Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IV 19



111 IV 19

5. Urteil des Kassationshofes vom 11. Januar 1985 i.S. D. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Veruntreuung durch fingierte
Devisengeschäfte.

    Wer als Bankangestellter die ihm anvertrauten Devisenkonten, über
die er faktisch allein verfügen kann, dazu benützt, sich durch fingierte
Geschäfte mit manipulierten Kursen zum Nachteil der Bank unrechtmässig
zu bereichern, begeht eine Veruntreuung.

Sachverhalt

    A.- D. war seit 1954 bei der Bank X. und seit 1962 auf deren
Devisenabteilung tätig, zuletzt als Prokurist und Leiter der Gruppe
"Filialen und Kleinbanken".

    In den Jahren 1975 bis 1981 tätigte er unter Verletzung bankinterner
Weisungen in grossem Umfang verkappte Eigengeschäfte mit Devisen. Er
bediente sich dabei manipulierter Kurse, d.h. er brachte günstige
Vergangenheitskurse zur Anwendung, die im Zeitpunkt der Transaktion nicht
mehr marktkonform waren und bereits Gewinnvorgaben enthielten.

    Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte D. am 20. Januar
1984 wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung im Sinne von
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu drei Jahren Gefängnis, abzüglich 237
Tage Untersuchungshaft.

    B.- Gegen diesen Entscheid führt D. eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde. Er stellt sinngemäss den Antrag, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Eine gegen den gleichen Entscheid eingereichte kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 3.
September 1984 ab.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
lässt sich das zu beurteilende Verhalten von D. folgendermassen
charakterisieren: Als Devisenhändler der Bank X. verkaufte er bei
trendmässig steigenden Kursen aus den Nostro-Beständen der Bank zu
niedrigerem Vergangenheitskurs an eine Regionalbank. Diese bzw. der dort
mit D. zusammenarbeitende Händler verkaufte die (zu günstig) erworbenen
Devisen in der Regel sogleich zum höheren, marktkonformen Kurs an eine
Drittbank weiter oder übernahm sie selbst zum Marktkurs in die eigenen
Nostro-Bestände. Der durch die Manipulation erzielte Kursgewinn -
abzüglich einer Kommission der Regionalbank - ging auf ein von D. oder
einem Mitbeteiligten beherrschtes Konto. Die meisten der eingeklagten
Fälle entsprechen diesem Modell.

    Es kam aber auch vor, dass D. bei trendmässig fallenden Kursen
namens der Bank X. bei einer Regionalbank Devisen zu einem höheren
Vergangenheitskurs kaufte; die Regionalbank konnte die gewünschten Devisen
zum niedrigeren marktkonformen Kurs beschaffen; der Helfer von D. bei der
Regionalbank sorgte dann auch in diesem Fall dafür, dass der anfallende
Gewinn (Differenz zwischen höherem Vergangenheitskurs gegenüber der Bank
X. und tieferem Marktkurs) auf ein von D. oder einem Mitbeteiligten
beherrschtes Konto ging.

    Festzuhalten ist insbesondere, dass es sich bei den Geschäften, die
Gegenstand der Anklage und der angefochtenen Verurteilung bilden, nicht um
spekulative Eigengeschäfte handelt, welche einem Devisenhändler bankintern
ebenfalls nicht erlaubt wären, sondern um Geschäfte mit manipulierten
Kursen (Vergangenheitskursen). Die beispielsweise Schilderung des Vorgehens
in der Nichtigkeitsbeschwerde entspricht insoweit den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz nicht. Bei der rechtlichen Überprüfung der
Subsumtion ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in planmässigem
Zusammenwirken mit den andern Beteiligten durch Kursmanipulation (Anwendung
überholter Vergangenheitskurse) sichere "Kursgewinne" entstehen liess und
sich und seinen Helfern die so erzielten Beträge zuhielt. Der Kassationshof
ist an die Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gebunden
(Art. 277bis Abs. 1 BStP).

Erwägung 2

    2.- In BGE 109 IV 29 hat der Kassationshof entschieden, dass
unter den Begriff "anvertrautes Gut" im Sinne von Art. 140 Ziff. 1
Abs. 2 StGB auch eine anvertraute Forderung, ein anvertrautes Konto
(Post- oder Bankguthaben) falle. Gegen diese Auslegung der gesetzlichen
Bestimmung werden in der vorliegenden Beschwerdeschrift keine Einwendungen
grundsätzlicher Art erhoben, die zu einer neuen Prüfung der Frage führen
müssten. Es ist aus den dort dargelegten Erwägungen an der in BGE 109
IV 29 f. begründeten Interpretation von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
festzuhalten.

Erwägung 3

    3.- Unter Bezugnahme auf dieses Präjudiz bestreitet der
Beschwerdeführer, dass ihm die Nostro-Konten der Bank X. anvertraut
waren; er habe keine unkontrollierbare Verfügungsbefugnis kraft
Einzelunterschriftsberechtigung besessen.

    Mit diesem Einwand setzte sich bereits die Vorinstanz in zutreffender
Weise auseinander. Sie hielt insbesondere fest, der Devisenhandel vollziehe
sich telefonisch und beruhe darauf, dass der Devisenhändler mit seinem
Wort seine Bank binde. Die nachfolgende Abwicklung des Geschäftes durch
das sogenannte Back-Office habe keinen materiellen Einfluss mehr auf
den erfolgten Kauf bzw. Verkauf. Auch in den Fällen, in welchen bei
Banken minderer Bonität nachträglich eine Zweitunterschrift auf den
Fichen verlangt werde, sei dies eine Formsache. Abgesehen davon, dass die
Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse in diesem Verfahren nicht zu
überprüfen ist, wird gegen die begründete Folgerung, D. habe faktisch
und zu einem wesentlichen Teil auch formell über die Nostro-Konten
allein verfügen können, nichts Stichhaltiges vorgebracht. Dass er
als Prokurist nicht Einzelunterschrift, sondern Kollektivunterschrift
zu zweien besass, ist für die hier zu beurteilenden Devisengeschäfte
offensichtlich ohne Belang. Wesentlich ist hingegen, dass er Devisenkäufe
und -verkäufe telefonisch, d.h. ohne Mitwirkung eines andern, tätigte,
also im praktischen Ablauf über die Devisenkonten (Nostro-Konten) allein
verfügen konnte. Diese Konten waren ihm somit im Sinne von Art. 140 Ziff. 1
Abs. 2 StGB anvertraut; die der Bank X. gehörenden Werte, welche ihm als
Devisenhändler zur Verfügung standen, waren "anvertrautes Gut".

Erwägung 4

    4.- D. hat die ihm eingeräumte Vertrauensstellung durch die
inkriminierten Handlungen in schwerwiegender Weise missbraucht. Er
eignete sich zum Schaden der Arbeitgeberfirma aus deren (ihm anvertrauten)
Vermögen grosse Summen an. Dabei konnte er sich natürlich nicht wie ein
Kassier durch einen direkten Griff in die Kasse bereichern, sondern er
hat - entsprechend seiner Funktion als Devisenhändler - die "Bezüge" aus
den anvertrauten Vermögenswerten als Devisengeschäfte getarnt. Das ganze
Vorgehen setzte Helfer in den beteiligten Regionalbanken voraus. Deren
Rolle und strafrechtliche Verantwortung ist hier nicht weiter zu erörtern.

    Es ist verständlich, dass die Strafverfolgungsbehörden zunächst eine
Subsumtion der Verfehlungen unter Art. 159 StGB ins Auge fassten. Die
Geschäftsführerposition von D. dürfte kaum zweifelhaft sein und der
Schädigungsvorsatz ebenfalls nicht. D. hat jedoch mit den inkriminierten
Geschäften nicht nur seine vertragliche Sorgepflicht als Geschäftsführer
verletzt, sondern diese Transaktionen sind eine Art fingierte Devisenkäufe
und -verkäufe, welche im Grunde keinen andern Zweck hatten, als dem
Beschwerdeführer unrechtmässig den durch Kursmanipulation bei der
Regionalbank herbeigeführten "Gewinn" zuzuhalten, was faktisch heisst,
aus dem anvertrauten Vermögen der Bank X. einen entsprechenden Betrag
zu "entnehmen" und auf ein privates Konto zu überführen. Die auf diese
Weise bewerkstelligten "Entnahmen" finanzieller Mittel aus dem Vermögen
der Bank ergaben sich nicht aus pflichtwidriger, ungetreuer Abwicklung
von gewöhnlichen Devisengeschäften, die auch in einer pflichtgemässen
Form und ohne Schädigung des Geschäftsherrn hätten durchgeführt werden
können. Die inkriminierten Käufe und Verkäufe zu manipulierten Kursen waren
im Rahmen pflichtgemässer Geschäftsführung nicht denkbar, sondern dienten
von vornherein dem rechtswidrigen Entzug von Vermögenswerten zu Lasten
der Bank X. und der unrechtmässigen Bereicherung des Beschwerdeführers.

    Die Tarnung der Geldbezüge als Devisengeschäfte stellt eine arglistige
Machenschaft dar, welche den ganzen modus operandi kriminologisch in die
Nähe des Betruges rückt. Da aber die massgebenden Verfügungen zu Lasten
der Bank X. von D. selber kraft seiner Vertrauensstellung getroffen
wurden (nicht von einem getäuschten Dritten), erfasst die Subsumtion
unter Art. 140 StGB den Sachverhalt richtig. Das betrugsähnliche Vorgehen
diente der raffinierten Vertuschung der Veruntreuung, nicht der Täuschung
eines Verfügungsberechtigten; denn die Verfügungsmöglichkeit hatte ja,
wie dies für den Tatbestand der Veruntreuung charakteristisch ist, von
vornherein der Täter selber.

Erwägung 5

    5.- Der deliktische Schaden, der in Art. 140 StGB nicht als sogenanntes
Tatbestandsmerkmal erwähnt ist, besteht bei einer Veruntreuung im Wert
des veruntreuten Gutes. Eine Veruntreuung ohne Schädigung ist begrifflich
ausgeschlossen.

    Die These des Verteidigers, es sei der Bank X. gar kein Schaden
entstanden, beruht entweder auf einer völligen Verkennung der tatsächlichen
Vorgänge, welche das Obergericht seinem Urteil zugrunde legte, oder
muss als geradezu mutwilliger Einwand bezeichnet werden. D. hat nicht
durch spekulative Eigengeschäfte effektive Kursgewinne gemacht, wie sie
irgendein Dritter bei geschickten Dispositionen ebenfalls hätte erzielen
können, sondern es ist ihm nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz zur Last zu legen, dass er durch Kursmanipulationen (Anwendung
von Vergangenheitskursen) sich zum Nachteil der Bank X. die klar erkennbare
Differenz zum marktkonformen Kurs verschaffte und so die ihm anvertrauten
Werte der Nostro-Konten um den entsprechenden Betrag verringerte.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.