung ein Indiz für eine solche Abrede erblicken wollte.

    c) Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte
ohne das klägerische Angebot das Triptychon unter der vereinbarten
Limite zugeschlagen hätte. Denn die Vereinbarung eines Betrages, unter
dem nicht zugeschlagen werden darf, soll in erster Linie den Einlieferer
vor Verlust schützen, wenn keine Angebote in ausreichender Höhe gemacht
werden. Schlägt der Versteigerer unter der vereinbarten Limite zu, ist
er dennoch verpflichtet, dem Einlieferer den vereinbarten Mindestpreis zu
bezahlen. Bei einer Bruttolimite von Fr. 262'500.-- beträgt die Nettolimite
nach Abzug von 15% Verkaufsprovision Fr. 223'125.--, bei einer Bruttolimite
von Fr. 275'000.-- beträgt sie Fr. 233'750.--. Die Beklagte war auf jeden
Fall gehalten, der Klägerin den Nettomindestbetrag zukommen zu lassen,
gegebenenfalls unter Verzicht auf einen Teil ihrer Kommission. Die Klägerin
wäre also, wenn sie nicht mitgeboten hätte, nicht zu Schaden gekommen.

    Dass, wie die Vorinstanz annimmt, sich aus Ziff. 2 AGB keine
Pflicht zum teilweisen Provisionsverzicht ergebe, überzeugt nicht. Denn
der Versteigerer hat dem Einlieferer den vertraglich zugesicherten
Mindestnettobetrag auf jeden Fall zu erbringen (Art. 428 Abs. 1 OR;
vgl. GAUTSCHI, N. 3c zu Art. 428 OR).

    Fragen kann man sich einzig, ob die Klägerin aus
verkaufspsychologischen Gründen einen Anspruch darauf hat, dass keinesfalls
unter der vereinbarten Bruttolimite zugeschlagen wird. Diese Frage braucht
hier nicht abschliessend beantwortet zu werden; denn es liegt auf der
Hand, dass der geringe Preisunterschied zwischen dem letzten Angebot vor
demjenigen der Klägerin von Fr. 260'000.-- und einer Bruttolimite von
Fr. 262'500.-- verkaufspsychologisch ohne jede Bedeutung ist. Für den
Aussenstehenden ist das Gemälde zu einem Preis von rund Fr. 260'000.--
gehandelt worden. Dasselbe müsste auch gelten, wenn die Bruttolimite
Fr. 275'000.-- betragen sollte.

    Somit ergibt sich, dass sich die Klägerin bei ihrem Angebot behaften
lassen muss. Mangels einer rechtzeitigen Abrede mit dem Versteigerer
trug sie als Letztbietende das Risiko, dass ihr das Gemälde schliesslich
nicht bloss zum Scheine, sondern tatsächlich zugeschlagen wurde. Sie
hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn man letztlich, wie sie sagt,
"auf dem Auktionsgegenstand sitzengeblieben" ist.

    d) Der Einwand der Klägerin, dass Dissens und damit ein Willensmangel
vorläge, wenn der Versteigerer den Willen gehabt haben sollte, mit
Frau B. einen Kaufvertrag zu schliessen, geht schon deshalb fehl, weil
die Klägerin nach den Vereinbarungen zwischen den Beteiligten für den hier
eingetretenen Fall als Verkäuferin und als Käuferin des Gemäldes anzusehen
war. Daran scheitert auch der weitere Einwand, ein Verkauf an sich selbst
sei unmöglich. Ist der Einlieferer bereits Eigentümer, kann zwar entgegen
Art. 235 Abs. 1 OR der Eigentumsübergang mit dem Zuschlag nicht mehr
eintreten. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass die Parteien vereinbaren,
der Einlieferer habe in einem solchen Fall dem Versteigerer die gleichen
Zahlungen zu entrichten wie beim Zuschlag an einen Dritten. Aus BGE 109
II 124 ergibt sich entgegen der Vorinstanz nichts Abweichendes.

    Schliesslich geht es auch nicht an, das dem Zuschlag vorausgehende
Scheingebot der Frau B. als Widerruf des Auktionsvertrages ausgeben
zu wollen. Gewiss sieht die Verordnung des Zürcher Obergerichts vom
19. Dezember 1979 über das Verfahren bei freiwilligen öffentlichen
Versteigerungen in § 12 Abs. 3 vor, dass ein Auftraggeber vor dem dritten
Aufruf ein Angebot, das ihm nicht annehmbar oder ungenügend erscheint,
ausdrücklich ablehnen kann. Daraus kann die Klägerin schon deshalb nichts
für sich ableiten, weil es um kantonales Recht geht, dessen Anwendung das
Bundesgericht auf Berufung hin nicht zu überprüfen hat (Art. 55 Abs. 1
lit. c OG). Sie behauptet übrigens nicht, dass ihre Vertreterin spätestens
vor dem dritten Aufruf eingeschritten sei, um einem verbindlichen Zuschlag
vorzubeugen. Frau B. hat vielmehr, ohne sich als Vertreterin der Klägerin
zu erkennen zu geben, an der Auktion teilgenommen, mitgeboten und es auf
einen Zuschlag ankommen lassen.

    Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine nähere Stellungnahme zum
Einwand der Beklagten, das anrüchige Mitbieten an Kunstauktionen durch
Einlieferer könne nur dann unterbunden werden, wenn diese im Fall eines
Zuschlages wie echte Käufer behandelt werden. Zu bemerken ist immerhin,
dass der Steigerungswettbewerb an Auktionen, wie bereits in BGE 109
II 125 ff. ausgeführt worden ist, nicht nur durch das Versprechen
von Teilnehmern, gegen Entgelt nicht mitzubieten, sondern auch durch
Scheingebote des Einlieferers erheblich verfälscht werden kann, diesfalls
solche Versprechen und Gebote folglich als sittenwidrig erscheinen. Das
gilt auch für Simulationsabreden zwischen dem Versteigerer und einem
Bietenden, was selbst der Klägerin nicht entgangen ist, räumt sie doch
ein, dass dadurch die Interessen von "ehrlichen" Mitbietern verletzt
werden, Scheingebote des Einlieferers deswegen gegen Treu und Glauben
verstossen und höchst verpönt sein können. Um so mehr rechtfertigt es sich,
Einlieferer das Risiko eines Scheingebotes selber tragen zu lassen.

Erwägung 5

    5.- Das angefochtene Urteil verletzt Art. 18 Abs. 1 OR, weil es
zu Unrecht davon ausgeht, es liege eine Simulationsabrede zwischen den
Parteien vor; es ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist ferner gestützt
auf Art. 64 Abs. 1 OG zur näheren Abklärung der gegenseitigen Ansprüche,
die noch streitig sind, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Was darüber
in tatsächlicher Hinsicht feststeht, erlaubt dem Bundesgericht kein
abschliessendes Urteil, zumal das Handelsgericht offengelassen hat, ob
die Bruttolimite kurz vor der Auktion mündlich auf Fr. 275'000.-- erhöht
worden sei, wobei es zudem aus Versehen von Nettolimite spricht. Zu klären
ist ferner, ob die WUST mangels eines gültigen Kaufvertrages tatsächlich
geschuldet gewesen oder, wie die Klägerin einwendet, fälschlicherweise
bezahlt worden sei.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des
Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 30. Oktober 1985 aufgehoben und
die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen wird.