Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 131



112 II 131

24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1986 i.S. Frau X. gegen
Schweizerische Eidgenossenschaft (Direktprozess) Regeste

    Art. 47 OR. Höhe der Genugtuungssumme.
       1. Art. 28 Abs. 1 MO. Zuständigkeit des Bundesgerichts zur
       Beurteilung von
Personenschäden, die ein Wehrmann einem Dritten zufügt (E. 1).
       2. Grundsätze und Anhalte für die Bemessung der Genugtuungssumme in
schweren Fällen (E. 2); Beispiele aus der neuesten Rechtsprechung (E. 3).
       3. Umstände, welche wegen der Art der Verletzungen und deren
       Auswirkungen
auf die Persönlichkeit des Betroffenen eine verhältnismässig hohe
Genugtuungssumme rechtfertigen (E. 4).

Sachverhalt

       A.- Das Luftschutzregiment 41 befasste sich am 29. Mai
1978 in Thalwil mit dem Abbruch eines Fabrikgebäudes. Um zwei
Stahlgusssäulen, die als Stützpfeiler dienten, zum Einsturz zu bringen,
liess Oberleutnant A. im Innern der Säulen je eine verdämmte Ladung
anbringen. Als die Ladungen auf Zündung hin explodierten, flog unter
anderen ein 83 Gramm schwerer Metallsplitter etwa 40 m weit, durchschlug
das Fenster einer Wäscherei und zerschmetterte der Frau X., die an
einer Maschine arbeitete, das Gesicht. Frau X. erlitt insbesondere
eine Ober- und Unterkiefer- sowie eine Jochbeinfraktur, Verletzungen
am rechten Auge, an den Weichteilen des Gesichts und an der Zunge sowie
eine Hirnquetschung. Sie ist auf dem rechten Auge erblindet und dauernd
invalid. Ihr Gesicht bleibt trotz zahlreicher Operationen und plastischer
Eingriffe für immer arg entstellt.

    Das Divisionsgericht 11 verurteilte Oberleutnant A. am 29. Juni
1979 wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung
durch Sprengstoffe zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von
zwanzig Tagen. Es hielt das Verschulden des Angeklagten für erheblich,
weil er die vorgeschriebenen Sicherheitsmassnahmen völlig ausser acht
gelassen habe, obschon er gut ausgebildet worden sei und als Offizier
der Luftschutztruppen einen gelben Sprengausweis erworben habe.

    B.- Frau X. ist 1940 geboren, seit 1964 verheiratet und Mutter von
drei Kindern im Alter von 21, 15 und 11 Jahren. Sie erhielt von der
Schweizerischen Eidgenossenschaft neben Schadenersatzleistungen, die
nicht streitig sind (vgl. BGE 111 Ib 194, Fr. 60'000.-- Genugtuung. Mit
Klage vom 31. Oktober 1985 beantragte sie dem Bundesgericht, die
Eidgenossenschaft zur Zahlung von weiteren Fr. 140'000.-- Genugtuung
nebst 5% Zins seit 29. Mai 1978 zu verurteilen. Die Klägerin berief sich
in der Sache auf Art. 47 OR und prozessual auf Art. 41 lit. b OG.

    Die Beklagte beantragte in der Antwortschrift, die Klage abzuweisen.
       Ein weiterer Schriftenwechsel fand nicht statt. Der
       Instruktionsrichter
hat die Herausgabe der Akten verfügt, welche über den Sprengunfall
bereits bestanden. Von einer mündlichen Vorbereitungsverhandlung hat er
im Einverständnis mit den Parteien abgesehen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die sachliche Zuständigkeit des Bundesgerichts ist
unbestritten. Sie ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin aber
nicht aus Art. 41 lit. b OG, sondern aus Art. 28 Abs. 1 MO. Nach dieser
Bestimmung entscheidet das Bundesgericht als einzige Instanz über streitige
Ansprüche gegen den Bund aus Personenschäden; dazu gehört insbesondere
Schaden, den ein Wehrmann in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit
Dritten widerrechtlich zufügt (Art. 22 Abs. 1 MO). Der Bund wird dabei
durch die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung vertreten, die
solche Ansprüche zu behandeln hat (Art. 104 Abs. 1 des Beschlusses der
Bundesversammlung über die Verwaltung der schweizerischen Armee). Davon
geht auch die Klägerin aus.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 47 OR, der gemäss Art. 27 Abs. 1 MO bei der
Festsetzung der Entschädigung sinngemäss anwendbar ist, kann der Richter
bei Körperverletzung "unter Würdigung der besonderen Umstände" dem
Verletzten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Dass die
Voraussetzungen einer Zusprechung hier gegeben sind, ist offensichtlich
und von der Beklagten schon durch die Zahlung von Fr. 60'000.-- anerkannt
worden. Streitig ist bloss, in welchem Umfang die Genugtuungsleistung
geschuldet ist. Die Höhe der Summe, die als Abgeltung erlittener
Unbill in Frage kommt, lässt sich naturgemäss nicht errechnen, sondern
bloss abschätzen. Dabei kommt es vor allem auf die Art und Schwere
der Verletzung, die Intensität und die Dauer der Auswirkungen auf die
Persönlichkeit des Betroffenen sowie auf den Grad des Verschuldens an,
das den Schädiger am Unfallereignis trifft (BGE 108 II 432 E. 5, 107 II
349 E. 6 mit Hinweisen; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht,
I. S. 320 ff.; VON TUHR/PETER, OR I S. 128/29; GUHL/MERZ/KUMMER,
OR 7. Aufl. S. 59; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 ff. zu Art. 47 OR);
das Verschulden des Schädigers kann selbst bei reinen Kausalhaftungen
mitberücksichtigt werden (BGE 104 II 263 E. 5, 102 II 243 E. 7).

    Nach der neuesten Rechtsprechung pflegt das Bundesgericht im Rahmen
seines Ermessens die Genugtuungssumme in schweren Fällen erheblich höher
anzusetzen als früher und erhöhte Summen, die von Vorinstanzen zugesprochen
werden, eher als angemessen zu bestätigen. Damit soll einerseits der
Geldentwertung vermehrt Rechnung getragen und anderseits den kantonalen
Gerichten erlaubt werden, die verschiedenen Grade seelischer Unbill in
einem erweiterten Rahmen differenzierter zu bewerten (BGE 107 II 349). Da
die Bemessung der Genugtuungssumme von den besonderen Umständen des
einzelnen Falles abhängt und sich nicht beliebige Unfallfolgen miteinander
vergleichen lassen, geht es freilich nicht an, allgemeingültige oder
gar starre Regeln aufstellen und ein für allemal feste Grenzen ziehen
zu wollen. Anhand konkreter Fälle lassen sich aber Massstäbe setzen,
die in anderen, einigermassen vergleichbaren Fällen Anhalt für die
Bemessung sein können. Anlass zu einer Erweiterung des Rahmens und zu
einer feineren Aufgliederung besteht um so mehr, als die meisten Fälle,
sei es gerichtlich oder aussergerichtlich, durch Vergleich erledigt werden.
Schliesslich ist stets im Auge zu behalten, dass die Genugtuungsleistung
als Wiedergutmachung immaterieller Unbill zu verstehen ist, die sich aber
nicht in Geld umsetzen lässt, folglich immer nur ein ungefährer Ausgleich
für Schmerzen, Leid und andere Beeinträchtigungen des körperlichen oder
seelischen Wohlbefindens sein kann (OFTINGER, I. S. 289).

Erwägung 3

    3.- Aus der neuesten Rechtsprechung sind vorweg zwei Fälle von je
Fr. 100'000.-- Genugtuung zu erwähnen. Im einen ging es um ein 15jähriges
Mädchen, das wegen Kunstfehler eines Anästhesiearztes schwere Gehirnschäden
erlitt, zeitlebens schwachsinnig und an allen vier Gliedmassen gelähmt
sein wird und intensiver Pflege bedarf. Das Bundesgericht hielt den Betrag
selbst dann für angemessen, wenn er wegen fehlender Fähigkeit des Opfers,
sich über seinen Zustand Rechenschaft zu geben, herabzusetzen gewesen wäre
(BGE 108 II 432 E. 5). Der andere Fall betraf ein zweijähriges Mädchen,
das wegen grobfahrlässigen Verhaltens eines Fahrers ein schweres Hirntrauma
mit Schädelbasisfraktur sowie eine Querschnitt- und Atemlähmung erlitt,
mit einem Atmungsgerät lebt und immer im Krankenhaus bleiben muss. Der
Betrag wurde in einem Direktprozess vom Haftpflichtigen vergleichsweise
anerkannt (Entscheid vom 15. Oktober 1981 i.S. Schachtler gegen Waadt).

    In zwei weiteren Fällen wurden je Fr. 60'000.-- Genugtuung
zugesprochen. Im ersten führten schwere Sturzverletzungen eines
19jährigen Dachdeckergehilfen zu einer Lähmung der beiden Körperseiten
sowie der Verdauungs- und Sexualorgane; die Lähmung liess auf längere
und häufige Spitalaufenthalte und eine um 10% verkürzte Lebenserwartung
schliessen. Im zweiten erlitt ein 48jähriger Bauarbeiter eine offene
Schädelverletzung mit Gehirnbreiaustritt, ein psychoorganisches Syndrom
und eine linksseitige Lähmung, weshalb er vollinvalid und dauernd an
den Rollstuhl gebunden ist. Dazu kam im ersten ein grobes, im zweiten
ein mittelschweres Verschulden des Schädigers nebst je einem leichten
Selbstverschulden. Weil es sich um vergleichbare Fälle handelte, hat das
Bundesgericht im zweiten die Genugtuung auf Berufung hin von Fr. 35'000.--
auf Fr. 60'000.-- erhöht (BGE 107 II 349 und das dort zitierte Urteil).

    Auf Anschlussberufung hin hat das Bundesgericht in einem weiteren
Fall die Genugtuung von Fr. 20'000.-- auf Fr. 30'000.-- erhöht. Es ging
um einen 45jährigen Zugführer, der infolge ausschliesslichen Verschuldens
eines Lastwagenführers ein Schädeltrauma mit starker Hirnerschütterung,
eine Oberschenkel- und eine Tibiafraktur sowie Atmungsstörungen erlitt,
während zehn Monaten im Spital lag, vier Monate lang der Nachbehandlung
bedurfte, wegen Teilinvalidität vorzeitig pensioniert wurde und einem
ständigen seelischen Druck ausgesetzt blieb, weil er seine Gewohnheiten und
Lebensweise stark ändern musste (Urteil vom 22. Mai 1984 i.S. Secura gegen
Giroud, E. 4). Auf Berufung der Versicherung hat das Bundesgericht in
einem andern Fall dagegen die von der Vorinstanz zugesprochene Genugtuung
von Fr. 50'000.-- auf Fr. 40'000.-- herabgesetzt. Die 53jährige Klägerin
litt infolge eines Autounfalles, an dem sie keine Schuld traf, an schweren
Gedächtnis- und Denkstörungen, an Depressionen und weiteren psychischen
Beschwerden, die ihre Persönlichkeit auffallend veränderten und sie
zwangen, eine erfolgreiche Berufstätigkeit endgültig aufzugeben; es war
aber eine unfallfremde Prädisposition anzunehmen (Urteil vom 7. Oktober
1982 i.S. Winterthur gegen Wullimann).

Erwägung 4

    4.- Der vorliegende Fall ist wegen der Art der Verletzungen und deren
Auswirkungen auf die Persönlichkeit der Klägerin ohne Zweifel den schweren
Lebensbeeinträchtigungen zuzurechnen. Die Klägerin erfreute sich vor
dem Unfall körperlicher und geistiger Gesundheit und war von gefälligem
Aussehen. Durch den Unfall ist sie über ihre äussere Erscheinung hinaus
in ihrer körperlichen und seelischen Integrität schwer getroffen worden,
hat wichtige Vorteile und Fähigkeiten ihrer Persönlichkeit ganz oder
teilweise eingebüsst, ihre Identität weitgehend verloren. Diese Umstände
fallen bei der Bemessung der Genugtuung besonders ins Gewicht und sind
daher vorweg zu berücksichtigen.

    a) Das Nachbehandlungszentrum Bellikon der SUVA hat dem Bundesamt
für Militärversicherung am 27. April 1984 über die Unfallfolgen und
den damaligen Zustand der Klägerin berichtet. Die Gutachter stellten
eine posttraumatische mittelschwere bis schwere Hirnleistungsschwäche
und Wesensveränderung mit direkter psychischer Traumatisierung fest;
die Patientin wirke grob depressiv und verlangsamt, verhalte sich aber
adäquat. Neurologisch habe sich die Situation verglichen mit dem Zustand
nach der Behandlung vom Herbst 1981 kaum verändert. Durch die vielen
plastischen Eingriffe, die teils noch bevorständen, hätten sich die
Symptome eher noch verstärkt, da die Patientin die psychischen Probleme
wegen ihrer Wesensveränderung nur schlecht in den Griff bekomme. Die
Hirnleistungsschwäche und die Wesensveränderung liessen auf eine
mittelschwere Hirnfunktionsstörung schliessen und gehörten zusammen
mit einer echten Unfallneurose und der depressiven Verstimmung zu den
Dauerschäden. Die Gutachter hielten ferner fest, dass die Patientin
infolge Verletzung von Hirnnerven den Geruchsinn ganz und den Geschmacksinn
teilweise verloren habe, auf dem rechten Auge erblindet, ihr Sehvermögen
links durch eine Linsentrübung geschwächt sei und sich wahrscheinlich
weiter verschlechtern werde.

    Dazu kommt, dass das Mittelgesicht der Klägerin, das samt der Nase
durch den Metallsplitter zertrümmert worden ist, trotz wiederholter
Rekonstruktionen der Jochbeinpartie und des Oberkiefers sowie trotz
mehrerer Nasenkorrekturen und Transplantationen dauernd sehr entstellt
bleibt. Das gilt insbesondere für die rechte Gesichtshälfte, die durch die
Schielstellung des erloschenen Auges zusätzlich verunstaltet wird. Die
Klägerin hat ausserdem oben alle natürlichen Zähne verloren und hat nun
infolge der Gesichtszertrümmerung einen Kreuzbiss. Die Gutachter hielten
es im April 1984 für unwahrscheinlich, dass der Oberkiefer der Klägerin
chirurgisch wiederhergestellt werden könne. Sie schlossen schliesslich
eine berufliche Wiedereingliederung oder eine Umschulung aus; die Patientin
müsse vielmehr als vollinvalid bezeichnet werden.

    b) Die Auswirkungen der Dauerschäden auf das tägliche Leben der
Klägerin ergeben sich vor allem aus einem Bericht des Bundesamtes für
Militärversicherung vom 18. November 1982. Danach war die Patientin
damals beim Essen, Trinken und Atmen stark behindert und konnte wegen
Kauunfähigkeit praktisch nur Weichspeisen zu sich nehmen. Obschon sie
nur langsam trank, verschüttete sie vieles; für eine normale Mahlzeit
benötigte sie über eine Stunde. Leichtere Haushaltarbeiten konnte sie
zwar selbständig verrichten, blieb im übrigen aber stets auf die Hilfe
ihrer Familienangehörigen angewiesen. Daran hat sich nach Berichten,
die dem Gutachten vom 27. April 1984 zugrunde lagen, auch nachher
kaum etwas geändert; die Patientin bedurfte weiterhin der täglichen
Unterstützung durch Dritte. Ihr arg entstelltes Gesicht, mit dem sie auf
der Strasse Aufsehen oder Widerwillen erregte, sowie ihre Schwierigkeiten,
sauber zu essen und sich ausserhalb der Wohnung ungezwungen zu benehmen,
veranlassten sie, zuhause zu bleiben statt auszugehen und soziale Kontakte
zu pflegen. Ihre Vereinsamung wird nur durch die sozial gute Integration
innerhalb der Familie etwas gemildert.

    Nicht zu übersehen sind schliesslich das Ausmass körperlicher
Schmerzen, die Beeinträchtigung des Lebensgenusses und die empfindliche
Verminderung der Lebensfreude samt ihren weiteren Auswirkungen, auch
künftigen. Die Klägerin hatte sich bisher 30 Operationen und plastischen
Eingriffen zu unterziehen, deren Narkosewirkungen ihr nach glaubwürdiger
Darstellung oft monatelang Beschwerden verursachten und vor denen sie
mehr und mehr Angst bekam. Dazu kommen, wie aus den Berichten vom April
1984 über die Ergotherapie und die neurologischen Befunde erhellt,
chronische Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und starke Wechsel im
Allgemeinbefinden, ferner die rasche Ermüdbarkeit, die aussergewöhnliche
Verlangsamung und Konzentrationsschwäche als Wirkungen der gestörten
Hirnfunktionen, die im tiefsten Messbereich liegen. Daneben finden sich
Anzeichen der posttraumatischen Wesensveränderung (Antriebslosigkeit,
Apathie, Affektverflachung, verminderte Anpassungsfähigkeit, kindliche
Wesenszüge). Kennzeichnend für die Wesensveränderung sind auch die
psychischen Folgen des Unfallereignisses und der bleibenden schweren
Gesichtsentstellung, weil sie die Patientin in ihrem Selbstwertgefühl als
Frau treffen und sie depressiven Verstimmungen aussetzen, ihre Leistungen
hemmen und ihr in ungewohnter Umgebung, namentlich im Strassenverkehr,
Angst verursachen. Auch daran hat sich seit 1981 kaum etwas geändert;
die vielen Eingriffe haben die Symptome der Wesensveränderung eher noch
verstärkt. Die Gutachter fügten denn auch bei, mit einer Besserung oder
Angewöhnung sei nicht zu rechnen.

    c) Bei einer solchen Häufung besonders tragischer Unfallfolgen fällt
das strafbare Verhalten von Oberleutnant A. als Bemessungsfaktor nicht
mehr besonders ins Gewicht. Das heisst allerdings nicht, sein Verschulden
lasse sich verharmlosen; angesichts seiner Ausbildung und Stellung als
verantwortlicher Sprengoffizier sowie der Art der Abbruchsprengung
innerorts erweisen seine Unterlassungen sich vielmehr als grobe
Fahrlässigkeit (vgl. BGE 111 Ib 197 E. 4).

    Entgegen den Einwänden der Beklagten kommt zudem nichts darauf an, ob
Oberleutnant A. als Organ der Eidgenossenschaft oder bloss als Angehöriger
der Armee gehandelt habe; sein Verschulden ist der Beklagten so oder anders
wie ein eigenes anzurechnen, bei der Bemessung der Genugtuung folglich
zu berücksichtigen. Inwiefern darin eine gefährliche Abkehr von der
Organtheorie und damit von der bisherigen Rechtsprechung liegen soll, ist
nicht zu ersehen. Das ergibt sich insbesondere nicht aus BGE 107 II 496
E. 5b, wo es um die Bedeutung des Verschuldens im Falle eines Regresses auf
eine kausalhaftpflichtige juristische Person ging. Die Klägerin macht keine
Regressforderung geltend, sondern beansprucht Genugtuung für immateriellen
Schaden, den ihr ein Wehrmann in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit
widerrechtlich zugefügt hat und für den die Beklagte ohne Rücksicht auf
das Verschulden des Schädigers direkt haftet (Art. 22 Abs. 1 MO).

    d) Die physischen und psychischen Lebensbeeinträchtigungen der
Klägerin infolge des Sprengunfalls wiegen so schwer, dass sie sich
entgegen der Annahme der Beklagten nicht mit Fr. 60'000.-- Genugtuung
abgelten lassen. Angesichts der neuesten Rechtsprechung, wonach in
schweren Fällen die Genugtuungsleistung erheblich höher anzusetzen ist als
früher, rechtfertigt sich vielmehr ein Betrag von über Fr. 100'000.--;
das Gericht hält in Würdigung der besonderen Umstände des Falles eine
Summe von Fr. 110'000.-- für angemessen. Die Klägerin hat daher, nachdem
sie bereits Fr. 60'000.-- erhalten hat, noch Anspruch auf Fr. 50'000.--,
die seit dem Tag des Unfalles mit 5% zu verzinsen sind.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird teilweise gutgeheissen und die Beklagte verpflichtet,
der Klägerin Fr. 50'000.-- nebst 5% Zins seit 29. Mai 1978 zu bezahlen.