Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IV 32



111 IV 32

9. Urteil des Kassationshofes vom 18. Februar 1985 i.S. Generaldirektion
PTT gegen J. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 42 TVG, Art. 25 StGB; Gehilfenschaft zu Widerhandlungen gegen
das Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz.

    Der Verkäufer von Scanner-Empfangsgeräten, aus deren Frequenzbereich
nur wenige Kanäle (und auch diese nur mit einer Konzession) legal überwacht
werden dürfen, macht sich der Gehilfenschaft zu Widerhandlungen gegen
Art. 42 TVG schuldig, wenn er dazu beiträgt, den möglichen Missbrauch der
Geräte zu erleichtern bzw. zu fördern. Ein solcher Beitrag ist u.a. die
Abgabe einer Liste von Frequenzen, deren Überwachung durch Private
untersagt ist (Präzisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- J. verkaufte L. im August 1981 ein Scanner-Empfangsgerät
der Marke "Bearcat 210-XL-56 880", mit welchem die Frequenzbereiche
30-50 MHz, 144-174 MHz, 420-450 MHz und 450-512 MHz überwacht werden
können. Legal betrieben werden kann das Gerät lediglich mit einer
Amateurfunk-Empfangskonzession in den Frequenzbereichen 144-146
MHz und 430-440 MHz. J. händigte L. beim Verkauf des Geräts eine
Bedienungsanleitung und eine umfassende Frequenzliste aus.

    L., der keine entsprechende Konzession besass, betrieb in der Folge das
Scanner-Empfangsgerät auf allen verfügbaren Frequenzen, weshalb er am 8.
Oktober 1981 von der Kreistelefondirektion Basel wegen Widerhandlung
gegen Art. 42 TVG gebüsst wurde.

    B.- Mit Strafbescheid vom 9. September 1982 verfällte die
Kreistelefondirektion Olten J. wegen Gehilfenschaft zu einer Widerhandlung
gegen Art. 42 TVG in eine Busse von Fr. 150.--.

    Am 29. März 1984 sprach das Bezirksgericht Lenzburg J. von Schuld
und Strafe frei, auferlegte ihm jedoch die Verfahrenskosten.

    Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 6. Dezember 1984 den
erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und Strafpunkt, hob ihn jedoch im
Kostenpunkt auf und sprach J. eine vom Bund zu leistende Entschädigung zu.

    C.- Die Generaldirektion PTT führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer
Beurteilung zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz anerkennt, dass der Beschwerdegegner durch
den Verkauf des Scanner-Empfangsgeräts den illegalen Betrieb desselben
durch den Käufer L. "überhaupt erst ermöglicht" und damit den objektiven
Tatbestand der Gehilfenschaft zu einer Widerhandlung gegen Art. 42 TVG
erfüllt hat. Sie stellt sich dagegen auf den Standpunkt, es habe dem
Beschwerdegegner dabei am Vorsatz gefehlt; es stehe nämlich fest, dass
J. die Käufer beim Erwerb solcher Geräte auf die Rechtslage aufmerksam
machte. Auch sei für ihn irgendein Hinweis auf die Absicht illegaler
Verwendung des Empfangsgeräts durch L. nicht vorgelegen. J. habe beim
Verkauf des Apparates weder gewusst noch nach den Umständen damit rechnen
müssen, dass der Käufer keine Konzession habe und das Gerät allenfalls
widerrechtlich erstellen, betreiben oder benützen werde. Unmassgeblich
sei überdies die Abgabe der Frequenzliste, seien doch die Frequenzen der
festen und mobilen Funkdienste der Schweiz allgemein bekannt und deren
Liste in jeder Buchhandlung für jedermann frei zugänglich. Schliesslich
könnten die technisch möglichen Frequenzen mühelos auch ohne Frequenzliste
empfangen werden.

Erwägung 2

    2.- Der Verkauf von Empfangsgeräten der genannten Art ist in der
Schweiz unbestrittenermassen nicht verboten, auch wenn diese einen
Frequenzbereich beschlagen, der zum grössten Teil überhaupt nicht legal
benutzt werden kann. Das schliesst indessen nicht aus, dass der Verkauf
solcher Geräte an Käufer, welche diese in der Schweiz widerrechtlich
benützen, als Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen Art. 42 TVG strafbar
sein kann. Indessen darf eine solche strafbare Teilnahme - wie in BGE
109 IV 150 ff. E. 4 entschieden wurde - nur angenommen werden, wenn der
Verkäufer beim Verkauf des Gerätes weiss oder zumindest damit rechnet,
dass der Käufer es in der Schweiz widerrechtlich erstellen, betreiben
oder benützen wird. Dabei gehört zum Vorsatz auch die Voraussicht des
Geschehensablaufs.

    Wer Empfangsgeräte, die in der Schweiz überhaupt nicht oder
hinsichtlich des von ihnen erfassbaren Frequenzbereichs nur in begrenztem
Umfang und auch insoweit nur mit einer entsprechenden Konzession erstellt,
betrieben oder benützt werden dürfen, verkauft, der muss indessen
ernstlich damit rechnen, dass die Apparate auch zum Zweck eines illegalen
Gebrauchs erworben werden. Er hat deshalb den Käufer ausdrücklich darauf
hinzuweisen, dass das fragliche Gerät in der Schweiz nicht oder nur auf
einem begrenzten Frequenzbereich verwendet werden darf, und auf seine
Reaktion zu achten. Nur wenn diese nicht auf eine eventuelle künftige
Absicht, das Gerät widerrechtlich zu verwenden, schliessen lässt,
darf der Verkäufer auf die Gesetzestreue des Erwerbers vertrauen,
und es obliegt ihm diesfalls keine weitergehende Abklärungspflicht. An
diesen aus dem angeführten Urteil folgenden Grundsätzen ist weiterhin
festzuhalten. Doch bedürfen sie insofern einer Präzisierung, als der
Verkäufer dem Vorwurf einer auch subjektiv anrechenbaren Gehilfenschaft zu
einer Widerhandlung gegen Art. 42 TVG nur entgeht, wenn er über das blosse
Angebot des fraglichen Geräts hinaus nichts unternimmt, was dessen späteren
Missbrauch erleichtern und damit fördern kann. Wo es beispielsweise um
ein Empfangsgerät geht, aus dessen weitgefächertem Frequenzbereich nur
wenige Kanäle in der Schweiz legal überwacht werden dürfen, da muss
sich der Verkäufer darauf beschränken, dem Erwerber diese Frequenzen,
aber auch nur diese anzugeben; ein legitimes Interesse, mehr zu wissen,
besteht auf seiten des Erwerbers nicht. Vermittelt er diesem jedoch die
Kenntnis auch der legal nicht verwendbaren Kanäle, so erleichtert er damit
bewusst den möglichen Missbrauch des Geräts und nimmt einen solchen in
Kauf. Das hat die Vorinstanz übersehen.

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdegegner nach den
Feststellungen des angefochtenen Urteils L. wohl auf die Rechtslage
hingewiesen. Er hat ihm aber gleichzeitig eine sehr umfangreiche
Frequenzliste ausgehändigt, die weit über das hinausging, was ein Erwerber
im Besitz einer Amateur-Empfangskonzession mit dem fraglichen Gerät
überhaupt überwachen darf, zumal wenn man berücksichtigt, dass die Liste
u.a. zahlreiche der Polizei verschiedener Kantone und Städte sowie der
deutschen und österreichischen Grenzpolizei vorbehaltene Kanäle enthielt,
deren Überwachung durch Private aus naheliegenden Gründen untersagt
ist. Damit aber hat J. eine Lage geschaffen, bei der ein möglicher
künftiger Missbrauch des Gerätes nahelag. Wer jedoch solches tut, der
fördert bewusst die Begehung einer Widerhandlung im Sinne des Art. 42 TVG
und nimmt dies auch in Kauf. Darüber hilft der Hinweis des Obergerichts
nicht hinweg, wonach die Frequenzen der festen und mobilen Funkdienste
der Schweiz allgemein bekannt und in jeder Buchhandlung frei zugänglich
seien und ohne Liste mühelos empfangen werden können. Abgesehen davon,
dass hinsichtlich der Richtigkeit der ersteren Aussage zumindest erhebliche
Zweifel bestehen, ist jedenfalls nicht festgestellt, dass L. von all den
in der Liste enthaltenen Kanälen Kenntnis gehabt hat. Ohne die Liste
wäre auch eine gezielte Einprogrammierung bestimmter Frequenzen nicht
leichthin möglich gewesen. Ist dem aber so, verschaffte J. dem Käufer mit
der Aushändigung der Liste unmittelbaren Zugang zu bestimmten Frequenzen,
deren Benützung verboten ist, und förderte er damit den späteren Missbrauch
des gleichzeitig verkauften Empfangsgerätes im Sinne von Art. 42 TVG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 TVG und Art. 5 VStrR.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil
aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen
an die Vorinstanz zurückgewiesen.