Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 241



112 II 241

42. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. April 1986 i.S.
Inkasso AG W. gegen Firma E. (Berufung) Regeste

    Zessionsverbot zulasten des Arbeitnehmers.

    1. Art. 164 OR. Das Versprechen eines Schuldners gegenüber dem
Gläubiger, ihm u.a. künftigen Lohn abzutreten und kein Zessionsverbot
einzugehen, braucht sich ein Arbeitgeber, der mit dem Schuldner als
Arbeitnehmer ein solches Verbot verabredet, nicht entgegenhalten zu lassen,
wenn er vom Versprechen nichts gewusst hat und ihm auch nachträglich
nicht zustimmt (E. 2a).

    2. Art. 325 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB. Durch das Zessionsverbot wird
der Schutz des Arbeitnehmers nicht vermindert. Umstände, welche nicht die
Abrede des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber, sondern sein vorausgehendes
Versprechen zugunsten des Gläubigers als übermässige Bindung erscheinen
lassen (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- Eine Auto AG hatte von Frau B. aus einem "Leasingvertrag"
vom November 1971 angeblich noch Fr. 6'393.55 für einen Personenwagen
zu fordern. Gemäss "Zahlungsvereinbarung" vom 18. Mai 1983 versprach
die Schuldnerin, ab 1. Juli 1983 monatlich Fr. 500.-- zu bezahlen
(Ziff. 2). Sie erklärte ferner, ihre gegenwärtigen und zukünftigen
Forderungen, insbesondere Lohn, als Sicherheit an die Gläubigerin zu
zedieren und kein "Abtretungsverbot zum Nachteil dieser Zession einzugehen"
(Ziff. 6).

    Im Juni 1984 schloss Frau B. mit der Firma E. einen Arbeitsvertrag,
der einen Monatslohn von Fr. 3'500.-- vorsah. Nach dem Vertrag durfte
sie ihre Lohnforderungen nicht an Dritte abtreten; trotzdem vorgenommene
Abtretungen wurden von der Arbeitgeberin nicht anerkannt. Am 13. August
1984 gab die Inkasso AG W. der Firma E. von der Lohnabtretung durch Frau
B. Kenntnis und forderte sie auf, monatlich von deren Lohn Fr. 1'000.--
zurückzubehalten und ihr zu überweisen. Die Firma E. widersetzte sich
dem und verwies auf das mit ihrer Arbeitnehmerin vereinbarte Verbot,
Lohnforderungen abzutreten.

    B.- Im Mai 1985 liess die Inkasso AG W. sich die Ansprüche der Auto
AG abtreten. Sie klagte daraufhin gegen die Firma E. auf Zahlung von
Fr. 11'083.10 nebst 9,6% Zins seit 26. Februar 1985.

    Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 6. November
1985 ab.

    C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, die vom
Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin liess die zum Arbeitsvertrag gehörende Bestimmung,
wonach Frau B. Lohnforderungen nicht an Dritte abtreten durfte,
schon im kantonalen Verfahren aus verschiedenen Gründen nicht gegen
sich gelten. Das angefochtene Urteil setzt sich mit ihren Einwänden
eingehend auseinander. Es hält ihr sinngemäss insbesondere entgegen, Frau
B. habe ihren Lohn zwar schon vor Abschluss des Arbeitsvertrages an die
Auto AG "zediert". Das habe die Beklagte als künftige Lohnschuldnerin
aber nicht gehindert, mit ihr im Arbeitsvertrag ein Zessionsverbot zu
vereinbaren; sie habe von den Erklärungen der Frau B. gemäss Ziff. 6
der "Zahlungsvereinbarung" vom 18. Mai 1983 nichts gewusst und diesen
Erklärungen auch nachher, als sie davon erfuhr, weder ausdrücklich noch
stillschweigend zugestimmt. Die Abtretung künftigen Lohnes habe bloss
obligatorische Wirkungen, die sich der Arbeitgeber nicht entgegenhalten
lassen müsse, wenn er die Abtretbarkeit des Lohnes wie hier schon vor
Entstehung der Forderung ausschliesse. Die Auto AG habe die im voraus
abgetretene Lohnforderung daher gar nicht erwerben, folglich auch nicht
an die Klägerin zedieren können.

    a) Diese Auffassung ist nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht
über das Wissen und den Willen der Beklagten feststeht, im Verhältnis
zwischen den Prozessparteien bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Gewiss
können unter den allgemeinen Vorbehalten der Art. 27 Abs. 2 ZGB und 20
OR auch künftige Forderungen abgetreten werden, wenn der Schuldner sowie
der Rechtsgrund und die Höhe der Forderungen wenigstens bestimmbar sind
(BGE 84 II 366 E. 3 und 69 II 290 mit Hinweisen). Das gilt grundsätzlich
auch für Guthaben aus Arbeitsleistungen, insbesondere Lohn (BGE 85 I
30/31). Vereinbart ein Zedent nach dem Abtretungsversprechen, aber noch
bevor er über den Lohn verfügen kann, mit seinem Arbeitgeber jedoch
ein Zessionsverbot, so wird die Abtretung künftiger Forderungen dem
Lohnschuldner gegenüber wirkungslos. Das ist jedenfalls dann anzunehmen,
wenn der Arbeitgeber vor der Entstehung der Lohnforderung keine Kenntnis
hat vom Abtretungsversprechen des Arbeitnehmers und auch nachher nicht
bereit ist, dem Versprechen zuzustimmen (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 20 zu
Art. 164 OR; VON TUHR/ESCHER, OR Allg. Teil II S. 348; BECKER, N. 44
zu Art. 164 OR). Die Beklagte konnte daher ein Zessionsverbot, wie es
in Ziff. 22 des Gesamtarbeitsvertrages für kaufmännische Angestellte
enthalten ist, mit Frau B. verabreden, ohne dass die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin der Auto AG aus dieser Abrede, geschweige denn aus
Ziff. 6 der "Zahlungsvereinbarung" vom 18. Mai 1983 etwas gegen die
Beklagte ableiten könnte.

    Die Klägerin wirft dem Handelsgericht mit Recht nicht vor, Art. 164
Abs. 1 OR verletzt zu haben. Sie macht hingegen geltend, das angefochtene
Urteil verstosse gegen Art. 152 und Art. 164 Abs. 2 OR sowie gegen Treu
und Glauben. Durch das der Abtretung nachgehende Zessionsverbot sei nicht
nur der Eintritt einer Bedingung im Sinne von Art. 152 Abs. 1 OR, sondern
auch die Schutzwirkung zugunsten des Zessionars gemäss Art. 164 Abs. 2 OR
vereitelt worden. Das Verbot sei deshalb ungültig und seine Durchsetzung
durch die Beklagte, die an "dieser infamen Bestimmung im genauen Wissen"
um die Folgen davon festhalte, rechtsmissbräuchlich. Damit setzt sich
die Klägerin wieder über tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz
hinweg und verkennt erneut, dass sie Ziff. 6 der "Zahlungsvereinbarung"
vom 18. Mai 1983 der Beklagten nicht entgegenhalten kann; diese hatte
keine Kenntnis vom Abtretungsversprechen der Frau B. und war daher frei,
mit der Arbeitnehmerin ein Zessionsverbot zu vereinbaren. Dass sie Frau
B. nicht nach einem solchen Versprechen gefragt hat, gereicht ihr nicht
zum Verschulden, ergibt folglich auch nichts für ein Verhalten wider Treu
und Glauben. Davon kann um so weniger die Rede sein, als die Beklagte Frau
B. nicht daran gehindert hat, die mit der Auto AG vereinbarten Raten zu
bezahlen; sie bestand bloss darauf, dass sie sich auf das Zessionsverbot
berufen könne, selber also nichts zur Befriedigung des Gläubigers zu
unternehmen habe.

    b) Die Klägerin versuchte ihre Rechtsauffassung schon im kantonalen
Verfahren damit zu verteidigen, dass der Arbeitgeber Art. 325 OR nicht
abändern (Art. 361 OR) und dem Arbeitnehmer nicht für die Dauer des
Arbeitsverhältnisses verbieten dürfe, Lohn als Sicherheit hinzugeben
oder zwecks Tilgung von Schulden abzutreten. Das Handelsgericht hält
diese Einwände unter Hinweis auf Rehbinder (N. 6 zu Art. 325 OR) und
SCHWEINGRUBER (N. 8 zu Art. 325 OR) mit Recht für unerheblich. Durch das
Zessionsverbot wurde hier der Schutz des Arbeitnehmers gemäss Art. 325 OR
nicht vermindert, und der Beklagten einen Verstoss gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB
vorzuwerfen, steht der Klägerin schlecht an, zumal das Arbeitsverhältnis
mit Frau B. bereits Ende Juli 1985 aufgelöst worden ist, also weniger
als 14 Monate gedauert hat.

    Das Handelsgericht verneinte bloss eine übermässige Bindung
der Frau B. infolge des Zessionsverbotes, befasste sich aber nicht
mit der Frage, ob Ziff. 6 der "Zahlungsvereinbarung" vom 18. Mai
1983 gegen deren Persönlichkeitsrecht verstiess. Wie es sich damit
verhielt, konnte die Vorinstanz in der Tat offenlassen, da sich die
Forderungsklage nicht gegen Frau B. richtet. Festzuhalten ist immerhin,
was das Bundesgericht der Klägerin am 17. Januar 1984 in einem ähnlichen
Fall entgegengehalten hat, nämlich dass die ihrem Schuldner auferlegte
Verpflichtung, inskünftig weder mit einem Arbeitgeber noch mit einem
andern Vertragspartner ein Zessionsverbot zu vereinbaren, zum vornherein
auf eine sachlich ungerechtfertigte Beschränkung der wirtschaftlichen
Freiheit hinauslaufe und deshalb nichtig sei; eine derartige Beschränkung,
den Arbeitsplatz frei zu wählen, erweise sich namentlich in Zeiten einer
unausgeglichenen Arbeitsmarktlage als unzumutbar. Auch daraus erhellt,
dass einem Arbeitgeber weder unerlaubtes oder sittenwidriges Handeln
im Sinne von Art. 41 OR noch Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden kann,
wenn er sich einer solchen Verpflichtung des Arbeitnehmers widersetzt,
nachdem er mit ihm ein Zessionsverbot vereinbart hat.