Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 322



112 Ib 322

52. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. September 1986 i.S. Y. gegen
Kanton Basel-Landschaft (Direktprozess) Regeste

    Staatshaftung. Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons Basel-Landschaft
vom 25. November 1851.

    1. Kausalhaftung; Tragweite von § 25 des Verantwortlichkeitsgesetzes
(E. 1b).

    2. Pflichtwidrige Unterlassung im Zusammenhang mit dem Selbstmord eines
aus der kantonalen psychiatrischen Klinik entwichenen Patienten (E. 2-4).

    3. Schadenersatz bei Tötung. Ersatz der Bestattungskosten ohne
Anrechnung der Unterhaltsleistungen, welche die Eltern des Getöteten
infolge dessen Todes einsparen (E. 5a).

    4. Leistung von Genugtuung ohne ausdrückliche Erwähnung im
Verantwortlichkeitsgesetz? Frage offengelassen, da ein Anspruch auf
Genugtuung nur bei besonderen, im konkreten Fall nicht vorliegenden
Umständen gerechtfertigt wäre (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Der am 18. September 1963 geborene A. Y. wurde wegen akuter
Suizidgefahr am 4. Mai 1982 in die Kantonale Psychiatrische Klinik
Liestal eingewiesen. Am Abend des 2. November 1982 konnte er aus der
Klinik entweichen und Selbstmord begehen, indem er sich unter einen Zug
warf. Seine Eltern halten die Anstaltsleitung für verantwortlich.

    B.- Am 14. März 1985 erhoben die Eltern des Verstorbenen beim
Bundesgericht gegen den Kanton Basel-Landschaft Klage. Sie beantragen, den
Beklagten zur Zahlung von Fr. 10'904.-- Schadenersatz und je Fr. 12'000.--
Genugtuung zu verpflichten, beides mit 5% Zins seit 2. November 1982. Der
Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, eventuell Schadenersatz und
Genugtuung angemessen zu reduzieren. In Replik und Duplik halten die
Parteien an ihren Anträgen fest.

    C.- Am 30. Mai 1986 fand in Liestal die Vorbereitungsverhandlung
statt. Dabei wurden die Klinik besichtigt und Auskunftspersonen befragt,
namentlich Chefarzt Dr. P. Mit Verfügung vom 7. August 1986 schloss der
Instruktionsrichter das Vorbereitungsverfahren. Die Parteien verzichteten
auf Parteivorträge an der Hauptverhandlung.

    Den Klägern ist mit Beschluss vom 14. Dezember 1984 ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand, nicht aber eine weitergehende unentgeltliche Rechtspflege
bewilligt worden.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Die Zuständigkeit des Bundesgerichts ist anerkannt und gegeben
(Art. 42 OG).

    b) Die Kantonale Psychiatrische Klinik Liestal ist eine unselbständige
öffentlichrechtliche Anstalt des Kantons Basel-Landschaft (§§ 3 und
7 des kantonalen Spitalgesetzes vom 24. Juni 1976). Die Haftung des
Beklagten richtet sich entsprechend nach kantonalem öffentlichem Recht
(Art. 61 OR, Art. 59 ZGB; BGE 111 II 151 E. 3). Nach § 29 Abs. 1 der
Kantonsverfassung vom 4. April 1892 sind die Behörden, Beamten und
Angestellten des Staats für die Amtsführung verantwortlich. Aus dieser
Verantwortlichkeit herrührende Zivilansprüche können unmittelbar gegen
den Staat geltend gemacht werden, wobei diesem der Rückgriff gegen die
Fehlbaren vorbehalten bleibt. Gemäss § 29 Abs. 3 KV bestimmt das Nähere das
Verantwortlichkeitsgesetz. Ein neues Gesetz ist in der Folge nicht erlassen
worden, indes das "Gesetz für Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten"
vom 25. November 1851 nicht aufgehoben worden. Dessen Bestimmungen sind
daher durch § 29 KV zu ergänzen, wie das auch die kantonale, auf ein
Urteil des Obergerichts vom 7. Mai 1918 zurückgehende Praxis annimmt
(vgl. die Entscheide in BJM 1958, S. 352, E. 2 u. S. 360, E. 3).

    Nach § 24 des Verantwortlichkeitsgesetzes setzt die Zivilklage
gegen Behörden, Beamte und Angestellte wegen Amtshandlungen oder
Unterlassungen einen aus der Verletzung der Amtspflichten erwachsenen
Schaden voraus. Aus dem Hinweis auf die Verletzung der Amtspflichten
leiten Rechtsprechung und Lehre ab, es handle sich dabei um eine
Verschuldenshaftung (BJM 1958, S. 351, E. 2 u. S. 360, E. 4; GRISEL,
Traité de droit administratif, Bd. II, S. 820; vgl. auch ZEHNTNER,
Die Haftung des Staates für seine Funktionäre nach der Gesetzgebung
der schweizerischen Kantone, Diss. Zürich 1952, S. 73). Nach § 25 des
Verantwortlichkeitsgesetzes hat sodann der Staat für den aus einer
Amtshandlung oder Unterlassung entstandenen Schaden, "ohne dass dabei
eine Pflichtverletzung begangen wurde", einzustehen, wenn nicht besondere
Gesetze etwas anderes verfügen. Die kantonale Praxis erblickte darin
zunächst eine Rechtsgrundlage für eine Kausalhaftung des Staats, mithin
für eine Ersatzpflicht bei bloss rechtswidrigen, nicht notwendigerweise
auch schuldhaften Handlungen oder Unterlassungen eines Beamten (vgl. die
Urteile in BJM 1958, S. 356 ff.). In einem Urteil vom 7. März 1961
(abgedruckt in IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
Bd. II, Nr. 107, teilweise publiziert auch in BJM 1961, S. 160 ff.) hat
das Obergericht diese Auslegung in Frage gestellt und demgegenüber
angenommen, die Bestimmung bilde die Rechtsgrundlage für die staatliche
Schadenersatzpflicht bei rechtmässigen Staatseingriffen, soweit diese
Einzelne schwer und unzumutbar schädigen (vgl. auch GRISEL aaO, S. 824
f.; KÄMPFER, Schwerpunkte des solothurnischen Staatshaftungsrechtes,
in Festschrift 500 Jahre Solothurn im Bund, 1981, S. 296 mit N. 25).
Ausschlaggebend scheint ihm dabei, dass es rechtswidrige Amtshandlungen,
bei denen keine Pflichtverletzungen begangen worden sind, wie das der
Gesetzestext verlangt, nicht gebe (BJM 1961, S. 161). Demgegenüber hat
die frühere Praxis hervorgehoben, dass der Staat nach dem Wortlaut der
Bestimmung auch für rechtmässige Unterlassungen haften würde, worunter
man sich schwerlich etwas vorstellen könne (vgl. BJM 1958, S. 361). Beide
Auffassungen berufen sich demnach auf den Gesetzestext. Das bestätigt
zunächst, dass dieser verschieden ausgelegt werden kann. Im übrigen sieht
die Bestimmung grundsätzlich eine Staatshaftung vor und ist die Haftung
inhaltlich im Vergleich zu § 24 erweitert, indem auf das Erfordernis einer
Amtspflichtverletzung ausdrücklich verzichtet wird. Auch wenn weder eine
Kausalhaftung noch eine Entschädigungspflicht für rechtmässig zugefügten
Schaden in die Entstehungszeit der Norm passen (BJM 1958, S. 352, E. 3,
S. 361; ZEHNTNER, aaO, S. 74 f.), ändert das somit nichts daran, dass die
Bestimmung über eine Verschuldenshaftung hinausgeht. Die Staatshaftung hat
sich sodann in den 25 Jahren seit dem erwähnten Entscheid des Obergerichts
beträchtlich entwickelt; die Kausalhaftung wie - in bestimmten Grenzfällen
- die Ersatzpflicht für rechtmässig verursachten Schaden entsprechen
inzwischen gefestigter Betrachtungsweise (KÄMPFER, aaO, S. 290 u. 296;
GRISEL, aaO, S. 787 ff.; GYGI, Verwaltungsrecht, Eine Einführung (1986),
S. 248 f., 255 f.; vgl. auch Bericht der Expertenkommission für die
Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, S. 28 zu Art. 6
Abs. 1 und 2 des Verfassungsentwurfs). Die Bedenken, die sich früher
auch der zeitgemässen Auslegung entgegenstellten, sind durch diese
Entwicklung hinfällig geworden. Es steht deshalb heute nichts entgegen,
§ 25 des Verantwortlichkeitsgesetzes als Rechtsgrundlage sowohl für
die Kausalhaftung wie für die Schadenersatzpflicht bei rechtmässigen
Staatseingriffen zu betrachten. Wie letztere allenfalls einzugrenzen
ist, kann dahingestellt bleiben, da es im vorliegenden Fall nur um die
Kausalhaftung geht. Mit Bezug auf diese wird die dargelegte zeitgemässe
Auslegung noch dadurch bestärkt, dass der Beklagte selber davon ausgeht,
für eine allfällige Unterlassung bestehe eine Kausalhaftung des Kantons.

Erwägung 2

    2.- Die Kläger erblicken in der ungenügenden Überwachung des Patienten
bzw. in der ungenügenden Sicherung der geschlossenen Abteilung eine
pflichtwidrige Unterlassung.

    Der Beklagte hält dem entgegen, oberstes Ziel ärztlichen Wirkens sei
der Behandlungserfolg durch eine zweckmässige Therapie. Deshalb beruhe das
vom Kantonsparlament am 17. Oktober 1983 sanktionierte Psychiatriekonzept
auch für suizidale Patienten auf der Erkenntnis, dass sichernde,
freiheitsbeschränkende Massnahmen sich auf die Dauer antitherapeutisch
auswirkten und dass das Sicherheitsregime auf die Dauer zu lockern sei,
wenn man überhaupt den therapeutischen Zugang zum Patienten behalten
wolle. Heute komme der absoluten Sicherheit nicht erste Priorität zu und
sei daher der Begriff der genügenden Überwachung neu zu definieren.

    Auch die Kläger anerkennen die Bedeutung der Therapie zur
Überwindung der Suizidalität, doch müsse in akuten Krisensituationen
die unmittelbar wirksame Prävention Priorität haben. Damit wird
zu Recht das Psychiatriekonzept 1983 nicht als solches in Zweifel
gezogen. Anderseits bestreitet auch der Beklagte nicht, dass in
Krisensituationen Sicherungsmassnahmen zu treffen sind. Die Einweisung
in die geschlossene Abteilung der Klinik sollte denn auch einen Suizid
nach Möglichkeit verhindern, solange die Therapie nicht zur Behebung der
Suizidgefahr geführt hatte. Da das nicht gelungen war, fragt es sich,
ob die getroffenen Massnahmen ausreichten. Dabei ist der Einfluss auf
den Therapieverlauf mitzuberücksichtigen, wobei in diesem Zielkonflikt
dem verantwortlichen Klinikpersonal ein erheblicher Ermessensspielraum
zuzugestehen ist.

Erwägung 3

    3.- Vom psychischen Gesundheitszustand des Patienten im massgeblichen
Zeitpunkt hingen die zu treffenden Massnahmen ab. Dabei ist der Sachverhalt
als solcher unbestritten; er ergibt sich aus den Unterlagen der Klinik,
die in der Klageschrift unwidersprochen zitiert sind, sowie aus dem
Bericht des Chefarztes Dr. P. an die Winterthur-Versicherungen.

    a) Es ist anerkannt, dass bei A. Y. eine latente Suizidgefahr
bestanden hat und dass er auch in der Klinik, so namentlich im Juli 1982,
verschiedene Selbstmordversuche unternommen hatte, die in zwei Fällen zu
ernsthaften Verletzungen geführt hatten; die Krankengeschichte enthält
denn auch mehrfach ärztliche Hinweise auf starke Suizidalität. Nach
Darstellung des Beklagten war der Zustand des Patienten nicht stabil
und zu keiner Zeit das konkrete Ausmass der Gefährdung feststellbar
oder voraussehbar. Die Situation erlaubte immerhin am 18. Oktober 1982,
A. Y. aus der Intensivpflegestation (Wachsaal) in ein Einzelzimmer der
gleichen geschlossenen Abteilung zu verlegen; wegen Spannungszuständen
musste er aber am 24., 26. und 28. Oktober 1982 kurzfristig wieder in
den Wachsaal verbracht werden.

    b) Am 2. November 1982, anlässlich der Medikamentenabgabe, äusserte
A. Y. den Wunsch, die Abteilung zu verlassen. Der Pfleger verlangte
von ihm darauf das Versprechen, keine Dummheiten zu machen. Da der
Patient erklärte, ein solches Versprechen nicht geben zu können, wurde er
wieder in sein Zimmer geschickt. Der Beklagte anerkennt, dass damals in
Verbindung mit dem Verhalten am Vortag Krisenzeichen registriert wurden,
welche als neuer Suizidschub hätten gedeutet werden können. Er bestreitet
jedoch eine so hochgradige Suizidgefährdung, dass mit dem eingetretenen
Ablauf hätte gerechnet werden müssen. Angesichts der unklaren Suizidalität
entschied der zuständige Pfleger sich für ein vorzeitiges Schliessen der
Abteilungstüre (gegen aussen) als einzige zusätzliche Massnahme. Die Türe
des Einzelzimmers wird aus therapeutischen Gründen nicht abgeschlossen.

Erwägung 4

    4.- Nach Ansicht der Kläger genügte das Abschliessen der
Abteilungstüre unter den gegebenen Umständen nicht, um ein Entweichen
und den anschliessenden Selbstmord zu verhindern.

    a) Die Kläger meinen, ihr Sohn hätte damals im Wachsaal untergebracht
und überwacht werden sollen. Der Beklagte rechtfertigt den Verzicht
auf diese äusserste Massnahme mit dem Hinweis auf die Menschenwürde
des Patienten und auf das erwähnte Psychiatriekonzept. Bei früheren
Verlegungen in den Wachsaal sei der Patient jeweils auf die Stufe eines
völlig hilflosen Kleinkindes zurückgeworfen worden; nachdem er selbst
versucht habe, sich aus dem behüteten Milieu des Wachsaals zu lösen, habe
man diesen bescheidenen Teilerfolg der sorgsam abgestimmten Therapie nicht
preisgeben wollen. Diese Begründung überzeugt nicht ohne weiteres, nachdem
A. Y. wenige Tage vorher dreimal kurzfristig in den Wachsaal verbracht
worden war. Richtig ist dagegen, dass es sich bei diesem Entscheid um
eine therapeutisch heikle Frage handelte, deren Beantwortung wohl im
Ermessensbereich der verantwortlichen Betreuer gelegen hat. Es fragt sich
daher, ob entgegen der Ansicht des Beklagten nicht eine andere, geeignetere
Möglichkeit bestanden hätte, den tragischen Ablauf zu verhindern.

    b) Es ist anerkannt, dass A. Y. aus der geschlossenen Abteilung
entweichen konnte, indem er den Personenlift benützte. Während der
danebenliegende Bettenlift nur mit einem Schlüssel bedient werden
kann, ist der Personenlift zwar von der Abteilung her ebenfalls nur mit
Schlüssel zugänglich, kann aber auf allen Geschossen von innen her ohne
weiteres geöffnet werden. Das erlaubt sowohl Besuchern wie Patienten
den Zugang auch zur geschlossenen Abteilung. A. Y. muss das Eintreffen
eines solchen Liftbenützers ausgenützt haben und dann mit dem Lift in
die Eingangshalle gefahren sein. Die Problematik dieser Einrichtung war
in der Klinik bekannt; doch wurde von einer Änderung abgesehen, um den
Besucherzutritt nicht zu erschweren. Diese Überlegung ist verständlich,
jedoch fragt es sich, ob dem bekannten Risiko nicht durch personelle
Massnahmen hätte Rechnung getragen werden müssen.

    c) Der Beklagte führt das Geschehen auf ein unglückliches und
unvorhersehbares Zusammentreffen mehrerer Umstände zurück: Der Korridor
mit dem Lifteingang sei vom Zimmer des beaufsichtigenden Pflegers
überblickbar. Das Stationszimmer sei in jenem Zeitpunkt allerdings
unbesetzt gewesen, weil der Pfleger unvorhergesehen für kurze Zeit
weggerufen worden sei. Es sei höchst zufällig, dass gerade in diesem
Augenblick jemand die Lifttüre von innen geöffnet habe, und gänzlich
unvorhergesehen, dass A. Y. ausgerechnet dann vor der Lifttüre gestanden
sei, da er aufgefallen wäre, wenn er sich länger im Korridor aufgehalten
hätte. Angesichts dieses schicksalhaften Zusammentreffens fehle es auch am
adäquaten Kausalzusammenhang der Unterlassung mit dem entstandenen Schaden.

    Diese Darstellung trifft im entscheidenden Punkt nicht zu. Anlässlich
des Augenscheins hat sich nämlich ergeben, dass das Stationsbüro
keineswegs ständig besetzt ist; in der kritischen Zeit um 20 Uhr ist
der Pfleger, der hier Dienst hat, für 15-30 Minuten in der Abteilung
unterwegs, um die Medikamente zu verteilen. Der andere Pfleger befindet
sich im Wachsaal. Ein Patient braucht deshalb nicht besonders raffiniert
vorzugehen, um zu entweichen. Es ist auch nicht entscheidend, wie gross
die Wahrscheinlichkeit von Besuchern um oder unmittelbar nach 20 Uhr ist;
es kann sich auch um Patienten handeln, die aus dem Ausgang zurückkommen
oder aus Versehen das falsche Geschoss wählen. Jedenfalls handelt es
sich um einen Ablauf, der nicht derart ausserhalb des gewöhnlichen Laufs
der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, dass deswegen der
adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen wäre.

    Der Augenschein hat ergeben, dass es nicht einer ständigen Besetzung
des Stationszimmers bedarf, um eine solche Entweichung zu verhindern. Es
zeigte sich nämlich, dass der Lift in die Eingangshalle der Klinik führt,
die bis 21.30 Uhr geöffnet ist, in der aber nach 20 Uhr die Eingangsloge
nicht mehr besetzt ist und daher jede Kontrolle fehlt. Das überrascht
bei einer Klinik mit 300 Patienten.

    d) Es ergibt sich somit, dass zwar die am Abend des 2. November
1982 konkret getroffenen Anordnungen weder einem Beamten der Klinik
zum Verschulden gereichen noch als objektiv pflichtwidrig und damit
widerrechtlich zu betrachten sind. Dass A. Y. gleichwohl hat entweichen
können, ist auf die Liftanlage zurückzuführen, bei der in Kenntnis der
Problematik aus verständlichen Gründen auf konstruktive Abhilfe verzichtet
worden ist. Angesichts des bekannten Risikos hätte aber in personeller
Hinsicht Gewähr dafür geboten werden müssen, dass die Sicherheit
einer geschlossenen Abteilung nicht auf diesem Weg unterlaufen werden
konnte. Das wäre ohne weiteres möglich gewesen, sei es in der Abteilung
durch Sicherstellung der ständigen Besetzung des Stationszimmers, sei es
durch Kontrolle der Eingangshalle bis zur Schliessung der Eingangstüre. Der
damit verbundene personelle Aufwand erscheint für eine Klinik mit einem
Pflegpersonal von 120-130 Personen als zumutbar.

    Der Beklagte hat deshalb aufgrund von § 25 des
Verantwortlichkeitsgesetzes für den Schaden der Kläger aufzukommen;
die Klage ist daher im Grundsatz gutzuheissen.

Erwägung 5

    5.- Als Schadenersatz fordern die Kläger ausschliesslich Ersatz der
Bestattungskosten einschliesslich Leichentransport nach Jugoslawien
im Gesamtbetrag von Fr. 10'904.--. Der Beklagte bestreitet diese
Schadenspositionen nicht, lehnt jedoch eine Ersatzpflicht ganz oder
teilweise ab.

    a) Der Beklagte macht geltend, es seien von diesem Betrag die
weggefallenen Aufwendungen namentlich aus Erziehung und Unterhalt
sowie die durch den Tod bewirkten Erbschaften, Versicherungsleistungen
und dergleichen in Abzug zu bringen. Die Kläger wollen eine Anrechnung
ersparter Unterhalts- und Erziehungsaufwendungen nur im Zusammenhang mit
einem Versorgerschaden gelten lassen, nicht jedoch bei Bestattungskosten;
die Unterhaltspflicht gegenüber ihrem bereits 19jährigen Sohn wäre
nach ihrer Meinung ohnehin bald entfallen. Eine Erbschaft oder
Versicherungsleistungen sei ihnen nicht zugefallen. Dass letzteres
zutrifft, hat der Beklagte in der Duplik stillschweigend anerkannt. Dagegen
hält er an der Berücksichtigung eingesparter Unterhaltsleistungen fest,
weil diese wegen der Krankheit des Sohnes von den Klägern weit über seine
Volljährigkeit hinaus hätten erbracht werden müssen.

    Lehre und Rechtsprechung bejahen bei der Schadensermittlung die
Vorteilsanrechnung, soweit die Vorteile mit dem schädigenden Ereignis
in einem inneren Zusammenhang stehen, ähnlich der adäquaten Kausalität
(OFTINGER, Haftpflichtrecht, Bd. I, S. 180 ff., VON TUHR/PETER, Allgemeiner
Teil OR, Bd. I, S. 101 ff., DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité
civile, 2. Aufl., S. 220; BGE 85 IV 107, 71 II 89 f.). Freilich genügt
das nicht ohne weiteres (VON TUHR/PETER, S. 103); vielmehr stellt sich
auch ein Wertungsproblem (OFTINGER, S. 180). Im übrigen haben Lehre und
Rechtsprechung jeweils weniger grundsätzliche als vielmehr dem Einzelfall
entsprechende Lösungen gesucht. Dabei ist anerkannt, dass Eltern oder
Ehegatten, die einen Versorgerschaden geltend machen, sich die wegen des
Todes ersparten Aufwendungen anrechnen lassen müssen (BGE 108 II 437
E. 2b, 95 II 416 f. E. 1b teils auch für Erbanfall; OFTINGER, S. 183,
MERZ, Obligationenrecht, Allg. Teil, in Schweiz. Privatrecht, Bd. VI/1,
S. 208 ff.).

    Das lässt sich nicht in gleichem Mass auf den Fall übertragen, in
welchem kein Versorgerschaden, sondern nur Ersatz der Bestattungskosten
geltend gemacht wird. Zwar wäre für sie wie für einen eingesparten
Unterhalt der adäquate Zusammenhang mit dem Todesfall zu bejahen. Wenn aber
im Sinn einer Wertung auch gewisse Billigkeitsüberlegungen einbezogen
werden dürfen, gestatten diese von der Anrechnung eines allfällig
eingesparten Unterhalts abzusehen, wenn nur die Bestattungskosten
im Streit liegen. Dafür sprechen auch praktische Gründe, würde
damit doch eine an sich liquide Forderung zum Anlass schwieriger
Abklärungen und Schätzungen. Das liegt namentlich auch nicht im Sinn
eines Staatshaftungsgesetzes, selbst wenn die zivilrechtlichen Regeln
des Schadenersatzrechts in diesem Bereich ergänzend herangezogen werden
können (BGE 107 Ib 162 E. 2 mit Hinweis). Es kann deshalb offengelassen
werden, ob und in welchem Ausmass die Kläger durch den Tod ihres Sohnes
von Unterhaltslasten befreit worden sind.

    b) Nach Ansicht des Beklagten drängt sich eine Herabsetzung oder
gar Aufhebung der Ersatzpflicht auch unter dem Gesichtspunkt eines
Selbstverschuldens des Verstorbenen auf; trotz Depressionen und labilem
Gemütszustand sei dieser zur massgeblichen Zeit keineswegs urteilsunfähig
gewesen. Weil er den Tod absichtlich herbeigeführt habe, wäre es unbillig,
den schuldlos haftenden Beklagten den ganzen Schaden tragen zu lassen. Die
Kläger nehmen demgegenüber an, ihr Sohn sei, als er sich unter den Zug
geworfen habe, voll urteilsunfähig gewesen; auch wenn das nicht bei
jedem Selbstmord gelten müsse, sei dieser vorliegend eindeutig auf eine
krankheitsbedingte Willensbildung zurückzuführen.

    Nach ärztlicher Diagnose litt A. Y. an einer Psychose aus dem
schizophrenen Formenkreis, bzw. an einer Schizophrenie mit vornehmlich
katatonem Gepräge. Wie stark dieser Krankheitszustand im entscheidenen
Zeitpunkt die Urteilsfähigkeit des Patienten beeinträchtigt hat, braucht
nicht entschieden zu werden. Er wurde wegen seiner Neigung zur Selbsttötung
in die Klinik eingewiesen; er sollte wie früher dargelegt nach Möglichkeit
geheilt, aber auch vor einem Selbstmord bewahrt werden. Dass die Klinik
in letzterer Hinsicht versagt hat, schliesst es auf jeden Fall aus,
ein rechtlich relevantes Selbstverschulden von A. Y. anzunehmen.

    c) Die Klage erweist sich daher hinsichtlich der Schadenersatzforderung
als begründet; der Zinsanspruch ist unbestritten.

Erwägung 6

    6.- Obschon das Verantwortlichkeitsgesetz einen Genugtuungsanspruch
nicht erwähnt, machen die Kläger einen solchen in Höhe von je Fr. 12'000.--
geltend. Wenn das Gesetz "von der Zivilklage auf Schadenersatz" spreche,
werde damit generell auf das zivilrechtliche Haftpflichtrecht und damit
auch auf Art. 47 OR verwiesen. Der Verlust ihres einzigen Sohnes treffe die
Kläger schwer, zumal sie gehofft hätten, dass er die Entwicklungskrise
überwinde und wieder gesund werde. Dass dem Klinikpersonal kein
grobes Verschulden vorzuwerfen sei, werde mit den beantragten Beträgen
berücksichtigt. Der Beklagte lehnt dagegen jede Genugtuungszahlung ab, weil
eine solche im Gesetz nicht vorgesehen sei und auch der Verschuldenslage
nicht entspreche.

    Das Gesetz sieht nur den Ersatz des Schadens vor (§§ 24 und 25). Eine
kantonale Rechtsprechung zu dieser Frage besteht offenbar nicht;
doch ist vergleichsweise auf dieser Grundlage auch schon Genugtuung
geleistet worden. Die Kläger machen geltend, in der Entstehungszeit
des Gesetzes von 1851, also vor dem Obligationenrecht von 1881, habe
der Begriff des Schadenersatzes auch den immateriellen Schaden umfasst
(OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 zu Art. 61 OR), und in diesem Sinn sei auch
Artikel 7 des eidgenössischen Verantwortlichkeitsgesetzes vom 9. Dezember
1850 verstanden worden (BS 1, 462; O.K. KAUFMANN, Die Verantwortlichkeit
des Beamten und die Schadenersatzpflicht des Staates in Bund und Kantonen,
ZSR 72/1953, S. 344a, vgl. auch BGE 34 II 621 E. 5). Wieweit darauf noch
heute zurückzugreifen wäre, kann offenbleiben, entspricht es doch auch
heutiger Anschauung, im Zweifel in die Schadenersatzpflicht den Ersatz
immateriellen Schadens durch Genugtuung einzubeziehen (OFTINGER, aaO,
S. 287, STARK, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Skriptum, N. 179).

    Auch wenn danach einem Genugtuungsanspruch nicht entgegenstehen muss,
dass das Gesetz nur von Schadenersatz spricht, ist zu berücksichtigen,
dass nach neueren gesetzlichen Regelungen Genugtuung selbst bei Tötung oder
Körperverletzung nur unter besonderen Voraussetzungen geschuldet ist. Der
Anspruch wird von besonderen Umständen (Art. 47 OR), teils auch vom
Verschulden des Beamten abhängig gemacht (vgl. Art. 6 des eidgenössischen
Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958 [VG] und aus dem kantonalen
Recht die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere in den Kantonen Waadt,
Zürich, Schwyz, Zug, Solothurn, Thurgau und Wallis [dazu die Hinweise bei
GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, S. 281 ff.]; s. auch BGE
93 I 593 E. 5 zur Auslegung von Art. 27 MO in der damaligen Fassung unter
Einbezug von Art. 6 Abs. 1 VG). Dass nur besondere - nicht aber unbedingt
verschuldete - Umstände Genugtuungsleistungen des Staats rechtfertigen,
wird auch in der neuesten Lehre betont (GRISEL, aaO, S. 788).

    Von einem eigentlichen Verschulden des Klinikpersonals kann
vorliegend nicht gesprochen werden. Was die Verantwortlichkeit des
Beklagten rechtfertigt, ist vielmehr ein organisatorischer Mangel,
der nicht schwer wiegt, weil er nur in besonderen Ausnahmesituationen
Folgen haben kann. Das ruft jedenfalls nicht nach einer Genugtuung. Auf
Seiten der Kläger ist zu berücksichtigen, dass der Verlust ihres einzigen
Sohnes sie sicher schwer trifft, doppelt schwer der Selbstmord. Dieser
ist indes auf die kranke Persönlichkeit des Verstorbenen zurückzuführen
und kann nicht dem Beklagten angelastet werden. Dessen Verantwortlichkeit
beruht darauf, dass in der Klinik nicht alles vorgekehrt worden ist,
um eine solche Tragödie zu verhindern. Das ändert nichts daran, dass
das Klinikpersonal sich - der gestellten Aufgabe gemäss - während den
Monaten seines Aufenthalts um den Patienten bemühte, letztlich leider ohne
Erfolg. Ob in seinem Fall überhaupt Heilungschancen bestanden hätten,
die auch von den Klägern nur auf 15 bis 25% geschätzt werden, braucht
dabei nicht entschieden zu werden. Ein Genugtuungsanspruch ist unter den
gegebenen Umständen zu verneinen.

Erwägung 7

    7.- Die Klage erweist sich deshalb nur im Teilbetrag von Fr.
10'904.-- nebst 5% Zins seit 2. November 1982 als begründet, im übrigen
als unbegründet. Die Kläger beantragen, den Beklagten gleichwohl voll
kosten- und entschädigungspflichtig zu erklären, weil dieser eine von
ihnen vor Klageerhebung vorgeschlagene vergleichsweise Erledigung auf
der Basis allein der Schadenersatzforderung abgelehnt habe. Das trifft zu
und ruft der Frage, ob der Beklagte mit diesem Verhalten nicht unnötige
Kosten verursacht habe (Art. 156 Abs. 6 und 159 Abs. 5 OG in Verbindung
mit Art. 69 Abs. 1 BZP; vgl. auch GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht,
3. Aufl., S. 406 mit Hinweisen). Auch wenn nicht so weit gegangen wird,
ist zu beachten, dass der Beklagte eine vergleichsweise Erledigung noch
anlässlich der Vorbereitungsverhandlung namentlich deshalb abgelehnt hat,
weil er an einer grundsätzlichen Beurteilung durch das Bundesgericht
interessiert ist; das kann kostenmässig ebenfalls zu seinen Ungunsten
berücksichtigt werden (vgl. BGE 92 I 323 E. 6). Entscheidend ist jedoch,
dass die Kläger unter den gegebenen Umständen sich in guten Treuen
auch zur Erhebung des Genugtuungsanspruchs veranlasst sehen durften,
was im Sinn der Art. 156 Abs. 3 und 159 Abs. 3 OG eine volle Kosten-
und Entschädigungspflicht des Beklagten rechtfertigt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird teilweise gutgeheissen und der Beklagte verpflichtet,
den Klägern Fr. 10'904.-- nebst 5% Zins seit 2. November 1982 zu bezahlen;
im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen.