Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 75



112 III 75

18. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 30. April 1986 i.S. W. und X. (Rekurs) Regeste

    Schätzung von Arrestgegenständen (Art. 275 und Art. 97 Abs. 2 SchKG).

    Dem Drittansprecher wird grundsätzlich kein Interesse an der
betreibungsamtlichen Schätzung der Pfandobjekte bzw. der Arrestgegenstände
zuerkannt, weshalb er auch nicht legitimiert ist, dagegen Beschwerde
zu erheben. Er hat seine Rechte vielmehr im Widerspruchsverfahren nach
Art. 106 ff. SchKG wahrzunehmen. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden
nur bei der Schätzung von Objekten, die dem Retentionsrecht des Vermieters
unterliegen, und von Faustpfändern im Pfandverwertungsverfahren zugelassen.

Sachverhalt

    A.- In einer gegen M. für eine Forderung von Fr. 12'234.-- nebst Zins
und Kosten eingeleiteten Betreibung vollzog das zuständige Betreibungsamt
am 14. Februar 1986 den Arrest. Arrestgegenstand bildeten zehn in der
Galerie W. ausgestellte Bilder des Malers X. (Nrn. 1 bis 9 und 11) sowie
vier Bildbände über das Werk des Malers (Nr. 10). In der Arresturkunde
ist vermerkt, dass der Maler X. an sämtlichen Arrestgegenständen
Dritteigentum geltend mache und dass die betreibungsamtliche Schätzung
der Arrestgegenstände erst im Pfändungsverfahren vollzogen werde. In
der Folge erhob auch der Galerieinhaber W. Drittansprache an den
Arrestgegenständen. Am 21. Februar 1986 nahm das Betreibungsamt die
Schätzung der Arrestgegenstände vor. Es setzte für jedes Gemälde den
Betrag von Fr. 1'000.-- und für die Bildbände je Fr. 20.-- ein, so dass
sich der Schätzungswert auf Fr. 10'080.-- belief. Am 24. Februar 1986
hinterlegten die Drittansprecher W. und X. beim Betreibungsamt einen
Barbetrag von Fr. 14'000.-- als Sicherheit im Sinne von Art. 277 SchKG.

    Gegen die Schätzung der Arrestgegenstände durch das Betreibungsamt
erhoben W. und X. Beschwerde, welche von der kantonalen Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs am 9. April 1986 abgewiesen wurde.

    W. und X. führen hiegegen Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts und verlangen eine neue Schätzung der
verarrestierten Gemälde unter Beizug eines Sachverständigen. Für den Fall,
dass diese neue Schätzung einen höheren Wert ergeben sollte, beantragen
die Rekurrenten, die Arrestgegenstände, deren Wert die Forderungssumme
übersteige, aus dem Arrestbeschlag zu entlassen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit
darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- In erster Linie ist zu prüfen, ob auf die Beschwerde überhaupt
hätte eingetreten werden können. Die Rekurrenten machen geltend, die
kantonale Aufsichtsbehörde habe Art. 97 SchKG über die Schätzung der
gepfändeten Gegenstände, der nach Art. 275 SchKG auch bei der Vollziehung
des Arrestes zur Anwendung gelangt, verletzt, indem das Betreibungsamt bei
der Schätzung der Arrestgegenstände keinen Sachverständigen beigezogen habe
und demzufolge auch seiner in Art. 97 Abs. 2 SchKG statuierten Pflicht,
nicht mehr Gegenstände zu pfänden bzw. mit Arrest zu belegen, als nötig
ist, um die in Betreibung gesetzte Forderung bezahlen zu können, nicht
nachgekommen sei.

    a) Die in Art. 97 Abs. 1 SchKG vorgeschriebene Schätzung ist notwendig,
damit das Betreibungsamt für eine genügende Deckung der in Betreibung
gesetzten Forderung samt Zinsen sorgen und die Pfändung auf das hiefür
nötige Mass beschränken kann und damit der Gläubiger in die Lage versetzt
wird, allenfalls einen Arrest zu erwirken. Die Schätzung hat also nur den
Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu dienen. Interessen Dritter
oder öffentliche Interessen werden durch eine unsachgemässe Schätzung
oder durch Unterlassung einer Schätzung nicht verletzt (BGE 97 III 20
E. 2a). Was Dritte anbelangt, deren Ansprüche in die Betreibung einbezogen
wurden, so haben sie ihre Rechte im Widerspruchsverfahren wahrzunehmen. Sie
können vom Betreibungsamt nur verlangen, dass es ihren Eigentumsanspruch
entgegennimmt und das Widerspruchsverfahren einleitet (BGE 70 III 21
mit Hinweis). Im vorliegenden Fall können sich die Rekurrenten nicht
darüber beschweren, das Betreibungsamt habe ihre Drittansprüche nicht
entgegengenommen. Es steht vielmehr fest, dass das Amt die geltendgemachten
Ansprüche zur Kenntnis genommen und der betreibenden Gläubigerin gemäss
Art. 109 SchKG Frist zur Bestreitung dieser Ansprüche angesetzt hat. Die
Gläubigerin hat denn auch innert Frist Widerspruchsklage erhoben.

    b) Allerdings hat das Bundesgericht in BGE 61 III 13 festgehalten,
Art. 97 Abs. 2 SchKG wolle auch dem Dritteigentümer Schutz dagegen
gewähren, dass nicht unnötig viele von den ihm gehörenden Gegenständen
seiner Verfügung entzogen werden; im Hinblick auf Art. 273 OR rechtfertige
es sich, das Interesse des Dritteigentümers am Unterbleiben einer
Überpfändung als rechtliches, zur Beschwerde legitimierendes Interesse
anzuerkennen. Dieses Urteil betraf aber eine Mietzinsbetreibung, wobei
es unbestritten war, dass mehrere in die Retentionsurkunde aufgenommene
Gegenstände einem Dritten gehörten. Sie konnten trotzdem nicht aus dem
Retentionsbeschlag entlassen werden, weil die Voraussetzungen von Art. 273
OR hiefür nicht erfüllt waren. Aus diesem Grunde musste der Dritteigentümer
als Partei im Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Dafür spricht auch,
dass der Drittansprecher nicht selbst bestimmen kann, welche Sachen
aus dem Retentionsbeschlag zu entlassen sind, wenn eine Überpfändung
vorliegt, sondern dass dies dem Betreibungsamt überlassen bleibt (BGE
61 III 14). Dieselben Überlegungen gelten auch für die Schätzung von
Faustpfändern im Pfandverwertungsverfahren. Dem Dritteigentümer des
Pfandobjekts nützt der Nachweis, dass das Pfand gar nicht dem Schuldner
gehört, nichts. Der Gläubiger, dem das Pfandrecht eingeräumt wurde, hat
das Recht, die Pfandsache zu verwerten und sich aus dem Erlös bezahlt
zu machen, auch wenn die Pfandsache nicht im Eigentum des Schuldners
steht. Das Bundesgericht hat daher den Dritteigentümer der Pfandsache
als legitimiert betrachtet, die Schätzung des Faustpfandes mit Beschwerde
anzufechten (BGE 101 III 34 E. 2a).

    Dabei handelt es sich aber um zwei Ausnahmen vom Grundsatz, dass
dem Dritten an der betreibungsamtlichen Schätzung der Pfandobjekte
oder der Arrestgegenstände kein Interesse zuerkannt wird (BGE 97 III
20 und 70 III 21). Die Ausnahmen werden dadurch gerechtfertigt, dass
der Eigentumsanspruch des Dritten nicht zur Entlassung der Pfandsache
aus dem Beschlag des Gläubigers führen kann. Im vorliegenden Fall ist
jedoch keine solche Ausnahme gegeben. Die Rekurrenten machen geltend,
die Arrestgegenstände könnten nicht zur Befriedigung der Gläubigerin
dienen, weil sie nicht dem Schuldner gehören und er sie daher auch nicht
verwerten könne. Die Schätzung der gepfändeten oder verarrestierten
Gegenstände ist daher für den Drittansprecher ohne Belang. Dringt er
mit seiner Eigentumsklage durch oder unterliegt der Gläubiger mit der
Widerspruchsklage, so ist die Verwertung des Pfandobjekts oder des
Arrestgegenstandes ausgeschlossen.

    c) AMONN (Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl.,
S. 165/66 N. 39), räumt einem Drittansprecher unter Hinweis auf BGE 70 III
21 ganz allgemein das Recht ein, wegen Überpfändung im Sinne von Art. 97
Abs. 2 SchKG Beschwerde zu erheben. Er übersieht dabei jedoch, dass das
Bundesgericht im angeführten Urteil die Beschwerdebefugnis einzig einem
Dritten vorbehält, der das Eigentum an einer Sache, die dem Retentionsrecht
des Vermieters unterliegt, beansprucht. GILLIÉRON (Poursuite pour dettes,
faillite et concordat, S. 163 § 2), erwähnt BGE 70 III 21 in diesem
Zusammenhang nicht. In FRITZSCHE/WALDER (Schuldbetreibung und Konkurs
nach schweizerischem Recht, Bd. I, S. 289/90 Rz. 26-28), wird diese Frage
ebenfalls nicht angeschnitten. Es wird einzig in Rz 27 darauf hingewiesen,
dass die Schätzung der gepfändeten Gegenstände oft zu Streitigkeiten
zwischen Gläubiger und Schuldner und damit zu Beschwerden Anlass gebe. In
BGE 93 III 22 E. 4 spricht das Bundesgericht nur vom Gläubiger und vom
Schuldner, die mit einer Beschwerde eine neue Schätzung von gepfändeten
bzw. retinierten Gegenständen durch einen Sachverständigen verlangen
können. Damit in Widerspruch steht der in den BlSchK 1977 S. 174/75
veröffentlichte Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde, in welchem
unter Hinweis auf BGE 70 III 21 und 61 III 13 einem Dritteigentümer,
der im Falle einer Pfändung oder Retention eine Verletzung von Art. 97
Abs. 2 SchKG geltend machen wollte, die Beschwerdelegitimation zuerkannt
wurde. Die kantonale Behörde hat dabei jedoch den in BGE 70 III 21
betonten Ausnahmecharakter der Beschwerdelegitimation des Drittansprechers
übersehen. Auch den beiden neuesten Entscheiden des Bundesgerichts in
BGE 106 III 33 und 108 III 123 lässt sich nichts anderes entnehmen.

    d) Aus der angeführten Rechtsprechung ergibt sich somit eindeutig,
dass im Falle der ordentlichen Betreibung auf Pfändung der Drittansprecher
seine Rechte an der Pfandsache nur auf dem Wege nach Art. 106 ff. SchKG
geltend machen kann und dass er folglich nicht legitimiert ist, die vom
Betreibungsamt vorgenommene Schätzung der Pfandobjekte mit Beschwerde
anzufechten. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für den Dritteigentümer
von Arrestgegenständen (Art. 275 SchKG).

    Nach dem Ausgeführten waren die Rekurrenten nicht berechtigt,
die betreibungsamtliche Schätzung der mit Arrest belegten Gemälde mit
Beschwerde anzufechten, weshalb die Vorinstanz auf diese nicht hätte
eintreten dürfen. Die Rekurrenten sind indessen nicht beschwert dadurch,
dass die kantonale Aufsichtsbehörde trotzdem materiell auf die Beschwerde
eingetreten ist, sie in der Folge aber abgewiesen hat.