Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IA 65



112 Ia 65

12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
5. März 1986 i.S. Gemeinde Bever gegen X. und Mitbeteiligte und Regierung
des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Gemeindeautonomie; Hauptwohnungsanteilregelung im kommunalen Baugesetz.

    Eine Regelung, welche für Zweitwohnungen die Ausnützungsziffer
beschränkt, ohne gleichzeitig zum Bau von Hauptwohnungen zu verpflichten,
ist in der Regel mit dem Gebot der haushälterischen Bodennutzung gemäss
Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG nicht vereinbar (E. 3b-5).

Sachverhalt

    A.- Die Gemeindeversammlung von Bever revidierte am 13.  Dezember 1983
die Ortsplanung. Dabei verfolgte sie das Ziel, den Zweitwohnungsbau
einzuschränken, um so der einheimischen Bevölkerung einen preislich
annehmbaren Wohnungs- bzw. Baulandmarkt zu verschaffen. Sie nahm in das
kommunale Baugesetz (BauG) u.a. die folgende Bestimmung auf:

    "Art. 56 Ausnützungsziffer

    1 Für Hauptwohnungen und Wohnungen in hotelmässig
   bewirtschafteten Betrieben gelten die in Art. 55 aufgeführten

    Ausnützungsziffern.

    a) bei Wohnbauten

    2 Von der nach Art. 55 maximal zulässigen Ausnützung
   dürfen nicht mehr als 1/2 für Zweitwohnungen verwendet werden. Bei
   Umbauten oder Ausbauten von Gebäuden in der Kernzone darf der Anteil
   an Zweitwohnungen 1/2 der gesamten Bruttogeschossfläche des von der
   Baueingabe erfassten Gebäudes nicht überschreiten.

    3 Als Hauptwohnungen gelten Wohnungen für die ortsansässige

    Bevölkerung, deren Zweckbestimmung vertraglich sichergestellt ist.

    Zweitwohnungen sind alle nicht zu den Hauptwohnungen zählenden
Wohnungen
   mit Ausnahme von Wohneinheiten in hotelmässig bewirtschafteten
   Betrieben, deren Zweckbestimmung vertraglich sichergestellt ist."

    Im Genehmigungsverfahren gemäss Art. 37 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes
für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973 (KRG) genehmigte die Regierung
des Kantons Graubünden mit Beschluss vom 1. April 1985 das am 13. Dezember
1983 von der Gemeindeversammlung beschlossene Baugesetz mit Ausnahme
u.a. von Art. 56 Abs. 2 und 3. Zugleich nahm sie zu den Beschwerden
verschiedener Grundeigentümer, die sich gegen die genannten Bestimmungen
gerichtet hatten, in gutheissendem Sinne Stellung.

    Gegen diesen Beschluss führt die Gemeinde Bever gestützt auf die
verfassungsmässig anerkannte Gemeindeautonomie und auf Art. 4 BV (Willkür)
staatsrechtliche Beschwerde, die das Bundesgericht teilweise gutheisst.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) Siedlungspolitische Massnahmen sind grundsätzlich mit der
Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter BV vereinbar, wenn sie im Zielbereich
von Art. 22quater BV liegen, der die geordnete Besiedlung des Landes
ausdrücklich als einen der Zwecke der Raumplanung bezeichnet; solche
Massnahmen entsprechen auch den Zielen und den Planungsgrundsätzen von
Art. 1 und 3 RPG (BGE 111 Ia 98 E. 2b, 140 E. 7a; 103 Ia 420 E. 4a;
99 Ia 35 ff.). Die Regierung anerkennt dies zu Recht.

    Die Regierung anerkennt ferner und geht ihrerseits davon aus,
dass in der Gemeinde Bever durch die Zunahme von Zweitwohnungen auf
dem Wohnungs- bzw. Baulandmarkt eine Bedürfnislage entstanden ist, die
raumplanerische Massnahmen zur Beschaffung günstigen Wohnraums für die
einheimische Bevölkerung als im öffentlichen Interesse liegend erscheinen
lässt. Die Regierung will in den zu ergreifenden Massnahmen, d.h. in den
Eingriffen in die Rechtsstellung der Grundeigentümer, sogar weiter gehen
als die Gemeinde Bever, deren Konzept sie für ungenügend hält. Soweit
die Beschwerdeführerin der Regierung unterstellt, sie wolle durch
Nichtgenehmigung von Art. 56 Abs. 2 und 3 BauG raumplanerisch gebotene
Eingriffe verhindern oder den gegenwärtigen Zustand aufrechterhalten,
geht ihre Kritik offensichtlich fehl. Die Regierung will - wie aus ihren
Erwägungen klar genug hervorgeht - durch die genannte Nichtgenehmigung
erreichen, dass die Gemeinde Bever anstelle der beanstandeten Regelung eine
rechtlich einwandfreie und zugleich raumplanerisch wirksamere schafft. Es
ist zu prüfen, ob ihre Überlegungen vor der Verfassung standhalten.

Erwägung 4

    4.- Die Regierung hält die von der Gemeinde Bever in Art. 56 Abs. 2
BauG beschlossene Regelung für rechtswidrig. Nach dieser Bestimmung
dürfen von der gemäss Art. 55 BauG maximal zulässigen (d.h. ordentlichen)
Ausnützung nicht mehr als 1/2 für Zweitwohnungen verwendet werden. Damit
steht es dem Grundeigentümer rechtlich frei, entweder die volle
Ausnützungsziffer gemäss Art. 55 BauG für Hauptwohnungen oder einen
Teil der Ausnützungsziffer bis höchstens 50% für Zweitwohnungen zu
verwenden. Das Gesetz enthält keine Verpflichtung des Grundeigentümers,
neben Zweitwohnungen auch Hauptwohnungen zu bauen, lässt ihm vielmehr
die Freiheit, ausschliesslich Zweitwohnungen zu erstellen. Die Regierung
sieht in dieser Regelung eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG, da
sie dem Gebot haushälterischer Nutzung des Bodens entgegenstehe; sie lade
zur Unternutzung und zur Streubauweise geradezu ein. Diese Missachtung
materiellen Bundesrechts stelle die Verletzung einer gesetzlichen
Vorschrift im Sinne von Art. 37 Abs. 2 KRG dar. Art. 56 Abs. 2 BauG könne
daher nicht genehmigt werden.

    Die Beschwerdeführerin beruft sich demgegenüber auf die in Art. 18, 19
und 22 ff. KRG für den Erlass solcher Vorschriften unbestritten vorhandene
gesetzliche Grundlage. Sie bestreitet, dass die nicht genehmigte Regelung
eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG darstelle. Sie führt aus, in
der Schweiz gebe es kein Baugesetz, das den Grundeigentümer zur Überbauung
seines Grundstücks und dabei erst noch zur vollen Ausschöpfung der
zulässigen Ausnützung verpflichte. Wenn daher die umstrittene Regelung dem
Grundsatz der haushälterischen Nutzung des Bodens widersprechen sollte, so
gälte dies auch für alle in der Schweiz vorhandenen Bauzonen. Zudem komme
den Planungsgrundsätzen in Art. 1-3 RPG keine absolute, sondern nur eine
relative Verbindlichkeit zu. Einander widersprechende Planungsgrundsätze
seien gegeneinander abzuwägen. Vorliegend müsse der Grundsatz der
haushälterischen Nutzung des Bodens dem in Art. 1 Abs. 1 Satz 3 und
Art. 3 Abs. 3 RPG enthaltenen Grundsatz gegenübergestellt werden,
dass bei Planungen auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zu achten ist.
Die Regierung wende überdies den Begriff der haushälterischen Nutzung des
Bodens hier falsch an, da auch bei Ausnützung nur der Hälfte des Bodens für
die Zweitwohnungen die nicht verbrauchte Ausnützung nicht verlorengehe,
sondern jederzeit noch nachträglich für Hauptwohnungen genutzt werden
könne, weshalb ein Widerspruch zum Grundsatz der haushälterischen Nutzung
des Bodens nicht vorliege. Die Regelung gewährleiste vielmehr eine sparsame
Nutzung des Bodens.

    Mit der Frage der Rechtsnatur und der Tragweite der in Art. 1 und 3
RPG enthaltenen Planungsgrundsätze hat sich das Bundesgericht in mehreren
Urteilen befasst. Dabei hat es festgestellt, dass diese Planungsgrundsätze
Normen darstellen, die für die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden
aller Stufen verbindlich sind (vgl. Urteil vom 4. März 1985 in: ZBl 87/1986
S. 45 E. 2c; Urteil vom 3. Februar 1982 in: ZBl 83/1982 S. 351 ff.; BGE
111 Ia 140 E. 7a; 110 Ia 53 E. 3). Vorliegend anerkennen Regierung und
Gemeinde Bever übereinstimmend das in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG enthaltene
Gebot haushälterischer Nutzung des Bodens als massgeblich. Es fragt
sich indessen, ob ihm in der umstrittenen Regelung in genügender Weise
Nachachtung verschafft wird oder ob ihm - wie die Regierung erklärt -
durch eine unzulängliche Regelung zuwidergehandelt wird.

    Das Gebot haushälterischer Nutzung des Bodens ist eines der
Kernanliegen des Bundesgesetzes über die Raumplanung. Raumplanerische
Massnahmen, welche die Bereitstellung von Hauptwohnungen für die
ortsansässige Bevölkerung zum Ziele haben, dürfen nicht auf Kosten dieses
Gebotes gehen. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dieses Gebot habe
keine absolute Geltung, sondern müsse den Bedürfnissen der Bevölkerung
gemäss Art. 1 Abs. 1 Satz 3 und Art. 3 Abs. 3 RPG gegenübergestellt
werden, geht fehl. Diese Grundsätze kollidieren vorliegend nicht, da dem
Bedürfnis der Bevölkerung nach Hauptwohnraum seitens beider Behörden in
gleichem Masse entsprochen werden will und nicht geltend gemacht wird,
die von der Regierung geforderte weitergehende Regelung verschaffe weniger
Hauptwohnraum. Der Streit geht vielmehr darum, ob das gesetzgeberische
Ziel der Schaffung solchen Hauptwohnraums ohne gesetzliche Verpflichtung
des Grundeigentümers in genügendem Masse erreicht werden kann. Zu
entscheiden ist dabei einerseits, wie weit planerische Eingriffe in das
Privateigentum gehen dürfen, ohne die Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter
BV zu verletzen, anderseits aber zugleich, wie weit sie gehen müssen,
wenn sie zur Erreichung des Planungsziels tauglich und damit durch ein
überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt sein sollen.

Erwägung 5

    5.- a) Die Regierung verneint die Zweckdienlichkeit der von der
Gemeinde Bever in Art. 56 Abs. 2 BauG geschaffenen Regelung. Ohne
eine Verpflichtung zum Bau von Hauptwohnungen könnten Auswärtige
mit ausreichenden finanziellen Mitteln sich das für Zweitwohnungen
erforderliche Land verschaffen und dadurch Ortsansässige be- oder sogar
verdrängen. Kapitalkräftige Auswärtige seien sodann bei der streitigen
Regelung in der Lage, auf die Preisbildung Einfluss zu nehmen und sich
so zum Nachteil der Einheimischen günstige Wohngebiete zugänglich zu
machen. Durch die Ausnützungsziffer-Ordnung von Art. 56 BauG werde
dem Bemühen der Gemeindebehörden, ein aktives, lebenswertes Dorf und
eine lebensfähige Dorfgemeinschaft zu erhalten, entgegengewirkt. Für die
angestrebte Einschränkung des Zweitwohnungsbaus bilde diese Ordnung kein
taugliches Mittel.

    b) Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, man sei
bei der Schaffung der neuen Baubeschränkungen von der Überzeugung
ausgegangen, dass auch mit der neuen Ausnützungsziffer-Regelung gemäss
Art. 56 Abs. 2 BauG bauwillige Grundeigentümer nach wie vor danach
streben würden, die vorhandenen Baumöglichkeiten voll auszuschöpfen und
demgemäss auch Hauptwohnraum zu erstellen, dessen Zweckbestimmung im
Baubewilligungsverfahren zu sichern sei. Die Beschwerdeführerin habe
gute Gründe für die Annahme, dass auch ohne gesetzlichen Zwang wie bis
anhin weiterhin mit einer vollen Ausschöpfung der Ausnützungsziffer
gerechnet werden dürfe. Luxusferienvillen, bei welchen Unternutzungen
eines Grundstückes in Kauf genommen würden, seien in der Gemeinde Bever
bisher keine gebaut worden. Für solche Objekte sei Bever offensichtlich
nicht der richtige Standort im Oberengadin. Es sei nicht zu erwarten,
dass Auswärtige mit ausreichenden finanziellen Mitteln sich in Bever das
für einen reinen Feriensitz erforderliche Land verschafften und dadurch
die Deckung des Bedarfs an Wohnraum für Ortsansässige erschwerten oder
sogar verunmöglichten. Allfällig vorkommende Ausnahmen könnten die
umstrittene Regelung nicht als unzweckmässig erscheinen lassen. Diese
wirke auch nicht dem Bestreben, ein aktives, lebenswertes Dorf und eine
lebensfähige Dorfgemeinschaft zu erhalten, entgegen. Die Gemeinde wolle
mit den neuen Vorschriften gerade im Ortskern mit vielen wertvollen alten
Bauten den fortschreitenden Ausbau bestehender Gebäude zu Feriensitzen
und die damit verbundene Verdrängung der ortsansässigen Bevölkerung
in periphere Zonen verhindern. Die vorgesehene Regelung könne in der
Kernzone und der Dorfzone nicht zu einer Verschwendung von Bauland führen,
da das mögliche Bauvolumen durch die bestehenden Gebäude bestimmt sei
und höchstens Umbauten in Frage kämen. Die neue Regelung sei daher ein
taugliches und zweckmässiges Mittel, um der einheimischen Bevölkerung
Wohnraum zu sichern und insbesondere der fortschreitenden Zweckentfremdung
der Bauten im Dorfkern entgegenzuwirken. Sie beachte auch den Grundsatz
der Verhältnismässigkeit. Eine Verpflichtung der Grundeigentümer zur
vollen Ausschöpfung der zulässigen Ausnützung wäre nur zu rechtfertigen
gewesen, wenn eine solche Verpflichtung als notwendig zu erachten
wäre. Die Gemeinde habe eine solche Verpflichtung indessen gerade nicht
für notwendig gehalten, weil die Preisverhältnisse und die Nachfrage nach
Haupt- und Zweitwohnungen sowie die den Grundeigentümern anfallenden
Erschliessungskosten ohne weiteres zur erwünschten vollen Ausschöpfung
der baulichen Möglichkeiten führten.

    c) Die Frage der Zweckdienlichkeit und Tauglichkeit
einer gesetzgeberischen Massnahme ist ein Teilaspekt des
Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (BGE 96 I 242 E. 5; ANDRÉ GRISEL, Traité
de droit administratif, Neuchâtel 1984, Bd. I S. 348 ff.; ULRICH ZIMMERLI,
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im öffentlichen Recht, in: ZSR 1978
II S. 1 ff.; PIERRE MULLER, Le principe de la proportionnalité, in: ZSR
1978 II S. 210 ff.). Dieser ist auch bei der Rechtssetzung zu beachten. Die
Erforderlichkeit der Massnahme ist unbestritten. Zu prüfen ist daher,
ob die von der Gemeinde Bever beschlossene Regelung in Art. 56 Abs. 2
BauG zur Erreichung des von ihr angestrebten gesetzgeberischen Ziels
geeignet und tauglich ist und ob anderseits die seitens der Regierung
verlangte Verpflichtung der Grundeigentümer, neben den Zweitwohnungen
auch Hauptwohnungen zu bauen, im engeren Sinne verhältnismässig ist; das
ist sie dann, wenn sie zum gesetzgeberischen Zweck in einem vernünftigen
Verhältnis steht und nicht über das Ziel hinausgeht.

    Unbestritten ist und wird auch vom Bundesamt für Raumplanung in
seiner Vernehmlassung hervorgehoben, dass das Zweitwohnungsproblem als
raumplanerisch-sozialpolitisches Problem für die Berg- und Touristikkantone
von schwerwiegender Bedeutung ist. Ein Überhandnehmen der Zweitwohnungen
birgt die Gefahr verschwenderischer Beanspruchung des knappen Bodens in
sich. Es trägt auch zur Verteuerung der Boden- und Wohnungspreise als
Folge ortsfremder Nachfrage bei. Es bewirkt letztlich die Verdrängung
der ortsansässigen Bevölkerung in weniger gesuchte Wohnlagen oder in
andere Gemeinden.

    Dieser Entwicklung kann mit direkten Massnahmen (sozialer
Wohnungsbau, Subventionierung preisgünstiger Wohnungen) entgegengewirkt
werden. Vorliegend stehen jedoch nur indirekte, raumplanerische
Massnahmen zur Diskussion. Unbestritten ist, dass die von der
Gemeinde Bever beschlossene Massnahme, die in einer Beschränkung der
Ausnützungsziffer für Zweitwohnungen besteht und sich in dieser erschöpft,
unter der Voraussetzung der vollen Ausschöpfung der Ausnützungsziffer
zur zusätzlichen Erstellung von Hauptwohnungen führen kann. Die Gemeinde
erwartet, dass diese Regelung genüge, vermag sich aber nicht auf eigene
oder fremde Erfahrungen zu stützen. Ihre Zukunftserwartungen beruhen
auf der bisherigen Regelung, die keine Beschränkung für Zweitwohnungen
kannte. Die Beschwerdeführerin hält es immerhin für möglich, dass
Unternutzungen durch kapitalkräftige Ortsfremde vorkommen werden, gewichtet
dieses Risiko indessen nicht besonders. Demgegenüber hält die Regierung
die für Zweitwohnungen vorgesehene Ausnützungsziffer-Beschränkung
ohne gleichzeitige Verpflichtung des Grundeigentümers zum Bau von
Hauptwohnungen geradezu als Einladung zu Unternutzungen und damit zu
verschwenderischem Umgang mit dem Boden. Sie hält eine Regelung mit
Verpflichtung des Grundeigentümers zum Hauptwohnungsbau von der Art,
wie sie die bernische Gemeinde Gsteig am 10. Juni 1983 beschlossen hat
und der seitens der Baudirektion des Kantons Bern am 10. November 1983
die Genehmigung erteilt wurde, für unentbehrlich. Das Bundesamt für
Raumplanung teilt diese Auffassung.

    Es ist allgemein bekannt, dass im Engadin die Nachfrage nach
Zweitwohnungen ein aussergewöhnliches Ausmass angenommen hat. Von dieser
Entwicklung sind nicht nur die Gemeinden im Nahbereich von St. Moritz
betroffen, sondern in zunehmendem Masse auch die etwas entfernteren
Gemeinden des Engadins. Zu beachten ist, dass Bever geographisch und
siedlungsmässig zum Bereich der Gemeinden Celerina und Samedan zu zählen
ist, die unter einem ähnlichen Nachfragedruck stehen. Die Versuchung,
Zweitwohnraum allein und ohne gleichzeitigen Hauptwohnraum zu bauen, selbst
wenn die Anlagekosten hohe Beträge erreichen, darf bei der derzeitigen
und mittelfristig voraussichtlich anhaltenden Konjunkturlage auch in Bever
nicht als gering eingeschätzt und entsprechend vernachlässigt werden. Bei
dieser Sachlage ist die Annahme der Regierung, dass eine Reduktion der
Ausnützungsziffer für Zweitwohnungen ohne gleichzeitige Verpflichtung
zum Bau von Hauptwohnungen die erhebliche Gefahr von Bodenverschwendung
in sich birgt, nicht zu beanstanden.

    Daran ändert nichts, dass in den Bau- und Planungserlassen der
schweizerischen Gemeinden eine Verpflichtung zum Bauen bis anhin nicht
bekannt ist. Eine Verpflichtung zum Bauen von Hauptwohnungen wäre nicht
absolut, sondern lediglich beim Bauen von Zweitwohnungen vorgesehen, was
sich gegenüber einem numerus clausus oder einem zeitweisen gänzlichen
Verbot als die weniger einschneidende Massnahme erwiese. Es nützt der
Beschwerdeführerin auch nichts, wenn sie auf niedrige, in andern Gemeinden
genehmigte Ausnützungsziffern hinweist. Das Problem der Zweitwohnungen ist
in seinen Auswirkungen gemeinhin verhältnismässig spät erkannt worden. Wenn
die Regierung des Kantons Graubünden daraus nun die Konsequenzen zieht
und der Bodenverschwendung zu begegnen sucht, so kann sie daran nicht
unter Hinweis auf frühere Unzulänglichkeiten gehindert werden.

    Mit der von der Gemeinde Bever getroffenen Regelung besteht
hingegen keine Gefahr des Überhandnehmens von Zweitwohnungen in der
Kernzone. In dieser Zone kommen die umstrittenen Bestimmungen einer
Erstwohnungsanteilregelung im Sinne des EWAP Gsteig gleich. Die Kernzone
ist gemäss Art. 41 BauG eine Schutzzone. Es dürfen keine zusätzlichen,
nach aussen in Erscheinung tretenden Bauten erstellt werden. Die
bestehenden Bauten sind zu erhalten. Ihr Umbau ist nur "ohne Veränderung
ihrer Form und ihres Volumens" zulässig. Ein Abbruch darf nur gestattet
werden, wenn der Wiederaufbau sichergestellt ist. Gemäss dem umstrittenen
Art. 56 Abs. 2 BauG darf der Zweitwohnungsanteil die Hälfte der gesamten
Bruttogeschossfläche des von einer Baueingabe erfassten Kernzonengebäudes
nicht überschreiten. Somit beträgt in der Kernzone der Erstwohnungsanteil
50% der Bruttogeschossfläche. Die Einhaltung dieses Anteils ist dadurch
sichergestellt, dass in der Kernzone eine Erhaltungs- und (bei Abbruch)
Aufbauverpflichtung besteht. In der Kernzone kann deshalb von einem
Verstoss gegen den Grundsatz der haushälterischen Bodennutzung keine
Rede sein.

    Fraglich ist, ob die Regelung der Gemeinde Bever für alle Zonen
eine Einheit bildet, so dass eine blosse Teilgenehmigung in bezug auf
die Kernzone nicht in Betracht kommen kann. Gegen diese Auffassung
spricht die Tatsache, dass die Kernzone eine Zone besonderer Natur ist
und eine verhältnismässig grosse Ausdehnung besitzt. Der Sicherung eines
Erstwohnungsanteils kommt in der Kernzone besondere Bedeutung zu, soll
doch der Ortskern "am Leben erhalten" werden. Während des grössten Teiles
des Jahres geschlossene Zweitwohnungen sind im Kern besonders unerwünscht.

    Da die umstrittenen Bestimmungen mit dem Grundsatz der haushälterischen
Bodennutzung vereinbar sind, soweit sie sich auf die Kernzone beziehen,
und eine Teilgenehmigung der Regelung dem Willen der Gemeinde besser
entsprochen hätte als die völlige Nichtgenehmigung, ist es nicht mit
sachlichen Gründen vertretbar, Art. 56 Abs. 2 und 3 auch in bezug auf die
Kernzone nicht zu genehmigen. Insofern hat die Regierung die Autonomie
der Gemeinde Bever verletzt. Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses ist
deshalb insoweit aufzuheben, als sie sich auf die Kernzone bezieht.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführerin wendet sich weiter dagegen, dass die
Einsprachen der privaten Beschwerdegegner gutgeheissen, und dass sie
ihrerseits zu einer Parteientschädigung an einen Einsprecher in der
Höhe von Fr. 300.-- verpflichtet worden ist. Die drei Grundeigentümer
hatten gegen die neuen Bestimmungen unter Berufung auf Art. 4 und 22ter
BV Beschwerde geführt im Bestreben, von Eingriffen in ihr Grundeigentum
befreit zu werden.

    Auch wenn die Regierung die fraglichen Bestimmungen aus anderen
Gründen nicht genehmigt hat, als die Grundeigentümer vorbrachten, ist
es mindestens nicht willkürlich, dass sie im Ergebnis die Einsprachen
guthiess. Da nun aber der Regierungsentscheid in bezug auf die Kernzone
aufgehoben wird, hat die Regierung die Ziffern 2-4 ihres Entscheides
zu überprüfen. Befinden sich die Grundstücke der Einsprecher in der
Kernzone, so wären die Grundeigentümer nach den vorstehenden Erwägungen
unterlegen. In diesem Fall wären die Einsprachen abzuweisen, und von der
Zusprechung einer Parteientschädigung wäre abzusehen. Sind die Einsprecher
hingegen Eigentümer von Grundstücken ausserhalb der Kernzone, dann hätten
sie im Ergebnis obsiegt, und die Zusprechung einer Parteientschädigung wäre
nicht unhaltbar. Da aus den Akten nicht hervorgeht, wo die Grundstücke der
Einsprecher liegen, hat die Regierung die Ziffern 2-4 ihres Entscheides
entsprechend den oben angestellten Überlegungen zu überprüfen.