Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 42



111 II 42

9. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juli 1985 i.S. Elox
Immobilien AG und Mitbeteiligte gegen Flury und Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Grundbuchführung, Eintragung einer Grundbuchsperre

    1. Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, wenn sich eine Anmeldung
auf einen richterlichen Entscheid stützt (E. 2).

    2. Eine als Massnahme des kantonalen Prozessrechts angeordnete
Grundbuchsperre kann nur dann im Grundbuch eingetragen werden, wenn das
kantonale Recht einen entsprechenden Anmerkungstatbestand vorsieht (E. 3).

    3. Hat der Eigentümer bereits durch Anmeldung einer
Eigentumsübertragung über das Grundstück verfügt, so vermag eine
Grundbuchsperre die Eintragung des Eigentumsübergangs im Hauptbuch nicht
mehr zu verhindern (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 18. Juni 1984 verkaufte die Elox Immobilien AG ihre fünf in
Ennetbaden gelegenen Grundstücke GB Nrn. 226, 228, 249, 251 und 831 zum
Preise von Fr. 800'000.-- an Hans-Beat Imfeld. Die Eigentumsübertragung
wurde am gleichen Tag beim Grundbuchamt Baden angemeldet und von
diesem ordnungsgemäss im Tagebuch eingetragen. Am 2. Juli 1984 verkaufte
Hans-Beat Imfeld einen vom Grundstück GB Nr. 226 abzuparzellierenden Teil
im Halte von 9,07 Aren sowie die Grundstücke Nrn. 228, 249 und 831 an die
Ergänzungskasse Ciba-Geigy. Der Kaufpreis betrug Fr. 2'350'000.--. Diese
Eigentumsübertragung wurde am 5. Juli 1985 beim Grundbuchamt Baden
angemeldet und im Tagebuch eingetragen.

    B.- Auf Begehren von Maria Flury, einer Aktionärin der Elox Immobilien
AG, die gegen diese Klage auf Nichtigerklärung des Kaufvertrags vom
18. Juni 1984 angehoben hatte, erliess der Präsident des Bezirksgerichts
Baden am 12. Juli 1984 folgende superprovisorische Verfügung:

    "Das Grundbuchamt Baden wird angewiesen, keinerlei Eintragungen
   betreffend die Grundstücke der Elox AG "In der Limmatau", insbesondere

    Parzellen Nr. 226, 228, 249, 251 und 831 vorzunehmen und bereits
   angemeldete Kaufverträge wie vor allem denjenigen vom 18. Juni 1984
   über diese Grundstücke nicht im Hauptbuch einzutragen."

    Mit Abweisungsverfügung vom 26. Juli 1984 weigerte sich das
Grundbuchamt Baden, der superprovisorischen Verfügung stattzugeben. Dagegen
erhob Maria Flury beim Departement des Innern des Kantons Aargau als
Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter Beschwerde, die mit Verfügung
vom 5. September 1984 abgewiesen wurde. Hierauf gelangte Maria Flury
an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, das ihre Beschwerde mit
Entscheid vom 13. Dezember 1984 guthiess, die Abweisungsverfügung des
Grundbuchamtes Baden vom 26. Juli 1984 aufhob und das Grundbuchamt anwies,
die Verfügung des Gerichtspräsidenten so lange zu beachten, als diese
rechtsbeständig sei.

    C.- Gegen diesen Entscheid haben die Elox Immobilien AG,
Hans-Beat Imfeld und die Ergänzungskasse Ciba-Geigy beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie stellen folgende Anträge:

    "1. Es seien Ziff. 1 bis 4 des Urteils des Verwaltungsgerichts des

    Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 13.12.1984 in Gutheissung der Beschwerde
   aufzuheben.

    2. Eventuell: Es seien Ziff. 1 bis 4 des Urteils des

    Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 13.12.1984
   insoweit aufzuheben, als die Übertragung von vor dem 12.7.1984 ins
   Tagebuch des Grundbuches Baden eingetragenen rechtsgültigen Geschäften
   in das Hauptbuch verhindert wird."

    Maria Flury beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung
der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt sinngemäss auch das
Verwaltungsgericht. Demgegenüber beantragt das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement, die Beschwerde gutzuheissen.

    Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hebt
den Entscheid des Verwaltungsgerichts auf und weist die Beschwerde gegen
die Abweisungsverfügung des Grundbuchamtes Baden vom 26. Juli 1984 ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat die Gutheissung der Beschwerde im wesentlichen
damit begründet, das Grundbuchamt habe mit der Weigerung, die vom
Gerichtspräsidenten von Baden superprovisorisch angeordnete sogenannte
Kanzleisperre zu beachten, seine Prüfungsbefugnis überschritten. Ob
eine Kanzleisperre bundesrechtlich zulässig sei, habe das Bundesgericht
bisher ausdrücklich offen gelassen. Es sei nicht Sache des Grundbuchamtes
oder der entsprechenden Rechtsmittelinstanzen, hier eine Änderung der
Bundesgerichtspraxis vorwegzunehmen. Das Departement des Innern habe
sich darauf gestützt, dass der Kanton Aargau nach der Rechtsprechung des
Obergerichts (AGVE 1963 S. 61 f.) das Institut der Grundbuchsperre nicht
kenne. Dabei handle es sich um eine Frage des kantonalen Prozessrechts,
die nicht vom Grundbuchamt, sondern vom Richter zu entscheiden sei, zumal
die Führung des Grundbuchs durch die Anordnung des Gerichtspräsidenten
nicht in Frage gestellt werde und diese auch nicht offensichtlich
nichtig sei. Dem erwähnten Präjudiz des Obergerichts komme formell keine
Bindungswirkung zu; im übrigen sei es einem Gericht unbenommen, in seinem
Zuständigkeitsbereich eine Praxisänderung anzustreben. Indem sich das
Departement faktisch zur Rechtsmittelinstanz über den Gerichtspräsidenten
in einer zivilprozessualen Frage gemacht habe, sei es zu weit gegangen. Es
sei Sache der Elox Immobilien AG als Gesuchsgegnerin im Befehlsverfahren
(und nicht des Grundbuchamtes), sich mit den Mitteln des Zivilprozessrechts
gegen die superprovisorische Verfügung des Gerichtspräsidenten zu wehren,
wenn sie diese für unrichtig erachte.

    Die Vorinstanz hat nicht übersehen, dass dem Grundbuchverwalter
auch dann, wenn sich die Anmeldung wie hier auf einen richterlichen
Entscheid stützt, eine gewisse Prüfungsbefugnis zukommt. So ist er
nach der Rechtsprechung auch in diesem Fall zur Verweigerung des
Grundbucheintrags befugt, wenn sich aus dem Urteil eindeutig ergibt,
dass gesetzliche Voraussetzungen des einzutragenden Rechts offensichtlich
nicht erfüllt sind, oder wenn die richterliche Massnahme zur Rechtsordnung
offensichtlich im Widerspruch steht. In grundbuchrechtlicher Hinsicht hat
er vor allem zu prüfen, ob das angemeldete Recht überhaupt eintragungsfähig
sei (BGE 102 Ib 11, mit Hinweisen; DESCHENAUX, Le registre foncier, in:
Traité de droit privé suisse, Bd. V/II, 2, S. 420 ff.). Zu prüfen ist,
ob sich das Grundbuchamt Baden über diese Schranken hinwegsetzte, als es
sich weigerte, die superprovisorisch angeordnete Kanzleisperre zu beachten.

Erwägung 3

    3.- Bei der vom Gerichtspräsidenten von Baden angeordneten
Grundbuch- oder Kanzleisperre, mit der bezweckt wird, Verfügungen über
die streitigen Grundstücke bis auf weiteres zu verunmöglichen und so die
Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes zu gewährleisten, handelt es
sich um eine Massnahme des kantonalen Prozessrechts (BGE 103 II 5). Um im
Grundbuchverkehr Wirkung entfalten zu können, muss eine Grundbuchsperre
aufgrund des Publizitätsprinzips auf dem Blatt des betroffenen Grundstücks
mittels Einschreibung sichtbar gemacht werden. Der Grundbuchverwalter
hat dabei den im Grundbuchrecht herrschenden Grundsatz des numerus
clausus möglicher Einschreibungsarten zu beachten. Das schweizerische
Grundbuchrecht sieht lediglich drei Einschreibungsarten vor, nämlich
die Eintragung im engeren Sinne, die Vormerkung und die Anmerkung. Zur
Vollstreckung einer kantonalen Grundbuchsperre durch eine Einschreibung
im Grundbuch kommt lediglich die Anmerkung in Frage. Dazu bedarf es
aber einer gesetzlichen Grundlage, wie sie beispielsweise in § 29 der
Zürcher Grundbuchverordnung vom 26. März 1958 enthalten ist. Ohne
eine solche fehlt es an einem gesetzlichen Anmerkungstatbestand,
kraft dessen der Grundbuchverwalter die durch das Publizitätsprinzip
erforderliche Einschreibung der Grundbuchsperre vornehmen könnte. Dem
Grundbuchverwalter bliebe nur die Möglichkeit, die Grundbuchsperre durch
eine Bleistiftnotiz auf den Blättern der betroffenen Grundstücke sichtbar
zu machen. Da das schweizerische Grundbuchrecht die Einschreibungsarten
abschliessend regelt und die Bleistiftnotiz als Einschreibungsmodalität
nicht vorsieht (abgesehen vom Fall des Art. 26 Abs. 2 GBV, bei dem es sich
nicht um eine eigentliche Eintragung handelt), wäre eine solche als Mittel
des grundbuchlichen Vollzugs einer Grundbuchsperre bundesrechtswidrig
(vgl. BESSON, Restriction du droit d'aliéner et cancellation du registre
foncier, ZBGR 66/1985, S. 13).

    Die Eintragungsfähigkeit der angeordneten Grundbuchsperre hängt
somit unmittelbar davon ab, ob das kantonale Recht einen entsprechenden
Anmerkungstatbestand vorsehe. Da die Prüfung der Eintragungsfähigkeit
des angemeldeten Rechts nach dem bereits Gesagten in die Kognition des
Grundbuchverwalters fällt, hätte die Vorinstanz diese Frage nicht offen
lassen dürfen. Das Bundesgericht kann sie nicht selbst prüfen, da es sich
dabei um kantonales Recht handelt. Es erübrigt sich jedoch, die Sache
deswegen an die Vorinstanz zurückzuweisen, da der Grundbuchverwalter
die Grundbuchsperre aus den im folgenden darzulegenden Gründen auch dann
nicht beachten durfte, wenn das kantonale Recht dafür eine gesetzliche
Grundlage enthielte.

Erwägung 4

    4.- Massgebender Zeitpunkt für den rechtsgeschäftlichen Erwerb von
Grundeigentum ist die Eintragung im Hauptbuch, doch wird deren Wirkung
auf den Zeitpunkt der Einschreibung in das Tagebuch zurückbezogen (Art.
972 ZGB). Von Bundesrechts wegen müssen daher die Voraussetzungen
für die Buchung der Anmeldung im Zeitpunkt der Anmeldung, jedoch
als Folge der Rückwirkung nicht auch im Zeitpunkt der Eintragung im
Hauptbuch vorliegen (HOMBERGER, N. 5 zu Art. 966 ZGB; MEIER-HAYOZ,
N. 64 zu Art. 656 ZGB). Die Eintragungen im Hauptbuch sind sodann in der
Reihenfolge vorzunehmen, in der die Anmeldungen angebracht worden sind
(Art. 967 Abs. 1 ZGB). Das Bundesgericht hat deshalb in BGE 110 II 130
festgestellt, dass eine Verfügungsbeschränkung gemäss Art. 960 Abs. 1
Ziff. 1 ZGB, die erst erlassen wurde, nachdem der verfügungsberechtigte
Eigentümer die Anmeldung bereits vorgenommen hatte, die Verfügung des
Eigentümers nicht mehr verhindern könne. Das gleiche gilt aber auch
für eine kantonalrechtliche Grundbuchsperre. Wie das Bundesgericht im
erwähnten Entscheid dargelegt hat, kann eine solche höchstens negative
Wirkungen entfalten, indem sie jede Verfügung des Eigentümers über das
Grundstück verhindert; sie vermag jedoch nichts mehr auszurichten, wenn
die Verfügung durch die Anmeldung auf dem Grundbuchamt bereits getroffen
worden ist (BGE 110 II 131; vgl. auch DESCHENAUX, aaO S. 332; LIVER,
ZBJV 98/1962 S. 432; CHRISTIAN MEISTER, Vorsorgliche Massnahmen bei
immobiliarsachenrechtlichen Streitigkeiten, Diss. Zürich 1977, S. 131).
Weshalb es sich im vorliegenden Fall anders verhalten sollte, ist entgegen
der Auffassung der Vorinstanz nicht ersichtlich. Weil die Einschreibung
der Eigentumsübertragung von der Elox Immobilien AG auf Hans-Beat Imfeld
in das Tagebuch bereits am 18. Juni 1984 erfolgt war, konnte die erst am
12. Juli 1984 erlassene richterliche Anordnung die bereits vollzogene
Verfügung über das Eigentum nicht mehr verhindern. Gleich verhält es
sich mit der Eigentumsübertragung vom Imfeld auf die Ergänzungskasse
Ciba-Geigy, die ebenfalls noch vor dem Erlass der superprovisorischen
Verfügung angemeldet und in das Tagebuch eingeschrieben worden ist. Da die
superprovisorische Verfügung hinsichtlich dieser Eigentumsübertragungen
keine Wirkung entfalten konnte, müssen die entsprechenden Eintragungen
im Hauptbuch, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen im übrigen erfüllt
sind, gemäss den bundesrechtlichen Bestimmungen vollzogen werden. Der
mit der Grundbuchsperre angestrebte Zweck kann daher aus Gründen des
Grundbuchrechts zum vornherein nicht erreicht werden, weshalb ihr der
Grundbuchverwalter zu Recht keine Folge geleistet hat. Soweit sich die
Vorinstanz demgegenüber auf BGE 87 I 487 ff. E. 3 beruft, ist darauf
hinzuweisen, dass das Bundesgericht die dort vertretene Auffassung in
BGE 110 II 131 ausdrücklich aufgegeben hat.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdegegnerin begründet ihren Antrag auf Abweisung
der Beschwerde unter anderem damit, der Kaufvertrag vom 18. Juni 1984
sei klarerweise nichtig, weshalb die Anmeldung vom gleichen Tag ohnehin
abgewiesen werden müsse. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet
indessen nur die Frage, ob der Grundbuchführer die superprovisorische
Verfügung vom 12. Juli 1984 beachten musste. Über die Kaufverträge
vom 18. Juni 1984 und vom 2. Juli 1984 hat der Grundbuchführer noch
keine Verfügung getroffen, so dass das Bundesgericht darüber nicht zu
befinden hat.

    Die Beschwerdegegnerin weist ferner darauf hin, die Nichtigkeit
des Kaufvertrags werde im ordentlichen Verfahren festzustellen
sein. Einstweilen gehe es darum, den Vollzug dieses Vertrages zu
verhindern. Zu diesem Zweck habe der Gerichtspräsident nur die Möglichkeit
gehabt, dem Grundbuchführer den Eintrag in das Hauptbuch zu verbieten. In
der Tat wird von einem Teil der Lehre die Auffassung vertreten, dass der
Richter den Eintrag eines angemeldeten Rechts aufschieben könne, bis über
die Gültigkeit des als Rechtsgrund vorgelegten Rechtsgeschäfts entschieden
sei, und dass der Grundbuchführer eine solche Anordnung beachten müsse;
werde dann die Ungültigkeit des Rechtsgrundes festgestellt, so habe
der Grundbuchführer die Anmeldung abzuweisen (DESCHENAUX, aaO S. 459;
MEISTER, aaO S. 174). Ob eine derartige Anordnung, die nicht mit einer
Grundbuchsperre gleichzusetzen ist, da sie Verfügungen des Eigentümers
über das Grundstück nicht schlechthin ausschliesst, zulässig sei und
ob die superprovisorische Verfügung vom 12. Juli 1984 in diesem Sinne
verstanden werden dürfe, kann indessen dahingestellt bleiben. Als blosse
Aktionärin der Elox Immobilien AG ist die Beschwerdegegnerin nicht Partei
des Kaufvertrags vom 18. Juni 1984. Ein Dritter, der an dem der Anmeldung
zugrundeliegenden Rechtsgeschäft nicht beteiligt ist, ist jedoch auch nach
der Auffassung der erwähnten Autoren nicht berechtigt, auf diese Weise
durch Erlass einer einstweiligen Verfügung in das Eintragungsverfahren
einzugreifen (DESCHENAUX, aaO; MEISTER, aaO S. 175/176). Im offenbar
eingeleiteten Prozess zwischen der Beschwerdegegnerin und der Elox
Immobilien AG könnte die Ungültigkeit des Kaufvertrags vom 18. Juni 1984
ja auch nicht für alle Beteiligten verbindlich festgestellt werden.

    Die Beschwerde erweist sich somit als begründet.