Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 71



111 II 71

16. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Januar 1985
i.S. D. gegen H. und M. sowie Obergericht des Kantons Nidwalden
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Retentionsrecht des Vermieters; Art. 272 Abs. 1 OR.

    Für die im Mietvertrag vorgesehene Sicherheitsleistung des Mieters
kann der Vermieter das Retentionsrecht nicht beanspruchen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Mit seiner staatsrechtlichen Beschwerde macht der Beschwerdeführer
sinngemäss geltend, es sei willkürlich, das Retentionsrecht auch für
die im Mietvertrag vorgesehene Sicherheitsleistung im Betrag von Fr.
6'000.-- zu gewähren. Diese Rüge ist begründet. Nach Art. 272 Abs. 1
OR hat der Vermieter einer unbeweglichen Sache für einen verfallenen
Jahreszins und den laufenden Halbjahreszins ein Retentionsrecht an
den beweglichen Sachen, die sich in den vermieteten Räumen befinden
und zu deren Einrichtung oder Benützung gehören. Die Praxis hat den
Begriff der Mietzinsforderung im Sinne dieser Bestimmung ausdehnend
ausgelegt und dazu auch die Ansprüche des Vermieters für Nebenkosten
(Heizung, Warmwasser und dergleichen; BGE 75 III 32 E. 3, 72 III 37,
63 II 381/382 E. 10), für die sogenannte Instandstellungsentschädigung
(BGE 80 III 130/131) sowie für die Weiterbenützung der gemieteten Räumen
nach Ablauf der Miete (BGE 73 III 78, 63 II 380 E. 9) gezählt. Als
Mietzins kann eine Forderung aber nur bezeichnet werden, wenn sie
als Teil der Gegenleistung zu betrachten ist, die der Mieter dem
Vermieter gemäss dem Mietvertrag für die Überlassung des Gebrauchs
der Mietsache schuldet (vgl. BGE 80 III 130). Diese Voraussetzung
ist beispielsweise bei Schadenersatzforderungen des Vermieters nicht
erfüllt, weshalb für solche Forderungen kein Retentionsrecht besteht
(BGE 104 III 87, 86 III 39, 63 II 373 ff. E. 8). Die Sicherheitsleistung,
die der Beschwerdeführer zu erbringen hat, stellt nun klarerweise kein
Entgelt für die Leistungen der Beschwerdegegner aus dem Mietvertrag
dar. Sie hat überhaupt keinen selbständigen Charakter, sondern soll,
wie schon ihr Name sagt, lediglich die Ansprüche der Beschwerdegegner
aus dem Mietverhältnis sicherstellen. Soweit für diese Ansprüche
ein Retentionsrecht besteht, wurde es den Beschwerdegegnern bereits
zugestanden. Wollte man ihnen darüber hinaus für die Sicherheitsleistung
ein Retentionsrecht einräumen, so würde dies darauf hinauslaufen, dass
neben dem verfallenen Jahreszins und dem laufenden Halbjahreszins noch
weitere mietvertragliche Ansprüche der Beschwerdegegner retentionsgesichert
wären. Das aber liesse sich weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck
von Art. 272 Abs. 1 OR vereinbaren. Die Bestätigung des Retentionsrechts
für die Sicherheitsleistung erweist sich daher als willkürlich, weshalb
die Beschwerde gutzuheissen ist.