Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 326



111 II 326

64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Oktober 1985
i.S. N. gegen N. (Berufung) Regeste

    Art. 620 Abs. 1 ZGB; bäuerliches Erbrecht.

    1. Bedeutung der Umzonung der umstrittenen Liegenschaft von der Bauzone
in die Landwirtschaftszone für die Beurteilung ihres landwirtschaftlichen
Charakters (E. 3a/cc, dd).

    2. Eignung des Sohnes des Übernehmers für die Bewirtschaftung und
spätere Übernahme des landwirtschaftlichen Gewerbes (E. 3c/bb).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a/cc) Dass die Zuweisung, welche ein landwirtschaftlich genutztes
Grundstück in der Zonenordnung erfährt, ein wesentliches Kriterium
zur Beurteilung seiner künftigen Verwendung darstellt, bestreitet dem
Grundsatz nach weder die eine noch die andere der Prozessparteien. Sie
streiten sich jedoch über die Bedeutung, welche der Tatsache zukommt,
dass die Liegenschaft durch Beschluss der Gemeindeversammlung von der
Wohnzone in die Landwirtschaftszone ausgezont wurde. Das Obergericht
geht davon aus, dass diese Auszonung von entscheidendem Gewicht bei der
Beantwortung der Frage sei, ob von einem landwirtschaftlichen Gewerbe im
Sinne von Art. 620 ZGB gesprochen werden könne.

    In der Tat kommt der Änderung der Nutzung durch Planungsmassnahmen
grosses Gewicht zu, und zwar ganz besonders, wenn sie unter der
Herrschaft des am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen Bundesgesetzes
über die Raumplanung (vom 22. Juni 1979; RPG, SR 700) erfolgte. Dieses
Gesetz hat Bund, Kantone und Gemeinden in umfassender Weise zur
Raumplanung verpflichtet (Art. 2 RPG) und hiefür verbindliche Grundsätze
insbesondere zur Schonung der Landwirtschaft (Art. 3 Abs. 2 RPG) und
zur Begrenzung der Ausdehnung des Siedlungsgebietes (Art. 3 Abs. 3 RPG)
aufgestellt. Es verlangt eine Ordnung durch Nutzungspläne, welche vorab
Bau-, Landwirtschafts- und Schutzzonen festzulegen haben (Art. 14 RPG).
Die Bauzonen umfassen Land, das sich für die Überbauung eignet und
weitgehend überbaut ist oder voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt
und erschlossen wird (Art. 15 RPG), wogegen die Landwirtschaftszonen
Land umfassen, das sich für die landwirtschaftliche Nutzung oder den
Gartenbau eignet oder im Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt
werden soll (Art. 16 RPG). Ungeachtet dessen, dass die Richtpläne,
welche die Raumplanung in den Grundzügen festlegen und wegweisend für die
Nutzungsplanung sind, in der Regel alle zehn Jahre gesamthaft überprüft
und nötigenfalls überarbeitet werden (Art. 9 Abs. 3 RPG), bleibt die vom
Nutzungsplan vorgeschriebene Zoneneinteilung über Jahre hinweg gültig. Die
Nutzungspläne können nur überprüft und nötigenfalls angepasst werden,
wenn sich die Verhältnisse erheblich geändert haben (Art. 21 Abs. 2
RPG). Hierauf hat das Bundesgericht mit Nachdruck hingewiesen und dabei
gesagt, dass selbst eine Zonenplanänderung nach fünf Jahren nicht allein
auf eine gewandelte Einstellung zur Überbauung gestützt werden könne,
sondern dass hiefür gewichtige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art
gegeben sein müssten (BGE 109 Ia 113 ff., mit Verweis auf ZBl 79/1978,
S. 358). ...

    Damit steht fest, dass sich an der Zoneneinteilung der Liegenschaft
in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach nichts ändern wird. Eine
Verwendung des Grundstücks zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken,
namentlich als Bauland, erscheint so gut wie ausgeschlossen. Das Land
wird im Gegenteil auf unabsehbare Zeit mit einem Überbauungsverbot belegt
bleiben, zumal keine Entwicklungen ersichtlich sind, welche Anlass zu einer
Änderung des Nutzungsplanes geben könnten. Gewiss wird - eine Zunahme der
Bevölkerung und ihrer Bedürfnisse nach mehr Wohnraum vorausgesetzt - die
Nachfrage nach Bauland anhalten, was dereinst einer Ausdehnung der Bauzone
rufen könnte. Mit der Auszonung in die Landwirtschaftszone wurde aber
gerade die umstrittene Liegenschaft dieser Entwicklung entzogen. Selbst die
Kläger behaupten nicht, dass in absehbarer Zeit mit einem Nachfragedruck
nach weiterem Bauland in der Gemeinde dergestalt zu rechnen ist, dass von
einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse gesprochen werden müsste,
welche eine Anpassung des Nutzungsplanes im Sinne von Art. 21 Abs. 2
RPG rechtfertigte. Im übrigen haben die kantonalen Instanzen für das
Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass die bauliche Entwicklung
der Gemeinde eindeutig in Richtung West und nicht nach Osten, somit vom
umstrittenen Grundstück weg, verläuft.

    dd) Bei dieser Sachlage ist es von Bundesrechts wegen nicht
zu beanstanden, dass die kantonalen Instanzen dem Umstand, dass
die Liegenschaft in die Landwirtschaftszone ausgezont wurde, die
entscheidende Bedeutung bei der Beantwortung der Frage, ob es sich
um ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB handle,
beigemessen haben. Damit ist der Hinweis der Kläger auf das Verhältnis
zwischen Ertrags- und Verkehrswert vorweg unbeachtlich. Dass bei einer
an das dicht überbaute Siedlungsgebiet angrenzenden Liegenschaft - wie
die Kläger weiter ausführen - eine Groberschliessung besteht, ist eine
dem Raumplanungsrecht bekannte Tatsache; sie ist aber für den Entscheid
im vorliegenden Fall ebenso unerheblich wie die Frage, welcher weiterer
Massnahmen der Feinerschliessung es noch bedarf, damit eine Überbauung im
Einklang mit den bestehenden Vorschriften über die Quartierplanung möglich
wird. Dass selbst im Falle einer späteren Einzonung der Liegenschaft
in die Bauzone hiefür noch Jahre erforderlich wären, zumal nach der
verbindlichen Feststellung der Vorinstanz in dieser Hinsicht noch
keinerlei Vorbereitungen getroffen worden sind, bedarf keiner weiteren
Begründung. Der von den Klägern ins Feld geführte Umstand schliesslich,
dass die Auszonung des umstrittenen Grundstücks in die Landwirtschaftszone
während des hängigen Rechtsstreites erfolgte, worin die Kläger eine
unzulässige Änderung des Streitgegenstands erblicken, würde - sofern das
Argument überhaupt tauglich wäre - das kantonale Prozessrecht berühren,
dessen Anwendung vom Bundesgericht nicht überprüft wird (Art. 55 Abs.
1 lit. c OG e contrario).

    c/bb) Im übrigen hatte das Obergericht gute Gründe, nicht allzu hohe
Anforderungen an die Eignung des Beklagten zu stellen. Dieser bewirbt sich
als einziger um die Übernahme der Liegenschaft zur landwirtschaftlichen
Nutzung. Seine Eignung muss deshalb nicht verglichen werden mit jener
eines anderen, allenfalls besser qualifizierten Bewerbers, was Anlass
zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den in fachlicher Hinsicht
gegen den Beklagten erhobenen Einwendungen hätte sein können. Dazu kommt,
dass der Beklagte heute 75 Jahre alt ist. Ungeachtet seines derzeitigen
Gesundheitszustandes wird er deshalb in absehbarer Zukunft nur noch
leichtere Verrichtungen auf dem landwirtschaftlichen Gut ausüben können,
während die Hauptlast der Arbeit von seinem heute 46jährigen Sohn zu
tragen sein wird.

    Dieser Sohn hat 1957/58 einen landwirtschaftlichen Kurs besucht und
mit Erfolg abgeschlossen. Er hat seither stets in der Landwirtschaft
gearbeitet, so auch auf dem Hof des Beklagten. In zunehmendem Masse wird
die Betriebsführung auf ihn übergehen; und es spricht eine sehr hohe
Wahrscheinlichkeit dafür, dass das landwirtschaftliche Gewerbe bis in
eine ferne Zukunft von ihm betrieben werden wird. Streng genommen ist
zwar hier die Eignung des beklagten Vaters zur ungeteilten Übernahme des
Grundstücks zu beurteilen. Doch wäre es widersinnig und liefe geradezu
dem Zweck des bäuerlichen Erbrechts (vgl. dazu BGE 110 II 331 mit
Hinweisen auf Judikatur und Literatur) zuwider, wenn unverhältnismässige
Anforderungen an die Eignung des unmittelbaren Übernehmers gestellt
würden und gleichzeitig die reale Möglichkeit, dass dessen bereits auf
dem landwirtschaftlichen Gut tätiger Sohn dieses in absehbarer Zeit zur
Bewirtschaftung auf eigene Rechnung übernimmt, ignoriert würde (vgl. auch
BGE 107 II 34 ff. E. 3). Bei richtiger Betrachtungsweise kommt es deshalb
in diesem besonderen Fall mehr auf die persönliche Eignung des Sohnes zur
Weiterführung des landwirtschaftlichen Gewerbes als auf jene des Beklagten
an. Der Sohn steht in den besten Jahren und erscheint, wie dargelegt,
aufgrund seiner Ausbildung und seiner bisherigen Tätigkeit als Landwirt
für die Weiterführung des bäuerlichen Gewerbes geeignet. Insoweit ist
die von Art. 620 ZGB Abs. 1 geforderte Voraussetzung der Eignung des
Übernehmers als erfüllt zu betrachten.