Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 295



111 II 295

59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1985 i.S. X.
gegen Versicherungsgesellschaft A. (Berufung) Regeste

    Haftung des Motorfahrzeughalters für den Verdienstausfall einer Dirne.

    1. Art. 46 Abs. 1 OR. Eine Dirne, die durch einen Verkehrsunfall
in ihrer Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, hat unbekümmert um
die Sittenwidrigkeit ihrer Tätigkeit Anspruch darauf, dass ihr der
Verdienstausfall infolge gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit
ersetzt wird (E. 2).

    2. Art. 63 Abs. 2 OG. Feststellungen über Ausmass und Dauer der
Arbeitsunfähigkeit; Tat- und Rechtsfragen (E. 3).

    3. Ermässigung des Ersatzes gemäss Art. 62 Abs. 2 SVG;
Frage offengelassen, ob diese Bestimmung auch zugunsten des
Haftpflichtversicherers gilt (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Frau X. ist 1943 geboren und wohnt in Zürich, wo sie von 1963
an ihren Lebensunterhalt ausschliesslich als Dirne verdient hat. Am
frühen Morgen des 10. Juni 1971, als sie ihren Personenwagen vor einer
Lichtsignalanlage in Dietikon korrekt anhielt, prallte der Wagen des
Z. von hinten gegen ihr Fahrzeug. Frau X. erlitt dabei ein sogenanntes
Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Sie musste deswegen zwei Wochen im
Spital gepflegt werden und während drei Wochen einen Gipskragen tragen;
infolge des Unfalls ist sie angeblich bleibend geschädigt.

    B.- Am 28. August 1980 klagte sie gegen die Versicherungsgesellschaft
A., bei der Z. für seine Halterhaftpflicht versichert war, auf Zahlung
von Fr. 2'327'425.-- Verdienstausfall bis zu ihren 45. Altersjahr
(1. August 1988) und mindestens Fr. 25'000.-- Genugtuung nebst Zins. Den
Verdienstausfall begründete sie damit, dass sie vor dem Unfall mit ihrer
Tätigkeit als Dirne monatlich mindestens Fr. 12'000.-- Nettoeinnahmen
erzielt habe, ihre Einnahmen aus dieser Tätigkeit seit dem Unfall aber
nur noch Fr. 1'150.-- im Monat ausmachten.

    Das Bezirksgericht Zürich setzte den Verdienstausfall der Klägerin
auf Fr. 22'400.-- fest und sprach ihr Fr. 3'000.-- Genugtuung zu,
beides nebst Zins; im übrigen wies es die Klage ab. Die Parteien
appellierten an das Obergericht des Kantons Zürich, das am 18. Juni 1984
die Schadenersatzforderung der Klägerin ganz abwies, die Genugtuungssumme
von Fr. 3'000.-- nebst 5% Zins seit dem Unfalltag dagegen bestätigte.

    C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung
eingereicht mit dem Antrag, es soweit aufzuheben, als ihren Rechtsbegehren
nicht entsprochen worden sei, und ihre Klage gutzuheissen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Dass die Beklagte als Versicherer des Z. für die Folgen
des Unfalls vom 10. Juni 1971 gemäss Art. 58 ff. SVG haftet und von
der Klägerin unmittelbar belangt werden darf, ist grundsätzlich nicht
bestritten; sie hat sich mit der Verurteilung zu einer Genugtuungssume von
Fr. 3'000.-- denn auch abgefunden. Die Beklagte widersetzt sich dagegen
der Schadenersatzforderung von Fr. 2'327'425.--, welche die Klägerin
für entgangenen Dirnenlohn vom Unfalltag bis zu ihrem 45. Altersjahr
verlangt, weil solcher Lohn rechtlich nicht ersatzfähig sei. Das
Obergericht ist ebenfalls der Meinung, dass entgangene Einnahmen aus
gewerbsmässiger Unzucht sich nicht als Schaden ausgeben liessen, der nach
Art. 46 Abs. 1 OR zu ersetzen sei; das schliesse entgegen der Auffassung
des Bezirksgerichts auch eine Entschädigung für Nachteile aus, die mit
der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens begründet würden. Die
Klägerin bestreitet zu Recht nicht, dass die Dirnentätigkeit als solche
zwar straflos ist (BGE 101 Ia 475 E. 2, 99 Ia 507 E. 2), aber gegen die
guten Sitten verstösst und dass Vereinbarungen mit Freiern deswegen nach
Art. 20 Abs. 1 OR nichtig sind. Es geht nach ihrer Ansicht aber nicht an,
die Unsittlichkeit des Dirnenvertrages auf die völlig anders geartete
Obligation aus unerlaubter Handlung zu übertragen.

    a) Das Obergericht stützt sich auf die im Schadenersatzrecht
herrschende Lehre, wonach Gewinne aus unsittlichen wie aus widerrechtlichen
Geschäften nicht zu ersetzen sind (OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht,
4. Aufl. S. 57; VON TUHR/PETER, OR I S. 101; DESCHENAUX/TERCIER,
La responsabilité civile, S. 50; STAUFFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln,
3. Aufl. S. 40). Das erhellt schon aus einem Entscheid des Bundesgerichts
von 1894, wo in einem Markenrechtsstreit erklärt worden ist, die
Rechtsordnung könne nicht zum Ersatz eines Schadens verhelfen, den der
Kläger durch Entzug eines erhofften Gewinnes aus dem verbotenen Verkauf
von Heilmitteln erlitten habe (BGE 20 S. 109). Von der Lehre angeführte
Beispiele betreffen durchwegs auf diese Weise entgangene Gewinne und
meist Geschäfte, die nicht nur unsittlich, sondern eigentlich verboten
sind. Solche Verluste taugen zum vornherein nicht als Grundlage von
Ersatzansprüchen gemäss Art. 45 und 46 OR. Fragen kann sich bloss, wie
es sich mit den Ersatzansprüchen verhält, wenn der Geschädigte ihnen das
Einkommen aus einer Tätigkeit zugrunde legt, die zwar als sittenwidrig
oder verpönt, aber nicht als widerrechtlich gilt.

    Dabei ist vorweg an die rechtliche Beurteilung des Konkubinats zu
erinnern, mit dem sich Lehre und Rechtsprechung bereits näher befasst
haben. Von allgemeiner Bedeutung ist insbesondere der Aufsatz von
JACQUES DROIN (SJ 101/1979 S. 147 ff.) zu den Fragen, ob ein Schaden,
der seine Quelle in einem unerlaubten oder unsittlichen Sachverhalt
hat, Anlass zum Ersatz geben könne und ob das Konkubinat einen solchen
Sachverhalt darstelle. Er lehnt es grundsätzlich ab, einen von der
Rechtsordnung verpönten Sachverhalt haftungsrechtlich anzuerkennen;
er hält das Konkubinat aber in der Regel nicht für widerrechtlich oder
unsittlich und möchte auch beim ehebrecherischen Konkubinat die Frage
eines Versorgerschadens von den Umständen des Einzelfalles abhängig machen
(S. 155 und 163 f.).

    Ob ein Konkubinat, abgesehen vom ehebrecherischen, das sogar
widerrechtlich ist (Art. 214 StGB; BGE 71 IV 46 und 52), den guten Sitten
widerspricht, hat das Bundesgericht bisher nicht entschieden. Es hat jedoch
klargemacht, dass ihm der Rechtsschutz nicht schlechthin verweigert werden
dürfe und dass ein Partner namentlich dann, wenn es um die Liquidation der
Gemeinschaft geht, sich nicht auf Sittenwidrigkeit oder Widerrechtlichkeit
berufen kann (BGE 109 II 230 E. 2b, 108 II 206 E. 3). Letztwillige
Zuwendungen an einen ehebrecherischen Konkubinatspartner sodann sind
nur sittenwidrig, wenn sie als pretium stupri dazu bestimmt sind, das
ehebrecherische Verhalten zu fördern (BGE 109 II 17/18). Ein Konkubinat,
das sich als dauerhaft erweist, kann ferner wie eine Wiederverheiratung zum
Verlust einer Scheidungsrente führen (BGE 109 II 190 ff. mit Hinweisen;
vgl. auch BGE 109 III 101 f.). Nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht
bisher, ob der eine Partner beim Tod des andern einen Versorgerschaden
geltend machen kann (vgl. SCHNYDER, Strassenverkehrsrechts-Tagung 1982,
Der Körperschaden, S. 17 f. mit Zitaten); die Frage stellt sich namentlich,
wo eine tatsächliche Versorgerbeziehung besteht (vgl. OFTINGER, I S. 231;
DESCHENAUX/TERCIER, S. 235/36). Schon diese Rechtsprechung zeigt,
dass eine allfällige Sittenwidrigkeit oder gar Widerrechtlichkeit des
Konkubinats nicht notwendig dazu führt, damit zusammenhängende Tatbestände
mit entsprechenden Rechtsfolgen zu pönalisieren.

    b) Dass die Unsittlichkeit des Dirnenvertrages auch
Haftpflichtansprüche ausschliesse, die mit entgangenem Dirnenlohn
begründet werden, lässt sich nicht mit dem Argument widerlegen, die Dirne
erwerbe rechtmässiges Eigentum an den Zahlungen ihrer Freier. Dies ist
nur die Folge von Art. 66 OR, der den Geber für seine unsittliche oder
widerrechtliche Absicht massregeln und den Staat der Pflicht entheben will,
ihm zur Rückgängigmachung der unsauberen Vermögensverschiebung beizustehen
(BGE 95 II 41). Wie aus den Erwägungen zum Konkubinat erhellt, folgt daraus
aber andererseits auch nicht, dass Tatbeständen, die mit unsittlichen
Geschäften zusammenhängen oder sich daraus ergeben, jeder Rechtsschutz
zu verweigern sei.

    Der Einwand sodann, das angefochtene Urteil führe dazu, eine bestimmte
Gruppe von Schädigern zu bevorrechten und eine solche von Geschädigten
zu benachteiligen, ist schon von der Vorinstanz zu Recht abgelehnt
worden. Art. 46 stellt wie Art. 45 OR für die Ermittlung und Berechnung
des Schadens auf die Person und die Verhältnisse des Geschädigten ab. Sein
hohes Einkommen hat regelmässig eine höhere Belastung des Ersatzpflichtigen
zur Folge, dem aber ebenso ein geringes Einkommen des Verletzten zugute
kommt. Hat der Geschädigte kein oder kein ersatzfähiges Einkommen,
so wird der Pflichtige zwangsläufig davon befreit, Schadenersatz zu
leisten (vgl. dazu insbesondere je ein Urteil des Landgerichts und des
Oberlandgerichts Hamburg, in Versicherungsrecht 28/1977 S. 85 und 87;
ferner D. MEDICUS, Schadenersatz und Billigkeit, ebenda 32/1981, S. 598).

    c) Was für die Schadensart des entgangenen Gewinns im allgemeinen
gilt (Art. 42 OR), lässt sich nicht ohne weiteres auf Schaden infolge
Tötung oder Verletzung von Personen übertragen. Nach Art. 45 Abs. 3
OR ist Ersatz zu leisten an Personen, die durch Tötung ihren Versorger
verloren haben. Massgebend dafür ist nicht ein rechtliches Kriterium,
sondern ob der Getötete den Ansprecher tatsächlich unterstützt hat oder ihn
voraussichtlich unterstützt hätte (OFTINGER, I S. 231 ff.). Nichts erlaubt
die Annahme, es sei jeweils abzuklären, auf welche Weise der Versorger
sich die erforderlichen Mittel beschafft habe; es leuchtet insbesondere
ein, dass dem Versorgungsanspruch eines Kindes nicht entgegengehalten
werden kann, seine Mutter sei als Dirne einem unsittlichen Erwerb
nachgegangen. Ein Anspruch des Zuhälters dagegen würde schon daran
scheitern, dass er selbst rechtswidrig gehandelt hat.

    Bei Schaden infolge Körperverletzung liegen die Dinge weniger
eindeutig, weil ein Anspruch der Dirne selbst in Frage steht, die sich die
Sittenwidrigkeit ihrer Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen muss. Dabei
ist freilich auch hier von Bedeutung, dass Art. 46 Abs. 1 OR nicht im Sinne
eines entgangenen Gewinns von Verdienstausfall oder dergleichen spricht,
sondern daran anknüpft, dass die Körperverletzung die Erwerbsfähigkeit des
Betroffenen beeinträchtigt und sein wirtschaftliches Fortkommen erschwert
(vgl. BGE 99 II 216 E. 3a, 91 II 426 E. 3b). Grundsätzlich kommt es
zudem auf die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in dem Beruf an,
den der Verletzte tatsächlich ausübt (BGE 100 II 356 E. 5). In dieser
Hinsicht steht vorliegend fest, dass die Klägerin seit 1961 als Dirne
registriert ist und seit 1963 ausschliesslich von Prostitution gelebt hat.

    d) Dass es sich bei der Prostitution um eine an sich zulässige
Tätigkeit handelt, schliesst ihre Sittenwidrigkeit zwar nicht aus,
verbietet aber im vornherein Vergleiche mit einer widerrechtlichen
Tätigkeit, soweit es nicht um die Anwendung von Art. 20 Abs. 1 OR,
sondern um die Beurteilung der Folgewirkungen geht. Die Ausübung
der Prostitution gilt als wirtschaftliche Tätigkeit, die den Schutz
der Handels- und Gewerbefreiheit geniesst (BGE 101 Ia 475 E. 2 mit
Hinweisen). Die Dirne wird unbekümmert darum, wie ihre Erwerbstätigkeit
vom moralischen Standpunkt aus zu bewerten ist, nach ihrem Einkommen und
Vermögen besteuert, weil für die Steuerpflicht nur die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit bestimmend ist; eine andere Betrachtungsweise würde
unrechtmässige Gewinne privilegieren (BGE 70 I 254 E. 1; BLUMENSTEIN,
System des Steuerrechts 3. Aufl. S. 146 f.). Dadurch unterscheidet das
Einkommen der Dirne sich praktisch und rechtlich z.B. vom Diebeserlös, der
nicht als rechtmässig erworben gilt und daher steuerlich auch nicht erfasst
wird (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz,
S. 7/8).

    Die Steuerpflicht der Dirne lässt sich damit begründen, dass
Prostituierte gegenüber anderen Erwerbstätigen nicht privilegiert werden
dürfen. Die Pflicht hingegen, ihrem Einkommen entsprechende AHV- und
IV-Beiträge zu bezahlen (BGE 107 V 194; BRATSCHI, Der Einkommensbegriff in
der AHV, Diss. Bern 1952, S. 35 f.), kann sich nicht auf diese Überlegung
stützen. Die Beiträge geben der Dirne Anspruch auf Rentenleistungen, die
der Höhe nach von ihren Einzahlungen abhängen. Insoweit ist unerheblich,
für welche Tätigkeit sie die Beiträge bezahlt hat. Wird der Einwand der
Sittenwidrigkeit dagegen zugelassen, so könnte er dazu führen, dass die
Sozialversicherungen ihrerseits die Regressansprüche aus unerlaubter
Handlung verlieren (Art. 48ter AHVG, Art. 52 IVG).

    Der Dirnenlohn ist nach der Rechtsprechung auch pfändbar. Eine Dirne,
die sich über die Pfändung künftigen Lohnes hinwegsetzte, musste sich sagen
lassen, dass nur ihre Vereinbarung mit dem Freier, sich ihm gegen Entgelt
hinzugeben, nichtig sei. Für die Gültigkeit der Lohnpfändung sei das
jedoch genau so unerheblich wie für die Pfändung von Trinkgeldeinnahmen
oder freiwillig ausgerichteten Gratifikationen; es genüge, dass die
der Dirne ausgerichteten Zahlungen von der Rechtsordnung als gültig
anerkannt würden, was sich unter anderem aus Art. 66 OR ergebe (BGE 91 IV
69 f.). Schliesslich ist zugunsten einer Dirne sogar die Unpfändbarkeit
eines Personenwagens anerkannt worden, den sie zur Ausübung ihres Berufes
benötigte. Dem Gläubiger wurde entgegengehalten, dass die Tätigkeit
einer Dirne zwar als unsittlich gelte, aber straflos sei und der Ertrag
aus ihrer Tätigkeit vom Staat als steuerbares und pfändbares Einkommen
behandelt werde (unveröffentlichtes Urteil der Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts i.S. Sch. vom 8. Mai 1979).

    e) Alle diese Hinweise auf verwandte Sachverhalte werden vom
Bezirksgericht und vom Obergericht zu Unrecht als irrelevant abgetan. Auch
wenn die Prostitution durchaus sittenwidrig und eine Vereinbarung auf
sexuelle Hingabe gegen Entgelt nichtig ist, geht es haftpflichtrechtlich
(wie steuer- und betreibungsrechtlich) nicht darum, ob die Dirne ihren
Lohn rechtlich eintreiben könnte; massgebend ist allein, dass dieser
tatsächlich bezahlt wird und den Lebensunterhalt der Dirne sichert. Das
Erwerbseinkommen, das sich daraus ergibt, ist rechtmässig und wird
mannigfach - zum Nachteil und zum Vorteil der Dirne - rechtlich als
solches erfasst. Warum es sich anders verhalten sollte, wenn die Dirne
widerrechtlich verletzt und in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt wird,
ist nicht einzusehen. Die Klägerin kann sich deshalb uneingeschränkt auf
Art. 46 Abs. 1 OR berufen.

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht stellt gestützt auf zwei Gutachten fest, dass
die Klägerin in den ersten vier Monaten nach dem Unfall ganz und während
20 weiteren Monaten zur Hälfte arbeitsunfähig gewesen, eine dauernde
Verminderung ihrer Erwerbsfähigkeit dagegen zu verneinen sei.

    Diese Feststellungen des Obergerichts über das Ausmass und die
Dauer der Arbeitsunfähigkeit sind tatsächlicher Natur und binden das
Bundesgericht, da keine Ausnahme gemäss Art. 63 Abs. 2 OG vorliegt. Dass
die Vorinstanz dabei Bundesrecht verletzt, insbesondere Rechtsbegriffe
verkannt oder die Unfallfolgen nach unzutreffenden Gesichtspunkten
ermittelt habe (BGE 95 II 265, 82 II 33 E. 6, 77 II 299), wird mit
der Berufung nicht geltend gemacht. Festzuhalten ist ferner, dass die
Klägerin nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft
ausschliesslich Verdienstausfall aus ihrer Dirnentätigkeit fordert.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin will vor dem Unfall monatlich durchschnittlich
Fr. 12'000.--, nachher aber nur noch Fr. 1'150.-- mit ihrer Dirnentätigkeit
verdient haben. Die Vorinstanzen brauchten dazu nicht Stellung zu
nehmen, weil sie den Dirnenlohn für nicht ersatzfähig hielten. Auch das
Bezirksgericht, welches im Unterschied zum Obergericht eine Erschwerung des
wirtschaftlichen Fortkommens anerkannte, stellte dafür auf ein fiktives,
in einem andern Beruf erzielbares Einkommen ab.

    a) Da beide Vorinstanzen die Ersatzfähigkeit des Dirneneinkommens zu
Unrecht verneint haben und das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben
ist, kann dahingestellt bleiben, ob auf der gegenteiligen Grundlage
die Betrachtungsweise des Bezirksgerichts standgehalten hätte oder ob
sich eine Schadensermittlung gestützt auf das in einem ehrbaren Beruf
erzielbare Einkommen allenfalls anders begründen liesse, z.B. damit,
dass ein Berufswechsel, der einem Geschädigten unter Umständen zur
Schadensminderung zugemutet werden darf (BGE 89 II 231; OFTINGER, I
S. 197 f.), ihm in Fällen wie dem vorliegenden mindestens hypothetisch
zugute gehalten werden könnte, selbst wenn er, wie hier die Klägerin,
einen solchen Wechsel gar nicht beabsichtigt.

    Zum gleichen Ergebnis wie die Auffassung des Bezirksgerichts führt
offenbar die massgebliche deutsche Rechtsprechung. Diese lehnte zwar
wiederholt jeden Ersatzanspruch von Dirnen wegen Sittenwidrigkeit ab
(so Landgericht und Oberlandgericht Hamburg in den hiervor angeführten
Urteilen). Auch der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 6. Juli 1976
(abgedruckt in Versicherungsrecht 27/1976 S. 941 ff.) grundsätzlich gleich
entschieden; er hat aber der Dirne, die bei einem Verkehrsunfall verletzt
wurde, aus sozial-ethischen Überlegungen und in billiger Berücksichtigung
der beiderseitigen Belange Ersatz in der Höhe eines existenzdeckenden
Einkommens zugesprochen, das erfahrungsgemäss von einem gesunden Menschen
auch in bescheidenen Verhältnissen zu erreichen sei. Diesem Urteil sind
offenbar die Rechtsprechung und teils auch die Lehre gefolgt (Urteil des
Oberlandesgerichts München in Versicherungsrecht 28/1977 S. 628; FILTHAUT,
Haftpflichtgesetz, S. 233; WUSSOW, Ersatzansprüche bei Personenschaden,
S. 12). Es ist wegen seiner Billigkeitserwägungen aber auch deutlich
kritisiert worden (BORN, Entgangener Dirnenlohn als erstattungsfähiger
Erwerbsschaden, in Versicherungsrecht 27/1976 S. 118 ff.).

    Die Überlegungen des Bundesgerichtshofes und des Bezirksgerichts
sprechen für die Absicht, der Dirne nicht ein übermässig hohes Einkommen,
sondern nur ein übliches in einem ehrbaren Beruf zu ersetzen. Weil die
Sittenwidrigkeit nicht wie beim Wucher im übersetzten Einzelerlös liegt,
scheidet eine Herabsetzung, wie Art. 20 Abs. 2 OR sie für Wucherzinse
ermöglicht (BGE 96 I E. 3, 93 II 191 E. b), selbst in analoger Anwendung
dieser Bestimmung aus. Denkbar wäre dagegen eine Kürzung gemäss Art. 62
Abs. 2 SVG; danach kann der Richter bei ungewöhnlich hohem Einkommen des
Verletzten die Entschädigung unter Würdigung aller Umstände angemessen
ermässigen. Das dürfte indes, wie die allgemeine Regel des Art. 44 Abs. 2
OR, wohl nur zum Schutz des Ersatzpflichtigen persönlich, nicht auch
zugunsten seines Haftpflichtversicherers gelten (OFTINGER, I S. 273 und
II S. 645; BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, S. 350;
SCHLEGEL/GIGER, Taschenausgabe SVG S. 213).

    b) Wie es sich damit verhält, kann einstweilen jedoch offenbleiben. Dem
angefochtenen Urteil sind keine Feststellungen über den tatsächlichen
Verdienstausfall der Klägerin zu entnehmen. Dass die Klägerin ihre
Ersatzforderung nicht einmal in einer Weise substantiiert habe, die eine
Schätzung des Schadens erlauben würde, wie die Beklagte einwendet, trifft
nicht zu; sie hat durchaus zureichend ein Nettoeinkommen von Fr. 600.--
im Tag oder Fr. 12'000.-- im Monat behauptet, das ihr infolge des Unfalls
zuerst ganz und dann bis auf Fr. 1'150.-- im Monat entgangen sei. Eine
andere Frage ist, ob sie ihre Behauptung auch beweisen kann. Die Klägerin
beruft sich dafür auf einen Vortrag, den der Chef der Kriminalpolizei der
Stadt Zürich im Herbst 1972 gehalten hat. Danach soll damals eine Zürcher
Dirne im Alter von 18 bis 30 Jahren durchschnittlich etwa Fr. 1'000.--
im Tag und Fr. 20'000.-- im Monat verdient haben. Die Klägerin hat zudem
weitere Beweise angeboten.

    Das Obergericht wird - prozesskonforme Behauptungen und Beweisanträge
vorbehalten - den Sachverhalt weiter abklären und allenfalls auch
das Beweisverfahren ergänzen müssen, das sich aber nur noch auf die
zwei Jahre nach dem Unfall beziehen kann. Es hat den Verdienstausfall
der Klägerin so weit zu ermitteln, dass er wenn nicht bewiesen, so
doch geschätzt werden kann. Dabei dürfen auch ihre Steuerverhältnisse
berücksichtigt werden, zumal die Klägerin vor Obergericht behauptet hat,
ihr Verdienst sei voll besteuert worden; ihre Steuererklärung für 1971
beschränkte sich aber auf Fr. 11'200.-- Reineinkommen und Fr. 15'000.--
Reinvermögen. Nachdem die Besteuerung des Dirnenverdienstes zugunsten ihres
Haftpflichtanspruches angeführt worden ist, muss sie sich gefallen lassen,
dass ihre entsprechenden Angaben zumindest als Indiz in die Beweiswürdigung
einbezogen werden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts
(I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 18. Juni 1984 aufgehoben und die
Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen wird.