Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 309



112 Ib 309

48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. November 1986
i.S. K. gegen Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber
Fahrzeugführern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 16 Abs. 3, Art. 17 SVG; Art. 32 Abs. 1 VZV.

    Art. 32 Abs. 1 VZV, wonach der Führerausweis entzogen werden muss,
wenn der Führer während der Dauer eines rechtmässigen Ausweisentzugs ein
Motorfahrzeug gelenkt hat, ist durch Art. 16/17 SVG gedeckt und somit
gesetzmässig (E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führer- oder Lernfahrausweis
entzogen werden, wenn der Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch
den Verkehr gefährdet oder andere belästigt hat. In leichten Fällen kann
eine Verwarnung ausgesprochen werden. Art. 16 Abs. 3 SVG zählt die Fälle
auf, in denen der Führerausweis entzogen werden muss. Das Führen eines
Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs wird darin nicht genannt. Nach
Art. 17 SVG ("Dauer des Führerausweis-Entzuges") ist die Dauer des
Entzugs nach den Umständen festzusetzen; sie beträgt jedoch mindestens
sechs Monate, wenn der Führer trotz Ausweisentzuges ein Motorfahrzeug
geführt hat oder wenn ihm der Ausweis wegen einer Widerhandlung entzogen
werden muss, die er innert zwei Jahren seit Ablauf des letzten Entzuges
begangen hat (Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG). Gemäss Art. 32 Abs. 1 VZV
("Obligatorische Entzugsgründe") ist der Lernfahr- oder Führerausweis
zu entziehen, wenn der Führer die Voraussetzungen des SVG oder dieser
Verordnung zur Erteilung nicht mehr erfüllt, einen der in Art. 16 Abs. 3
SVG genannten Tatbestände verwirklicht oder ein Motorfahrzeug während
der Dauer eines rechtmässigen Ausweisentzuges geführt hat.

    Der Beschwerdeführer macht wie bereits im kantonalen Verfahren geltend,
Art. 32 Abs. 1 in fine VZV betreffend obligatorischen Ausweisentzug
wegen Fahrens trotz Führerausweisentzugs sei durch das SVG nicht gedeckt,
entbehre mithin der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Seines Erachtens
ist das Führen eines Motorfahrzeuges trotz Führerausweisentzugs nur ein
fakultativer Entzugsgrund gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG unter der weiteren
Voraussetzung, dass auf der Fahrt Verkehrsregeln verletzt werden.

Erwägung 2

    2.- Die Voraussetzungen des Führerausweisentzugs müssen angesichts
des durch diesen bewirkten erheblichen Eingriffs in die Rechte des
Bürgers im Gesetz festgelegt sein (vgl. auch Botschaft des Bundesrates
zur Revision des SVG, BBl 1973 II 1183). Die II. öffentlichrechtliche
Abteilung des Bundesgerichts setzte sich im nicht veröffentlichten Urteil
vom 26. Juni 1981 i.S. H. c. Rekurskommission des Kantons Bern, das im
angefochtenen Entscheid ausführlich wiedergegeben wird, eingehend mit der
Frage des Führerausweisentzugs wegen Fahrens trotz Führerausweisentzugs
auseinander. Das Bundesgericht hielt unter Berufung auf Gesetzesmaterialien
(Art. 17 Ziff. 3 des Vorentwurfs der Eidg. Polizeiabteilung vom Januar
1952; Botschaft des Bundesrates BBl 1955 II 24; Votum des Berichterstatters
im Nationalrat, Sten.Bull. NR 1956 S. 597) sowie unter Hinweis auf Art. 17
Abs. 1 lit. c SVG fest, dass der obligatorische Ausweisentzug wegen Fahrens
trotz Ausweisentzugs dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn des Gesetzes
(Nachvollzug durch Verlängerung des angeordneten Vollzugs) entspricht,
dass demnach Art. 16 Abs. 3 SVG insoweit eine echte Lücke enthält, die
nach den allgemeinen Grundsätzen vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg
gefüllt werden konnte, und dass Art. 32 Abs. 1 in fine VZV somit nicht
gesetzwidrig ist. Daran ist festzuhalten. [...] Ergänzend sei bemerkt,
dass im Falle des Fahrens trotz Ausweisentzugs entgegen der Ansicht
des Beschwerdeführers schon deshalb nicht gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG
(Verwarnung in leichten Fällen) verfahren werden könnte, weil allein
durch das Fahren trotz Führerausweisentzugs weder eine Verkehrsregel
verletzt wird noch der Verkehr gefährdet oder andere belästigt werden. Der
Beschwerdeführer möchte denn auch - insoweit konsequent - das Führen
eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs nur dann als fakultativen
Entzugsgrund gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG anerkannt wissen, wenn der Lenker
darüber hinaus zugleich noch eine Verkehrsregel verletzte. Damit würde
aber der Führerausweis nicht wegen des Fahrens trotz Führerausweisentzugs,
sondern wegen der zugleich begangenen Verkehrsregelverletzung entzogen,
die indessen ohnehin schon ein fakultativer Entzugsgrund ist. Art. 17
Abs. 1 lit. c SVG regelt klar den Führerausweisentzug wegen Führens
eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs und setzt nicht voraus,
dass der Lenker dabei noch eine Verkehrsregel verletzte.

    Inwiefern die sich aus der historischen, teleologischen und
systematischen Auslegung von Art. 16/17 SVG ergebende Annahme einer Lücke
in der Aufzählung der obligatorischen Entzugsgründe in Art. 16 Abs. 3
SVG verfehlt sei, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen. Dass eine
solche Lücke im Gesetz vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg gefüllt werden
kann, stellt er selber nicht in Abrede.

    Art. 32 Abs. 1 VZV, wonach das Führen eines Motorfahrzeuges trotz
Führerausweisentzugs einen obligatorischen Entzugsgrund darstellt, ist
demnach durch das SVG gedeckt.