Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 V 149



111 V 149

31. Auszug aus dem Urteil vom 9. April 1985 i.S. Merkler gegen
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich und Kantonale Rekurskommission für
die Arbeitslosenversicherung, Zürich Regeste

    Art. 106 Abs. 1, Art. 107 Abs. 3 OG, Art. 35 VwVG:
Rechtsmittelbelehrung bei Zwischenentscheiden. Enthält eine
Formular-Rechtsmittelbelehrung sowohl die 30tägige als auch die 10tägige
Rechtsmittelfrist, muss ein Zwischenentscheid erkennbar als solcher
bezeichnet werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Gemäss Art. 54 Abs. 2 AlVG bzw. Art. 103 Abs. 6 AVIG in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 und Art. 35 Abs. 1 VwVG sind die Entscheide
der letzten kantonalen Instanz mit einer Rechtsmittelbelehrung zu
versehen. Nach Art. 35 Abs. 2 VwVG muss die Rechtsmittelbelehrung das
zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die
Rechtsmittelfrist nennen.

    b) Die dem vorinstanzlichen Entscheid beigelegte Rechtsmittelbelehrung
enthält hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen folgenden Wortlaut:
"Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen (bzw. innert 10
Tagen bei Zwischenentscheiden) seit Eröffnung beim Eidgenössischen
Versicherungsgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht werden"
(vgl. ARV 1970 S. 62). Es fragt sich, ob diese Rechtsmittelbelehrung im
vorliegenden Fall genügt.

    Die Rechtsmittelbelehrung muss klar und ohne weiteres in ihrer
Bedeutung erkennbar sein. Bezüglich der Rechtsmittelfrist gilt
insbesondere, dass sie derart ausgestaltet sein muss, dass auch
ein Rechtsunkundiger unzweideutig erkennen kann, innert welcher
Frist ihm das Rechtsmittel zur Verfügung steht. Sofern verschiedene
Rechtsmittelfristen genannt sind, entspricht die Rechtsmittelbelehrung
nur dann diesen Anforderungen, wenn der Zwischenentscheid erkennbar als
solcher bezeichnet wird. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die
dem kantonalen Sistierungsbeschluss beigelegte Rechtsmittelbelehrung
erweist sich mithin als mangelhaft.

    c) Aus mangelhafter Eröffnung, insbesondere aus fehlender,
unvollständiger oder unrichtiger Rechtsmittelbelehrung darf den Parteien
kein Nachteil erwachsen (Art. 107 Abs. 3 OG).

    Nach der Rechtsprechung ist nicht jede mangelhafte Eröffnung
schlechthin nichtig mit der Konsequenz, dass die Rechtsmittelfrist nicht
zu laufen beginnen könnte. Aus dem Grundsatz, dass den Parteien aus
mangelhafter Eröffnung keine Nachteile erwachsen dürfen, folgt vielmehr,
dass dem beabsichtigten Rechtsschutz schon dann Genüge getan wird, wenn
eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren Zweck
erreicht. Das bedeutet nichts anderes, als dass nach den konkreten
Umständen des Einzelfalles zu prüfen ist, ob die betroffene Partei
durch den gerügten Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch
benachteiligt worden ist. Richtschnur für die Beurteilung dieser Frage
ist der auch in diesem prozessualen Bereich geltende Grundsatz von Treu
und Glauben, an welchem die Berufung auf Formmängel in jedem Fall ihre
Grenze findet (BGE 98 V 278 f.). So lässt sich mit den Grundsätzen des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht vereinbaren, dass ein
Verwaltungsakt wegen mangelhafter Rechtsmittelbelehrung jederzeit an den
Richter weitergezogen werden kann; vielmehr muss ein solcher Verwaltungsakt
innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage gestellt werden (BGE 106 V
97 Erw. 2a, 104 V 166 Erw. 3, vgl. auch BGE 105 V 111 Erw. 3 in fine).

    Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
durch den Eröffnungsmangel irregeführt worden ist. Da er innerhalb
der 30tägigen Frist Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben hat, ist die
Beschwerdeerhebung als rechtzeitig zu erachten.