Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 514



112 Ib 514

78. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. September
1986 i.S. Einwohnergemeinde Grindelwald gegen A. und Verwaltungsgericht
des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Enteignung eines baurechtsbelasteten Grundstücks; Bemessung der dem
Grundeigentümer zustehenden Entschädigung.

    Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
Entschädigungsentscheide in Enteignungsverfahren, die auf
Raumplanungsmassnahmen hin eingeleitet werden (E. 1a). Kognition des
Bundesgerichts (E. 1b).

    Entschädigungsbemessung anhand des subjektiven Schadens anstelle einer
Verkehrswertermittlung (E. 2). Der Eigentümer einer Baurechtsliegenschaft
hat grundsätzlich Anspruch auf den Barwert der für die Restvertragsdauer
geschuldeten Baurechtszinse sowie auf den diskontierten Wert des nach
Ablauf des Baurechts freiwerdenden Grundstücks. Allerdings muss dem
Umstand, dass der Baurechtszins an eine für den Eigentümer ungünstige
Anpassungsklausel gebunden ist, angemessen Rechnung getragen werden
(E. 3-6).

Sachverhalt

    A.- Die Stimmbürger der Gemeinde Grindelwald hiessen an
der Gemeindeversammlung vom 1. Dezember 1978 eine Revision des
Überbauungsplanes mit Sondervorschriften Nr. 1 "Sportzentrum"
gut, durch welche die Parzelle Nr. 3060 im Halte von 1016 m2 der
privaten Nutzung entzogen und der Freifläche für öffentliche Bauten
zugewiesen wurde. Der abgeänderte Überbauungsplan wurde zunächst von
der Baudirektion und am 28. Mai 1980 vom Regierungsrat des Kantons
Bern unter Abweisung der erhobenen Einsprache genehmigt. Am 15. August
1980 stellte die Einwohnergemeinde Grindelwald bei der kantonalen
Enteignungs-Schätzungskommission, Kreis I, ein Gesuch um Einleitung des
Enteignungsverfahrens und Festsetzung der Entschädigungen, die an A. als
Eigentümer des Grundstücks Nr. 3060 und an die Genossenschaft Migros
Bern als Inhaberin des auf dieser Parzelle lastenden selbständigen,
hundert Jahre dauernden Baurechts zu bezahlen seien. Nach dem
Scheitern der Einigungsverhandlung und von Vergleichsverhandlungen
zwischen den Parteien sprach die Enteignungs-Schätzungskommission am
11. Mai 1982 A. für die Bodenabtretung Fr. 1'310'640.-- sowie eine
Inkonvenienzentschädigung von Fr. 34'357.95 und der Genossenschaft
Migros Bern eine Inkonvenienzentschädigung von Fr. 80'217.15 samt Zinsen
zu 5% ab 28. Mai 1980 zu. Diesen Entscheid zogen beide Parteien an das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern weiter.

    Mit Entscheid vom 17. September 1984 setzte das Verwaltungsgericht die
Enteignungsentschädigungen für den Eigentümer neu auf Fr. 1'795'455.-- für
das abzutretende Land (Ziff. 1a) und auf Fr. 9'949.-- für Inkonvenienzen
(Ziff. 1b) fest und erhöhte die an die Genossenschaft Migros Bern
auszurichtende Inkonvenienzentschädigung auf Fr. 162'456.--. Im weiteren
wurde der Beginn des Zinsenlaufes auf den 15. August 1980, den Zeitpunkt
der Einreichung des Enteignungsgesuches, verschoben.

    Bei der Bestimmung der dem Eigentümer zustehenden Entschädigung
- die vor Bundesgericht allein noch umstritten ist - ging das
Verwaltungsgericht abweichend von den beigezogenen Experten von einer
jährlichen Durchschnittsgrundrente von Fr. 98'750.-- aus, auf die der
Grundeigentümer gemäss Baurechtsvertrag vom massgebenden Stichtag an
(28. Mai 1980) bis zum Ablauf des Baurechtes in 96,5 Jahren mindestens
noch Anspruch gehabt hätte. Dieser Betrag wurde als jährlich nachschüssig
zahlbare ewige Rente zu 5,5% kapitalisiert, wobei als Zinssatz das Mittel
der Hypothekarzinssätze für I. Hypotheken auf gewerblichen Liegenschaften
gewählt wurde, die einerseits am Stichtag (4,75%), andererseits im Mai
1982 bei der Erstellung der Expertise (6,25%) galten. Auf die Begründung
im einzelnen wird in den rechtlichen Erwägungen einzugehen sein.

    Die Einwohnergemeinde Grindelwald hat gegen den Entscheid des Berner
Verwaltungsgerichtes Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und den
Antrag gestellt, Ziffer 1a des angefochtenen Urteils und das anteilige
Kostendispositiv seien aufzuheben und es sei die Entschädigung für das
abzutretende Land höchstens auf Fr. 1'000'000.-- festzusetzen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 34 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom
22. Juni 1979 (RPG) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig
gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Entschädigungen
als Folge von Eigentumsbeschränkungen im Sinne von Art. 5 dieses
Gesetzes. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung auch gegeben, wenn sich die Frage, welche Entschädigung
für die Eigentumsbeschränkung oder für die Übernahme eines Grundstücks
geschuldet wird, im Rahmen eines von seiten des Gemeinwesens oder vom
Privaten verlangten formellen Enteignungsverfahrens stellt, sofern eine
Planungsmassnahme im Sinne des Raumplanungsgesetzes zu diesem Begehren
Anlass gab (BGE 110 Ib 257 f., 109 Ib 261, 108 Ib 338 E. 4b und nicht
publizierte E. 1). Nun ist hier das Baugrundstück Nr. 3060 der Zone für
öffentliche Bauten zugewiesen worden, was zu einer materiellen Enteignung
führte, und hat die Gemeinde anschliessend um die Einleitung eines
formellen Expropriationsverfahrens ersucht, um die Parzelle übernehmen
und die vorgesehenen kommunalen Bauten erstellen zu können. Damit sind
entgegen der Meinung des Beschwerdegegners die Voraussetzungen für die
Anfechtung des Entschädigungs-Entscheides mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erfüllt.

    b) Die Sachverhalts-Feststellungen des als Vorinstanz entscheidenden
Verwaltungsgerichtes binden das Bundesgericht, soweit sie nicht
offensichtlich unrichtig oder unvollständig sind oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen zustandegekommen sind (Art. 104
lit. b, Art. 105 Abs. 2 OG). Allerdings sind die Fragen, ob eine
Entschädigungspflicht bestehe und die Entschädigungshöhe richtig ermittelt
worden sei, keine Sachverhalts-Feststellungen, sondern frei überprüfbare,
anhand der vom Bundesgericht aufgestellten Kriterien zu beurteilende
Rechtsfragen (BGE 109 Ib 115).

Erwägung 2

    2.- Das Verwaltungsgericht hat bei der Festsetzung der
Enteignungsentschädigung nicht auf den Verkehrswert der enteigneten
Parzelle - also den Wert, den diese für einen beliebigen Käufer aufgewiesen
hätte - abgestellt, sondern untersucht, welchen finanziellen Nutzen der
Enteignete unter den konkreten Umständen aus dem Boden gezogen hätte, wenn
er ihn hätte behalten können. Die Ermittlung der Enteignungsentschädigung
aufgrund des sogenannten subjektiven Schadens steht mit dem Bundesrecht
nicht in Widerspruch, sofern nicht Verkehrswert-Elemente in die
Schadensberechnung einbezogen oder dieser Annahmen zugrundegelegt
werden, die sich gegenseitig ausschliessen (BGE 106 Ib 228 E. 2a;
zur Publikation bestimmter Entscheid vom 18. Juni 1986 i.S. "die neue
zeit" E. 4 mit weiteren Hinweisen). Unbegründet ist auch der Vorwurf
der Beschwerdeführerin, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen,
das Ergebnis der subjektiven Schadensberechnung mit dem ebenfalls zu
ermittelnden Verkehrswert zu vergleichen. Es wird hier von niemandem
angezweifelt, dass der Verkehrswert des enteigneten Grundstücks - mit
welcher Methode er auch bestimmt werde - niedriger ist als der konkret
eingetretene subjektive Schaden, so dass sich, da dem Enteigneten in
jedem Fall der höhere Betrag zusteht, eine genaue Verkehrswertberechnung
erübrigte (in ähnlichem Sinne vgl. Entscheid vom 4. Juli 1984 E. 2b,
ZBl 87/1986 S. 80).

    Im weiteren gehen die Äusserungen der Beschwerdeführerin, wonach
sie befürchte, der Entschädigungs-Entscheid des Verwaltungsgerichtes
werde sich auf zukünftige Enteignungsfälle ungünstig auswirken,
an der Sache vorbei. Zwar ist nicht von vornherein unzulässig, zur
Verkehrswertermittlung im Rahmen der Vergleichsmethode neben den auf
dem freien Markt erzielten Landpreisen mit der nötigen Vorsicht auch
gerichtlich festgesetzte Enteignungsentschädigungen in Berücksichtigung
zu ziehen. Der Einbezug solcher Entschädigungsbeträge fällt jedoch nur in
Betracht, sofern diese aussagekräftig sind, das heisst Schlüsse über den
Marktwert der Grundstücke zulassen. Das trifft offensichtlich nicht zu,
wenn sich die Enteignungsentschädigung wie hier nach der Höhe des vom
Enteigneten erlittenen subjektiven Schadens bemisst, also auch jenen
Entschädigungsbestandteil umfasst, der - wäre zunächst der Verkehrswert
des enteigneten Grundstücks bestimmt worden (Art. 19 lit. a EntG) -
unter dem Titel "Inkonvenienzentschädigung" oder "weiterer Nachteil"
im Sinne von Art. 19 lit. c EntG zusätzlich vergütet werden müsste. Die
Entschädigungssumme von Fr. 1'795'455.-- bzw. der von der Gemeinde genannte
Quadratmeterpreis von rund Fr. 1'770.-- kann daher nicht als Verkehrswert
der Parzelle Nr. 3060 betrachtet werden und dürfte auch keineswegs in
weiteren Enteignungsverfahren als Vergleichswert für andere Grundstücke
beigezogen werden. Aus diesen Überlegungen ergibt sich im übrigen, dass
auch der von der Gemeinde angeführte frühere amtliche Wert der enteigneten
Parzelle keinen Anhaltspunkt für die Bestimmung der Entschädigung zu
liefern vermag, ebensowenig wie der Preis, den der Enteignete beim Kauf
des Grundstücks im Jahre 1977 bezahlt hat.

    Das bedeutet nun allerdings nicht, dass ein erheblicher Unterschied
zwischen der Höhe des nach den üblichen Methoden festgesetzten
Verkehrswertes einerseits und dem Betrag des subjektiven Schadens
andererseits nicht ein Indiz dafür sein könnte, dass sich bei der Wahl
der der Berechnung zugrundeliegenden Annahmen oder von Zinssätzen und
Kapitalisierungsfaktoren Fehler eingeschlichen hätten. Liegt ein solcher
Unterschied vor, sollten daher die Rechnungen erneut untersucht und der
Differenzbetrag, der ja dem "weiteren Nachteil" entsprechen muss, einer
kritischen Untersuchung unterzogen werden. Das Auseinanderklaffen der
beiden Werte beweist aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin
allein noch nicht, dass falsch gerechnet worden sei, können doch
Inkonvenienzentschädigungen erfahrungsgemäss einen beträchtlichen Anteil
der Gesamtvergütung ausmachen.

    Im übrigen kann offengelassen werden, ob die Feststellung des
Verwaltungsgerichtes, eine auf längere Zeit baurechtsbelastete Parzelle
habe zumindest bei Beginn der Baurechtsdauer keinen Verkehrswert, richtig
oder unzutreffend sei (vgl. hiezu etwa BGE 82 II 385, kritisch dazu LIVER,
ZBJV 94/1958 S. 23 ff.). Massgebend ist im vorliegenden Fall, dass das
Verwaltungsgericht durch Kapitalisierung der dem Enteigneten entgehenden
Grundrente den subjektiven Schaden berechnet hat und dass gegen diese
Art der Entschädigungsbemessung dem Grundsatze nach nichts einzuwenden ist.

Erwägung 3

    3.- a) Im angefochtenen Entscheid wird bei der Bestimmung des
subjektiven Schadens von den vollen Baurechtszinsen ausgegangen, wie sie
im Baurechtsvertrag, der am 17. Februar 1977 zwischen Andreas Studer
und der Genossenschaft Migros Bern abgeschlossen wurde, festgesetzt
worden sind. Insoweit ist das Verwaltungsgericht vom Urteil der ersten
Instanz abgewichen, welche die vereinbarte Grundrente um einen Drittel
reduzierte, weil die Parteien bei Vertragsschluss von der Annahme
ausgegangen seien, die Bruttogeschossfläche könne von 800 m2 auf 1200
m2 vergrössert werden, und die Migros nach Ablehnung dieser Erweiterung
nicht mehr die volle Rente bezahlt hätte. Das Verwaltungsgericht hat
seinen abweichenden Standpunkt damit begründet, dass die Kernzone eines
weltbekannten Touristenortes als erstklassige Geschäftslage gelte, für
die ein Grossverteiler eine hohe Summe zu investieren bereit sei; es sei
daher ohne weiteres anzunehmen, dass die Migros willens war, auch für eine
reduzierte Bruttogeschossfläche von 800 m2 die vereinbarte Grundrente zu
entrichten, um damit in Grindelwald - und unweit der dortigen Coop-Filiale
- geschäftlich Fuss zu fassen. In der Beschwerde wird diese Voraussage
über das künftige Verhalten der Migros als unhaltbar bezeichnet, ob sie
nun als Sachverhaltsfeststellung oder als Antwort auf eine Rechtsfrage
zu betrachten sei.

    b) Inwieweit die Prognose des Verwaltungsgerichtes über das
Verhalten der Migros-Genossenschaft zur Feststellung des Tatbestandes
gehört oder in den Bereich der Rechtsanwendung fällt - eine wie stets
bei Abschätzung zukünftiger Entwicklungen heikle Frage (vgl. Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 273) -, braucht nicht näher
untersucht zu werden. Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht mit seinen
Erwägungen keine offensichtlich falschen, unrichtig zustandegekommenen
oder unvollständigen Sachverhalts-Feststellungen getroffen (Art. 105
Abs. 2 OG), noch Schlüsse gezogen, durch welche der ihm zustehende
Beurteilungsspielraum überschritten und dadurch Recht verletzt worden
wäre. Im einzelnen ist festzuhalten, dass im Baurechtsvertrag selbst von
der Nutzfläche nicht die Rede ist und zur Zeit des Vertragsschlusses
die für die Parzelle Nr. 3060 zulässige Bruttogeschossfläche 800 m2
betrug. Im weiteren haben die Vertragsschliessenden zwar offenbar zunächst
gehofft, die Nutzfläche erweitern zu können, doch ist nach Scheitern
eines ersten Projektes die Bruttogeschossfläche auf 800 m2 reduziert
worden und hat der Gemeinderat von Grindelwald - wie im angefochtenen
Entscheid dargelegt - das neue Vorprojekt im Dezember 1976 positiv
beurteilt. Diese Feststellung, die von der Beschwerdeführerin nicht
bestritten wird, bindet das Bundesgericht. Da der Baurechtsvertrag erst
nach der Korrektur des Projektes abgeschlossen wurde, musste sich die
Migros darüber im klaren sein, dass allenfalls einzig die den geltenden
Bauvorschriften entsprechende Nutzfläche verwirklicht werden könne.
Trotzdem ist kein entsprechender Vorbehalt in die vertraglichen
Zinsbestimmungen aufgenommen worden. Es könnte einzig vermutet werden,
dass die letzte Vertragsziffer, die die ursprünglichen Bestimmungen
abändert und die "ordentliche Rentenpflicht" von Fr. 99'000.-- für die
ersten fünf Jahre auf Fr. 90'000.-- reduziert, im Zusammenhang mit der
Projektverkleinerung den Vertragsbestimmungen beigefügt worden ist. Wie
auch immer, das Verwaltungsgericht war jedenfalls nicht gehalten, die
Grundrente im Hinblick auf die Bruttogeschossfläche zu kürzen, und durfte
grundsätzlich von den vertraglich festgelegten Baurechtszinsen ausgehen.

Erwägung 4

    4.- Nach dem Baurechtsvertrag hat die Bauberechtigte dem
Grundeigentümer folgende jährliche Grundrente zu bezahlen: Fr. 50'000.--
bis zum 31. Dezember 1978 (oder insgesamt Fr. 80'000.-- für die Periode
vom 21. Mai 1977 bis 31. Dezember 1978), Fr. 90'000.-- für die nächsten
fünf Jahre (bis 31. Dezember 1983) und schliesslich Fr. 99'000.-- bis
zum Ablauf des Baurechtes. Diese Baurechtszinse stellen Minimalbeträge
dar, die bei den - nur alle fünf Jahre möglichen - Anpassungen nicht
unterschritten werden können. Das Verwaltungsgericht hat aus ihnen die
jährliche Durchschnittsrente berechnet, auf die der Grundeigentümer vom
massgebenden Stichtag an (28. Mai 1980) bis zum Ablauf des Baurechtes
in 96,5 Jahren (recte: 96 Jahren und 5 Monaten) Anspruch gehabt hätte,
und den ermittelten Betrag von Fr. 98'750.-- als jährlich nachschüssig
zahlbare Rente zu 5,5%, das heisst unter Anwendung des Faktors 100/5,5
= 18,181818 kapitalisiert (vgl. STAUFFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln, 3.
Auflage, S. 92 Ziff. 1b). Es gelangte dadurch zum Entschädigungsbetrag
von Fr. 1'795'455.--, der von der Beschwerdeführerin als übersetzt
bezeichnet wird.

    Zur Berechnungsweise des Verwaltungsgerichtes ist folgendes zu
bemerken:

    a) Bei der Enteignung einer Baurechtsliegenschaft hat der
Grundeigentümer in der Regel Anspruch auf den Barwert der für die
Restvertragsdauer geschuldeten Baurechtszinse sowie auf den diskontierten
Wert des ihm nach Ablauf des Baurechts wieder zur Verfügung stehenden
Grundstücks, wobei einer allenfalls dem Bauberechtigten für die Bauten
zu leistenden Entschädigung angemessen Rechnung zu tragen ist. Nun
wird im angefochtenen Entscheid der Grundstückswert nach Untergang des
Baurechts nicht erwähnt. Zudem hat das Verwaltungsgericht, obschon
der Baurechtsvertrag im massgebenden Zeitpunkt nur noch 96,5 Jahre
lief, die Grundrente nicht nach den Regeln über die Zeitrente (vgl.
STAUFFER/SCHAETZLE, aaO, S. 185 Beispiel 61), sondern als ewige Rente
kapitalisiert. Das Gericht ist damit von der Annahme ausgegangen,
das Grundstück werde zeitlich unbeschränkt eine jährliche Rendite von
Fr. 98'750.-- abwerfen. Mit anderen Worten ist eine Ertragswertberechnung
angestellt worden, wobei es wohl logischer gewesen wäre, dieser anstelle
der nur auf die Restvertragsdauer bezogene die über die ganze Vertragsdauer
berechnete niedrige Durchschnittsrente zugrundezulegen. Ausserdem ist
mit der Ermittlung einer Durchschnittsrente der Umstand vernachlässigt
worden, dass die Baurechtszinse gemäss Vertrag während der ersten
Jahre periodisch ansteigen; darauf hätte durch Berechnung einer
aufgeschobenen bzw. einer ansteigenden Zeitrente Rücksicht genommen
werden können (vgl. STAUFFER/SCHAETZLE, aaO, S. 147 Ziff. 4, S. 188
Beispiel 69). Schliesslich hat das Verwaltungsgericht übersehen, dass
die Zinsen aufgrund der Vertragsbestimmungen nicht nachschüssig, sondern
(bis 31. Dezember 1978 jährlich, danach zweimonatlich) vorschüssig zu
bezahlen sind.

    Allerdings ist einzuräumen, dass eine Korrektur in diesen Punkten
im vorliegenden Fall am Ergebnis wenig ändert, da aufgrund der langen
Restvertragsdauer der auf den Zeitpunkt des Vertragsablaufs diskontierte
Grundstückswert nur gering ist und sich der Barwert der Zeitrente jenem
der ewigen Rente nähert. Hinzu kommt, dass sich die Änderungen teils zu
Gunsten des Enteigneten, teils zu Gunsten der Enteignerin auswirken und
sich gegenseitig aufheben. Wie sich zeigen wird, kann von einer solchen
Korrektur auch aus anderen Gründen abgesehen werden.

    b) Im weiteren stellt sich die Frage, ob das Verwaltungsgericht bei der
Bestimmung des subjektiven Schadens nicht vom - niedrigeren - Wert hätte
ausgehen müssen, den die Parteien selbst dem Boden zugemessen haben. Zwar
wird dieser Wert nicht ausdrücklich erwähnt, doch ergibt er sich aus
der vertraglichen Bestimmung, wonach die Grundrente von Fr. 99'000.--
"auf dem Schweizerischen Landesindex der Konsumentenpreise vom Datum des
Baubeginns sowie auf dem Hypothekarsatz für neue erste Hypotheken auf
gewerblichen Liegenschaften der Hypothekarkasse des Kantons Bern von
5 3/4%" basiert (vgl. Ziff. IV/2 des Vertrages). Die Parteien haben
demnach die 1016 m2 umfassende Parzelle auf den Zeitpunkt, in dem die
"ordentliche Rentenpflicht" zu laufen beginnt, mit (Fr. 99'000.--
x 100)/5,75 = Fr. 1'721'739.-- oder einem Quadratmeterpreis von rund
Fr. 1'700.-- bewertet.

    Was den angewendeten Zinssatz von 5 3/4% anbelangt, so ist dieser als
eher hoch und für den Grundeigentümer vorteilhaft zu betrachten, da die
Zinserträge des in Boden angelegten Geldes im Gegensatz zu Kapital, das in
Bauten investiert wird, weder durch Unterhalts- und Verwaltungskosten noch
durch Amortisationsraten geschmälert werden. Zudem fällt nach Ablauf der
Baurechtsdauer das Grundstück in der Regel mit real höherem oder zumindest
mit dem gleichen Wert an den Eigentümer zurück, während der Darlehensgeber
den Inflationsverlust zu tragen hat. Deshalb können auch Baurechtszinse
noch als angemessen gelten, die erheblich niedriger als die Hypothekarzinse
sind, was häufig der Fall ist, wenn die öffentliche Hand Baurechte für
den sozialen Wohnungsbau verleiht (vgl. VIKTOR MÜLLER, Der Baurechtszins
und seine grundpfandrechtliche Sicherung, Diss. Zürich 1968, S. 21 ff.,
RIEMER, Das Baurecht (Baurechtsdienstbarkeit) des Zivilgesetzbuches und
seine Behandlung im Steuerrecht, Diss. Zürich 1968, S. 267, NAEGELI,
Handbuch des Liegenschaftenschätzers, 2. Auflage, S. 256; siehe auch
ISLER, Der Baurechtsvertrag und seine Ausgestaltung, Diss. Zürich
1973, S. 134). Werden allerdings wie hier Privatgrundstücke für
gewinnversprechende Unternehmen zur Verfügung gestellt, wird die Grundrente
üblicherweise höher angesetzt oder sogar direkt am Geschäftserfolg des
Bauberechtigten bemessen (vgl. ISLER, aaO, S. 138, VIKTOR MÜLLER, aaO,
S. 11 und N. 33). Übrigens haben die Experten des Verwaltungsgerichtes
selbst ausgeführt, dass die im vorliegenden Fall vertraglich festgelegte
Grundrente im Hinblick auf die voraussichtlichen Umsatzzahlen des in Frage
stehenden Einkaufszentrums "nicht unrealistisch" sei. Andererseits ist der
vereinbarte Baurechtszins mit einer Anpassungsklausel versehen worden, die
sich - wie sich im folgenden ergibt - für den Grundeigentümer auf längere
Zeit betrachtet ungünstig auswirkt und welche das Verwaltungsgericht
nicht vollständig hätte ausser acht lassen dürfen.

Erwägung 5

    5.- Gemäss Baurechtsvertrag (Ziff. IV/2) können die Vertragspartner
erstmals nach Ablauf von fünf Jahren nach Baubeginn und in der Folge
alle fünf Jahre die Anpassung des Baurechtszinses verlangen. Bei der
Neuberechnung der Grundrente sind der Landesindex der Konsumentenpreise
sowie der Hypothekarsatz für neue erste Hypotheken auf gewerblichen
Liegenschaften je zur Hälfte zu gewichten. Zweck einer solchen
Revisionsklausel ist allgemein, die Anpassung des Baurechtszinses
an die veränderten Verhältnisse auf dem Geldmarkt einerseits und im
Grundstückshandel andererseits zu ermöglichen, um die Geldentwertung
auszugleichen und der Wertsteigerung der Böden Rechnung tragen zu können
(ISLER, aaO, S. 135, MÜLLER, aaO, S. 10 f., RIEMER, aaO, S. 16 f., WITT,
Das Baurecht, Diss. Basel 1970, S. 151). Der Anpassungsklausel kommt vor
allem dann, wenn der Baurechtsvertrag auf längere Dauer oder sogar wie
hier auf die gesetzliche Höchstdauer von 100 Jahren (Art. 799 lit. l
ZGB) abgeschlossen wird, grösste Bedeutung zu. Die im vorliegenden Fall
vereinbarte Art der Neufestsetzung des Zinses erweist sich bei näherem
Hinsehen als wesentlich vorteilhafter für den Bauberechtigten als für
den Grundeigentümer:

    a) Da der Baurechtszins nur alle fünf Jahre und nicht schon
bei wesentlicher Veränderung des Lebenskostenindexes oder des
Hypothekarzinssatzes angepasst werden kann, hat der Grundeigentümer in
Zeiten starker Inflation auch grössere Einbussen während der fünfjährigen
Periode selbst zu tragen. Allerdings ist einzuräumen, dass dieser Zeitraum
relativ kurz ist.

    b) Angesichts der heutigen starken Schwankungen des
Hypothekarzinssatzes erscheint es als unzweckmässig, für die Neufestsetzung
der Grundrente auf den Zinssatz abzustellen, der zufällig am Ende einer
fünfjährigen Periode gerade gilt: damit wird ein rein aleatorisches Element
zur Bezugsgrösse gemacht. Zwar wird die Höhe des Zinssatzes durch die
momentane Inflation mitbestimmt, doch findet die bereits eingetretene
Geldentwertung keine Berücksichtigung mehr (zum Verhältnis zwischen
Zinssatz und Inflation vgl. HELBLING, Unternehmensbewertung und Steuern,
4. Auflage, S. 327 f. mit N. 8). Nun ist hier mit dem Satz von 5 3/4% ein
recht hoher Ausgangswert festgelegt worden, erreichten doch in den letzten
55 Jahren (1930-1984) oder auch in den letzten 35 Jahren (1950-1984) die
Zinssätze nur selten diese Höhe (vgl. etwa Statistisches Jahrbuch 1985,
S. 302, Tabellen der I. Hypotheken). Die Bauberechtigte konnte deshalb
damit rechnen, dass dieser Satz auch bei den zukünftigen Anpassungen
des Baurechtszinses wenn überhaupt, so nur um weniges überschritten
und sich die Bindung an den Hypothekarzinssatz eher bremsend als
antreibend auf das Wachstum der Grundrente auswirken werde. Sie hätte
denn auch in den ersten Zeiten der Baurechtsdauer zu einer Senkung der
Rente unter die Fr. 99'000.-- führen können, wenn dieser Betrag von
den Vertragsschliessenden nicht als Minimal-Baurechtszins bezeichnet
worden wäre.

    c) Weiter wirkt sich nachteilig für den Grundeigentümer aus, dass bei
den Anpassungen der Grundrente der Landesindex für Konsumentenpreise nur
zur Hälfte berücksichtigt wird und damit die allgemeine Teuerung nur halb
ausgeglichen werden kann. Die Bedeutung dieser Beschränkung wird klar,
wenn in Betracht gezogen wird, dass der Landesindex in den Jahren 1950
bis 1984 um nicht weniger als 140% angestiegen ist. Die Halbierung des
Lebenskostenindexes hat aller Wahrscheinlichkeit nach zur Folge, dass
die Grundrente im Lauf der Jahre zunehmend real an Wert einbüsst. Dass
die Verbindung des Indexes mit dem Hypothekarzinssatz nicht geeignet ist,
diese Entwertung aufzufangen, ergibt sich aus dem bereits Gesagten.

    d) Schliesslich sieht der Vertrag keinerlei Möglichkeit vor,
den Baurechtszins unabhängig von der Geldentwertung beim Ansteigen
der Grundstückspreise zu erhöhen (für Beispiele von "gleitenden
Bodenzinsen" vgl. BGE 52 II 27 ff. und 85 I 277; siehe auch KUTTLER,
Die Bodenverteuerung als Rechtsproblem, ZSR 83/1964 II S. 142, SIEBER,
Über die Grundrente, ZBGR 46/1965 S. 328). Zwar scheint es nach der
Lehre kaum vertretbar zu sein, den Baurechtszins mit dem Verkehrswert
unüberbauter Grundstücke (sogenannter absoluter Landwert) zu verknüpfen,
da dies zu einer übermässigen Belastung des Bauberechtigten führen
würde. Selbst wenn aber die Grundrente nur dem sogenannten relativen
Landwert angeglichen werden kann, der auf die Verbindung von Boden und
Bauten und auf deren Entwertung Rücksicht nimmt (vgl. NAEGELI, aaO, S. 257
f., ISLER, aaO, S. 134 mit N. 10), wirkt sich das Fehlen einer solchen
Anpassungsklausel offensichtlich zu Ungunsten des Grundeigentümers
aus. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als ein Geschäftshaus
in einem bedeutenden Touristenort erstellt werden sollte, wo auch in
Zukunft noch mit einer beträchtlichen realen Wertsteigerung der Böden
zu rechnen ist. Jedenfalls sprechen hier keine Gründe des Gemeinwohls
dagegen, dass auch der Grundeigentümer und nicht nur der Bauberechtigte
von der so oder so ansteigenden Grundrente profitiere (vgl. SIEBER, aaO,
S. 333 ff., AEMISEGGER, Das Baurecht des Zivilgesetzbuches als Mittel
einer aktiven Baulandpolitik der öffentlichen Hand, VLP Schriftenfolge
Nr. 35/1983 S. 19 f.).

Erwägung 6

    6.- Die Prüfung der Vertragsbestimmungen in ihrer Gesamtheit ergibt
demnach, dass es dem Grundeigentümer zwar gelungen ist, dem zu Beginn
der Baurechtsdauer geltenden Baurechtszins zwei sich zu seinen Gunsten
auswirkende Grössen, den vereinbarten hohen Bodenpreis von Fr. 1'700.--/m2
und den Zinssatz von 5 3/4% zugrundelegen zu lassen. Dagegen hat er in Kauf
nehmen müssen, dass eine Anpassungsklausel in den Vertrag aufgenommen
worden ist, die nur den halben Teuerungsausgleich zulässt und jede
Berücksichtigung einer Realwertsteigerung des Bodens ausschliesst;
sie hätte dem Bauberechtigten gestattet, von immer vorteilhafteren
Bedingungen zu profitieren und mit den Jahren wohl nur noch einen unter
der marktüblichen Verzinsung des Bodenwertes liegenden Baurechtszins
für die Nutzung des Grundstücks zu bezahlen. Diese Erscheinung ist gut
bekannt in Deutschland, wo die Erhöhung des Zinses bei Erbbaurechten
für den Wohnungsbau von Gesetzes wegen beschränkt ist (vgl. § 9a der
Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919/18. Januar 1974,
BGBl 1974 I S. 41) und der Erbbauzins in aller Regel deutlich hinter
einer marktgerechten Grundrente zurückbleibt. Das führt dazu, dass der
Erbbauberechtigte wirtschaftlich gesehen mit der Zeit am Wert des Bodens
partizipiert und eine Entwertung des belasteten Grundstücks zum Nachteil
des Eigentümers eintritt (AUST/JACOBS, Die Enteignungsentschädigung,
2. Auflage, S. 111 ff. sowie Anhang S. 316, 355 und 359; GELZER/BUSSE,
Der Umfang des Entschädigungsanspruchs aus Enteignung, 2. Auflage,
S. 184 f. N. 614-616; BRUNO MÜLLER, Die Enteignungsentschädigung des
Nebenberechtigten, NJW 20/1967 S. 1350 f.; siehe auch MERKER, aaO, S. 158
mit N. 19).

    Diesem Umstand hätte das Verwaltungsgericht bei der Bemessung
des subjektiven Schadens mit einem Abzug Rechnung tragen müssen. Zwar
darf die Enteignungsentschädigung nicht aufgrund von künftigen, rein
hypothetischen Wertverhältnissen festgelegt werden (MERKER, aaO, S. 159;
vgl. Art. 20 Abs. 1 EntG), doch schlägt sich hier die voraussehbare, durch
die Vertragsbestimmungen weitgehend abgesteckte zukünftige Entwicklung
schon im heutigen Wert des Grundstücks nieder. So müsste denn auch von zwei
identischen, gegenwärtig den gleichen Ertrag abwerfenden Liegenschaften
diejenige, deren Mietzinse frei variabel sind, höher bewertet werden als
jene mit starren Zinsen. Der Baurechtszins durfte daher im vorliegenden
Fall nicht einfach zur Ertragswertermittlung übernommen werden. Wenn sich
- mit anderen Worten - die Migros gemäss Vertrag bereit gezeigt hat,
heute unter den genannten Bedingungen einen auf den Bodenpreis von Fr.
1'700.--/m2 gestützten Baurechtszins zu entrichten, so kann keineswegs
davon ausgegangen werden, sie hätte bei einem Kauf des Grundstücks ohne
weiteres den selben Preis bezahlt.

    In welchem Umfang die Enteignungsentschädigung zu kürzen sei, ist
nicht leicht zu sagen und liegt weitgehend im Ermessen. Der Abzug kann
nicht allzu gross sein, da die Vertragspartner mit der Festsetzung des
Bodenwertes auf Fr. 1'700.--/m2 offenbar der kommenden Wertsteigerung,
die später nicht mehr ausgeglichen werden kann, bereits teilweise
Rechnung getragen haben. Wird vom vereinbarten Bodenpreis ausgegangen -
was der gewählten subjektiven Methode wohl am besten entspricht -,
so erscheint ein Abzug in der Höhe von 10-20%, gemittelt 15%, als
angemessen und mit dem Grundsatz der vollen Entschädigung vereinbar. Die
vom Verwaltungsgericht für das Grundstück Nr. 3060 zugesprochene
Entschädigung von Fr. 1'795'455.-- oder rund Fr. 1'767.--/m2 ist daher
auf Fr. 1'468'120.-- oder Fr. 1'445.--/m2 zu reduzieren. Die übrigen
Entschädigungsposten, die nicht angefochten wurden, bleiben unverändert.