Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 6



112 III 6

3. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 10.
April 1986 i.S. K. (Rekurs) Regeste

    Zustellung des Zahlungsbefehls durch öffentliche Bekanntmachung
(Art. 66 Abs. 4 SchKG).

    Die Zustellung des Zahlungsbefehls durch öffentliche Bekanntmachung
ist letztes Mittel; zu ihr darf nicht Zuflucht genommen werden, bevor
vom Gläubiger und vom Betreibungsamt alle der Sachlage entsprechenden
Nachforschungen unternommen wurden, um eine mögliche Zustelladresse
des Schuldners herauszufinden. Die Banken sind gegenüber den
Betreibungsbehörden zur Auskunft über Wohnort oder Zustelldomizil eines
Schuldners, der verarrestierbare Vermögenswerte bei ihnen hinterlegt
hat, verpflichtet und können die Auskunft nicht unter Berufung auf das
Bankgeheimnis verweigern.

Sachverhalt

    A.- Nachdem in den Geschäftsräumlichkeiten einer schweizerischen Bank
der Arrest gegen die Schuldnerin C. vollzogen worden war, prosequierte
die Gläubigerin K. den Arrest durch Betreibung. Das Betreibungsamt
liess den Zahlungsbefehl und die Arresturkunde durch den schweizerischen
diplomatischen Dienst an die von der Gläubigerin genannte Adresse der
Schuldnerin in Irland zustellen. Da sich indessen die Zustellung an der
angegebenen Adresse als unmöglich erwies, veranlasste das Betreibungsamt
- nachdem es noch die Gläubigerin angefragt hatte, ob ihr eine andere
Anschrift der Schuldnerin bekannt sei, und die Gläubigerin das verneint
hatte - die öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls in einem
kantonalen Amtsblatt.

    In der Folge liess die Schuldnerin C. durch ihren Rechtsanwalt in der
Schweiz Beschwerde gegen das Betreibungsamt einreichen. Sie verlangte,
es seien der Zahlungsbefehl sowie sämtliche Fortsetzungshandlungen in
der angefochtenen Betreibung aufzuheben und es sei dem Betreibungsamt
sofort zu verbieten, irgendwelche Auszahlungen an die Gläubigerin
vorzunehmen. Als ihr Domizil nannte die Schuldnerin eine Anschrift in
den Vereinigten Staaten.

    B.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut,
hob die öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls als ungültig
auf und stellte fest, dass sämtliche Fortsetzungshandlungen in der
angefochtenen Betreibung nichtig seien. Sie wies das Betreibungsamt an,
den Zahlungsbefehl der Schuldnerin an deren derzeitigem Domizil (nach
Angabe ihres Rechtsvertreters) zuzustellen.

    Die Gläubigerin K. reichte bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Rekurs gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Nach dem Dafürhalten der Rekurrentin hat die kantonale
Aufsichtsbehörde die Mitteilung des Zahlungsbefehls an die Schuldnerin
auf dem Ediktalweg zu Unrecht als ungültig bezeichnet. Die Rekurrentin
ist der Auffassung, die Aufsichtsbehörde könne vom Betreibungsamt nicht
verlangen, dass es mit zusätzlichen Nachforschungen die Anschrift der
Schuldnerin zu eruieren versuche; insbesondere sei die Bank wegen des
Bankgeheimnisses daran gehindert gewesen, Auskunft über die Adresse der
Schuldnerin zu geben.

    Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Zu Recht hat
die Aufsichtsbehörde erkannt, dass das Betreibungsamt nicht Zuflucht
zur öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls nehmen konnte,
bevor es zusätzliche Nachforschungen über die Adresse der Schuldnerin
anstellte. Die Zustellung auf dem Ediktalweg ist in der Tat letztes
Mittel (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,
3. Aufl. 1983, § 12 N. 15; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs
nach schweizerischem Recht I, § 14 Rz 27; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes,
faillite et concordat, S. 96, B).

    Es obliegt in erster Linie dem Gläubiger, dem Betreibungsamt Name
und Wohnort des Schuldners bekanntzugeben, welchem der Zahlungsbefehl
zuzustellen ist (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG; BGE 109 III 7). Im
vorliegenden Fall hat sich denn auch das Betreibungsamt an die Gläubigerin
gewandt, um von ihr die Adresse der Schuldnerin zu erfahren, nachdem
der Zahlungsbefehl an der angegebenen Adresse in Irland nicht hatte
zugestellt werden können. Doch hat die Gläubigerin - obwohl sie selber
in Irland ansässig ist und somit am besten in der Lage gewesen wäre, das
Domizil der dort gesuchten Schuldnerin zu erfahren - umgehend durch ihren
Rechtsvertreter in der Schweiz dem Betreibungsamt mitteilen lassen, dass es
ihr nicht möglich sei, die neue Anschrift der Schuldnerin bekanntzugeben,
und die Mitteilung des Zahlungsbefehls auf dem Ediktalweg verlangt.

    Der Verweis der kantonalen Aufsichtsbehörde auf BGE 64 III 43 E. 2,
wo das Bundesgericht ausgeführt hat, es müssten vor der Beschreitung
des Ediktalweges alle zweckmässigen, der Sachlage entsprechenden
Nachforschungen versucht werden, um den Wohnort des Schuldners, d.h. eine
mögliche Zustelladresse - sei es auch nicht an seinem allfälligen
festen Wohnsitz - herauszufinden, ist zutreffend. Im Lichte dieser
Rechtsprechung hat die Vorinstanz insbesondere weitere Erkundigungen bei
der Bank, an deren Geschäftsniederlassung der Arrest zu vollziehen war,
über das Domizil der Schuldnerin verlangt. In tatsächlicher Hinsicht hat
die Vorinstanz dazu festgestellt, dass die Bank in der Lage gewesen wäre,
dem Betreibungsamt Angaben über die Adresse der Schuldnerin zu machen. Die
Rekurrentin behauptet nicht, dass diese Feststellung auf offensichtlichem
Versehen beruhe oder unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften
zustande gekommen sei (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG;
BGE 108 II 217 f. E. 1a). Sie machte nur geltend, dass die Bank wegen
des Bankgeheimnisses zur Verweigerung jeglicher Auskunft verpflichtet
gewesen sei und dass sie deshalb schon die Auskunft über von ihr verwahrte
Vermögenswerte der Schuldnerin verweigert habe.

    Diese Argumentation der Rekurrentin widerspricht der Rechtsprechung.

    Richtig ist im Gegenteil, dass die Banken gegenüber dem Betreibungsamt
zur Auskunft über Vermögensgegenstände, die sie verwahren und die mit
Arrest zu belegen sind, verpflichtet sind und die Auskunft nicht unter
Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern können. Die Banken machen sich
gegenüber dem Gläubiger, der durch die Verweigerung der Auskunft einen
Schaden erleidet, zivilrechtlich verantwortlich. Allerdings zieht die
Verweigerung keine strafrechtlichen Folgen nach sich, wenn der Bestand
der Forderung im Zeitpunkt, wo der Arrest vollzogen wird, noch ungewiss
ist (BGE 101 III 63 E. 3 mit Hinweisen). Dasselbe gilt bezüglich der
Auskunft von Banken über Wohnort bzw. Zustelldomizil eines Schuldners,
der verarrestierbare Vermögenswerte bei ihnen hinterlegt hat.

    Die Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörde erweisen sich demnach
als bundesrechtskonform.