Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 330



112 II 330

56. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. September 1986 i.S.
Genossenschaft M. gegen Frau N. (Berufung) Regeste

    Art. 216 OR, Art. 2 ZGB. Grundstückkauf, Formmangel, Rechtsmissbrauch.

    1. Die öffentliche Beurkundung eines Grundstückkaufes erfordert nach
Bundesrecht, dass in der Urkunde auch das Vertretungsverhältnis richtig
angegeben wird, wenn ein Dritter für eine Partei handelt (E. 1).

    2. Berufung auf einen Formmangel, nachdem der Vertrag beidseitig
freiwillig und irrtumsfrei erfüllt worden ist. Offengelassen, ob
Formungültigkeit zur absoluten Nichtigkeit des Vertrages führt und der
Mangel stets von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (E. 2)

    3. Umstände, unter denen die Berufung auf den Formmangel, insbesondere
wegen dessen Art, sich als missbräuchlich erweist (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 21. Dezember 1981 beurkundete Notar X. einen Vertrag über 835
m2 Bauland in der Gemeinde Riom-Parsonz, das die Genossenschaft M. zum
Preise von Fr. 120'000.-- an Frau N. verkaufte. Für die Genossenschaft
handelte ihr Vorstand, der laut Vertrag durch A. vertreten war. Dazu
kam ein Dienstbarkeitsvertrag über ein Durchfahrtsrecht, für das die
Käuferin Fr. 20'000.-- zu bezahlen hatte. Frau N. bezahlte die beiden
Beträge und wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

    Die "Feinerschliessung" des Baulandes sollte gemäss Vertrag zusammen
mit anderen Grundeigentümern bis spätestens im Herbst 1982 erfolgen. Da
sie sich verzögerte und auch nach zwei Jahren noch nicht ausgeführt war,
erklärte Frau N. am 19. Januar 1984 den Rücktritt vom Vertrag, dem sich
die Genossenschaft widersetzte.

    B.- Am 2. Juli 1984 klagte Frau N. beim Bezirksgericht Plessur
gegen die Genossenschaft M. auf Feststellung, dass der Kaufvertrag wegen
Rücktritts bzw. Nichteintritts einer Bedingung dahingefallen sei; sie
verlangte ferner, dass die Beklagte ihr gegen Rückübertragung des Eigentums
die bezahlten Fr. 140'000.-- nebst Zins Zug um Zug zurückzuerstatten habe.

    Das Bezirksgericht hiess die Klage am 19. April 1985 gut, da die
Klägerin zu Recht wegen Verzugs der Beklagten zurückgetreten sei. Die
Beklagte appellierte an das Kantonsgericht von Graubünden, das die Klage am
11. November 1985 ebenfalls schützte, aber fand, dass der Kaufvertrag wegen
Verstosses gegen Vorschriften über die öffentliche Beurkundung nichtig sei.

    C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts Berufung
und wegen Verletzung von Art. 4 BV auch staatsrechtliche Beschwerde
eingereicht. Mit der Berufung beantragt sie, das Urteil aufzuheben und
die Klage abzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung dahin gut, dass es das
angefochtene Urteil aufhebt und die Sache zur Prüfung der Frage, wie es
sich mit dem Rücktritt der Klägerin nach Art. 107 f. OR verhält, an das
Kantonsgericht zurückweist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Kantonsgericht hält den Kaufvertrag vom 21. Dezember 1981 wegen
fehlerhafter Beurkundung für nichtig. Es unterscheidet dabei zutreffend
zwischen bundesrechtlichen Mindestanforderungen an die Beurkundung und
zusätzlichen Formvorschriften des kantonalen Rechts (Art. 55 SchlT/ZGB; BGE
106 II 147 ff.). Davon geht auch die Beklagte aus, da sie die Verletzung
von Bundesrecht mit der Berufung, die Verletzung kantonalen Rechts dagegen
mit der staatsrechtlichen Beschwerde rügt. Es rechtfertigt sich, die
Berufung entgegen der Regel des Art. 57 Abs. 5 OG vorweg zu beurteilen,
weil die Beschwerde gegenstandslos wird, wenn das Schicksal des Vertrages
so oder anders nicht von der mangelhaften Beurkundung abhängt.

    a) Es steht fest, dass der Vorstand der Beklagten sich anlässlich
der Beurkundung nicht, wie in der Urkunde angegeben, durch A., sondern
durch B. vertreten liess. Nach Auffassung des Kantonsgerichts widerspricht
die Beurkundung deswegen Bundesrecht, da die einwandfreie Bezeichnung
der Parteien und ihrer Vertreter im Vertrag zu den bundesrechtlichen
Mindestanforderungen gehöre und der Notar mit seiner Feststellung über
die Mitwirkung der beteiligten Personen und deren Erklärungen auch seine
Wahrheitspflicht verletzt habe. Für die Beklagte ist dagegen entscheidend,
dass die Vertragsparteien in der Urkunde richtig angegeben worden sind;
unrichtig sei nur die Bezeichnung ihres Vertreters, was den Vertrag aber
nicht ungültig mache, da ein Vertreter auch formlos ermächtigt werden
könne, ein Grundstück zu verkaufen.

    Das Kantonsgericht nimmt mit Recht an, dass die Form des streitigen
Vertrages schon den bundesrechtlichen Mindestanforderungen nicht
genügt. Mit der öffentlichen Beurkundung des Grundstückkaufes soll eine
sichere Grundlage für den Eintrag im Grundbuch geschaffen werden. Die
Urkundsperson hat deshalb alle für das Rechtsgeschäft wesentlichen
Tatsachen und Willenserklärungen der Parteien im Vertrag festzuhalten
(BGE 106 II 147 E. 1 und 99 II 161 E. 2a mit Zitaten). Zu diesen
Tatsachen gehört auch die genaue Bezeichnung der Parteien, welche sich
durch die Erklärungen berechtigen und verpflichten, sowie die Angabe
des Vertretungsverhältnisses, wenn ein Dritter für eine Partei handelt
(BGE 45 II 565 und das in ZGBR 54/1973 S. 367 ff. veröffentlichte Urteil
des Bundesgerichts vom 4. Juli 1972). Wieso es zulässig sein soll, dass
die Urkundsperson im Vertrag einen Vertreter angibt, der nicht erscheint,
den tatsächlich erscheinenden dagegen verschweigt, ist unerfindlich. Dass
ein Vertreter auch formlos ermächtigt werden kann, ändert nichts am
Erfordernis, dass das Vertretungsverhältnis in der Urkunde richtig
wiederzugeben ist (BGE 99 II 162 E. 2b).

    b) Die Beklagte anerkennt, dass Formwidrigkeit einen formgebundenen
Vertrag unter Vorbehalt von Rechtsmissbrauch nichtig macht. Es braucht
daher vorerst nicht geprüft zu werden, ob das Vorgehen des Notars, wie
das Kantonsgericht annimmt, bundesrechtlich auch sonst zu beanstanden sei,
weil er bezüglich Anmerkungen und Vormerkungen lediglich auf das Grundbuch
verwiesen und der Urkunde beigeheftete Belege über Quartierservituten
nicht unterzeichnet habe.

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte hielt den Versuch der Klägerin, den Kaufvertrag
wegen Formwidrigkeit zu Fall zu bringen, schon im kantonalen Verfahren
für missbräuchlich. Das Kantonsgericht liess diese Einrede nicht gelten,
weil die Klägerin den Formfehler weder verschuldet noch beizeiten erkannt
und deshalb den Vertrag aus Irrtum erfüllt habe. Die Beklagte hält an
ihrer Einrede, die Klägerin handle missbräuchlich, auch vor Bundesgericht
fest. Sie macht geltend, beide Parteien hätten den Vertrag vollständig
erfüllt. Die Klägerin habe sich sodann um die Erschliessung der Parzelle
gekümmert und erst hierauf wegen der Verzögerung, die dabei eingetreten
sei, den Rücktritt erklärt; sie übe ihr Recht zweckwidrig aus und benehme
sich daher missbräuchlich, wenn sie sich nun auf einen Formfehler berufe,
um sich vom Vertrag loszusagen.

    a) Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung zu solchen Einreden
letztmals 1978 überprüft (BGE 104 II 101 E. 3) und 1980 bestätigt (BGE
106 II 151 E. 3). Es führte im ersten Entscheid insbesondere aus, die
Frage, ob sich die Berufung auf Formwidrigkeit eines Vertrages wegen
Rechtsmissbrauchs verbiete, entscheide sich nicht allgemein nach starren
Regeln, sondern nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei sei insbesondere
die Tatsache, dass beide Parteien den Vertrag bereits freiwillig erfüllt
hätten, von Bedeutung; sie schliesse zwar nicht aus, dass die Nichtigkeit
des Vertrages dennoch berücksichtigt werde, lasse die Berufung auf den
Formmangel aber doch als missbräuchlich erscheinen, wenn sich aus den
übrigen Umständen, namentlich aus dem Verhalten der Parteien bei oder
nach Vertragsschluss, nicht eindeutig das Gegenteil ergebe.

    Diese Zusammenfassung der Rechtsprechung kann sich genau besehen nur
auf BGE 92 II 325 E. 3 stützen, während nach den übrigen Präjudizien,
insbesondere nach BGE 72 II 43 E. 3, die beidseitige freiwillige
Erfüllung die Berufung auf den Formmangel nicht für sich allein, sondern
nur in Verbindung mit zusätzlichen Gründen missbräuchlich macht. Die
mit BGE 92 II 325 E. 3 aufgestellte Regel ist von der Lehre als
Änderung der Rechtsprechung verstanden (MERZ, in ZBJV 104/1968 S. 49)
und auch im Anschluss an BGE 104 II 101 E. 3 mehrheitlich gebilligt
worden (GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, Skriptum zu OR Allg. Teil I N. 453;
SCHÖNENBERGER/GAUCH, N. 156 zu Art. 18 OR; ebenso im Ergebnis von
TUHR/PETER, OR I S. 238; BUCHER, OR Allg. Teil S. 148; BUCHER in ZBGR
56/1975 S. 74). Dass bei beidseitiger Erfüllung des formnichtigen Vertrages
Rechtsmissbrauch zu vermuten ist, bedeutete im übrigen keine grundlegende
Änderung, hatte doch schon die frühere Rechtsprechung angenommen, die
Berufung auf den Formmangel nach Vertragserfüllung sei jedenfalls dann
missbräuchlich, wenn der Mangel bei Vertragsschluss bewusst in Kauf
genommen worden oder gar gewollt gewesen sei (BGE 87 II 34, 86 II 404,
78 II 228, 72 II 43 E. 3, 53 II 165).

    b) Auch die neuere Rechtsprechung hält für entscheidend, ob eine Partei
sich des angerufenen Formmangels bei Abschluss des Vertrages oder doch bei
dessen Erfüllung bewusst gewesen ist. Sie verlangt nicht bloss, dass der
Vertrag beidseitig freiwillig, sondern auch irrtumsfrei erfüllt worden ist
(BGE 104 II 104 E. 3c). Das entspricht herrschender Lehre (BUCHER, S. 148;
GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, N. 453) und bedeutet, dass die Berufung einer Partei
auf einen Formmangel nicht rechtsmissbräuchlich ist, wenn sie den Vertrag
in Unkenntnis des Mangels abgeschlossen und erfüllt hat (DESCHENAUX, in
Schweiz. Privatrecht Bd. II S. 191; MERZ, N. 475 und 484 zu Art. 2 ZGB;
SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 80 zu Art. 11 OR). Wer einen formnichtigen Vertrag
freiwillig erfüllt, ohne den Mangel zu kennen, verhält sich in der Tat
nicht widersprüchlich, handelt folglich auch nicht missbräuchlich, wenn
er sich nachträglich wegen des Mangels auf Nichtigkeit beruft. Das gilt
selbst dann, wenn angenommen wird, die beidseitige Erfüllung des Vertrages
heile den Formmangel, mache also nicht nur dessen Anrufung missbräuchlich
(VON TUHR/PETER, S. 238; BUCHER, S. 147).

    Eine andere Frage ist, ob unbekümmert um die Art des Mangels
daran festgehalten werden kann, dass Formungültigkeit zur absoluten
Nichtigkeit des Vertrages führe und der Formmangel stets von Amtes
wegen zu berücksichtigen sei (BGE 106 II 151 E. 3 mit Zitaten); sie
stellt sich namentlich nach den kritischen Bemerkungen LIVERS (in ZBJV
118/1982 S. 117/18) über "ganz unannehmbare Konsequenzen", die sich
dabei ergeben könnten. Dass das Hinwegsehen über einen Formmangel nicht
eine absolute Heilung im Sinne von § 313 des deutschen BGB zur Folge
hat, ist anerkannt (MEIER-HAYOZ, N. 141 zu Art. 657 ZGB; DESCHENAUX,
S. 190 ff.; BUCHER, in Archiv für die civilistische Praxis 186/1986
S. 42 ff.). Ob aber aufgrund zutreffender Auslegung der Formvorschriften
oder auf dem Umweg über das Missbrauchsverbot angenommen wird, dass eine
beidseitig freiwillige Erfüllung den Mangel unbeachtlich mache, vermag
das Ergebnis kaum entscheidend zu beeinflussen (Merz, N. 468 zu Art. 2
ZGB; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 108/9; GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, N. 457; VOLKEN, in
Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung 15/1981 S. 465 ff.). Jedenfalls
folgt daraus nicht notwendig, dass die freiwillige Erfüllung des Vertrages
durch beide Parteien auch dann heilende Wirkung habe, wenn sie den Mangel
nicht kennen. Es ist zudem wenig sinnvoll, die Formungültigkeit stets
von Amtes wegen als absolute Nichtigkeit zu behandeln, dann aber diese
Folge über Art. 2 Abs. 2 ZGB ohne Rücksicht auf die Motive der Parteien
wieder zu korrigieren. Wie es sich damit grundsätzlich verhält, braucht
vorliegend indes nicht weiter geprüft zu werden.

Erwägung 3

    3.- Nach dem angefochtenen Urteil hat die Klägerin die Mängel der
Beurkundung weder beim Abschluss noch bei der Erfüllung des Vertrages
erkannt, sich darüber also geirrt. Die gegenteiligen Behauptungen der
Beklagten sind als Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht zu
hören (BGE 96 II 27 E. 2b, 95 II 40 E. 3, 90 II 453). Es steht ferner
fest, dass die Klägerin am 19. Januar 1984 den Rücktritt vom Vertrag
erklärt hat, weil das Grundstück nicht, wie vereinbart, bis spätestens
Herbst 1982 erschlossen worden ist. Mit der Klage sodann wollte sie
vorweg festgestellt wissen, dass der Kaufvertrag infolge Rücktritts
bzw. Nichteintritts einer Bedingung dahingefallen sei. Erst im kantonalen
Rechtsmittelverfahren berief sie sich auch auf Nichtigkeit des Kaufs wegen
fehlerhafter Beurkundung, obschon der Vertrag längst beidseitig erfüllt
worden war. Eine missbräuchliche Rechtsausübung ist nach Auffassung des
Kantonsgerichts gleichwohl zu verneinen, weil die Beurkundung nicht nur
gegen Übereilung schütze und eine fachmännische Beratung garantiere,
sondern auch Klarheit über das Rechtsgeschäft schaffe und damit der
Beweissicherung und der Rechtssicherheit diene.

    a) Es trifft zu, dass das Gesetz mit der öffentlichen Beurkundung
solche Zwecke verfolgt, insbesondere die Parteien schützen und auch
allgemeinen Interessen dienen will (BGE 90 II 281 E. 6, 84 II 642,
78 II 224; DESCHENAUX, S. 189; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 45 ff. zu
Art. 11 OR; GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, N. 411 ff). Schutz vor Übereilung
und Beweissicherung fallen aber kaum mehr ins Gewicht, wenn wie hier
eine öffentliche Beurkundung tatsächlich stattgefunden hat; dass diese
einen genügenden Grundbuchausweis ergab, zeigt die erfolgte Eintragung;
die Rechtssicherheit verlangt schliesslich eher, dass der Eintrag
aufrechterhalten wird. Deshalb darf angenommen werden, dass der Schutz-
und Sicherungszweck der Beurkundung mit der beidseitigen Erfüllung des
Vertrages entfällt. Selbst wenn diese Folge nicht leichthin einer Heilung
des Formmangels gleichzusetzen ist, darf ihre Bedeutung bei der Frage,
ob in der Berufung auf den Mangel eine zweckwidrige Rechtsausübung zu
erblicken ist, nicht verkannt werden.

    Unter welchen Umständen diese Frage zu bejahen ist, kann der
Rechtsprechung allerdings nicht mit Sicherheit entnommen werden, da
sie sich dazu sehr unterschiedlich, ja widersprüchlich äussert. So
wurde die Berufung auf den Formmangel wiederholt als zweckwidrig und
missbräuchlich erklärt, weil eine Partei damit z.B. die Wertsteigerung des
Grundstücks auf Kosten der Gegenpartei ausnützen oder sich vertraglichen
Gewährleistungspflichten entziehen wollte (BGE 92 II 327, 90 II 157 E. 2d
mit Hinweisen; DESCHENAUX, S. 192; MEIER-HAYOZ, N. 145 zu Art. 657 ZGB;
VOLKEN, S. 464). Es ist aber auch entschieden worden, dass es nicht Sache
der den Mangel anrufenden Partei sei, ein schutzwürdiges Interesse darzutun
(BGE 90 II 26 E. 2a); selbst spekulative Beweggründe machten ihr Vorgehen
nicht missbräuchlich (BGE 90 II 28 E. 2d, 86 II 262; ebenso MERZ, N. 505
zu Art. 2 ZGB); es sei auch zulässig, dass die Partei sich vom Vertrag
wegen Sachmängeln oder deshalb lossagen wolle, weil sie ihn sonst für
unvorteilhaft halte (BGE 87 II 33 E. 4b).

    b) Vorliegend ist die strengere Betrachtungsweise am Platz. Die
Klägerin war über zwei Jahre unangefochten als Eigentümerin der gekauften
Parzelle im Grundbuch eingetragen. Sie hat sich auch als solche benommen,
sich insbesondere zusammen mit anderen Grundeigentümern wiederholt
um die Erschliessung des Baulandes bemüht. Weil sie dabei auf immer
mehr Schwierigkeiten stiess, versuchte sie den Vertrag im Januar 1984
wegen Nichterfüllung oder Nichteintritts einer Bedingung rückgängig zu
machen, berief sich aber erst im Verlaufe des Prozesses ergänzend auch
auf den Formmangel. Gewiss hat sie davon erst nachträglich erfahren;
dass sie sich bei sofortiger Aufdeckung des Mangels anders verhalten,
sich insbesondere auf den Schutz- oder Sicherungszweck der Beurkundung
berufen und von der Erfüllung abgesehen hätte, ist dem angefochtenen
Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Es geht deshalb zum vornherein nicht an,
von einer irrtümlichen Vertragserfüllung zu sprechen, zumal aus ihren
Bemühungen um die Erschliessung der Parzelle erhellt, wie sehr sie an
einer Vertragserfüllung nach ihren Vorstellungen interessiert war. Ihre
Berufung auf den Formmangel erweist sich nach ihrem eigenen Verhalten
vielmehr als zweckwidrig und damit als missbräuchlich.

    Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn die Art des Formmangels
berücksichtigt wird. Dieser betrifft weder die Willensäusserungen
der Klägerin noch den Inhalt des Vertrages, sondern ausschliesslich
die Identität des Vertreters, der für die Beklagte zur Beurkundung
erschienen ist. Zwar geht es, wie eingangs ausgeführt, auch dabei um
eine rechtserhebliche Tatsache, deren Falschbeurkundung den Vertrag
ungültig macht. Entscheidend für die zweckwidrige Berufung auf den Mangel
bleibt indes, wen die Formvorschrift schützen will (BGE 72 II 43 E. 3;
ebenso GUHL/MERZ/KUMMER, S. 108; DESCHENAUX, S. 192/93; MERZ, N. 484
zu Art. 2 ZGB). Die Identität eines Vertreters ist zweifellos von
erheblicher Bedeutung für den Vertretenen, der sich seine Erklärungen
anrechnen lassen muss; sie kann auch für den andern Vertragspartner
bedeutsam werden, wenn der Vertretene sich seinen Verpflichtungen unter
Hinweis auf fehlende Ermächtigung entziehen will. Dafür liegt hier aber
nichts vor; die Beklagte will vielmehr den Vertrag und damit auch das
Handeln ihres Vertreters gegen sich gelten lassen. Unter diesen Umständen
steht es der Klägerin nicht an, sich auf die falsche Beurkundung des
Vertretungsverhältnisses zu berufen, um eine Parzelle loszuwerden, an der
sie mangels gelungener Erschliessung offenbar nicht mehr interessiert ist.

    Aus dem Hinweis des Kantonsgerichts auf weitere Verstösse gegen
eidgenössisches und kantonales Beurkundungsrecht ergäbe sich ebenfalls
nichts zugunsten der Klägerin. Dass der Notar sich mit einer blossen
Verweisung auf das Grundbuch begnügt hat, statt auch die Vormerkungen
und Anmerkungen über die Parzelle in die Urkunde aufzunehmen, und dass
er den Anhang zum Vertrag zwar mit seinem Stempel versehen, aber nicht
unterzeichnet hat, hätte allenfalls den Grundbuchverwalter veranlassen
können, die Urkunde zu beanstanden. Dies ist nicht geschehen; die Klägerin
ist vielmehr vorbehaltlos als neue Eigentümerin der Parzelle im Grundbuch
eingetragen worden, weshalb sich auch die Berufung auf eine allfällige
Formungültigkeit infolge der weiteren Verstösse als zweckwidrig und
missbräuchlich erwiese.