Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 31



112 III 31

10. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17.
Januar 1986 i.S. M. (Rekurs) Regeste

    Spezialanzeige betreffend Doppelaufruf (Art. 142 SchKG, Art.  129 VZG);
Anfechtung der Steigerungsbedingungen.

    Sind der Kollokationsplan und das mit ihm verbundene Lastenverzeichnis
in Rechtskraft erwachsen, so muss sich die Konkursverwaltung - insbesondere
hinsichtlich der darin festgehaltenen Rangordnung - daran halten. Die
Rangordnung kann nicht mehr dadurch in Frage gestellt werden, dass die
Steigerungsbedingungen mit dem darin vorgesehenen Doppelaufruf, den ein
kollozierter Gläubiger verlangt hat, angefochten werden.

Sachverhalt

    A.- Am 7. Februar 1985 ist über die Sauvage AG in Meiringen der
Konkurs eröffnet worden. Hauptsächliches Aktivum der Konkursmasse
bildet eine Liegenschaft, in welcher ein Hotel geführt wird. Durch
Vertrag vom 16. November 1983 war dieses Hotel von der Sauvage AG für
die Zeit vom 1. Dezember 1983 bis 30. November 1986 an M. verpachtet
worden. Überdies war dem Pächter mit dem genannten Vertrag ein bis
1. Dezember 1986 befristetes Vorkaufsrecht auf die Liegenschaft eingeräumt
worden. Sowohl der Pachtvertrag wie das Vorkaufsrecht sind unter dem
Datum des 18. November 1983 im Grundbuch von Meiringen vorgemerkt.

    Als Bestandteil des Kollokationsplanes legte das Konkursamt
Oberhasli im Konkurs der Sauvage AG am 22. Mai 1985 das Lastenverzeichnis
auf. Dabei diente ihm als Grundlage ein vom Grundbuchamt Oberhasli am
12. März 1985 erstellter Auszug aus dem Grundbuch, welcher die folgenden
Eigentümerschuldbriefe zugunsten der Kantonalbank von Bern anführt:
im IV. Rang Fr. 150'000.-- (errichtet am 5. Juni 1967), im V. Rang
Fr. 100'000.-- (5. Juni 1967), im VII. Rang Fr. 150'000.-- (16. Oktober
1974) sowie Fr. 200'000.-- (16. Oktober 1974), im VIII. Rang Fr.
185'000.-- (14. Februar 1978), im X. Rang Fr. 115'000.-- (17. Februar
1978) sowie Fr. 150'000.-- (17. Februar 1978), im XI. Rang Fr. 200'000.--
(27. Juni 1979), im XII. Rang Fr. 100'000.-- (16. Februar 1984). Das
Lastenverzeichnis ist in Rechtskraft erwachsen, ohne angefochten worden
zu sein.

    Die Gesamtforderung der Kantonalbank von Bern gegen die Sauvage AG
per 30. Oktober 1985 - auf welches Datum die Versteigerung vorgesehen
war - wird im Lastenverzeichnis mit Fr. 1'435'215.40 angegeben. Gemäss
Ziff. 4, 6 und 8 des Lastenverzeichnisses ist diese Forderung bis auf einen
Restbetrag von Fr. 77'590.15 durch die genannten Eigentümerschuldbriefe
im IV. bis X. Rang sichergestellt, diese Restforderung gemäss Ziff. 10 des
Lastenverzeichnisses durch den Eigentümerschuldbrief von Fr. 200'000.--
im XI. Rang. Der am 16. Februar 1984 errichtete Eigentümerschuldbrief von
Fr. 100'000.-- im XII. Rang wird deshalb nur noch pro memoria aufgeführt.

    B.- Am 6. September 1985 stellte das Konkursamt Oberhasli den
Grundpfandgläubigern - so auch der Kantonalbank von Bern - das
Lastenverzeichnis zu. In einer Verfügung hiezu schrieb das Konkursamt:

    "In Anwendung von Art. 142 SchKG und Art. 104 VZG wird Ihnen hiermit
   eine Frist von 10 Tagen angesetzt, während welcher der Doppelaufruf ohne
   den am 18. November 1983 im Grundbuch vorgemerkten, Ihren Pfandrechten
   nachgehenden Mietvertrag verlangt werden kann."

    Nachdem die Kantonalbank von Bern mit Eingabe vom 12. September 1985
an das Konkursamt Oberhasli den Doppelaufruf verlangt hatte, vermerkte
dieses im Protokoll der Grundstücksteigerung, dass der erste Aufruf
mit und der zweite Aufruf ohne den am 18. November 1983 abgeschlossenen
Vertrag zu erfolgen habe. Die Steigerungsbedingungen wurden vom 7. bis
16. Oktober 1985 aufgelegt.

    Mit Eingabe vom 11. Oktober 1985 wandte sich M. an die Aufsichtsbehörde
in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern. Er verlangte die
Aufhebung der Verfügung des Konkursamtes Oberhasli vom 6. September
1985 betreffend die Steigerungsbedingungen und die Anweisung der
Aufsichtsbehörde an das Konkursamt, die Liegenschaftssteigerung ohne
Doppelaufruf vorzunehmen.

    Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton
Bern wies die Beschwerde am 14. November 1985 ab.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat M. innert Frist Rekurs bei der
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben, welcher
er beantragt:

    "In Abänderung des Entscheides der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und

    Konkurssachen für den Kanton Bern vom 14. November 1985 sei die

    Verfügung des Konkursamtes Oberhasli vom 6. September 1985 betreffend
die

    Steigerungsbedingungen der öffentlichen Versteigerung der Liegenschaft
   [Hotel du Sauvage] Grundbuchblatt Nr. 1608 Meiringen aufzuheben und das

    Konkursamt Oberhasli anzuweisen, die Liegenschaftssteigerung ohne

    Doppelaufruf gemäss Art. 142 SchKG vorzunehmen."

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Rekurrent wirft dem Konkursamt Oberhasli vor, es habe der
Kantonalbank von Bern am 6. September 1985 zu Unrecht Frist angesetzt,
um den Doppelaufruf zu verlangen. Gemäss Art. 142 SchKG könnten nur
Grundpfandgläubiger den Doppelaufruf verlangen. Der Kantonalbank von
Bern sei dieses Recht versagt, weil sie nicht als Grundpfandgläubigerin
betrachtet werden könne, sondern ihre Forderungen lediglich "durch
Hingabe von Eigentümerschuldbriefen als Faustpfänder gesichert" gewesen
seien. Bis zur Eröffnung des Konkurses über die Sauvage AG sei deshalb
die Kantonalbank von Bern Faustpfandgläubigerin geblieben.

Erwägung 3

    3.- Vorweg ist festzuhalten, dass für die Beurteilung des vorliegenden
Rechtsstreits Art. 142 SchKG in Verbindung mit Art. 122 ff. VZG zur
Anwendung gelangen. Das Konkursamt Oberhasli und mit ihm die kantonale
Aufsichtsbehörde haben zu Unrecht Art. 104 VZG angerufen, der bei der
Verwertung im Pfandverwertungsverfahren zum Zuge kommt; die entsprechende
Bestimmung für die Verwertung im Konkursverfahren ist Art. 129 VZG.

    Gemäss Art. 129 VZG ist in den Spezialanzeigen an die Pfandgläubiger
nach Art. 257 SchKG denjenigen Gläubigern, denen nach dem Lastenverzeichnis
im Sinne von Art. 125 VZG ein anderes beschränktes dingliches Recht
(Dienstbarkeit, Grundlast, Vorkaufsrecht usw.) im Range nachgeht,
gleichzeitig anzuzeigen, dass sie binnen zehn Tagen beim Konkursamt
schriftlich den doppelten Aufruf des Grundstückes im Sinne von Art. 142
SchKG verlangen können. Das Konkursamt muss also zur Feststellung der
Adressaten, welchen Frist zum Verlangen des Doppelaufrufs anzusetzen ist,
auf das Lastenverzeichnis abstellen. Dieses bildet einen Bestandteil
des Kollokationsplanes (Art. 125 Abs. 2 VZG), weshalb Ansprachen und
die diesbezüglichen Verfügungen der Konkursverwaltung nach Massgabe von
Art. 58 KOV aufzunehmen sind (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts, 3. Auflage 1983, § 46 N. 20 ff.).

    Das Lastenverzeichnis kann mit der Kollokationsklage im Sinne des
Art. 250 SchKG angefochten werden; vorbehalten bleibt Art. 127 VZG,
wonach die Kurrentgläubiger zur Anfechtung des Lastenverzeichnisses
nicht berechtigt sind, soweit es sich nur um die Frage des Vorranges
eines Pfandgläubigers vor dem andern handelt. Grundsätzlich darf erst zur
Verwertung geschritten werden, nachdem allfällige Kollokationsprozesse
rechtskräftig erledigt sind (Art. 128 VZG). Sind aber der Kollokationsplan
und das mit ihm verbundene Lastenverzeichnis in Rechtskraft erwachsen,
so muss sich die Konkursverwaltung - insbesondere hinsichtlich der darin
festgehaltenen Rangordnung - daran halten.

Erwägung 4

    4.- a) Im vorliegenden Fall hat das Konkursamt Oberhasli die
Empfänger seiner Verfügung vom 6. September 1985 entsprechend dem in
Kraft getretenen Lastenverzeichnis bestimmt. Da dort die Kantonalbank von
Bern mit den zwischen dem 5. Juni 1967 und dem 27. Juni 1979 errichteten
Eigentümerpfandbriefen nach Massgabe von Art. 126 VZG kolloziert ist
(vgl. auch Art. 35 Abs. 2 VZG), war dies für das Konkursamt massgebend. Es
war verpflichtet, der Kantonalbank von Bern Anzeige gemäss Art. 129
VZG dahingehend zu machen, dass sie den von Art. 142 SchKG vorgesehenen
Doppelaufruf verlangen könne.

    Vergeblich macht daher der Rekurrent geltend, die Kantonalbank von
Bern sei lediglich Faustpfandgläubigerin an den sich in ihrem Gewahrsam
befindenden Eigentümerschuldbriefen. Entscheidend ist einzig, dass
die Kantonalbank von Bern im Lastenverzeichnis vorrangig gegenüber dem
Rekurrenten, dessen dingliches Recht am 18. November 1983 im Grundbuch
von Meiringen vorgemerkt wurde, kolloziert ist. Diese Tatsache genügte,
um das Konkursamt Oberhasli zur Anzeige gemäss Art. 129 VZG zu veranlassen.

    Infolgedessen kommt auch der Behauptung des Rekurrenten keine Bedeutung
zu, die Kantonalbank von Bern habe (stillschweigend) dem zwischen der
Sauvage AG und dem Rekurrenten geschlossenen Vertrag zugestimmt und damit
auch hingenommen, dass das damit verbundene dingliche Recht ihren eigenen
Rechten im Rang vorgehe. Diese vom Rekurrenten behauptete Rangordnung
geht aus dem Lastenverzeichnis nicht hervor; das Konkursamt aber konnte -
wie ausgeführt - seiner Verfügung nur die Angaben zugrunde legen, welche
dem rechtskräftigen Lastenverzeichnis zu entnehmen waren.

    Der Rekurrent kann auch nicht geltend machen, erst seine Kenntnis
vom Doppelaufruf in den Steigerungsbedingungen habe ihn veranlasst, die
Kollokation in Frage zu stellen. Es ist bekannt, dass die Rangordnung bei
der Pfandverwertung und insbesondere im Hinblick auf den Doppelaufruf
gemäss Art. 142 SchKG ihre eigentliche praktische Bedeutung erlangt
(vgl. TUOR/SCHNYDER, ZGB, 9. Auflage 1975 (Nachdruck 1979), S. 641).

    b) Dem bleibt beizufügen, dass selbst wenn erstellt wäre, dass
die Kantonalbank von Bern dem Abschluss des Vertrages vom 16. November
1983 wie auch dessen Vormerkung im Grundbuch zugestimmt hat, damit noch
keineswegs gesagt ist, dass sie sich auch mit dem Nachgang ihrer eigenen
dinglichen Rechte einverstanden erklärt hat. Das tatsächliche Vorbringen,
dass die Kantonalbank von Bern in ihrer Eigenschaft als Aktionärin der
Sauvage AG Kenntnis vom Vertragsschluss zwischen dem Rekurrenten und
der Sauvage AG sowie von der Vormerkung im Grundbuch gehabt habe, ist
deshalb unbeachtlich; die diesbezüglich angebotenen Beweise brauchen
nicht abgenommen zu werden.

Erwägung 5

    5.- Nach dem Gesagten hat das Konkursamt Oberhasli der Kantonalbank
von Bern zu Recht die Spezialanzeige gemäss Art. 129 VZG zukommen
lassen. Hierauf hat die Kantonalbank von Bern - was unbestritten ist -
innert der Frist von zehn Tagen den Doppelaufruf verlangt. Es verstösst
somit nicht gegen Bundesrecht, wenn das Konkursamt schliesslich den
Doppelaufruf in den Steigerungsbedingungen vorgesehen hat. Der Rekurs
ist abzuweisen.