Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 9



112 III 9

4. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Januar 1986 i.S. M. gegen Kanton
Basel-Stadt und Appellationsgericht (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Gerichtsstand für die Rechtsöffnung.

    Örtlich zuständig für die Rechtsöffnung ist grundsätzlich der Richter
des Ortes, wo die Betreibung angehoben wurde. Hat der Betriebene inzwischen
den Wohnsitz verlegt, so ist das Rechtsöffnungsgesuch beim Richter
des neuen Wohnsitzes zu stellen, sofern der Betriebene dem Gläubiger
die Wohnsitzverlegung angezeigt oder dieser sonstwie davon erfahren
hat. Auch in diesem Fall bleibt jedoch der Richter des ursprünglichen
Betreibungsortes zuständig, wenn sich der Betriebene nicht darauf beruft,
er habe seinen Wohnsitz seit Anhebung der Betreibung verlegt (Präzisierung
der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Mit Zahlungsbefehl vom 3. Juli 1984 betrieb der Kanton
Basel-Stadt, vertreten durch die Finanzverwaltung, M. für eine
Forderung von Fr. 437.-- nebst Kosten. Am 11. Juni 1985 erteilte der
Zivilgerichtspräsident Basel-Stadt dem Gläubiger für den genannten Betrag
die provisorische Rechtsöffnung. Dagegen beschwerte sich der Schuldner beim
Appellationsgerichtsausschuss des Kantons Basel-Stadt. Er machte geltend,
der Basler Richter sei für die Rechtsöffnung nicht zuständig gewesen,
da er seinen Wohnsitz nach Münchenstein verlegt habe; der Gläubiger habe
von seinem Wohnsitzwechsel Kenntnis gehabt, da er sich vor seinem Wegzug
beim Finanzamt habe abmelden müssen. Mit Entscheid vom 12. August 1985
wies der Appellationsgerichtsausschuss die Beschwerde ab. Gegen diesen
Entscheid hat M. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4,
58 und 59 BV erhoben. Das Appellationsgericht beantragt die Abweisung
der Beschwerde, während sich der Kanton Basel-Stadt nicht vernehmen liess.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Obwohl das SchKG diesbezüglich keine ausdrückliche Vorschrift
enthält, hat die Rechtsprechung seit jeher angenommen, der Gerichtsstand
für das Rechtsöffnungsverfahren sei bundesrechtlich geregelt, und zwar
in dem Sinne, dass Rechtsöffnungsgesuche grundsätzlich beim Richter des
Betreibungsortes anzubringen sind (BGE 76 I 47/48 E. 2). Die Verletzung
bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschriften kann mit staatsrechtlicher
Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. d OG gerügt werden, wobei dem
Bundesgericht freie Kognition zukommt. Dass sich der Beschwerdeführer in
erster Linie auf Art. 4 BV beruft, schadet ihm nicht, da die Rüge der
Willkür diejenige der einfachen Rechtsverletzung mitumfasst. Art. 59
BV, auf den sich der Beschwerdeführer ebenfalls beruft, kann gegenüber
einer eidgenössischen Gerichtsstandsbestimmung nicht angerufen werden
(BGE 109 Ia 54), und Art. 58 BV hat in diesem Zusammenhang ohnehin keine
selbständige Bedeutung.

Erwägung 2

    2.- Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung ist die Rechtsöffnung
grundsätzlich dort nachzusuchen, wo die Betreibung angehoben wurde, und
zwar selbst dann, wenn dies nicht am richtigen Ort geschah, der Schuldner
aber dagegen nicht rechtzeitig Beschwerde erhoben hat. Die gegenüber
dem Zahlungsbefehl versäumte Unzuständigkeitseinrede ist auch für das
am gleichen Ort angehobene Rechtsöffnungsverfahren verwirkt. Verlegt
der am richtigen Ort betriebene Schuldner seinen Wohnsitz vor dem
Rechtsöffnungsverfahren, so ist das Rechtsöffnungsbegehren grundsätzlich
beim Richter des neuen Wohnsitzes zu stellen, denn der allgemeine
Betreibungsort ist, wie sich aus Art. 53 SchKG ergibt, während des
Einleitungsverfahrens mit Einschluss des Rechtsöffnungsverfahrens
veränderlich und folgt dem jeweiligen Wohnsitz des Schuldners. Das
Bundesgericht hat jedoch präzisiert, dem Schuldner könne füglich zugemutet
werden, sich trotz Wohnsitzverlegung noch am alten Betreibungsort
auf Rechtsöffnung belangen zu lassen, falls er dem Gläubiger die
Wohnsitzverlegung nicht angezeigt und dieser auch nicht sonstwie
nachweislich davon erfahren habe. Der Schuldner müsse darauf gefasst
sein, dass der Gläubiger gegenüber dem durch Rechtsvorschlag bestrittenen
Zahlungsbefehl Rechtsöffnung verlangen werde. Lasse er es darauf ankommen,
dass der Gläubiger die Rechtsöffnung am alten Betreibungsort verlange, so
sei Verwirkung der Unzuständigkeitseinrede für dieses Inzidentalverfahren
der Betreibung anzunehmen, es wäre denn, der Gläubiger habe nicht in guten
Treuen gehandelt, sich also über den ihm irgendwie bekannt gewordenen
neuen Betreibungsort geflissentlich hinweggesetzt (BGE 76 I 49/50).

    Das Appellationsgericht hält diese Voraussetzung nicht für
erfüllt. Es führt aus, zwar sei richtig, dass Kantonseinwohner beim
Wegzug auf der Steuerverwaltung einen Abmeldeschein beziehen müssten,
was der Verwaltung Gelegenheit gebe, vom neuen Wohnsitz des Betreffenden
Kenntnis zu nehmen. Im vorliegenden Fall sei jedoch zu beachten,
dass es sich bei der in Betreibung gesetzten Forderung nicht um eine
Steuerforderung handle, die mit der Abmeldung des Beschwerdeführers von
Basel fällig geworden sei. Vielmehr gehe es um Steuern des Bezugsjahres
1973, für die im Jahre 1975 ein Verlustschein ausgestellt worden sei. Für
das Inkasso derartiger Verlustscheinsforderungen sei jedoch nicht die
Steuerverwaltung, sondern die Finanzverwaltung zuständig. Diese habe aber
nicht unmittelbar Kenntnis vom neuen Wohnort des Schuldners gehabt. Es
bestünden somit keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gläubiger
geflissentlich und in Verletzung von Treu und Glauben über den neuen
Wohnsitz des Beschwerdeführers hinweggesetzt habe, auch wenn einzelne der
kantonalen Abteilungen und Departement vom Wegzug des Schuldners Kenntnis
gehabt hätten. In der Einreichung des Rechtsöffnungsbegehrens in Basel
sei somit keine Schikane seitens des Beschwerdegegners zu erblicken.

    Diese Begründung vermag nicht voll zu überzeugen. Gläubiger der
in Betreibung gesetzten Forderung ist ja nicht die Finanzverwaltung
des Kantons Basel-Stadt, sondern der Kanton Basel-Stadt selber. Nach
allgemeiner Regel wäre aber anzunehmen, dass dieser sich das Wissen seiner
einzelnen Verwaltungsabteilungen um den Wohnsitz des Beschwerdeführers
anzurechnen hat. Das gilt um so mehr, als es sich bei der Steuerverwaltung
und der als Vertreterin des Kantons auftretenden Finanzverwaltung
nicht um zwei grundverschiedene Verwaltungszweige handelt; die beiden
Verwaltungsabteilungen haben denn auch die gleiche Adresse, wie sich aus
der im kantonalen Verfahren eingereichten Vernehmlassung ergibt. Dazu
kommt, dass sich der Beschwerdeführer nach der unbestrittenen Behauptung
in der Beschwerdeschrift auch bei der Einwohnerkontrolle abgemeldet hatte,
also bei der zur Entgegennahme von Adressänderungsmeldungen zuständigen
Amtsstelle. Man kann sich daher fragen, ob der Beschwerdegegner im Sinne
der erwähnten Rechtsprechung nicht doch Kenntnis vom neuen Wohnsitz des
Beschwerdeführers hatte.

    Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben,
da die Zuständigkeit des Basler Rechtsöffnungsrichters aus einem
andern Grund zu bejahen ist. Hat sich nämlich der Schuldner nach dem
Gesagten am alten Betreibungsort auf Rechtsöffnung belangen zu lassen,
falls er dem Gläubiger die Wohnsitzverlegung nicht anzeigt und dieser
auch sonstwie nicht davon erfahren hat, so folgt daraus, dass der
Gerichtsstand am neuen Wohnsitz nicht zwingend ist. Es bleibt vielmehr
dem Schuldner überlassen, ob er sich darauf berufen will, er habe den
Wohnsitz seit Anhebung der Betreibung verlegt und dies dem Gläubiger
angezeigt. Solange er dies nicht tut, darf sich der Rechtsöffnungsrichter
am alten Betreibungsort weiterhin als zuständig erachten. Von Amtes
wegen braucht er sich nicht um die Wohnsitzverlegung zu kümmern, denn
so gut wie der Schuldner darauf verzichten kann, einen am unrichtigen
Ort ergangenen Zahlungsbefehl anzufechten, was die Zuständigkeit des
Rechtsöffnungsrichters dieses Ortes zur Folge hat, so kann er auch darauf
verzichten, sich auf die Wohnsitzverlegung nach Einleitung der Betreibung
zu berufen. Mit andern Worten hat der Rechtsöffnungsrichter des alten
Betreibungsortes die Wohnsitzverlegung nur auf Einrede des Schuldners
hin zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer
jedoch keine Unzuständigkeitseinrede erhoben. Er hat sich im Gegenteil
zum Rechtsöffnungsgesuch überhaupt nicht vernehmen lassen. Unter
diesen Umständen hatte der Rechtsöffnungsrichter keinen Anlass, seine
Zuständigkeit in Zweifel zu ziehen, zumal er gar nicht wissen konnte,
ob der Beschwerdeführer an seiner neuen Adresse in Münchenstein Wohnsitz
genommen und ob er die Wohnsitzverlegung dem Gläubiger mitgeteilt habe. Im
Beschwerdeverfahren konnte die Zuständigkeit des Rechtsöffnungsrichters
nicht mehr in Frage gestellt werden. Der angefochtene Entscheid erweist
sich daher, jedenfalls im Ergebnis, nicht als bundesrechtswidrig, weshalb
die Beschwerde abzuweisen ist.