Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 V 77



111 V 77

19. Auszug aus dem Urteil vom 12. August 1985 i.S. Ausgleichskasse des
Kantons Basel-Landschaft gegen Matom AG und Versicherungsgericht des
Kantons Basel-Landschaft Regeste

    Art. 5 Abs. 4 AHVG, Art. 8 lit. c AHVV: Jubiläumsgaben.

    - Die den Arbeitnehmern anlässlich eines Firmenjubiläums ausgerichteten
Geldleistungen stellen nur insoweit beitragsfreie Jubiläumsgaben dar, als
sich die Zuwendungen im üblichen Mass solcher Vergabungen halten (Erw. 2b).

    - Bei der Bestimmung des "üblichen Masses" sind neben der Höhe
des Lohnes auch die von den Arbeitnehmern im jubilierenden Betrieb
zurückgelegten Dienstjahre zu berücksichtigen (Erw. 3b).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 AHVG werden vom
Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden
Lohn, Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2
AHVG gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte
oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören
begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit
dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis
fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet
werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus
unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares
Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung
oder Zuwendung, die sonstwie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird,
soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der
Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 107 V 199, 106 V 135 Erw. 1).

    Art. 5 Abs. 4 AHVG bestimmt, dass der Bundesrat Sozialleistungen sowie
anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers
an seine Arbeitnehmer vom massgebenden Lohn ausnehmen kann. Von dieser
Befugnis hat der Bundesrat in Art. 8 AHVV Gebrauch gemacht. Nach dessen
lit. c gehören u.a. die "Jubiläumsgaben" (bzw. die "besonderen Zuwendungen
bei Firmenjubiläen" gemäss der ab 1. Januar 1984 geltenden Formulierung)
nicht zum massgebenden Lohn.

    b) Das Bundesamt für Sozialversicherung hat mit Rz. 89 ff. der
Wegleitung über den massgebenden Lohn (gültig ab 1. Januar 1977)
Verwaltungsweisungen erlassen und darin die vom massgebenden Lohn
ausgenommenen Leistungen des Arbeitgebers anlässlich besonderer Ereignisse
näher umschrieben. Laut Rz. 91 der Wegleitung gelten als Jubiläumsgaben nur
Leistungen, "die den Arbeitnehmern zur Feier des langjährigen Bestehens
des Unternehmens - frühestens 25 Jahre nach der Gründung und später in
Abständen von mindestens 25 Jahren - ausgerichtet werden, das übliche Mass
nicht übersteigen und grundsätzlich allen Arbeitnehmern gewährt werden".

    Das Eidg. Versicherungsgericht hat in seiner Rechtsprechung mehrfach
betont, dass es sich bei Art. 8 lit. c AHVV um eine Ausnahmevorschrift
handelt (vgl. BGE 107 V 201 mit Hinweisen; ZAK 1980 S. 530) und
dass die dort genannten besonderen Zuwendungen -wie Jubiläumsgaben,
Hochzeits- und Dienstaltersgeschenke - eindeutig Ausnahmecharakter haben
und als solche nur anerkannt werden können, wenn sie ihrer Höhe nach
Zuwendungen in üblichem Ausmass darstellen (EVGE 1964 S. 217 f.; ZAK
1968 S. 118 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 101 V 6 Erw. 3c). Wiederholt
hat das Gericht festgehalten, dass Jubiläumsgaben sowie Hochzeits-
und Dienstaltersgeschenke insoweit nicht als beitragsfreie Zuwendungen
betrachtet werden können, als sie den üblichen Wert von solchen Gaben
übersteigen und daher ihren Grund nicht in erster Linie in den besonderen
Ereignissen, sondern vorwiegend im Arbeitsverhältnis haben (EVGE 1965
S. 9 f., 1964 S. 217 f.; vgl. auch BGE 101 V 4 f.). Die in der zitierten
Wegleitung enthaltene Begrenzung von Jubiläumsgaben auf das "übliche Mass"
steht daher mit der Rechtsprechung in Einklang und ist folglich nicht
zu beanstanden.

Erwägung 3

    3.- Streitig ist, ob bzw. in welchem Umfang die von der
Beschwerdegegnerin anlässlich ihres 25jährigen Betriebsjubiläums
ausgerichteten Zahlungen an ihre Arbeitnehmer Zuwendungen in üblichem
Ausmass darstellen und demnach als beitragsfreie Jubiläumsgaben zu
qualifizieren sind.

    a) In ihrer Nachzahlungsverfügung erachtete die Ausgleichskasse -
ausgehend von der Praxis bei Vermächtnissen des Arbeitgebers zugunsten der
Belegschaft (BGE 101 V 6; vgl. auch EVGE 1964 S. 218 Erw. 2) - Zuwendungen
in der Höhe eines Monatslohnes des jeweiligen Arbeitnehmers noch als
übliche Jubiläumsgabe. In der erstinstanzlichen Vernehmlassung sowie
in der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die Kasse Beträge
im Umfang von zwei Monatslöhnen als übliches Mass anerkannt. Sie stützt
sich dabei auf die das Dienstaltersgeschenk betreffende Rz. 91a Abs. 2
der Wegleitung über den massgebenden Lohn (in der bis 31. Dezember
1983 geltenden Fassung), welche - wie die frühere Rechtsprechung
(vgl. ZAK 1968 S. 118) - diese Vergütungen in der Regel insoweit als
beitragsfrei betrachtete, als sie das Doppelte eines Monatslohnes nicht
überstiegen. Demgegenüber wendet sich die Vorinstanz - und sinngemäss die
Beschwerdegegnerin - gegen eine schematische Bestimmung des üblichen Masses
und erachtet die fraglichen Zuwendungen in vollem Umfang als beitragsfrei.

    b) Im unveröffentlichten Urteil Stehelin & Cie. AG vom 17. Juni 1983
hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass "Jubiläumsgaben
nicht nur in Abhängigkeit von der Höhe des Lohnes, sondern auch unter
Mitberücksichtigung der von den Arbeitnehmern im jubilierenden Betrieb
zurückgelegten Dienstjahre festgesetzt" zu werden pflegen und dass dies
"bei der Auslegung des Begriffes der gemäss Art. 8 lit. c AHVV vom
massgebenden Lohn ausgenommenen Jubiläumsgabe mitberücksichtigt werden"
muss. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass ein Arbeitnehmer, der
während einer grösseren Anzahl von Jahren einer Firma die Treue gehalten
hat, in der Regel auch mehr zu deren Gedeihen und Weiterbestand beigetragen
hat als einer, welcher der Firma erst seit kurzem angehört. Eine solche,
verbreiteter Übung entsprechende Gepflogenheit muss bei der Auslegung des
Begriffs der Jubiläumsgabe neben der Lohnhöhe ebenfalls berücksichtigt
werden.

    c) Im vorliegenden Fall bewegten sich die von der Beschwerdegegnerin
an ihre Arbeitnehmer ausgerichteten Zuwendungen zwischen Fr. 100.-- und
Fr. 100'000.--. Ob diese Beträge nach den in Erw. 3b hievor dargelegten
Grundsätzen sich in üblichem Mass halten und demnach als Jubiläumsgaben von
der Beitragspflicht auszunehmen sind, lässt sich aufgrund der vorhandenen
Akten nicht abschliessend beurteilen. Namentlich fehlen in den Unterlagen
Angaben über die Anzahl Dienstjahre der einzelnen Arbeitnehmer sowie
über die Höhe der damaligen Löhne. Auch ist nicht ersichtlich, welche
Beträge in den vergangenen Jahren den einzelnen Arbeitnehmern jeweils
als 13. Monatslohn, Gratifikation und dergleichen ausbezahlt worden
sind. Sollten solche Zahlungen in den früheren Jahren stets ausgerichtet
worden und nur im Jahre 1981 neben den "Jubiläumsgaben" nicht erfolgt
sein, müssten sie als in den Jubiläumsgaben enthalten und insofern als
massgebender Lohn erachtet werden. Diesbezüglich erweisen sich die
tatsächlichen Feststellungen, welche die Vorinstanz ihrem Entscheid
zugrundelegte, als unvollständig im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG. Es ist
Sache der Ausgleichskasse, die noch notwendigen Abklärungen vorzunehmen
und hernach die Höhe der einzelnen Zuwendungen neu zu würdigen, um das
übliche Mass der Jubiläumsgaben festzulegen. Dabei wird zu beachten sein,
dass jedenfalls die Zahlung von Fr. 100'000.-- an den Arbeitnehmer X den
Rahmen der übrigen Zuwendungen offensichtlich sprengt, was ein Indiz
für die zumindest teilweise Ausrichtung von Gratifikationen und damit
von beitragspflichtigem Lohn darstellt. Dies wird die Kasse bei der
Ausscheidung von massgebendem Lohn und beitragsfreier Jubiläumsgabe zu
berücksichtigen haben.