Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 39



111 II 39

8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1985 i.S.
Lapaire gegen Grundbuchverwalter von Bern und Justizdirektion des Kantons
Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Grundbuchführung.

    1. Erfährt der Grundbuchführer vor Beendigung des
Eintragungsverfahrens, dass der nach dem Grundbuch Verfügungsberechtigte
gestorben war, bevor dessen Stellvertreter die Grundbuchanmeldung abgegeben
hatte, so muss er die Eintragung verweigern (E. 1).

    2. Art. 37 OR ist im Verfahren der Grundbucheintragung nicht anwendbar
(E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 1. Juni 1983 beurkundete Notar A. Flückiger in Gümligen einen
Abtretungsvertrag, mit welchem Werner Hachen seiner Tochter Rosa Lapaire
geb. Hachen die Liegenschaft Muri-Grundbuchblatt Nr. 906 auf Rechnung
künftiger Erbschaft abtrat. In den Schlussbestimmungen des Vertrags wurde
er ermächtigt, den Vertrag zur grundbuchlichen Behandlung anzumelden. Am
6. Juni 1983 meldete der Notar den Vertrag beim Grundbuchamt Bern zur
Eintragung in das Grundbuch an, ohne zu wissen, dass Werner Hachen am
5. Juni 1983 gestorben war. Nachdem er davon Kenntnis erhalten hatte,
unterrichtete er unverzüglich den Grundbuchverwalter von dieser Tatsache
und ersuchte das Grundbuchamt, das Geschäft vorläufig aufzuschieben. In
der Folge gelang es dem Notar nicht, die Zustimmung der Miterben von
Rosa Lapaire zu deren Eintragung als neue Eigentümerin des betreffenden
Grundstücks zu erlangen. Am 9. Dezember 1983 wies der Grundbuchverwalter
die Anmeldung des Abtretungsvertrages zur Eintragung in das Grundbuch ab.

    Gegen die Abweisungsverfügung erhob Rosa Lapaire Grundbuchbeschwerde
bei der Justizdirektion des Kantons Bern. Sie beantragte, dass der
Anmeldung stattgegeben und der Abtretungsvertrag im Grundbuch eingetragen
werde. Mit Entscheid vom 1. November 1984 wies die Justizdirektion die
Beschwerde ab.

    Rosa Lapaire hat den Entscheid der Justizdirektion mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten. Sie hält
in ihrem Antrag daran fest, aufgrund der Anmeldung durch Notar Flückiger
als Eigentümerin der in Frage stehenden Parzelle im Grundbuch eingetragen
zu werden. Die Justizdirektion und das Grundbuchamt Bern beantragen die
Abweisung der Beschwerde, ebenso auch das zur Vernehmlassung aufgeforderte
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- In formeller Hinsicht wird in der Beschwerde geltend gemacht,
die Kognition des Grundbuchführers müsse sich im Interesse einer klaren
Abgrenzung gegenüber dem Zuständigkeitsbereich des Richters, der auf
dem Wege einer Grundbuchberichtigungsklage angerufen werden könne,
auf die Prüfung der Frage beschränken, ob die formellen Erfordernisse
einer Grundbuchanmeldung vorhanden seien. Der Grundbuchführer habe seine
Kognitionsbefugnis überschritten, indem er dem erst nach Eintreffen der
Anmeldung bekanntgewordenen Umstand, dass der bisherige Eigentümer der
Liegenschaft gestorben sei, Rechnung getragen habe.

    Die Rüge ist nicht begründet. Zwar trifft es zu, dass sich der
Grundbuchführer grundsätzlich darauf beschränken kann, anhand der
massgebenden Unterlagen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die
Eintragung im Grundbuch erfüllt sind. Erfährt er jedoch vor Beendigung
des Eintragungsverfahrens, dass der Verfügungsberechtigte gestorben war,
bevor die Grundbuchanmeldung durch dessen Stellvertreter abgegeben wurde,
muss er dieser Tatsache Rechnung tragen und die Eintragung verweigern. Mit
dem Tod des Verfügungsberechtigten erlischt in der Regel auch die dem
Stellvertreter erteilte Vollmacht. Die Frage, ob eine über den Tod erteilte
Vollmacht im Verfahren der Grundbuchanmeldung zu beachten wäre, muss hier
(wie in BGE 97 I 274 f. E. 4) nicht entschieden werden, da es an einer
solchen Abrede fehlt. Beim Tod einer Person handelt es sich im übrigen
um ein Ereignis, dessen Nachweis im Verkehr mit dem Grundbuchamt in aller
Regel ohne Schwierigkeiten möglich ist. Der in der Beschwerde angestellte
Vergleich mit der Frage der Urteilsfähigkeit einer Person ist daher nicht
schlüssig. Die Befürchtung einer Verwischung der Kompetenzen zwischen
dem Grundbuchführer und dem Richter ist im übrigen nicht begründet. Die
in der Beschwerde aufgeworfene Frage materieller Natur lässt sich im
Rahmen der den Grundbuchbehörden eingeräumten Prüfungsbefugnis umfassend
abklären. Eine Klage auf Berichtigung des Grundbuches ist aber überall
dort überflüssig, wo sich bereits im Verfahren der Grundbuchanmeldung
mit genügender Zuverlässigkeit feststellen lässt, dass es an einer
Voraussetzung für die Eintragung eines Rechts im Grundbuch fehlt, und
die Anmeldung deshalb abgewiesen wird.

Erwägung 2

    2.- In materieller Hinsicht wird in der Beschwerde geltend gemacht,
nach Art. 37 OR verpflichte das Handeln des Bevollmächtigten den
Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger trotz des Erlöschens der
Vollmacht, solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht
bekannt gewesen sei. Aufgrund dieser Spezialnorm, welche die Tragweite von
Art. 35 Abs. 1 OR einschränke, habe der Notar, der als Bevollmächtigter des
Eigentümers in Unkenntnis von dessen Tod die Grundbuchanmeldung abgegeben
habe, die Erben des Vollmachtgebers wirksam vertreten können.

    Art. 37 OR kann jedoch im Verfahren der Grundbucheintragung, wie in
der Vernehmlassung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
zutreffend ausgeführt wird, keine Anwendung finden. Dies ergibt sich
sinngemäss aus Art. 965 ZGB. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung dürfen
grundbuchliche Verfügungen wie insbesondere Eintragungen in allen
Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den
Rechtsgrund vorgenommen werden. Nach Absatz 2 liegt der Ausweis über das
Verfügungsrecht im Nachweis, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des
Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht
erhalten hat. Erfährt der Grundbuchführer nach Eingang einer Anmeldung
zur Grundbucheintragung, dass der nach Grundbuch Verfügungsberechtigte
vor Abgabe der Anmeldung durch seinen Stellvertreter gestorben ist,
so weiss er, dass das Grundbuch mit der wirklichen Rechtslage nicht
mehr übereinstimmt und dass der Vollmachtinhaber nicht die heute
verfügungsberechtigten Personen vertritt. Der nach Art. 965 Abs. 2
ZGB massgebende Ausweis über das Verfügungsrecht kann nur dadurch
erbracht werden, dass die Erben des verstorbenen Eigentümers als
dessen Rechtsnachfolger im Grundbuch eingetragen werden (BGE 109 II 101
E. 3). Vorher kann im Grundbuch nicht über das Grundstück verfügt werden,
wie dies Art. 656 Abs. 2 ZGB ausdrücklich vorschreibt. Diese sich aus
dem Sachenrecht ergebende Ordnung schliesst die Anwendung von Art. 37
OR im Verkehr mit dem Grundbuchamt aus. Diese Auffassung liegt denn auch
der herrschenden Rechtsprechung und Lehre zugrunde (BGE 55 I 346 Nr. 57;
Entscheid des Bundesrats vom 20. Mai 1920, in SJZ 17. Jahrg., 1920/1921,
S. 236; DESCHENAUX, Le registre foncier, S. 231; HOMBERGER, N. 8, 15 und
18 zu Art. 963 ZGB).