Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 508



111 II 508

95. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Oktober 1985 i.S.
Beyeler AG gegen Grands Magasins Jelmoli S.A. (Berufung) Regeste

    Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. Verwechslungsgefahr.

    Keine Gefahr der Verwechslung zwischen zwei Wortbildzeichen mit
ähnlichen, nicht besonders originellen Bildbestandteilen (stilisierte
Sonnenzeichen), aber unterscheidungskräftigen Wortbestandteilen.

Sachverhalt

    A.- Die Grands Magasins Jelmoli S.A. (Jelmoli S.A.), ein allgemein
bekanntes Kaufhaus und Versandgeschäft, vertreibt u.a. Ober-
und Unterbekleidung für Damen, Herren und Kinder, ferner Schuhe,
Heimtextilien, Fusspflegemittel und orthopädische Artikel. Ausserdem bietet
sie unter der Kurzbezeichnung "Jelmoli Reisen" die Dienstleistungen eines
Reisebüros an und unterhält hiefür zahlreiche Büros und Buchungsstellen
in der ganzen Schweiz. Sie stellt ihre Reisebürotätigkeit seit Anfang
der Siebzigerjahre unter ein Bildzeichen, welches in stilisierter
Form eine halbe Sonnenscheibe mit einem roten Zentrum und darum herum
zwei halbkreisförmigen orangen bzw. gelben Streifen darstellt (Zeichen K
I). Sie verwendet das Zeichen auf Briefpapier, Aufklebern, Ansteckschildern
und Reisetaschen sowie an Schaufenstern, sodann in Reiseprospekten und
Versandkatalogen.

    Die Beyeler AG vertreibt insbesondere Textilwaren im Grosshandel
wie im Einzelverkauf. Sie meldete am 31. Oktober 1978 eine Marke zur
Eintragung an, welche als Bildzeichen ebenfalls eine stilisierte halbe
Sonnenscheibe mit rotem Zentrum und darum herum zwei halbkreisförmigen
orangen bzw. gelben Streifen aufweist. Darunter sind die Worte "beyeler
damart" aufgedruckt. Die Eintragung der Marke erfolgte unter Nr. 298.077
für Ober- und Unterbekleidung für Damen, Herren und Kinder, Schuhe,
Heimtextilien, Fusspflegemittel und orthopädische Artikel (Zeichen
B). Das Zeichen wird in Prospekten, auf Verpackungen, an Verkaufsläden
usw. verwendet. Die Beyeler AG gebrauchte es auch bei Reisewettbewerben,
die in Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Artikel stehen.

    B.- Die Jelmoli S.A. erhob am 23. Januar 1981 gegen die Beyeler AG
Klage und verlangte unter anderen, es sei gerichtlich festzustellen,
dass sich die Beklagte des unlauteren Wettbewerbs schuldig mache,
indem sie als Enseigne, Marke und in anderer Form im Zusammenhang mit
ihrer Geschäftstätigkeit ein Bildzeichen verwende, das in stilisierter
Form eine halbe Sonnenscheibe mit einem roten Zentrum, halbkreisförmig
umrahmt zunächst von einem orangen und alsdann von einem gelben Streifen,
darstelle, und es sei der Beklagten zu verbieten, dieses Zeichen als
Enseigne oder Marke oder in irgendeiner anderen Form im Zusammenhang mit
ihrer Geschäftstätigkeit zu verwenden; ausserdem sei die Nichtigkeit der
Schweizer Marke Nr. 298.077 (Zeichen B) der Beklagten festzustellen.

    Das Handelsgericht des Kantons Aargau schützte am 23. Oktober 1984
diese Klagebegehren, während sie das Bundesgericht auf Berufung der
Beklagten abweist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Verfahren stehen sich unbestritten nur noch das
nicht eingetragene Zeichen K I der Klägerin und das als Marke eingetragene
Zeichen B der Beklagten gegenüber. Der Anspruch der Klägerin richtet sich
daher nach Wettbewerbsrecht.

    Nach Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG begeht unlauteren Wettbewerb, wer
Massnahmen trifft, die bestimmt und geeignet sind, Verwechslungen mit
Waren, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen.

    Ob der Gebrauch des Zeichens K I vor Eintragung der Marke der
Beklagten zu einer Verkehrsgeltung geführt hat, wie die Vorinstanz
annimmt, kann offenbleiben, wenn entgegen dem angefochtenen Urteil eine
Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen auszuschliessen ist. Aus
demselben Grund kann auch dahingestellt bleiben, wieweit Art. 1 Abs. 2
lit. d UWG oder nur die Generalklausel nach Abs. 1 auf ein Zeichen, das
sich wie jenes der Klägerin auf eine Dienstleistung bezieht und deshalb
nach geltendem Markenschutzgesetz nicht als Marke eingetragen werden kann,
anwendbar ist.

Erwägung 2

    2.- Ob sich die beiden Zeichen im Sinn von Art. 1 Abs. 2 lit.  d UWG
genügend voneinander unterscheiden, ist wie im Markenrecht (BGE 101 II 291
f. mit Hinweisen) nach dem Gesamteindruck zu beurteilen, den sie machen.

    Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, das Motiv einer stilisierten
Sonne dürfe nicht monopolisiert werden; es steht im Gemeingut und
kann daher höchstens wegen seiner spezifischen Erscheinungsform
- einer charakteristischen Form- oder originellen Farbgebung -
kennzeichnungskräftig wirken. Ob das für die graphische Gestaltung des
streitigen Sonnenzeichens angenommen werden kann, wie die Vorinstanz
meint, ist fraglich, da weder die Farbkombination (Übergang von
Dunkelrot über Orange zu Gelb) besonders originell, noch die Verwendung
der geometrischen Form (drei konzentrische Halbkreise) besonders
charakteristisch erscheint. Das kann aber offenbleiben; entscheidend
für die Kennzeichnungskraft sind auf jeden Fall die beigefügten Worte
"Jelmoli Reisen" oder "Jelmoli Voyages", mit denen das Zeichen der Klägerin
gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2
OG) zumeist auftritt, und der Wortbestandteil "beyeler damart" der Marke
der Beklagten. Die beigefügten Firmennamen wirken nicht nur stärker als
die Sonnenzeichen, sie unterscheiden diese auch genügend voneinander,
zumal die Klägerin ihr Zeichen für die Dienstleistungen ihrer Reiseagentur
verwendet, während es die Beklagte für den Verkauf von Textilerzeugnissen,
insbesondere von Rheumawäsche gebraucht. Dass im übrigen die Zeichen
von den Parteien vereinzelt ohne Firmennamen angebracht worden sind,
fällt insgesamt nicht ins Gewicht. Es sind zwei ganz verschiedene
Geschäftsbereiche betroffen. Daran ändert auch nichts, dass die
Beklagte das Zeichen ebenfalls bei Reisewettbewerben verwendet, die im
Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Artikel stehen. Solche Auslosungen
kostenloser Reisen können den Durchschnittskunden nicht zur Annahme
verleiten, die Geschäftstätigkeit der Beklagten sei darauf gerichtet,
der Kundschaft solche Leistungen gegen Bezahlung anzubieten. Hinzu kommt,
dass die Firma der Klägerin der Bevölkerung weit bekannt ist und sie
dem Kunden nicht indirekt als Herstellerin, sondern stets in direktem
Kontakt entgegentritt. Dass ein Durchschnittskäufer meinen könnte,
die mit dem Zeichen der Beklagten gekennzeichneten Waren würden von der
Klägerin hergestellt oder es bestehe sonst ein Zusammenhang zwischen den
Geschäftsbetrieben der Parteien, lässt sich unter diesen Umständen nicht
annehmen; eine Verwechslungsgefahr ist daher aus auszuschliessen.