Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IV 41



111 IV 41

11. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 26. Februar 1985 in Sachen
Firma X. gegen Bundesamt für Aussenwirtschaft Regeste

    Art. 47 Abs. 3 VStrR; kostspieliger Unterhalt.

    1. Unter den Begriff des "Unterhalts" fallen auch allfällige
Aufbewahrungs- und Lagerkosten.

    2. Ob ein Unterhalt "kostspielig" im Sinne des Gesetzes ist, bestimmt
sich nach dem Verhältnis des Wertes der beschlagnahmten Waren zu den
Unterhaltskosten, wobei der voraussichtlichen Dauer dieses Aufwandes
Rechnung zu tragen ist.

    3. In casu war es zulässig, vom Warenwert im Zeitpunkt der
Beschlagnahme auszugehen.

Sachverhalt

    A.- Aufgrund eines vom Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) erlassenen
Durchsuchungsbefehls beschlagnahmte die Eidgenössische Zollverwaltung
am 8. September 1983 verschiedene im Zollfreilager Basel eingelagerte
Textilien vorläufig. Mit Verfügung vom 12. November 1984 teilt das
BAWI der Firma X., gegen welche eine Untersuchung wegen Widerhandlungen
gegen die Ursprungszeugnisverordnung eingeleitet worden war, mit, dass
die beschlagnahmten Waren aufgrund von Art. 47 Abs. 3 VStrR öffentlich
versteigert oder freihändig verkauft würden, weil die Lagerkosten bereits
auf über Fr. 50'000.-- angestiegen seien.

    Nachdem die Anklagekammer des Bundesgerichts am 14. Dezember 1984 die
genannte Verfügung auf Beschwerde der Firma X. aufgehoben hatte, weil der
Beweis für eine Mitteilung der Beschlagnahme an die Beschwerdeführerin
nicht erbracht war, erliess das BAWI am 17. Januar 1985 eine neue
Verfügung, in welcher es die Eröffnung des Beschlagnahmeprotokolls
vom 8. September 1983 an die Beschwerdeführerin, die Unterstellung der
beschlagnahmten Gegenstände auch unter Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR und die
öffentliche Versteigerung bzw. den freihändigen Verkauf der beschlagnahmten
Waren anordnete.

    Die Firma X. ficht diese Verfügung bei der Anklagekammer des
Bundesgerichts an und beantragt, die erweiterte Beschlagnahme gemäss
Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR habe nicht zu erfolgen, eventuell sei vom
Verkauf bzw. der Versteigerung der beschlagnahmten Waren abzusehen,
subeventuell dürfe der Verkauf "nur zu einem Mindestnettopreis von
Fr. 230'000.--, d.h. nach Abzug sämtlicher Verkaufsspesen, erfolgen". In
seiner Vernehmlassung teilte das BAWI mit, die Lagerkosten seien
inzwischen auf rund Fr. 65'000.-- angestiegen. Die Anklagekammer weist
die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 47 Abs. 3 VStrR können beschlagnahmte Gegenstände,
die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind oder einen kostspieligen
Unterhalt erfordern, öffentlich versteigert und in dringenden Fällen
freihändig verkauft werden.

    a) Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die beschlagnahmten
Waren schneller Wertverminderung ausgesetzt seien. Die Rüge ist
gegenstandslos. Das BAWI hat die Verwertung der beschlagnahmten Gegenstände
nicht aus diesem Grunde, sondern einzig wegen des kostspieligen Unterhalts
angeordnet. Auf die Beschwerde ist deshalb insoweit nicht einzutreten.

    b) Art. 47 Abs. 3 VStrR erwähnt als alternative Voraussetzung einer
Verwertung des beschlagnahmten Gegenstandes den kostspieligen Unterhalt,
ohne - wie das in Art. 93 Abs. 1 OR geschehen ist - die Aufbewahrungskosten
besonders zu nennen. Indessen wird man diese hier zwanglos in den Begriff
des kostspieligen Unterhalts einbeziehen können, gehört doch zu diesem
im weiteren Sinn auch der für die Aufbewahrung nötige Aufwand (vgl. auch
BGE 101 III 31 hinsichtlich Art. 124 Abs. 2 SchKG). Das wird von der
Beschwerdeführerin selber nicht in Abrede gestellt. Die Frage aber, ob
im konkreten Fall ein Unterhalt im Sinne des Gesetzes kostspielig sei,
bestimmt sich nach dem Verhältnis des Werts der beschlagnahmten Ware zu
den Unterhaltskosten, wobei der voraussichtlichen Dauer dieses Aufwandes
Rechnung zu tragen ist.

    Unbestritten ist, dass die Lagerkosten im vorliegenden Fall gegenwärtig
rund Fr. 65'000.-- betragen und dass diese Summe monatlich um Fr. 3650.--
ansteigt. Der Wert der beschlagnahmten Waren wurde vom BAWI gestützt
auf die Handelsfakturen der Firma Y. an die Beschwerdeführerin und unter
Zugrundelegung eines Tageskurses von Fr. 2,1760/US-Dollar im Zeitpunkt
der Beschlagnahme (8. September 1983) auf Fr. 251'741.45 berechnet. Von
diesem Betrag kann hier ausgegangen werden, denn dass der innere Wert der
fraglichen Waren sich inzwischen verändert hätte, ist nicht nachgewiesen,
und auch die Beschlagnahme ist nur verhältnismässig kurze Zeit nach
der Erwirkung der schweizerischen Ursprungszeugnisse erfolgt. In der
Beschwerde wird denn auch nichts Überzeugendes vorgetragen, das die
Annahme eines anderen Stichtages als geboten erscheinen liesse. Es wäre
im übrigen mit einem erheblichen Aufwand verbunden, in jedem derartigen
Fall die Veränderung der Produktionskosten etc. bei der Berechnung des
Warenwertes mitzuberücksichtigen. Immerhin hat das BAWI glaubhaft dargetan,
dass der seinerzeit in US-Dollars ausgedrückte Preis auf der Grundlage der
koreanischen Produktionskosten fakturiert wurde, die in viel geringerem
Masse gestiegen sind als der US-Dollar.

    Die Beschwerdeführerin will von einem Umrechnungskurs von
Fr. 2,785/US-Dollar ausgehen, was einen Betrag von Fr. 322'196.65
ergäbe. Ob man nun dem vom BAWI angenommenen Warenwert von
ca. Fr. 250'000.-- oder dem von der Beschwerdeführerin errechneten
von ca. Fr. 320'000.-- die bereits aufgelaufenen Lagerkosten von rund
Fr. 65'000.-- gegenüberstellt, so spricht in beiden Fällen der Vergleich
der Zahlen für die Annahme eines kostspieligen Unterhalts im Sinne des
Gesetzes, und es kann nicht gesagt werden, die Verwaltung habe das ihr
hierbei zustehende Ermessen überschritten. Das trifft umsoweniger zu,
als die Lagerkosten monatlich um weitere Fr. 3650.-- ansteigen werden
und im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Abschluss des Verfahrens noch nicht
abzusehen ist, da dieses eine ganze Reihe weiterer Fälle umfasst, in
welchen keine Waren beschlagnahmt werden konnten, und die Verwaltung zur
Ermittlung des nach Art. 58 Abs. 4 StGB abzuschöpfenden Vermögensvorteils
auf zeitraubende Erhebungen bei ausländischen Amtsstellen angewiesen
ist. Soweit die Firma X. aber mit dem Hinweis auf die lange Dauer der
Untersuchung als Ursache der hohen Lagerkosten sinngemäss den Vorwurf
einer ungebührlichen Verzögerung des Verfahrens verbinden wollte, wäre
ihr entgegenzuhalten, dass hierfür nichts Stichhaltiges vorliegt und dass
sie es längst in der Hand gehabt hätte, gegen Leistung einer Sicherheit
von Fr. 150'000.-- die beschlagnahmten Waren freizubekommen. Sie hat
dieses Angebot der Verwaltung jedoch ausgeschlagen. Geht man vom Gesagten
aus, ist jedenfalls eine der alternativen Voraussetzungen des Art. 47
Abs. 3 VStrR gegeben und steht deshalb der öffentlichen Versteigerung
bzw. dem freihändigen Verkauf der beschlagnahmten Waren nichts entgegen.