Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 193



112 II 193

32. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juni 1986 i.S. Weltwoche Verlag
AG gegen Imbach-Reisen AG (Berufung) Regeste

    Recht auf Gegendarstellung (Art. 28 ff. ZGB).

    1. Entscheide betreffend das Gegendarstellungsrecht können beim
Bundesgericht mit Berufung angefochten werden (Erw. 1).

    2. Die Redaktion einer Zeitung ist befugt, dem Text der
Gegendarstellung eine (kleiner gedruckte) Bemerkung beizufügen, worin sie
das Institut der Gegendarstellung kurz erläutert und ausserdem erklärt,
dass offenbleibe, ob die Version des Gegendarstellungsberechtigten oder
diejenige der Zeitung die richtige sei (Erw. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Die Weltwoche Verlag AG in Zürich gibt eine Wochenzeitung mit
dem Titel "Die Weltwoche" heraus. Diese veröffentlichte in ihrer Ausgabe
Nr. 29 vom 18. Juli 1985 unter der Überschrift "Die Mafia auf Sizilien
wird zur Touristenattraktion - Schweizer Reisebüro als Pionier" und dem
darunter in Fettdruck gesetzten Titel "Im Revier der hinterhältigsten
Mörder" einen Artikel. Darin wurde der Imbach-Reisen AG, die in Luzern ein
Reisebüro betreibt, vorgeworfen, das Verbrechertum in Sizilien als makabre
Touristenattraktion als erste entdeckt zu haben und es ihren Kunden als
Urlaubskitzel anzubieten. Die Imbach-Reisen AG verlangte hierauf die
Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Die Weltwoche Verlag AG gab
diesem Ersuchen statt und veröffentlichte in ihrer Ausgabe Nr. 31 vom
1. August 1985 den Gegendarstellungstext, der mit dem Namen Werner Imbach
unterzeichnet war. Dem Text folgte eine kleingedruckte redaktionelle
Bemerkung folgenden Inhalts:

    "Laut Art. 28 ZGB hat jedermann, der sich durch eine Veröffentlichung
   in der "Weltwoche" direkt in seiner Persönlichkeit betroffen fühlt,

    Anspruch auf Gegendarstellung. Der Anspruch ist auf die Darstellung von

    Tatsachen beschränkt und gibt dem Betroffenen Gelegenheit zu einer
   sachbezogenen Wiedergabe seines eigenen Standpunktes. Die Frage, welche

    Version die richtige ist, bleibt offen."

    Mit Eingabe vom 14. August 1985 gelangte die Imbach-Reisen AG an das
Amtsgericht Luzern-Stadt und stellte gegenüber der Weltwoche Verlag AG
folgende Anträge:

    "1. Es sei festzustellen, dass der Artikel "Im Revier der
   hinterhältigsten Mörder, die Mafia wird zur Touristenattraktion -

    Schweizer Reisebüro als Pionier" von Johannes von Dohnanyi, den die

    Gesuchsgegnerin in der "Weltwoche" Nr. 29 vom 18. Juli 1985
   veröffentlichte, die Gesuchstellerin in ihrer Persönlichkeit unmittelbar
   betrifft und sie daher Anspruch auf Gegendarstellung hat.

    2. Es sei festzustellen, dass die Gegendarstellung der Gesuchstellerin
   zum Artikel "Im Revier der hinterhältigsten Mörder, die Mafia auf
   Sizilien wird zur Touristenattraktion - Schweizer Reisebüro als
   Pionier", die die

    Gesuchsgegnerin auf Seite 45 der "Weltwoche" Nr. 31 vom 1. August 1985
   veröffentlichte, mit einem gesetzeswidrigen Zusatz versehen war und
   damit nicht korrekt erfolgt ist.

    3. Die Gesuchsgegnerin sei unter Strafandrohung zu verpflichten, die

    Gegendarstellung der Gesuchstellerin nochmals zu veröffentlichen. Dabei
   sei ihr zu verbieten, dieser Gegendarstellung andere als in Art. 28 k

    Abs. 2 ZGB vorgesehene Erklärungen beizufügen."

    Die Beklagte beantragte, auf die ersten beiden Begehren sei nicht
einzutreten und das dritte sei abzuweisen.

    Mit Entscheid vom 9. September 1985 wies der Präsident II
des Amtsgerichtes Luzern-Stadt die klägerischen Rechtsbegehren ab,
soweit er darauf eintrat. Er betrachtete die der Veröffentlichung der
Gegendarstellung beigefügte redaktionelle Bemerkung als mit dem Gesetz
vereinbar und verneinte daher den von der Klägerin geltend gemachten
Anspruch auf nochmalige Publikation der Gegendarstellung.

    Am 14. November 1985 hiess das Obergericht (I. Kammer) des Kantons
Luzern einen Rekurs der Klägerin gegen den erstinstanzlichen Entscheid
gut und verpflichtete die Beklagte, die Gegendarstellung der Klägerin
ohne gesetzwidrigen Zusatz zu veröffentlichen.

    Gegen diesen Entscheid hat die Beklagte Berufung an das Bundesgericht
erhoben. Sie beantragt die vollumfängliche Abweisung der Klage.

    Die Klägerin stellt den Antrag, die Berufung sei abzuweisen und der
angefochtene Entscheid zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Beim Gegendarstellungsrecht gemäss den Art. 28 g - 28 l
ZGB handelt es sich um ein zivilrechtliches Mittel eigener Art, das
dem Schutz der Persönlichkeit gegenüber den periodisch erscheinenden
Medien dient; es gibt demjenigen, der durch Tatsachendarstellungen
in solchen Medien in seiner Persönlichkeit unmittelbar betroffen ist,
Anspruch auf Veröffentlichung einer eigenen Darstellung, ohne dass er
die Widerrechtlichkeit, insbesondere also die Unrichtigkeit der über ihn
verbreiteten Tatsachen nachweisen oder glaubhaft machen müsste. Wenn das
Medienunternehmen die Ausübung des Gegendarstellungsrechts verhindert, die
Gegendarstellung verweigert oder diese nicht korrekt veröffentlicht, kann
der Betroffene den Richter anrufen (Art. 28 l Abs. 1 ZGB). Hinsichtlich
des Verfahrens regelt das Bundesrecht den Gerichtsstand (Art. 28 l Abs. 2
ZGB: Wohnsitz des Klägers oder des Beklagten); ausserdem schreibt es vor,
dass der Richter unverzüglich aufgrund der verfügbaren Beweismittel zu
entscheiden habe und dass Rechtsmitteln keine aufschiebende Wirkung zukomme
(Art. 28 l Abs. 3 und 4 ZGB).

    b) Streitigkeiten über die gerichtliche Durchsetzung des Rechts auf
Gegendarstellung sind Zivilrechtsstreitigkeiten nicht vermögensrechtlicher
Natur (so TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, S. 215,
Rz. 1619; zum Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit vgl. BGE 109 II
27). Beim entsprechenden richterlichen Entscheid handelt es sich
sodann um einen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG. Dass er in einem
raschen Verfahren summarischer Art ergeht, ändert nichts daran, dass
er endgültigen, und nicht nur vorläufigen, Charakter hat (vgl. BGE 106
II 96 E. 1b). Über das Bestehen eines Anspruches auf Gegendarstellung
und über dessen Verwirklichung wird in der Tat unabhängig von der
Geltendmachung anderer Rechtsmittel zum Schutze der Persönlichkeit
definitiv entschieden. Das Gegendarstellungsrecht hat vor allem nicht
bloss den Charakter einer vorsorglichen Massnahme, was den Weiterzug an
das Bundesgericht auf dem Wege der Berufung ausschlösse. Dass Entscheide
über das Gegendarstellungsrecht mit dem Rechtsmittel der Berufung an
das Bundesgericht weiterziehbar sein sollen, entspricht denn auch der
Auffassung, die das Bundesamt für Justiz in seinem Zirkularschreiben
an die Kantone vom 16. April 1984 betreffend den Erlass kantonaler
Einführungsbestimmungen zum Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 vertreten
hat und die namentlich auch von TERCIER geteilt wird (aaO S. 228 f.,
Rz. 1735 ff.; siehe auch S. 290 f. bezüglich des erwähnten Zirkulars). Die
einzige Besonderheit des Verfahrens in Streitigkeiten der vorliegenden Art
besteht darin, dass gemäss Art. 28 l Abs. 4 ZGB der Berufung in Abweichung
von Art. 54 Abs. 2 OG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Eine solche
Wirkung kann ihr entgegen der in Art. 54 Abs. 3 OG vorgesehenen Regelung
auch nicht auf Gesuch hin durch den Abteilungspräsidenten verliehen werden.

Erwägung 2

    2.- Über den Inhalt der Veröffentlichung der Gegendarstellung bestimmt
Art. 28 k Abs. 2 ZGB folgendes:

    "Die Gegendarstellung ist als solche zu kennzeichnen; das

    Medienunternehmen darf dazu nur die Erklärung beifügen, ob es an seiner

    Tatsachendarstellung festhält oder auf welche Quellen es sich stützt."

    Mit der Kennzeichnung der Gegendarstellung als solche soll verhindert
werden, dass diese unbemerkt veröffentlicht wird. Im Interesse der
Wirksamkeit der Gegendarstellung muss diese sodann ohne Kommentar oder
Replik ("Redaktionsschwanz") veröffentlicht werden. Der Personenkreis,
der durch die Gegendarstellung erreicht wird, soll nach dem Grundsatz
der Waffengleichheit von der Erwiderung des in seiner Persönlichkeit
Betroffenen Kenntnis nehmen können, ohne dass diese Darstellung in ihrer
Wirkung durch eine gleichzeitige Stellungnahme des Medienunternehmens
abgeschwächt wird (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Änderung des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Persönlichkeitsschutz: Art. 28 ZGB
und 49 OR) vom 5. Mai 1982, BBl 1982 II S. 679). Zugelassen ist nach
dem Gesetz einzig die Erklärung, ob das Medienunternehmen an seiner
Darstellung der Tatsachen festhalte oder auf welche Quellen es seine
eigene Darstellung stütze. Diese Ausnahmen wurden erst nach Abschluss
des Vernehmlassungsverfahrens in den Gesetzesentwurf aufgenommen, nachdem
der Vorentwurf der Expertenkommission noch ein uneingeschränktes Verbot
jeglicher Entgegnung bei der Veröffentlichung der Gegendarstellung
vorgesehen hatte (vgl. TERCIER, aaO S. 212, Rz. 1591).

Erwägung 3

    3.- a) Streitig ist im vorliegenden Fall einzig, ob die Beklagte
die klägerische Gegendarstellung mit einem unzulässigen Zusatz versehen
habe. Sollte die Veröffentlichung in diesem Sinne nicht korrekt gewesen
sein, hätte dies nach Art. 28 l ZGB zur Folge, dass die Beklagte zur
nochmaligen Veröffentlichung der Gegendarstellung ohne den betreffenden
Zusatz zu verpflichten wäre, wozu sie vom Obergericht des Kantons Luzern
im Unterschied zum erstinstanzlichen Richter denn auch verurteilt worden
ist. Das Obergericht räumt in seinem Entscheid zwar ein, dass der
von der Beklagten beigefügte Zusatz, es bleibe offen, welche Version
die richtige sei, weniger weit gehe und insofern für den Betroffenen
günstiger sei als der gemäss Art. 28 k Abs. 2 ZGB zulässige, wonach
an der eigenen Tatsachendarstellung festgehalten werde. Es vertritt
dann aber die Auffassung, massgebend müsse nach dem Gesetzestext der
gesamte Eindruck sein, den die Veröffentlichung der Gegendarstellung dem
unbefangenen Durchschnittsleser vermittle. Unter diesem Gesichtspunkt
vermindere der Satz, dass offenbleibe, welche Version die richtige sei,
die Wirkung der Gegendarstellung. Die Verknüpfung dieses Satzes mit der
Wiedergabe der Voraussetzungen des Gegendarstellungsrechts relativiere die
Aussagekraft der Entgegnung der Klägerin. Der Gegendarstellung werde durch
den Zusatz der Beklagten ein vorläufiger Charakter verliehen, der ihr nach
dem Gesetz nicht zukomme. Die Erklärung der Beklagten erwecke nämlich
den Eindruck, bei der Entgegnung der Klägerin handle es sich um eine
erste Stellungnahme, über deren Wahrheitsgehalt der Richter entscheiden
müsse. Dies entspreche zwar der gesetzlichen Ordnung, doch schwäche
die von der Beklagten gewählte Formulierung die Unmittelbarkeit der
klägerischen Darstellung. Die Gegendarstellung könne die vom Gesetzgeber
gewollte Wirkung nur entfalten, wenn in jeder Beziehung wertungsfrei
Behauptung gegen Behauptung stehe. Art. 28 k Abs. 2 ZGB sei im Interesse
der mit dem Gegendarstellungsrecht bezweckten Waffengleichheit eng
auszulegen. Unzulässig seien insbesondere Formulierungen, die zu einer
Abschwächung der Gegendarstellung führten.

    b) Dem Obergericht ist darin beizupflichten, dass die Zulässigkeit
einer Erklärung des Medienunternehmens, die einer Gegendarstellung bei
deren Veröffentlichung beigefügt wird, nach einem strengen Massstab zu
beurteilen ist. Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 28 k Abs. 2 ZGB
ergibt, beruht die gesetzliche Regelung auf dem Grundsatz, dass die
Veröffentlichung der Gegendarstellung nicht mit einer gleichzeitigen
Stellungnahme (Gegen-Gegendarstellung) des Medienunternehmens verbunden
werden darf. Die Wirkung der Gegendarstellung darf durch die Beifügung
einer Erklärung des Medienunternehmens nicht über den vom Gesetz
zugelassenen Umfang hinaus geschmälert werden. Richtig ist auch die
Auffassung der Vorinstanz, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines
Zusatzes zur Gegendarstellung massgebend auf den Eindruck abzustellen
sei, den die Erklärung des Medienunternehmens auf einen unbefangenen
Durchschnittsleser mache.

    c) Die der Veröffentlichung der Gegendarstellung beigefügte
Erklärung der Beklagten, wonach die Frage, welche Version die
richtige sei, offenbleibe, geht inhaltlich weniger weit als das nach
dem Gesetz erlaubte Festhalten des Medienunternehmens an der eigenen
Tatsachendarstellung. Entgegen der Auffassung des Obergerichts wird
die Wirkung der Gegendarstellung auf den Durchschnittsleser durch die
erwähnte Erklärung nicht stärker beeinträchtigt als durch den im Gesetz
ausdrücklich vorgesehenen Zusatz. Die Vorinstanz hält freilich dafür,
dass vor allem auch die Verknüpfung der fraglichen Erklärung mit der
von der Beklagten beigefügten Erläuterung des Gegendarstellungsrechts
gesetzwidrig gewesen sei.

    Das Medienunternehmen darf der Veröffentlichung der Gegendarstellung
grundsätzlich nichts anderes beifügen als die im Gesetz ausdrücklich
vorgesehenen Erklärungen (vgl. TERCIER, aaO S. 212, Rz. 1595). Auch die
Wiedergabe von Gesetzesbestimmungen über das Gegendarstellungsrecht
ist nicht unbeschränkt zulässig. Die beiden im Anschluss an die
Ausführungen der Klägerin veröffentlichten Sätze über das Wesen
des Gegendarstellungsrechts stehen nun aber in einem engen inneren
Zusammenhang mit der als zulässig zu betrachtenden Erklärung, dass
offenbleibe, welche Version die richtige sei. Dem Leser wollte mit den
beiden einleitenden Sätzen verständlich gemacht werden, dass mit der
Veröffentlichung der Gegendarstellung einem gesetzlichen Anspruch der
Klägerin Folge geleistet, die Frage der Richtigkeit der ursprünglichen
Tatsachendarstellung damit aber nicht präjudiziert werde. Eine solche
Erläuterung des Gegendarstellungsrechts ist nicht zu beanstanden.

    Die Klägerin erblickt eine Unkorrektheit darin, dass die Beklagte
ausgeführt habe, der Anspruch auf Gegendarstellung stehe demjenigen zu,
der sich durch die Veröffentlichung direkt in seiner Persönlichkeit
betroffen "fühle". Damit werde der Eindruck erweckt, die Betroffenheit
beruhe nur auf einem subjektiven Gefühl der Klägerin. Dieser Auffassung
kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat dadurch, dass sie sich zur
Veröffentlichung der klägerischen Gegendarstellung bereit erklärte, zum
Ausdruck gebracht, dass sie den Gegendarstellungsanspruch als solchen
anerkennt und dass das Gefühl der Klägerin, durch den seinerzeitigen
Artikel in der "Weltwoche" in ihrer Persönlichkeit unmittelbar betroffen
worden zu sein, somit objektiv gerechtfertigt war. Entscheidend ist
aber, dass die Wirkung der Gegendarstellung durch die Formulierung des
strittigen Zusatzes nicht in unzulässiger Weise vermindert wurde. Die
Erklärung des Medienunternehmens ist weder inhaltlich noch äusserlich -
der redaktionelle Zusatz ist erheblich kleiner gedruckt als der Text
der Gegendarstellung - geeignet, das Gewicht der Gegendarstellung zu
vermindern oder den bei der Leserschaft durch diese hervorgerufenen
Eindruck zu verfälschen. Die Vorinstanz hat die Beklagte deshalb zu
Unrecht verpflichtet, die klägerische Gegendarstellung - unter Weglassung
der strittigen Nachbemerkung - nochmals zu veröffentlichen.