Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 V 54



111 V 54

15. Verfügung vom 7. Mai 1985 i.S. Elektro-Raetus AG gegen Direktion der
SUVA und Rekurskommission VI Regeste

    Art. 111 UVG. Zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden
gegen Verfügungen, welche die Einreihung von Betrieben und Versicherten
in die Prämientarife oder eine Prämienforderung betreffen.

Sachverhalt

    A.- Verfügungsweise reihte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) am 30. August 1983 den Betriebsteil A der
Firma Elektro-Raetus AG, umfassend das Elektroinstallationsgeschäft und den
Freileitungsbau, mit Wirkung ab 1. Januar 1984 von der bisherigen Stufe 6
(Netto-Prämiensatz 28,7%o) neu in die Stufe 7 (Netto-Prämiensatz 38,5%o)
der Klasse 45 I des Prämientarifs für die Berufsunfallversicherung ein. Die
von der Firma dagegen erhobene Einsprache wies die Direktion der SUVA am
24. Januar 1984 ab.

    B.- Die Firma Elektro-Raetus AG liess gegen diesen Entscheid bei der
Rekurskommission des Verwaltungsrates der SUVA Beschwerde erheben mit
den Anträgen, es sei die Neueinreihung des Betriebsteils A und die damit
zusammenhängende Erhöhung des Nettoprämiensatzes aufzuheben und es sei
der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen. - Die Rekurskommission
VI wies die Beschwerde mit Entscheid vom 16. Oktober 1984 ab.

    C.- Mit der gegen diesen Entscheid erhobenen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Firma Elektro-Raetus AG:
Es sei die Neueinreihung des Betriebsteils A in die Stufe 7 der Klasse
45 I des Prämientarifs aufzuheben. Der Betriebsteil A sei wieder
in die Stufe 6 der Klasse 45 I einzugliedern. Eventuell seien die
Elektroinstallationsgeschäfte mit Freileitungsbau allgemein infolge
erhöhten Prämienbedarfs innerhalb der Klasse 45 I in die Stufe 7 zum
Prämiensatz von 38,5%o einzureihen. In prozessualer Hinsicht wird
beantragt, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

    Die Direktion der SUVA beantragt die Abweisung des Gesuchs um Erteilung
der aufschiebenden Wirkung.

Auszug aus den Erwägungen:

               Der Präsident zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 111 UVG kommt einer Einsprache, Beschwerde oder
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfügung, welche die Einreihung
von Betrieben und Versicherten in die Prämientarife oder welche eine
Prämienforderung betrifft, aufschiebende Wirkung nur dann zu, wenn sie
ihr in der Verfügung selbst von der Einsprache- oder Beschwerdeinstanz
oder vom Gericht verliehen wird.

    Beim Entscheid über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist zu
prüfen, ob die Gründe, welche für die sofortige Vollstreckbarkeit der
angefochtenen Verfügung sprechen, gewichtiger sind als jene, die für
die gegenteilige Lösung angeführt werden können. Die Aussichten auf den
Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache können nur ins Gewicht fallen,
wenn sie eindeutig sind (BGE 110 V 45 Erw. 5b).

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall lässt sich nicht ohne weiteres von vornherein
feststellen, welche Partei vor dem Eidg. Versicherungsgericht obsiegen
wird. Somit ist die Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist zu beachten,
dass der Versicherer die Prämienbeträge für ein ganzes Rechnungsjahr zum
voraus schätzt und sie den Arbeitgebern bekanntgibt (Art. 93 Abs. 2 UVG).
Die Prämien werden für das Rechnungsjahr jeweils im voraus entrichtet
(Art. 93 Abs. 3 UVG). Nach Ablauf des Rechnungsjahres berechnet der
Versicherer die endgültigen Prämienbeträge aufgrund der wirklichen
Lohnsummen (Art. 93 Abs. 4 UVG).

    Daraus schloss die Rekurskommission, dass sich bei der Erteilung
der aufschiebenden Wirkung eine zurückhaltende Praxis rechtfertige. Der
Verwaltungsrat der SUVA habe daher im Reglement der Rekurskommissionen
vom 6. Juli 1984 bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung zu gewähren sei,
wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig die Zuständigkeit der SUVA als
Versicherer bestreitet und seine Arbeitnehmer anderswo versichert sind
(Art. 11 Abs. 2 des Reglements). Da im vorliegenden Fall keine andern
Gründe gegeben seien, die es für die Beschwerdeführerin als unzumutbar
erscheinen liessen, den ganzen ihr als Vorausprämie in Rechnung gestellten
(und bereits entrichteten) Betrag zu bezahlen, habe dem Begehren, es
sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen, nicht entsprochen
werden können.

    Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die angefochtene
Prämienerhöhung stelle für sie eine grosse finanzielle Belastung dar
und zudem sei die Änderung des Prämiensatzes erst mehrere Jahre nach den
relevanten Unfallereignissen (als Ursache für hohe Unfallkosten) erfolgt.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 55 Abs. 1 VwVG hat die Beschwerde aufschiebende
Wirkung. Ferner bestimmt Abs. 2 desselben Artikels: Hat die Verfügung
nicht eine Geldleistung zum Gegenstand, so kann die Vorinstanz darin einer
allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen. Aus dieser
Ordnung geht hervor, dass der Suspensiveffekt von Beschwerden gegen
Verfügungen, die zu einer vermögensrechtlichen Leistung verpflichten,
wozu Verfügungen über Prämien in der Berufsunfallversicherung gehören,
auf keinen Fall entzogen werden darf (vorbehalten bleibt Art. 97 Abs.
2 AHVG; vgl. dazu BGE 110 V 40 vgl. ferner Art. 55 Abs. 5 VwVG). Diese
Ordnung kommt auch in Art. 111 Abs. 1 OG zum Ausdruck, wonach die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfügung, die zu einer
Geldleistung verpflichtet, aufschiebende Wirkung hat.

    Die Spezialnorm von Art. 111 UVG sieht demgegenüber für
die Rechtsmittel auf allen Stufen (Einsprache, Beschwerde und
Verwaltungsgerichtsbeschwerde) gegen eine Verfügung, welche die Einreihung
von Betrieben in die Prämientarife oder Prämienforderungen betrifft, die
umgekehrte Ordnung vor: In keinem Fall ist automatisch der Suspensiveffekt
gegeben; dieser muss vielmehr von der Einsprache- oder Beschwerdeinstanz
oder vom Eidg. Versicherungsgericht ausdrücklich verliehen werden. Der
Gesetzgeber hat somit bei der Regelung der aufschiebenden Wirkung in
diesem Bereich die einander widerstrebenden Interessenlagen von Betrieb
und Versicherer bereits gewürdigt in dem Sinne, dass das Interesse des
Versicherers "an der möglichst reibungslosen Durchführung der Versicherung"
(Botschaft zum UVG, BBl 1976 III 227) stärker gewichtet wird als das
Interesse, dass eine den Betrieb belastende Verfügung (z.B. betreffend
Prämien, die sich im nachhinein als zu hoch erweisen) nicht vollstreckt
wird, bevor sie rechtskräftig geworden ist. Daraus und aus der in Art. 93
UVG enthaltenen Ordnung hinsichtlich der im voraus zu schätzenden und zu
entrichtenden Prämien folgt, dass einer Beschwerde der Suspensiveffekt
nur ausnahmsweise zu erteilen ist, wenn der Betrieb hierfür zwingende
Gründe geltend machen kann.

Erwägung 4

    4.- Der Einwand der Beschwerdeführerin, die mit der Neueinreihung
verbundene Prämienerhöhung stelle eine grosse finanzielle Belastung dar,
ist im vorliegenden Fall nicht geeignet, die Gewährung des Suspensiveffekts
herbeizuführen. Zwar ist unbestritten, dass die Neueinreihung eine
finanzielle Mehrbelastung der Beschwerdeführerin zur Folge hat: Nach
den Darlegungen der SUVA-Direktion in ihrer Vernehmlassung zur Frage
des Suspensiveffekts der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bewirkt die
vom 1. Januar 1984 hinweg wirksame Neueinreihung bei einer gesamten
Lohnsumme des Betriebsteils A von rund 1,6 Mio. Franken eine Mehrprämie
von rund Fr. 19'500.-- im Jahr. Ferner bemerkt die SUVA-Direktion, die
Beschwerdeführerin habe die Prämien für 1984 vollumfänglich bezahlt. Die
Beschwerdeführerin ihrerseits bringt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wie schon in der Verwaltungsbeschwerde nichts vor, woraus auf eine von ihr
nicht mehr verkraftbare Prämienbelastung geschlossen werden könnte. In den
Akten fehlen entsprechende Hinweise. Zudem hat die Beschwerdeführerin von
der durch die Direktion der SUVA im Mitbericht zur Verwaltungsbeschwerde
gemachten Offerte, bei der Zahlung der Prämien in gewissen Grenzen auf die
wirtschaftliche Situation des Betriebes einzugehen (ratenweise Bezahlung
der Vorausprämien und andere Zahlungserleichterungen in begründeten Fällen)
offenbar keinen Gebrauch gemacht. Der Einwand der grossen finanziellen
Belastung erweist sich daher als unbegründet.

    Aus der von der Beschwerdeführerin überdies geltend gemachten
Verspätung der Neueinreihung lässt sich hinsichtlich der Frage der
Erteilung des Suspensiveffekts ebenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten.

    Das Begehren um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen...