Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IV 60



111 IV 60

17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Mai
1985 i.S. I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 148 und 159 StGB.

    Idealkonkurrenz zwischen Betrug und ungetreuer Geschäftsführung ist
ausgeschlossen.

Sachverhalt

    A.- Am 19. Mai 1978 gründete I. mit X. und Y. die "A. Finanz AG". Zweck
der Gesellschaft war die Anlageberatung und Vermittlung von Kapitaleinlagen
sowie die Durchführung von Finanzgeschäften aller Art.

    I. bot durch Inserate in der Presse und durch Werbematerial angeblich
lukrative und seriöse Anlagemöglichkeiten an. So bezeichnete er sich
als professionellen Anlageberater, obwohl er nur bescheidene Erfahrung
auf kaufmännischem Gebiet aufwies. Mit den Interessenten schloss er
namens der A. AG Verwaltungsverträge ab. Deren wesentlicher Inhalt
bestand darin, dass der Kunde auf ein Konto Geld einzahlte, welches dann
von der A. AG nach eigener Anlagestrategie zu verwalten und über eine
amerikanische Broker-Firma für Börsengeschäfte in den USA einzusetzen war.
Die abgegebenen Zusicherungen der Führung von Einzelkonten und einer
ständigen Treuhandkontrolle wurden nicht eingehalten. I. bezog aus
der Firma mindestens 1,4 Mio. Franken, ohne dass Abrechnungen über die
wirklichen Ansprüche erstellt wurden.

    Am 22. Februar 1982 wurde über die A. Finanz AG der Konkurs
eröffnet. Den Forderungen der Anlagegläubiger von mindestens 9,2
Mio. Franken stehen Aktiven in Höhe von höchstens ca. Fr. 650'000.--
gegenüber.

    Das Kantonsgericht von Graubünden sprach I. des gewerbsmässigen
Betruges i.S. von Art. 148 Abs. 2 StGB und der fortgesetzten ungetreuen
Geschäftsführung i.S. von Art. 159 Abs. 1 StGB sowie eines weiteren
Deliktes schuldig und verurteilte ihn zu vier Jahren Zuchthaus und zu
einer Busse von Fr. 5000.--.

    Die von I. dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde heisst das
Bundesgericht gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Kantonsgericht von Graubünden hat I. wegen der gleichen
Handlungen nicht nur des gewerbsmässigen Betruges, sondern auch der
fortgesetzten ungetreuen Geschäftsführung schuldig gesprochen.

    a) Zur Frage des Verhältnisses zwischen den beiden Strafbestimmungen
wird in der Urteilsbegründung festgehalten, es bestehe nicht etwa (unechte)
Gesetzeskonkurrenz, sondern Idealkonkurrenz; denn der Tatbestand des
Betruges sei einerseits weiter gefasst, indem er weder eine besondere
Tätereigenschaft (Geschäftsführerstellung) noch eine Fürsorgepflicht
voraussetze, anderseits enthalte Art. 148 StGB aber das zusätzliche
Erfordernis der Bereicherungsabsicht.

    Diese kurze Behandlung der Konkurrenzfrage wird dem Sinn und
Zweck der beiden Strafnormen nicht gerecht. Art. 148 und 159 StGB
schützen das gleiche Rechtsgut, das Vermögen. Der Betrugstatbestand
erfasst unrechtmässige Eingriffe in fremdes Vermögen, die nicht durch
Aneignung fremden Gutes erfolgen (wie bei Art. 137 ff.), sondern durch
arglistige Täuschung des Verfügungsberechtigten. Art. 159 StGB hat die
Funktion, als subsidiärer Tatbestand Vermögensschädigungen unter Strafe
zu stellen, welche sich unter keinen der vorangehenden Tatbestände
subsumieren lassen, aber doch strafwürdig sind, weil der Täter als
Geschäftsführer gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist, für das
betreffende Vermögen zu sorgen. Der wesentliche Strafgrund liegt in der
Nichterfüllung der Geschäftsführer-Pflicht. Einer Irreführung bedarf es
nicht, weil der Täter als Geschäftsführer selber über das fremde Vermögen
disponieren kann. Eigensüchtige Motive werden nicht vorausgesetzt,
sonst kommt allenfalls Abs. 2 von Art. 159 StGB zum Zuge. Hat der Täter
die Geschäftsführer-Stellung durch arglistige Täuschung erlangt, um sich
zum Nachteil des anvertrauten Vermögens unrechtmässig zu bereichern, so
erfüllt dieses Vorgehen den Tatbestand des Betruges. Die gemäss Tatplan
des betrügerischen Geschäftsführers erfolgende Vermögensschädigung
und unrechtmässige Bereicherung werden durch die schwerere Strafnorm
des Art. 148 StGB erfasst. Nach Sinn und Zweck der beiden Bestimmungen
bleibt in diesem Fall für eine Bestrafung gemäss Art. 159 StGB kein Raum
(in diesem Sinn ZR 67/1968 Nr. 69 S. 229 f., vgl. SCHULTZ, in ZBJV 111/1975
S. 500). Folgerichtig ist hier von analogen Überlegungen auszugehen wie bei
der Ablehnung der Idealkonkurrenz zwischen Veruntreuung und ungetreuer
Geschäftsführung (vgl. SCHMID, in SJZ 68/1972 S. 117; STRATENWERTH,
Bes. Teil I, 3. Aufl., S. 285). Es geht bei Art. 159 StGB nicht darum, die
Geschäftsführerfunktion gewissermassen als Qualifikationsgrund für alle
Vermögensdelikte einzuführen, sondern die Bestimmung soll das Vermögen
in jenen Fällen strafrechtlich gegen Verfehlungen des Geschäftsführers
schützen, wo die übrigen Strafnormen - gerade wegen der besondern Stellung
des mit der Verwaltung fremden Vermögens Betrauten - keinen Schutz bieten
(anderer Meinung: VOLLMAR, Die ungetreue Geschäftsführung, Diss. BE 1978
S. 156). Der Ausschluss der Idealkonkurrenz zwischen Art. 148 StGB und
Art. 159 StGB entspricht auch dem Grundgedanken, Idealkonkurrenz nur dort
anzunehmen, wo es um den Schutz verschiedener Rechtsgüter geht, hingegen
nur die schwerere Strafnorm anzuwenden, wenn formell zwei Varianten der
Verletzung des gleichen Rechtsgutes durch eine Handlung erfüllt werden.

    Da Idealkonkurrenz zwischen Art. 148 und Art. 159 StGB auszuschliessen
ist, muss der Schuldspruch aufgehoben werden. Die Vorinstanz hat zu prüfen,
inwieweit sich die festgestellte Vermögensschädigung nach der einen
oder der andern Strafnorm (oder sofern dies prozessual noch möglich ist:
eventuell auch als Veruntreuung) erfassen lässt.