Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 235



112 II 235

41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Juni 1986 i.S. C.
gegen A. AG (Berufung) Regeste

    Art. 119, Art. 281ter OR. Unmöglichkeit der Erfüllung eines
Unterpachtvertrags infolge Verkaufs des Pachtgrundstücks zur
Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber. Schadenersatzanspruch des
Unterpächters.

    Der Pächter ist trotz der von ihm nicht zu vertretenden Unmöglichkeit
der Leistung zum Ersatz des Schadens des Unterpächters verpflichtet,
wenn er seinerseits einen gleichen Ersatzsanspruch gegen den Verpächter
besitzt (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die A. AG pachtete von der B. AG Teile eines
Landwirtschaftsbetriebs und gab sie mit Wirkung ab 14. März 1975 in
Unterpacht an C. Die B. AG verkaufte die Liegenschaft am 6. März 1981 an
die D. AG, welche das Land als Gärtnerei selbst bewirtschaften und daher
das Pachtverhältnis nicht übernehmen wollte.

    Die B. AG hatte schon vor dem Verkauf den Pachtvertrag mit der
A. AG erstmals am 27. November 1980 auf den 31. Mai 1981 und erneut am
18. Februar 1981 auf den 30. September 1981 gekündigt. Am 7. Dezember 1981
kündigte sie vorsorglich auch den Unterpachtvertrag mit C. auf den 14. März
1984. Die D. AG, die am 22. März 1982 als Eigentümerin im Grundbuch
eingetragen worden war, kündigte ihrerseits der A. AG den Pachtvertrag
am 26. Mai 1982 auf den 14. März 1983. Schliesslich kündigte auch die
Pächterin A. AG am 20. August 1982 den Unterpachtvertrag mit C. auf den
14. März 1983.

    In einem Befehlsverfahren zwischen C. und der D. AG schlossen die
Parteien im Juli 1982 vor dem Bezirksgerichtspräsidenten von Bremgarten
einen Vergleich. Danach hatte C. die Pachtobjekte spätestens Ende
Oktober 1982 zurückzugeben und für die Nutzung bis dahin Fr. 6.50 pro
Are zu bezahlen.

    B.- Am 4. Juli 1983 klagte C. gegen die A. AG gestützt auf den
Unterpachtvertrag auf Schadenersatz im Gesamtbetrag von Fr. 36'000.--
nebst Zins (Fr. 1'436.-- für die Pachtzinserhöhung bis Ende Oktober
1982 gemäss Vergleich mit der D. AG, Fr. 500.-- Rechtswahrungskosten
sowie rund Fr. 34'000.-- für entgangenen Ertrag aus Unterpacht für die
Zeit vom 1. November 1982 bis 14. März 1984). Die Beklagte bestritt die
Klage und erhob ihrerseits Widerklage auf Bezahlung von Fr. 20'752.--
nebst Zins für rückständigen Unterpachtzins.

    Das Bezirksgericht Bremgarten schützte am 5. Juli 1984 die Hauptklage
im Teilbetrag von Fr. 11'200.-- nebst Zins, während es die Widerklage
abwies. Die Parteien appellierten mit Bezug auf die Hauptklage an das
Obergericht des Kantons Aargau, das die Klage am 5. Juni 1985 abwies.

    C.- Auf Berufung der Klägerin hebt das Bundesgericht das
obergerichtliche Urteil auf und weist die Sache zur neuen Beurteilung im
Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil sowie in Einklang
mit Art. 23 ff. EGG und Art. 281ter OR gehen die Parteien davon aus,
dass ihr Unterpachtverhältnis erst auf den 14. März 1984 kündbar war,
dass aber die D. AG als Käuferin der Pachtobjekte den Pachtvertrag mit
der Beklagten bereits auf den 14. März 1983 auflösen konnte und aufgelöst
hat. Zu Recht betrachtet das Obergericht auf diesen Zeitpunkt auch den
Unterpachtvertrag infolge einer von der Beklagten nicht zu vertretenden
Unmöglichkeit der weiteren Erfüllung als aufgelöst (Art. 119 Abs. 1 OR);
weshalb die Beklagte als Pächterin den Verkauf der Pachtobjekte durch die
B. AG und den Nichteintritt der D. AG zu verantworten hätte, ist nicht
ersichtlich (im Unterschied etwa zu BGE 36 II 185 E. 3).

    Es ist daher zu untersuchen, inwiefern die Beklagte bei dieser
Sachlage der Klägerin für die Zeit vom 22. März 1982 bis 14. März 1984
ersatzpflichtig ist.

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht legt der Klägerin zur Last, dass diese am
12. Juli 1982 einen Vergleich mit der Käuferin D. AG abgeschlossen habe,
nach welchem sie bis Ende Oktober 1982 die Pachtobjekte zu einem höheren
Entgelt habe nutzen dürfen. Die Vorinstanz meint, die Klägerin hätte zuvor
der Beklagten Gelegenheit zur Intervention geben müssen, damit diese ihre
Rechte aus dem Pachtvertrag gegenüber der Verkäuferin B. AG oder gegenüber
der Käuferin D. AG hätte geltend machen können. Die Klägerin rechtfertigt
sich damit, dass ihr der Vergleich die Bewirtschaftung bis Ende Oktober
1982 erlaubt und daher zur Schadensminderung beigetragen habe. Für die
Beklagte ist dieses Vorgehen rätselhaft, weil die Unterpacht damals weder
wirksam aufgehoben noch auch nur gekündigt gewesen sei.

    Nachdem die Erwerberin D. AG das Pachtverhältnis mit Wirkung auf
den 14. März 1983 aufgehoben hatte (Art. 281ter Abs. 2 OR), hätte
die Klägerin von Gesetzes wegen bis zu diesem Zeitpunkt zum geltenden
Pachtzins im Genuss der Pachtobjekte belassen werden müssen (BGE 44 I 70;
OSER/SCHÖNENBERGER, N. 21 und BECKER, N. 14 zu Art. 259). Wenn die Klägerin
sich im Vergleich bereit fand, die Räumung bereits auf Ende Oktober 1982
anzuerkennen und bis dahin ein erhöhtes Entgelt zuzugestehen, war dies
ein Entgegenkommen an die D. AG, zu dem sie nicht verpflichtet war und
für welches die Beklagte nicht in Anspruch genommen werden kann. Die
Behauptung, die Beklagte habe sich diesbezüglich zu wenig gewehrt, geht
fehl, weil die Klägerin sich der neuen Eigentümerin gegenüber selbst auf
Art. 281ter Abs. 2 OR hätte berufen können. Insoweit erweist sich daher
der Ersatzanspruch der Klägerin im vornherein als unbegründet. Anders
verhält es sich für die Zeit vom 14. März 1983 bis zum 14. März 1984,
für welche die Klägerin ihren Unterpachtvertrag der Erwerberin gegenüber
nicht mehr durchsetzen konnte.

Erwägung 4

    4.- Insoweit begnügt sich das Obergericht mit der Begründung,
der Klägerin stehe der schuldlosen Beklagten gegenüber kein direkter
Schadenersatzanspruch zu, wohl aber besitze diese einen solchen Anspruch
gegen die B. AG, welche den bestehenden Pachtvertrag nicht der D. AG
überbunden und damit schuldhaft gehandelt habe. Die Klägerin habe das
Recht, sich diesen Schadenersatzanspruch abtreten zu lassen; da ein
solches Begehren nicht gestellt worden sei, sei darüber aber nicht zu
befinden und die Klage daher abzuweisen.

    a) Die Parteien stimmen darin überein, dass die Klägerin einen
Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung nur gegen die Beklagte,
nicht aber gegen die B. AG geltend machen kann. Die Klägerin meint
freilich, die B. AG treffe kein Verschulden, was indes unerheblich sei,
weil Art. 281ter OR eine Kausalhaftung statuiere. Das trifft nicht zu;
vielmehr folgt die Schadenersatzpflicht auch insoweit den allgemeinen
Regeln von Art. 97 ff. OR (SCHMID, N. 27 zu Art. 259 OR, REYMOND,
Gebrauchsüberlassungsverträge, in Schweiz. Privatrecht VII/1 S. 228
je mit Hinweisen). Wer wie die B. AG ein Pachtgrundstück verkauft,
ohne dem Erwerber die bestehenden Pachtverträge zu überbinden, handelt
schuldhaft (so schon BGE 28 II 283; vgl. auch SCHMID und REYMOND aaO sowie
GUHL/MERZ/KUMMER, OR, 7. Aufl., S. 371). Die Parteien des Kaufvertrags
haben dieser Situation Rechnung getragen, indem die Verkäuferin B.
AG allfällige Schadenersatzforderungen der Pächter wegen vorzeitiger
Vertragsauflösung zu übernehmen versprach.

    b) Unter Berufung auf die Lehre macht die Klägerin geltend, der
Gläubiger einer unmöglich gewordenen Leistung könne vom Schuldner, welcher
in diesem Zusammenhang Ersatz erhalten habe (Surrogat, stellvertretendes
Commodum), diesen Ersatzwert verlangen. Von ihr zu fordern, dass sie
zuerst in einem besonderen Prozess die Abtretung verlangen müsste, verkenne
materiellrechtliche und prozessuale Grundsätze und sei prozessökonomisch
unsinnig. Die Beklagte tritt auf diese Argumentation nicht ein, sondern
hält lediglich daran fest, dass sie den Unterpachtvertrag nicht verletzt
habe und daher nicht ersatzpflichtig sei.

    c) Die Klägerin kann sich für ihre Ansicht auf eine alte
Rechtsprechung des Bundesgerichts stützen. Danach hat Art. 119 OR
zwar den gemeinrechtlichen Anspruch auf das stellvertretende Commodum
nicht ausdrücklich übernommen; doch ergibt er sich aus dem Sinn der
Vorschrift. Wenn diese als Folge der Leistungsunmöglichkeit die Forderung
erlöschen lässt, will sie den Schuldner vor den nachteiligen Folgen
weiterer Gebundenheit schützen. Bringt der die Unmöglichkeit herbeiführende
Umstand dem Schuldner dagegen Vorteile in Gestalt eines Ersatzes oder
Ersatzanspruchs für den weggefallenen Leistungsgegenstand, so liegt eine
Befreiung nur dann im Sinn von Art. 119 OR, wenn der Schuldner die erlangte
Ersatzleistung an den Gläubiger herausgibt (BGE 51 II 175 E. 3: Anspruch
auf die Versicherungssumme bei Zerstörung des Kaufobjekts durch Brand;
43 II 233 E. 5: Anspruch auf die von den Militärbehörden ausgerichtete
Vergütung bei Beschlagnahmung des Kaufobjekts; ebenso BGE 46 II 436 E. 2,
wo aber ein Anspruch auf den Gewinn des Verkäufers infolge anderweitiger
Veräusserung des freigewordenen Kaufobjekts verneint wurde). Die in der
Berufung zitierte Lehre hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen
(insbesondere OSER/SCHÖNENBERGER, N. 14 zu Art. 119 OR, VON TUHR/ESCHER,
Allg. Teil OR, Bd. II, S. 131 f., GUHL/MERZ/KUMMER, S. 276, ENGEL, Traité
des obligations en droit suisse, S. 526 f., BUCHER, OR, Allg. Teil, S. 419
f., KELLER/SCHÖBI, Das Schweizerische Schuldrecht, Bd. IV, S. 187 f.).

    Der geschilderte Grundsatz gilt nicht nur, wenn der Schuldner die
Ersatzleistung bereits erhalten, sondern auch wenn er auf eine solche erst
Anspruch hat, namentlich auch im Fall eines Schadenersatzsanspruchs gegen
den Dritten bei Zerstörung oder Beschädigung der Sache durch unerlaubte
Handlung (BGE 46 II 437 E. 2; VON TUHR/ESCHER, S. 132, ENGEL, S. 526,
GUHL/MERZ/KUMMER, S. 276). Dabei wird angenommen, dass der Gläubiger
vom Schuldner die Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen könne (VON
TUHR/ESCHER, S. 131, ENGEL, S. 526, BUCHER, S. 419 Anm. 23). Entsprechend
sieht § 281 BGB ebenfalls vor, dass der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz
Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen kann. In diesem
Sinn wurde in BGE 51 II 171 ff. die Abtretung eines Versicherungsanspruchs
verlangt und im Urteil angeordnet (während in BGE 36 II 185 E. 3 eine
Abtretungsofferte aus andern Gründen ungenügend blieb).

    d) Die Klägerin behauptet zwar, mit ihrer Klage die Abtretung dieses
Schadenersatzsanspruchs verlangt zu haben, vermag dies jedoch nicht zu
belegen. Es ist eine Frage des kantonalen Rechts, ob ihr anstelle des
eingeklagten Geldbetrages die Forderung gegen die B. AG hätte zugesprochen
werden können; das Bundesrecht verlangt dies jedenfalls nicht. Die Frage
ist indes unerheblich, wie die nachfolgende Erwägung ergibt.

    e) Soweit sich die angeführte Rechtsprechung und Literatur mit
der Abtretung einer Schadenersatzforderung des Schuldners an den
Gläubiger der unmöglich gewordenen Leistung befassen, beziehen sich die
Äusserungen auf die Haftung des Dritten aus unerlaubter Handlung. Dabei
ist zweifelhaft, wieweit der Schaden beim Schuldner eingetreten ist
(dazu namentlich von TUHR/ESCHER, S. 132). Um so weniger lässt sich
das auf einen Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung übertragen,
wie er hier in Betracht kommt. Die Beklagte kann der B. AG gegenüber nur
insoweit einen Schaden geltend machen, als sie selbst von der Klägerin
in Anspruch genommen wird. Damit unterscheidet sich diese Situation
deutlich von der Abtretung etwa des bereits feststehenden Anspruchs auf
eine Versicherungsleistung (BGE 51 II 171 ff.). Da sich der Schaden
der Beklagten und damit ihr Ersatzanspruch gegen die B. AG erst aus
der Auseinandersetzung mit der Klägerin ergibt, erübrigt es sich auch,
aufgrund der Billigkeitsüberlegungen, die der erwähnten Rechtsprechung
zugrunde liegen (BGE 43 II 234, 51 II 176), den Umweg über eine Abtretung
einzuschlagen. Vielmehr ist die Beklagte zum Ersatz des Schadens der
Klägerin zu verpflichten, weil die Beklagte ihrerseits einen gleichen
Ersatzsanspruch gegen die B. AG besitzt, dessen Durchsetzung durch das
vorliegende Urteil erleichtert wird. Wie sich die Beklagte diesen Rückgriff
sichern will, bleibt ihr überlassen.

Erwägung 5

    5.- Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte (der kein eigentlicher
Schadenersatzanspruch, sondern ein Anspruch auf ein Surrogat ist) ist
daher dem Grundsatz nach begründet. Für die betragsmässige Beurteilung
fehlen dem Bundesgericht die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich
der Schadenshöhe. Das muss zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz führen (Art. 64 Abs. 1 OG).