Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IA 90



112 Ia 90

16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
5. März 1986 i.S. X. gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons
Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG; Legitimation zur Anfechtung von Nutzungsplänen.

    Zur Anfechtung eines Nutzungsplanes mit staatsrechtlicher Beschwerde
ist sowohl der Eigentümer eines vom Plan erfassten Grundstückes befugt als
auch der Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft, der geltend macht,
die Planfestsetzung verletze ihn in seinen verfassungsmässigen Rechten,
weil dadurch Normen, die auch seinem Schutze dienten, nicht mehr oder in
geänderter Form gelten würden oder weil sie die Nutzung seiner Liegenschaft
beschränke. In beiden Fällen reicht die Anfechtungsbefugnis nur so weit,
als die Auswirkungen des Planes auf das eigene Grundstück in Frage stehen.

Sachverhalt

    A.- Mit Beschluss vom 31. Juli 1985 genehmigte der Regierungsrat
des Kantons Zürich die nicht angefochtenen Teile der Kernzone, welche
der Gemeinderat der Stadt Zürich am 23. Mai 1984 für das Gebiet "Hohe
Promenade" mit den dazugehörenden Bauvorschriften festgesetzt hatte. Da
verschiedene Eigentümer gegen den Beschluss des Gemeinderates Beschwerde
bei der Baurekurskommission I eingereicht hatten, nahm der Regierungsrat
deren Liegenschaften von der Genehmigung aus, so auch die Liegenschaften
der Eigentümer, die nun gegen den Genehmigungsbeschluss staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbotes und der Eigentumsgarantie
erheben. Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde
mangels Legitimation nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die bundesgerichtliche Rechtsprechung über die Befugnis zur
Anfechtung von Nutzungsplänen geht vom Grundsatz aus, dass zur Beschwerde
nur legitimiert ist, wer Eigentümer eines durch den Plan erfassten
Grundstückes ist, und dass die Anfechtungsbefugnis nur so weit reicht, als
die Behandlung des eigenen Grundstücks in Frage steht (BGE 105 Ia 109 E. 2
mit Verweisungen). Doch hat die Rechtsprechung schon früh erkannt, dass
die Änderung von Nutzungsplänen auf benachbarten Grundstücken dazu führen
kann, dass auf diesen Liegenschaften Eigentumsbeschränkungen aufgehoben
werden, die nicht nur die Interessen der Allgemeinheit, sondern auch
diejenigen der Eigentümer des angrenzenden Gebiets zu schützen bezwecken
(BGE 91 I 345 E. 3; 101 Ia 543 E. 2). Das Bundesgericht bezeichnete daher
die Eigentümer von Grundstücken, welche ausserhalb des Plangebietes liegen,
als berechtigt, einen Quartierplan anzufechten, der zu einer Aufhebung
nachbarschützender Bestimmungen führt (BGE 91 I 345 E. 3; 107 Ia 335
f. E. 1d; s. auch BGE 106 Ia 331 E. 2 und 334 E. 1b, wo die Frage der
Rekurslegitimation aufgeworfen, jedoch offengelassen wurde, weil nicht
die Verletzung nachbarschützender Normen geltend gemacht wurde). Aus
dem gleichen Grunde bejahte es die Legitimation eines Eigentümers zur
Anfechtung eines Arealüberbauungsplanes, der sich auf benachbartes
Gebiet bezog und der in seinen Auswirkungen einer Ausnahmebewilligung
für die Abweichung von den ordentlichen Bauvorschriften nahekam
(BGE vom 13. Januar 1982 in: ZBl 83/1982, S. 313 E. 1b). Mit diesen
Erwägungen übereinstimmend hielt es in Berücksichtigung der baurechtlichen
Auswirkungen eines Baulinienplanes fest, es liege nahe, die Legitimation
für die Anfechtung des Planes durch den Eigentümer eines von der Linie
nicht direkt betroffenen Grundstücks nach den Regeln zu beurteilen, die für
die Legitimation eines Nachbarn zur Beschwerde gegen eine Baubewilligung
gälten (BGE vom 16. März 1982 in: ZBl 83/1982, S. 311).

    Die Anerkennung der Rekursberechtigung eines nicht vom Plan erfassten
Eigentümers beruht darauf, dass bei der späteren Anfechtung einer
Baubewilligung, die sich auf den neuen Nutzungsplan stützt, der Plan und
die ihn ergänzenden Bauvorschriften grundsätzlich nicht mehr angefochten
werden können (BGE 106 Ia 386 f. E. 3b und c). Es tritt daher bereits mit
der Genehmigung des Planes, mit dem eine Baulinie definitiv festgesetzt
wird oder mit dem öffentlichrechtliche Immissionsschutzvorschriften oder
sonstige den Nachbarn schützende Normen aufgehoben oder gelockert werden,
ein Rechtsnachteil für den von den Auswirkungen des Planes betroffenen
Eigentümer ein. Diese Folge gilt bei jedem Nutzungsplan, gleichgültig,
ob es sich um einen Rahmennutzungsplan im Sinne des Zonenplanes handelt,
oder ob ein Sondernutzungsplan wie ein Baulinienplan oder ein Überbauungs-,
Gestaltungs- oder Quartierplan vorliegt. Es drängt sich daher im Sinne
der dargestellten Praxis auf, die angeführte Regel für die Anfechtung
von Nutzungsplänen wie folgt neu zu fassen:

    Zur Anfechtung eines Nutzungsplanes mit staatsrechtlicher Beschwerde
ist sowohl der Eigentümer eines vom Plan erfassten Grundstückes befugt als
auch der Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft, der geltend macht,
die Planfestsetzung verletze ihn in seinen verfassungsmässigen Rechten,
weil dadurch Normen, die auch seinem Schutze dienten, nicht mehr oder in
geänderter Form gelten würden oder weil sie die Nutzung seiner Liegenschaft
beschränke. In beiden Fällen reicht die Anfechtungsbefugnis nur so weit,
als die Auswirkungen des Planes auf das eigene Grundstück in Frage stehen.