Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 III 100



112 III 100

24. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Mai 1986
i.S. A. und S. gegen B. (Berufung) Regeste

    Widerspruchsklage; Art. 109 SchKG.

    Bei Beurteilung einer Widerspruchsklage ist - wenn nach dem kantonalen
Recht dem Urteil der Sachverhalt zur Zeit der Urteilsfällung zugrunde
gelegt wird - auf die Eigentumsverhältnisse zur Zeit der Urteilsfällung
in dem Sinne abzustellen, dass ein Untergang des Drittanspruchs zwischen
Pfändungsvollzug und Urteilsfällung zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

    A.- Zur Sicherung eines Frau Y. von dritter Seite gewährten Darlehens
hatte sich A. als Bürge für einen Höchstbetrag von Fr. 110'000.--
verpflichtet. Der Bürge liess sich seinerseits am 1. Juni 1984 von Frau Y.
ihren vorgepfändeten Liquidationsanteil an einer einfachen Gesellschaft
in der Höhe von Fr. 549'343.65 abtreten.

    Am 17. Juli 1984 pfändete das Betreibungsamt M. in einer von
der Bank B. gegen Frau Y. eingeleiteten Betreibung ebenfalls den
erwähnten Liquidationsanteil. A. meldete Eigentumsansprache daran an,
was die Bank zur Widerspruchsklage nach Massgabe von Art. 109 SchKG
veranlasste. Die Widerspruchsklage wurde mit Urteil vom 27. November
1984 des Bezirksgerichts M. gutgeheissen, während die von A. erhobene
Eigentumsansprache abgewiesen wurde.

    B.- Spätestens einen Tag vor Fällung dieses Urteils
wurde das Frau Y. gewährte Darlehen zurückgezahlt. Der
Darlehensgeber entliess A. mit Schreiben vom 28. November 1984 aus der
Bürgschaftsverpflichtung. A. zedierte seinen Anspruch am Liquidationsanteil
am 29. November 1984 an die S.

    Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 10. September 1985 eine
Berufung von A. gegen das Urteil des Bezirksgerichts ab und bestätigte,
mit Ausnahme des Kostenpunktes, das erstinstanzliche Urteil.

    A. erklärte gegen das Urteil des Obergerichts Berufung an das
Bundesgericht, die abgewiesen wurde.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Parteien haben erkannt, dass der vorliegende
Widerspruchsprozess in die zentrale Frage mündet, welcher Zeitpunkt
für die Beurteilung der Eigentumsansprache massgebend ist. Während sich
die Klägerin und Berufungsbeklagte der Auffassung des Obergerichts des
Kantons Zürich anschliesst, dass nach Massgabe von § 188 Abs. 1 ZH-ZPO auf
den Zeitpunkt seines Entscheides (10. September 1985) abzustellen sei,
möchte der Beklagte und Berufungskläger den Bestand der Eigentumsrechte
am Tag des Pfändungsvollzugs (17. Juli 1984) beurteilt wissen.

    Der Berufungskläger hat seine Auffassung bezüglich des
massgeblichen Zeitpunkts in seinem mündlichen Vortrag vor dem
Bundesgericht nachdrücklich begründet. Dabei hat er u.a. der Meinung
Ausdruck gegeben, als Drittansprecher im Sinne von Art. 109 SchKG sei
derjenige zu betrachten, der auf das Datum des Pfändungsvollzugs hin
Eigentumsrechte an der Pfandsache geltend macht. Es ist ihm zuzugestehen,
dass solche Auffassung insofern Rückhalt in der Rechtsprechung findet,
als diese eine enge Verbindung zwischen dem Widerspruchsverfahren und
der Betreibung bzw. Pfändung, welche Anlass dazu gegeben hat, sieht und
deshalb entschieden hat, dass der Widerspruchsprozess Rechtskraftwirkung
nur für die Betreibung entfalte, in deren Laufe er durchgeführt worden ist
(BGE 107 III 120 f., 92 III 18 E. 3, 86 III 142 E. 2).

    b) Das Obergericht des Kantons Zürich hat indessen seinem Urteil
vom 10. September 1985 die Eigentumsverhältnisse an jenem Datum zugrunde
gelegt. Weder Gesetz noch Rechtsprechung stehen dem entgegen; vielmehr
entspricht es einer allgemeinen Praxis, dass auf den Sachverhalt im
Zeitpunkt der Urteilsfällung abgestellt wird (vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 2 zu
§ 188 ZH-ZPO). HUGO SCHÄR (Der als Urteilsgrundlage massgebende Zeitpunkt,
insbesondere in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Zürcher Diss. 1955,
S. 74 f.), der - soweit ersichtlich - als einziger Autor Stellung zur
Frage bezieht, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Widerspruchsklage
massgebend sei, hält dafür, dass ein Untergang des Drittanspruchs zwischen
Pfändungsvollzug und Urteilsfällung zu berücksichtigen sei. Es muss nach
seiner Meinung auf die Eigentumsverhältnisse zur Zeit der Urteilsfällung
abgestellt werden, wenn bis dahin der Drittanspruch untergegangen ist
(nicht jedoch, wenn ein solcher neu entstanden ist).

    Nach der Feststellung der Vorinstanz, die auch vom Berufungskläger
nicht bestritten wird, hatte er am 29. November 1984 das Eigentum an dem
von der Bank B. gepfändeten Liquidationsanteil aufgegeben und diesen an
die S. weiterzediert. Damit bestand der Eigentumsanspruch am 10. September
1985, dem Tag der Urteilsfällung durch das Obergericht, nicht mehr. Dieses
hätte deshalb unrichtig entschieden, wenn es die Widerspruchsklage nicht
geschützt hätte.