Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IB 128



112 Ib 128

20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13.
Juni 1986 i.S. Verband aargauischer Käserei- und Milchgenossenschaften
und Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten gegen Molki AG und
Bundesamt für Landwirtschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Milchwirtschaft; Rohmilchzuteilung zur Herstellung und zum Vertrieb
von Pastmilch.

    1. Ist der Zentralverband schweiz. Milchproduzenten von einem
Beschwerdeentscheid des Bundesamtes für Landwirtschaft nur in seiner
Eigenschaft als Träger mittelbarer Staatsverwaltung betroffen, so ist er
nicht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (E. 2a). Demgegenüber
wäre der aargauische Milchverband als zuständige regionale Sektion des
Zentralverbandes zur Milchlieferung verpflichtet und dadurch in seinen
privaten kommerziellen Interessen berührt, weshalb ihm das Beschwerderecht
nach Art. 103 lit. a OG zukommt (E. 2b).

    2. Ein Anspruch auf Belieferung mit Rohmilch gemäss Art. 4 Abs. 2
Verkehrsmilchverordnung besteht nur insoweit, als dies zur Versorgung
des angestammten Vertriebsgebietes erforderlich ist (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Molki AG in Niedererlinsbach ist seit 1981 im Besitze
einer Bewilligung, nach welcher sie berechtigt ist, die von ihren
angestammten Milchproduzenten gelieferte Milch zu Pastmilch zu
verarbeiten und im Geschäftsgebiet des Verbandes aargauischer Käserei- und
Milchgenossenschaften sowie der Molki-Filiale Schönenwerd zu vertreiben.

    Am 8. November 1984 gelangte die vom Grossverteiler Denner beherrschte
Molki AG an den Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten mit dem
Ersuchen, ihr ab dem 1. Mai 1985 eine Million Liter Rohmilch pro Jahr
zur Erweiterung der Produktion von Pastmilch und Yoghurt zuzuteilen. Der
Zentralverband wies das Begehren im wesentlichen mit der Begründung ab,
die geforderte Zuteilung finde in der Verkehrsmilchverordnung (VmV; SR
916.353.1) keine Grundlage und sei mit einer kostensparenden, geordneten
Milchversorgung sowie einer zweckmässigen Milchverarbeitung im Sinne von
Art. 10 und 11 des Milchbeschlusses (MB; SR 916.350) unvereinbar.

    Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Molki AG an das Bundesamt für
Landwirtschaft, welches die Beschwerde guthiess und den Zentralverband
verpflichtete, dafür zu sorgen, dass die verlangte Milchmenge geliefert
werde.

    Der Entscheid des Bundesamtes für Landwirtschaft wird sowohl vom
Verband aargauischer Käserei- und Milchgenossenschaften (aargauischer
Milchverband) als auch vom Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten
(Zentralverband) mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde des Zentralverbandes nicht
ein und heisst die Beschwerde des aargauischen Milchverbandes gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist legitimiert, wer durch
die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse
an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103 lit. a OG). Dieses
allgemeine Beschwerderecht ist grundsätzlich auf Privatpersonen
zugeschnitten. Gemeinwesen und mit öffentlichen Aufgaben betraute
Organisationen steht das Beschwerderecht indes zu, wenn sie durch die
angefochtene Verfügung gleich oder ähnlich wie Private betroffen werden
(BGE 110 Ib 153/54, 108 Ib 207, je mit Hinweisen).

    a) Der Zentralverband versieht öffentliche Aufgaben auf dem Gebiet
der Konsummilchversorgung (Art. 10 MB; Art. 1 und 2 VmV). Das Gesuch
der Molki AG um Lieferung von Rohmilch, welches er erstinstanzlich zu
behandeln hatte, ging ihm nicht als private Organisation zu, sondern in
seiner Eigenschaft als Träger mittelbarer Staatsverwaltung. Wenn ihn das
Bundesamt als Beschwerdeinstanz in der Folge anwies, dafür zu sorgen,
dass die Molki AG die zugesprochene Milchmenge erhalte, so berührte ihn
dies wiederum in seiner öffentlichrechtlichen Stellung als Exekutivorgan
des Bundes. Der Zentralverband kann deshalb nur geltend machen, an der
richtigen Durchsetzung und einheitlichen Anwendung des Bundesrechts
interessiert zu sein, was indessen zur Beschwerdeführung nicht ausreicht
(BGE 107 Ib 174 oben, 105 Ib 359 E. 5a). Da er ohnehin über keine eigene
Milch verfügt, kann ihn die angeordnete Lieferpflicht nicht direkt berühren
und auch insoweit nicht wie eine Privatperson treffen. Auf die Beschwerde
ist daher nicht einzutreten.

    b) Zwar hat auch der aargauische Milchverband öffentlichrechtliche
Aufgaben zu erfüllen. Sollte er jedoch die der Molki AG zugesprochene
Milchmenge liefern müssen, so würde das ihm für die eigene Produktion
zur Verfügung stehende Quantum entsprechend reduziert, womit seine
privaten kommerziellen Interessen berührt wären. Ob er als zuständige
regionale Sektion des Zentralverbandes im Sinne von Art. 4 Abs. 2 VmV zur
Lieferung verpflichtet ist, hängt weitgehend von der materiellen Frage
ab, worauf sich der Anspruch auf Milchlieferung bezieht. Nach der im
folgenden darzustellenden Unterscheidung wird sich zeigen, dass sich das
richtig verstandene Bezugsrecht für Rohmilch nur gegen den aargauischen
Milchverband richten kann, weshalb ihm die Beschwerdebefugnis gemäss
Art. 103 lit. a OG zukommt. Seine Beschwerde ist deshalb an die Hand
zu nehmen.

Erwägung 3

    3.- a) Nach der Systematik des Milchbeschlusses müssen zwei Kategorien
von Konsummilchverkäufern unterschieden werden:

    Einerseits wird die Konsummilch nach Möglichkeit durch die
angestammten Sammelstellen und Produzenten im natürlichen Einzugsgebiet
der Verbrauchsorte vertrieben. Zu dieser Kategorie sind wohl auch die
Inhaber von Verkaufsbewilligungen gemäss Art. 21 MB zu zählen.

    Anderseits wurden mit der Änderung des Milchbeschlusses vom 2. Oktober
1964, d.h. elf Jahre nach Verabschiedung der ursprünglichen Fassung und
sieben Jahre nach Inkrafttreten der Verkehrsmilchverordnung, die Kategorie
der Pastmilchverkäufer geschaffen (Art. 21bis MB). Diese sind berechtigt,
in ihren Läden ohne Bewilligung pasteurisierte aber auch uperisierte
und sterilisierte Milch, Vorzugsmilch und weitere, nach ähnlichen
Verfahren bearbeitete Konsummilch in Wegwerfpackungen und Flaschen
abzugeben. Aufgrund der offenen Umschreibung dieser Bestimmung dürfte
wohl auch Yoghurt zur Pastmilch im hier verstandenen Sinne zu zählen sein.

    b) Die Frage des Anspruchs auf Zuteilung von Konsummilch gemäss Art. 4
Abs. 2 VmV ist je nach Kategoriezugehörigkeit verschieden zu beantworten:

    Gemäss Art. 4 Abs. 1 VmV ist die Konsummilch nach Möglichkeit durch die
angestammten Sammelstellen und Produzenten im natürlichen Einzugsgebiet der
Verbrauchsorte zu liefern bzw. bei diesen zu beziehen. Dies stimmt überein
mit Art. 11 lit. a MB und bezieht sich auf die erste Kategorie. Sofern die
Milch des natürlichen Einzugsgebiets nicht ausreicht, ist gemäss Abs. 2
den organisierten und nicht organisierten Verkäufern die erforderliche
Konsummilch von der zuständigen regionalen Sektion des Zentralverbandes
zur Verfügung zu halten. Soweit es sich dabei um eine Sammelstelle
oder um einen Verarbeitungsbetrieb handelt, erstreckt sich dieser
Anspruch zweifellos auch auf Rohmilch, aus der die für das natürliche
Versorgungsgebiet benötigte Pastmilch hergestellt werden soll.

    Wenn schon die Läden, d.h. die Milchverkäufer der zweiten Kategorie,
berechtigt sind, ohne Bewilligung "Pastmilch" zu vertreiben, so müssen
sie auch einen Anspruch haben, diese zu beziehen. Insofern können sie
sich durchaus auf Art. 4 Abs. 2 VmV stützen. Ihr Bezugsanspruch geht
aber aufgrund des Sinnes und der Reihenfolge des Inkrafttretens von
Art. 4 Abs. 2 VmV und Art. 21bis MB nur auf die von ihnen zu verkaufenden
Endprodukte, denn im Unterschied zu den Verkäufern der ersten Kategorie
können sie nicht gleichzeitig Verarbeitungsbetriebe sein, weshalb sie auch
nicht berechtigt sind, Rohmilch zum Zwecke der Herstellung von Pastmilch
und Frischmilchprodukten wie Yoghurt zu beziehen.

Erwägung 4

    4.- Die Molki AG kann sowohl der einen wie der andern Kategorie
zugeordnet werden: Als Sammelstelle und Milchverkäufer in ihrem
angestammten Gebiet gehört sie zur ersten Kategorie. Soweit sie über
den Grossverteiler Denner, von welchem sie wirtschaftlich beherrscht
wird, in dessen Läden im überregionalen, örtlich unbegrenzten Rahmen
Frischmilchspezialitäten absetzt, ist sie zur zweiten Kategorie zu
zählen. In der letztgenannten Eigenschaft hat sie indessen keinen
Anspruch auf zwangsweise Zuteilung von Rohmilch. Einen solchen besitzt
sie einzig, soweit sie als Milchverkäufer der ersten Kategorie örtlich
begrenzt Produkte vertreibt. Ihrem Begehren, das auf Übernahme von
Rohmilch lautet, kann demnach nur in dem Umfang stattgegeben werden,
als ein Bedarf im angestammten Vertriebsgebiet und die Unmöglichkeit
anderweitiger Beschaffung nachgewiesen sind.

    Wie es sich damit verhält, wurde aber bislang nicht untersucht. Da die
Vorinstanz die hievor dargestellte Unterscheidung nicht machte und offenbar
davon ausging, der Bedarf richte sich auch nach den Absatzmöglichkeiten
in den Läden des Grossverteilers Denner, mochten vage Annahmen für den
Bedarfsnachweis noch genügen. Hinsichtlich der hier entscheidenden Frage
des Bedarfs an Rohmilch zur Versorgung des angestammten Vertriebsgebiets
der Molki AG - das wesentlich kleiner ist als das Verkaufsgebiet der
bedienten Läden - liegen indessen keine hinreichenden Erhebungen vor. Der
angefochtene Entscheid ist deshalb wegen unvollständiger Feststellung des
Sachverhalts im Sinne von Art. 104 lit. b OG aufzuheben und zum neuen
Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Aufgrund dieses Urteils wird
die Vorinstanz den aargauischen Milchverband, der gemäss Art. 4 Abs. 2
VmV verpflichtet wäre, einen allfälligen Mehrbedarf der Molki AG an
Rohmilch zu decken, als Partei im Sinne von Art. 6 VwVG in das Verfahren
einbeziehen müssen und ihm ihren Entscheid gemäss Art. 34 Abs. 1 VwVG zu
eröffnen haben.