Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IV 155



111 IV 155

39. Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1985 i.S. G. gegen
Staatsanwaltshaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 260bis Abs. 1 StGB; strafbare Vorbereitungshandlungen.

    Die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen (i.c. zu Raub) ist nur
dort vorgesehen, wo mehrere planmässige und konkrete Akte des Täters
auf eine solche Intensität des deliktischen Willens schliessen lassen,
dass vernünftigerweise angenommen werden kann, der Täter werde seine
Deliktsabsicht ohne weiteres in Richtung auf eine Ausführung der Tat
weiterverfolgen. Dies setzt aber nicht voraus, dass der Täter auch
materiell im Begriff ist, zur Ausführung der Tat anzusetzen. Das
Gesetz verlangt nicht, dass die Vorkehren auf ein nach Ort, Zeit und
Begehungsweise bereits hinreichend konkretisiertes Delikt Bezug haben.

Sachverhalt

    A.- In der Absicht, in der Schweiz auf eine Bank, ein Postbüro oder
ein Verkaufslokal einen Raubüberfall auszuführen, beschaffte sich der
mehrfach vorbestrafte jugoslawische Staatsangehörige G. in Mailand
eine doppelläufige Schrotflinte mit abgesägtem Lauf und Holzschaft
und die dazugehörige Munition sowie einen sechsschüssigen Revolver
mit Patronen, wobei er sich durch Probeschüsse vergewisserte, dass
die Waffen funktionierten. Daraufhin reiste er in die Schweiz ein, wo
er in Bern zwei Funkgeräte, Gummihandschuhe, Schraubenzieher und einen
Glasschneider erstand, welche Geräte er in einem Schliessfach des Bahnhofs
Aarau deponierte. Der Raubüberfall sollte in Aarau oder Umgebung ausgeführt
werden, wobei nach Auskundschaftung eines geeigneten Tatortes ein zweiter
Mann auf Abruf aus Italien per Auto zu Hilfe kommen sollte. G. wurde
jedoch vor der Rekognoszierung des präsumtiven Tatorts verhaftet.

    Mit Urteil vom 20. Juni 1985 sprach das Obergericht des Kantons Aargau
G. u.a. der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Raub gemäss Art. 260bis
Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus,
abzüglich 321 Tage Untersuchungshaft, und zu zehn Jahren Landesverweisung.

    G. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichtes sei aufzuheben und es sei die Sache zu seiner Freisprechung
von der Anklage der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Raub an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
mit folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das angefochtene Urteil ist nach der ausdrücklichen Feststellung
des Obergerichts ein Mehrheitsentscheid. Eine Minderheit des Gerichts hätte
den Beschwerdeführer von der Anklage strafbarer Vorbereitungshandlungen
zu Raub freigesprochen, weil er sich bis zum Zeitpunkt der Verhaftung über
die Art und Weise des Vorgehens überhaupt keine Vorstellung gemacht habe,
und der angestrebte Raubüberfall nicht nur örtlich und zeitlich, sondern
nicht einmal in seinen Umrissen auch nur annähernd bestimmbar gewesen sei
(STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, 3. Aufl., BT II S. 214). Wohl habe der
Beschwerdeführer die Absicht gehabt, in Aarau oder Umgebung nach einem
geeigneten Objekt Ausschau zu halten. Hierzu sei es jedoch wegen seiner
Verhaftung nicht gekommen. G. hätte deshalb seinen Plan zwischenzeitlich
abändern oder gänzlich aufgeben können. Im Lichte der örtlich und zeitlich
völlig unbestimmten Tat und ungewissen Begehungsweise könne ihm lediglich
eine Tatgeneigtheit angelastet, nicht aber gesagt werden, er hätte sich
im Sinne von Art. 260bis StGB angeschickt, einen Raubüberfall zu begehen.

    Hieran schliesst die Beschwerde an, wobei geltend gemacht wird,
G. hätte mangels örtlicher und zeitlicher Konkretisierung des Delikts
nicht verurteilt werden dürfen, zumal auch in zeitlicher Hinsicht ein naher
Zusammenhang mit dem Versuchsbeginn fehle (SCHUBARTH, Kommentar III S. 173
ff.). Der Beschwerdeführer habe noch nicht genügend in seine Vorkehrungen
investiert gehabt, um die Schwelle der straflosen zu den strafbaren
Vorbereitungshandlungen überschritten zu haben (ARZT, Zur Revision des
StGB im Bereich der Gewaltverbrechen, ZStR 100/1983 S. 277). Auch nach
der "extensivsten Lehrmeinung" von SCHULTZ (Zur Revision des StGB vom
9. Oktober 1981: Gewaltverbrechen, ZStR 101/1984 S. 131 ff.) hätte er
freigesprochen werden müssen, weil er zu keinem Zeitpunkt vor seiner
Festnahme in der Lage gewesen sei, sich zu einem Raub anzuschicken, hätte
er dazu doch noch das geeignete Objekt finden, den günstigen Zeitpunkt
abwarten, die bereitgestellten Tatwaffen behändigen und den italienischen
Komplizen benachrichtigen müssen.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 260bis Abs. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren oder Gefängnis bestraft, wer planmässig konkrete technische oder
organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass
er sich anschickt, eine der folgenden strafbaren Handlungen auszuführen:
Raub usw.

    a) Wortlaut und Entstehungsgeschichte (BBl 1980 I 1243 ff.;
Amtl.Bull. 1980 N II 1602 ff., 1981 S 279 ff.) dieser Bestimmung, die
anlässlich der Teilrevision von 1981 von den eidgenössischen Räten ins StGB
aufgenommen wurde, machen deutlich, dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit
von Vorbereitungshandlungen zu bestimmten Kapitalverbrechen mit einer
Reihe einschränkender Kautelen umgeben hat, um der Verfolgung blosser
deliktischer Gesinnung oder Absicht vorzubeugen. Er hat - allgemein
ausgedrückt - ihre Strafbarkeit nur vorgesehen, wo äussere Akte des Täters
auf eine solche Intensität des deliktischen Willens schliessen lassen,
dass eine Ausführung der Straftat normalerweise bevorsteht.

    b) Dabei ist nicht zu übersehen, dass Vorbereitungshandlungen ihrer
Natur nach bloss Handlungen sein können, die nicht schon Beginn der
Deliktsausführung sind. Mit dem Erlass von Art. 260bis StGB sollte
die Strafbarkeit über den Bereich des strafbaren Versuchs hinaus
vorverlegt werden; bei der Vorbereitung schwerer Verbrechen, wie sie
in Art. 260bis abschliessend genannt sind, soll nämlich "möglichst
frühzeitig eingegriffen werden können, damit nicht zugewartet werden
muss, bis die strafbaren Handlungen geschehen sind" (Amtl.Bull. 1980
N II 1664 Votum Blunschy, s. auch SCHULTZ, aaO S. 134); es geht um
präventiv wirkenden Rechtsgüterschutz (Amtl.Bull. N aaO 1661 Votum
Hunziker; Amtl.Bull. 1981 S 282 Votum Aubert). Anderseits hat aber der
Gesetzgeber mit der Formel "sich zur Ausführung anschicken" auch zum
Ausdruck gebracht, dass nicht jede entfernte und in ihrer Zielrichtung
noch vage Vorbereitungshandlung genügt. Die Vorkehrungen, von denen
das Gesetz spricht, müssen planmässig und konkret sein, d.h. es muss
um mehrere überlegt ausgeführte Handlungen gehen, die im Rahmen eines
deliktischen Vorhabens eine bestimmte Vorbereitungsfunktion haben. Sie
müssen ausserdem nach ihrer Art und ihrem Umfang so weit gediehen sein,
dass vernünftigerweise angenommen werden kann, der Täter werde seine
damit manifestierte Deliktsabsicht ohne weiteres in Richtung auf eine
Ausführung der Tat weiterverfolgen; er muss - mit anderen Worten -
zumindest psychologisch an der Schwelle der Tatausführung angelangt sein
(Amtl.Bull. N aaO 1658 Votum Petitpierre), was aber nicht voraussetzt,
dass er auch materiell im Begriff ist, zur Ausführung der Tat anzusetzen
(ARZT, aaO S. 277). Das Gesetz verlangt entgegen der Meinung STRATENWERTHS
(s. E. 1) nicht, dass die Vorkehrungen auf ein nach Ort, Zeit und
Begehungsweise bereits hinreichend konkretisiertes Delikt Bezug haben
(ebenso SCHULTZ, aaO S. 134). Wo, wann und wie die Straftat auszuführen
sein wird, sind weitgehend Fragen der Organisation.

    Art. 260bis Abs. 1 StGB lässt jedoch wahlweise technische oder
organisatorische Vorkehrungen genügen. Der Täter, der im Hinblick auf einen
Raubüberfall, dessen Ablauf bloss in weiten Konturen (z.B. Überfall auf
noch nicht bestimmte Bank in einer bestimmten Region), aber nicht schon im
Detail geplant ist, bereits eine Reihe konkreter technischer Vorkehrungen
getroffen hat, die erkennen lassen, dass er aller Wahrscheinlichkeit
nach die Tat nach Abschluss weiterer Massnahmen ausführen wird, ist
an jener psychologischen Schwelle zur Tatausführung angelangt, und
es besteht objektiv und subjektiv eine zureichende Beziehung zwischen
der Vorbereitung und einem bestimmten Deliktstatbestand, um nach dem
Willen des Gesetzgebers Art. 260bis Abs. 1 StGB Platz greifen zu lassen
(s. Amtl.Bull. N aaO 1620 und 1665 Voten von Bundesrat Furgler unter
Verweisung auf HAFTER und SCHULTZ).

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall hatte sich der mehrfach vorbestrafte
Beschwerdeführer, der - wie die Vorinstanz sich ausdrückt - als
eigentlicher Kriminaltourist in die Schweiz kam, wo er übrigens noch
eine Reihe von Diebstählen beging, in Mailand Schusswaffen und Munition
beschafft, um in der Gegend von Aarau einen Raubüberfall auf eine
Bank, ein Postbüro oder ein Verkaufslokal auszuführen. In der Schweiz
selber erstand er weitere Utensilien (Funkgeräte, Gummihandschuhe,
Schraubenzieher, Glasschneider), die er in einem Schliessfach im Bahnhof
Aarau deponierte. Auch stand ein Komplize in Italien auf Abruf bereit,
um für den Zeitpunkt der Tatausführung mit dem Auto in die Schweiz zu
kommen und dem Beschwerdeführer beizustehen. Damit hat G. zielstrebig und
mit einem gewissen finanziellen Aufwand eine ganze Reihe von konkreten
Vorbereitungen für einen in Aussicht genommenen Raub getroffen und
solcherweise eine derartige Tatbereitschaft manifestiert, dass sich
der Schluss rechtfertigt, er habe jedenfalls psychologisch die Schwelle
der Tatausführung erreicht. Die Gerichtsmehrheit der Vorinstanz hat ihn
deshalb zu Recht nach Art. 260bis Abs. 1 StGB bestraft.