Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 161



112 Ib 161

28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
2. Mai 1986 i.S. S. K.-I. gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 9 Abs. 4 lit. a und 17 Abs. 2 ANAG; Widerruf einer
Niederlassungsbewilligung.

    Wird eine Ehe ausschliesslich darum geschlossen, damit die Ehefrau
gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG die Niederlassungsbewilligung erhält,
und ist kein gemeinsames Eheleben geplant, so wird die Bewilligungsbehörde
über einen nach Art. 17 Abs. 2 ANAG wichtigen Umstand getäuscht; damit
ist der Widerrufsgrund von Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG erfüllt.

Sachverhalt

    A.- Die türkische Staatsangehörige S. K.-I. heiratete am 30.
Dezember 1983 ihren Landsmann M. K., der in der Schweiz über die
Niederlassungsbewilligung verfügte. Gestützt auf diese Heirat wurde ihr am
10. Januar 1984 die Niederlassungsbewilligung im Kanton Basel-Landschaft
erteilt. Mit Urteil eines türkischen Zivilgerichts vom 14. Februar 1985
wurde die Ehe geschieden. Nachdem bekannt geworden war, dass S. K.-I. schon
ab Herbst 1983 meistens in Wohngemeinschaft mit einem anderen türkischen
Staatsangehörigen, kaum aber mit M. K. zusammengelebt hatte, widerrief
die Fremdenpolizei des Kantons Basel-Landschaft am 16. Juli 1985 ihre
Niederlassungsbewilligung. Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde
wies der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 17. Dezember
1985 ab. Gegen diesen Entscheid erhob S. K.-I. am 20. Januar 1986
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG hat die Ehefrau eines Ausländers
mit Niederlassungsbewilligung Anspruch darauf, in die Bewilligung des
Ehemannes einbezogen zu werden, sofern sie mit ihm in gemeinsamem Haushalte
leben wird. Das Einbezugsrecht ist selber keine Bewilligung, sondern
verschafft nur einen Anspruch auf die Erteilung einer solchen. Daher
ist stets ein Bewilligungsverfahren erforderlich; nicht nur der Form
halber, sondern weil die Behörde das Vorliegen aller Erfordernisse
prüfen muss (M. RUTH, Fremden-Polizeirecht der Schweiz, Zürich 1934,
S. 70). Wegen des durch Art. 17 Abs. 2 ANAG eingeräumten Anspruchs auf
die Niederlassungsbewilligung ist die Behörde bloss nicht frei in ihrem
Entscheid. Sie hat aber jedenfalls u.a. zu prüfen, ob die Ausländerin
wirklich verheiratet ist und mit ihrem niedergelassenen Ehemann in
gemeinsamem Haushalte leben wird. Erst wenn sie sich davon überzeugt hat,
wird sie der Ausländerin die Niederlassungsbewilligung erteilen. Dies hat
zur Folge, dass die Ehefrau - wenn auch dank ihrer Ehe erleichtert - selber
ein Niederlassungsrecht erwirbt. Die so erteilte Niederlassungsbewilligung
erlischt daher - weil dies nicht gesetzlich vorgesehen ist - mit dem
Wegfall der Ehe nicht automatisch, sondern sie muss widerrufen werden.

    Da für den Widerruf der erleichtert erworbenen
Niederlassungsbewilligung keine besonderen gesetzlichen Regeln geschaffen
worden sind, ist im folgenden zu prüfen, ob die Niederlassungsbewilligung
der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 9 Abs. 4 ANAG oder nach den
allgemeinen Regeln für den Widerruf von Verfügungen widerrufen werden
konnte.

    b) Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG bestimmt, dass eine
Niederlassungsbewilligung widerrufen werden kann, wenn der Ausländer
sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher
Tatsachen erschlichen hat.

    Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ist der Ansicht, dass
die Beschwerdeführerin zwar die Niederlassungsbewilligung erschlichen habe;
da man ihr jedoch nicht vorwerfen könne, sie habe falsche Angaben gemacht
oder wissentlich wesentliche Tatsachen verschwiegen, falle Art. 9 Abs. 4
lit. a ANAG ausser Betracht; hingegen sei ihr Vorgehen rechtsmissbräuchlich
gewesen, weshalb die Niederlassungsbewilligung zu Recht widerrufen worden
sei. Er geht damit wohl vom Aufsatz von PETER KOTTUSCH, Scheinehen aus
fremdenpolizeilicher Sicht, in ZBl 84 (1983), S. 426 ff., aus, wo der Autor
ausführt, dass in Fällen einer sogenannten "Ausländerrechtsehe" Art. 9
Abs. 4 lit. a ANAG kaum als Widerrufsgrundlage in Frage komme (S. 438).

    Wie vorne ausgeführt, wird auch im Falle von Art. 17 Abs. 2 ANAG ein
Bewilligungsverfahren durchgeführt. Dabei ist die Bewilligungsbehörde
darauf angewiesen, dass die Gesuchstellerin ihr alle Angaben macht
und Unterlagen (z.B. Eheschein) vorlegt, die im Hinblick auf die
Bewilligungserteilung erforderlich sind. Bei dieser Gelegenheit ist
es einer Gesuchstellerin ohne weiteres möglich, falsche Angaben zu
machen bzw. wesentliche Tatsachen zu verschweigen und auf diese Weise
die Niederlassungsbewilligung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG
zu erschleichen.

    c) Im vorliegenden Fall ist nach den gesamten Umständen darauf zu
schliessen, dass die Beschwerdeführerin den Niedergelassenen M. K. ohne
fremdenpolizeilichen Hintergrund nie geheiratet hätte und die Ehe bloss
zwecks Erlangung der Niederlassungsbewilligung inszenierte. Mit der
formell zustande gekommenen Ehe täuschte sie der Bewilligungsbehörde vor,
sie wolle mit ihrem "Ehemann" in einer Ehegemeinschaft zusammenleben,
was gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG Voraussetzung für die Erteilung der
Niederlassungsbewilligung wäre, in Tat und Wahrheit aber gerade nicht
beabsichtigt war. Indem sie tat, als sei ein wirkliches Eheleben
beabsichtigt, spiegelte sie falsche Tatsachen vor und erschlich sich
dadurch die Niederlassungsbewilligung, die sie bei Darstellung der wahren
Sachlage nie erhalten hätte. Damit hat sie den Widerrufsgrund von Art. 9
Abs. 4 lit. a ANAG gesetzt.

    d) Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage einer
allfälligen Ehenichtigkeit und die in dieser Hinsicht von der
Beschwerdeführerin aufgeworfene Zuständigkeitsfrage.