Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IV 55



111 IV 55

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. März 1985 i.S. Frau
B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 148 StGB, Art. 19 BetmG; Betrug bei Drogengeschäften.

    a) Wer durchschnittlich gestrecktem Rauschgift (Heroin, Kokain)
nochmals mindestens 30% Zucker beimengt, die so gewonnene Menge
stillschweigend als Stoff üblichen Reinheitsgehalts weiterverkauft und
dabei einen handelsüblichen oder gar massiv erhöhten Marktpreis verlangt,
macht sich der arglistigen Täuschung schuldig; dem Erwerber der Droge
entsteht dadurch objektiv ein Vermögensschaden (E. 2 und 3).

    b) Art. 19 BetmG schützt die öffentliche Gesundheit und vermag ein
Delikt gegen das Vermögen nicht abzugelten (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Frau B. erwarb Heroin und Kokain durchschnittlicher Qualität
und verschnitt in der Zeit von April 1983 bis März 1984 unter mehreren
Malen die gekauften und bereits gestreckten Drogen mit Puder-
oder Traubenzucker. Sie verkaufte sodann den gefälschten Stoff zu
einem durchschnittlichen Grammpreis von Fr. 500.-- bzw. 300.-- unter
Verschweigung der Tatsache, dass sie die Drogen zusätzlich um 30-50%
mit fremden Substanzen gestreckt hatte.

    B.- Die Kriminalkammer des Kantons Thurgau sprach Frau B. am
2. November 1984 ausser der wiederholten und fortgesetzten, teilweise
schweren Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz auch des
wiederholten Betrugs schuldig und verurteilte sie wegen dieser und
anderer Delikte zu zwei Jahren Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen
Untersuchungshaft und des vorzeitigen Vollzugs ab 7. April 1984.

    C.- Frau B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Ziffer 1
des Urteilsdispositivs der Kriminalkammer sei aufzuheben, sie sei von
der Anklage des wiederholten Betrugs freizusprechen und zu höchstens 18
Monaten Gefängnis zu verurteilen unter Abzug der Untersuchungshaft und
des bereits vollzogenen Strafteils.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In rechtlicher Beziehung stellt sich die Beschwerdeführerin auf
den Standpunkt, es fehle an einer arglistigen Täuschung.

    a) Nach dem angefochtenen Urteil ist es in Händler- und
Konsumentenkreisen durchaus üblich, Drogen nach ihrer "Güte" zu beurteilen
und zu klassifizieren. Dabei spiele - so führt die Vorinstanz aus
- neben der Eignung des Stoffs als Rauschgift dessen Reinheit eine
wichtige Rolle; dass reines Heroin im Handel mit Endverbrauchern kaum
angeboten werde, berechtige indes nicht zum Schluss, Qualitätsschwankungen
hätten keinen Einfluss auf den Marktwert. Im vorliegenden Fall habe die
Beschwerdeführerin - welche die zu streckenden Rauschgifte in mittlerer
Qualität zu handelsüblichen Preisen übernommen hatte - in etwa acht Fällen
das ursprüngliche Gewicht des erworbenen Kokains und Heroins um ca.
einen Drittel mit Puderzucker gestreckt und "die so gewonnene Menge
mindestens zum marktgerechten Ankaufspreis, jedoch in den meisten Fällen
noch zu erhöhtem Grammpreis verkauft". Indem sie den Käufern die Beimengung
von Zucker verschwiegen habe, habe sie diese ohne Zweifel bezüglich des
Reinheitsgehalts der Drogen getäuscht; die Käufer hätten nämlich "ein
gegenüber dem Marktwert für Drogen dieser verminderten Qualität massiv
erhöhtes Entgelt" entrichtet. Die Beschwerdeführerin habe denn auch selber
zugegeben, es hätte für diese Ware nicht der übliche Handelspreis verlangt
werden können, wenn die Abnehmer nicht im Glauben belassen worden wären,
"normalen" Stoff zu kaufen. Mit dem stillschweigenden Verkauf von Heroin
und Kokain unterdurchschnittlichen Reinheitsgehalts zu handelsüblichen
Preisen sei diesen die wesentliche Eigenschaft mindestens mittlerer,
handelsüblicher Qualität der Rauschgifte vorgetäuscht worden, die in
Wirklichkeit nicht vorhanden gewesen sei. Da der Reinheitsgrad der zwei
Drogen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht sofort
und mühelos während des Kaufgeschäfts überprüfbar sei, indem dessen
Verminderung nicht aufgrund der Farbe festgestellt werden könne, sondern
sich erst beim Konsum manifestiere, und da beim illegalen Drogenhandel
auch andere Faktoren mitspielten, die zu einem schnellen Kauf ohne Prüfung
der Ware führten (z.B. Angst vor der Verfolgung durch die Polizei usw.),
habe die Beschwerdeführerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
annehmen können, dass die Verminderung des Reinheitsgehalts nicht sofort
nachkontrollierbar sei. Daraus schloss die Vorinstanz, Frau B. habe die
Käufer arglistig getäuscht.

    b) Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein Käufer in
Kenntnis der Sachlage keine minderwertige Ware zum Preis einer vollwertigen
kauft. Dieser Erfahrungssatz gilt vorwiegend im Bereich des landesüblichen
Marktes, also dann, wenn vollwertige Ware ohne weiteres erhältlich
ist. Er kann aber nicht schlechthin auf den illegalen Drogenhandel
übertragen werden. Einerseits ist hier nicht jederzeit Ware normaler
Qualität erhältlich. Anderseits ist der Käufer gelegentlich von der
Droge derart abhängig, dass es ihm nur darauf ankommt, sie zu erhalten,
selbst wenn er für minderwertigen Stoff den für gängige Qualität üblichen
Preis bezahlen muss. In solchen Fällen unterlässt er die objektiv gebotene
Prüfung oder bezahlt gar bewusst den übersetzten Preis. Ist dagegen der
Käufer nicht in solchem Masse süchtig, dann ist ihm das Verhältnis zwischen
Preis und Qualität nicht gleichgültig. Solche Käufer sind nicht bereit,
für gestreckte bzw. überdurchschnittlich gestreckte Ware den Normalpreis
zu bezahlen.

    c) Im vorliegenden Fall behauptet die Beschwerdeführerin selber nicht,
dass sie das überdurchschnittlich gestreckte Rauschgift an Personen
verkauft habe, die in so hohem Masse süchtig waren, dass das Verhältnis
von Qualität und Preis des Stoffes für sie belanglos war. Gegenteils hatte
sie nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz selber anerkannt,
dass sie für die Ware nicht den üblichen Handelspreis hätte verlangen
können, wenn die Abnehmer nicht im Glauben belassen worden wären,
"normalen" Stoff zu erhalten. Sie war sich also durchaus bewusst,
dass das Verhältnis zwischen Reinheitsgehalt der Droge und Preis für
ihre Käuferschaft von Bedeutung war. Indem sie den Käufern verschwieg,
dass sie das zu handelsüblichen Preisen erworbene Heroin und Kokain
durchschnittlicher Qualität weiter um über 30% mit Zucker gestreckt und
damit einen Stoff von unterdurchschnittlicher Qualität hergestellt hatte,
gleichzeitig aber mindestens den üblichen Handelspreis, in den meisten
Fällen sogar einen massiv erhöhten Grammpreis forderte, erweckte sie
bei der Käuferschaft den falschen Eindruck, es werde Stoff von mindestens
durchschnittlicher, wenn nicht sogar von besonderer "Güte" angeboten. Darin
liegt unzweifelhaft eine Täuschung über Tatsachen.

    d) Diese Täuschung war auch arglistig. Wie nämlich die Vorinstanz
feststellt, konnte der Reinheitsgehalt des Stoffes bei Abwicklung
des Kaufgeschäfts nicht sogleich und mühelos überprüft werden, da die
Beimischung von Zucker farblich nicht erkennbar war; die "Güte" der
Droge war erst beim Konsum, d.h. nach Erwerb derselben festzustellen. Es
war deshalb arglistig, dem preis- und qualitätsbewussten Käufer eine
überdurchschnittlich stark gestreckte Droge zu einem für gängigen,
ja überdurchschnittlich guten Stoff angemessenen Preis anzubieten,
und ihn damit in den Glauben zu wiegen, er erhalte für seine Leistung
eine vollwertige Gegenleistung, welchen Irrtum er nicht durch sofortige
Überprüfung der Sachlage beheben konnte (s. BGE 107 IV 170 E. 2a).

    Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, es gebe auf dem Gebiet des
illegalen Drogenhandels keinen "normalen" oder "handelsüblichen" Stoff bzw.
keine Ware von "gängiger Qualität". Vielmehr zeigt die Erfahrung des
Alltags, dass dem anders ist, was die Vorinstanz zutreffend angenommen
hat. Im übrigen hatte die Beschwerdeführerin vor der Kriminalkammer selber
geltend gemacht, das auf dem Markt zirkulierende Heroin weise einen
durchschnittlichen Streckungsgrad von 30% auf. Entsprechend ist denn
auch die Vorinstanz davon ausgegangen, dass das von Frau B. erworbene
oder übernommene Rauschgift nicht von einer das verkehrsübliche Mass
übersteigenden Reinheit war und dass sie diese gängige Qualität durch
zusätzliche Beimengung von mindestens 30% Zucker derart verschlechtert
hatte, dass sie unter das Handelsübliche fiel.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin behauptet, die Käufer hätten keinen
Vermögensschaden erlitten; sie hätten gestrecktes Heroin erwartet und für
ihre Leistung eine Gegenleistung erhalten, die sich zu jener in einem
durchaus angemessenen Verhältnis gehalten habe. Damit setzt sich die
Beschwerdeführerin erneut in Widerspruch zu den verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, denen zufolge die Käufer gegen Bezahlung
des in den meisten Fällen verhältnismässig hohen Preises einen zwar
gestreckten Stoff, nicht aber einen solchen von unterdurchschnittlicher
Qualität erwarteten. Standen aber Leistung und Gegenleistung in einem
ungünstigeren Wertverhältnis, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage
hätten stehen müssen (BGE 93 IV 73), dann ist den Käufern mit dem Erwerb
der Droge objektiv ein Schaden im Sinne des Art. 148 StGB entstanden.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin vertritt schliesslich die Auffassung, der
Tatbestand, dass jemand mit gestrecktem Heroin handle und dabei allenfalls
einen Gewinn mache, sei einzig von der Strafbestimmung des Art. 19 BetmG
erfasst und es gelte dieser Artikel den Unrechtsgehalt der Tat nach allen
Seiten ab, weshalb für eine zusätzliche Verurteilung nach Art. 148 StGB
kein Raum bleibe.

    Diese Argumentation lässt ausser acht, dass das von Art. 19 BetmG
geschützte Rechtsgut die öffentliche Gesundheit ist, während Art. 148
StGB dem Schutz des Vermögens dient. Es kann deshalb nicht gesagt werden,
die Verurteilung nach der erstgenannten Gesetzesbestimmung gelte einen beim
Handel mit Drogen verübten Betrug ebenfalls ab, zumal auch nicht einzusehen
ist, warum der Drogenhändler, der beim Verkauf eines Rauschgiftes einen
andern durch arglistige Täuschung am Vermögen schädigt, um sich selbst
zu bereichern, hierfür straflos bleiben sollte. Wer solches tut, tut mehr
als illegal mit Drogen zu handeln.