Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 II 270



111 II 270

54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Oktober 1985
i.S. A., B. und C. gegen African Safari Club, Sektion Schweiz, und ASC
African Safari Club AG (Berufung) Regeste

    Haftung des Reiseveranstalters.

    1. Vereinigung von Berufungsverfahren aus Gründen der Prozessökonomie
(E. 1).

    2. Ob ein Reiseveranstaltungs- oder ein blosser
Reisevermittlungsvertrag vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles
und aus der Sicht des Kunden zu beurteilen (E. 4).

    3. Vereinbarung über eine zusätzliche Reise (Flugsafari), von der
ungewiss ist, wer den Teilnehmern gegenüber als Vertragspartner aufgetreten
ist und daher für einen Unfall haftet. Umstände, die für eine Haftung
des Hauptveranstalters sprechen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Frau K. vereinbarte im Februar 1978 mit dem Reisebüro des African
Safari Club in Allschwil einen dreiwöchigen Ferienaufenthalt in Kenya
mit Flug Basel-Mombasa und zurück. Für ein gleiches Ferienarrangement
entschieden sich im März C. und sein Sohn, ferner im Mai Frau A. und ihre
Tochter; diese wandten sich ebenfalls an das Reisebüro in Allschwil, jene
dagegen an das Reisebüro Simba-Travels in Aarau. Alle fünf buchten zudem
während ihres Aufenthaltes in Kenya eine dreitägige "Simba"-Flugsafari. Das
Flugzeug stürzte am 24. Juli 1978 ab, wobei Frau A. schwer verletzt und
die vier anderen Passagiere aus der Schweiz getötet wurden.

    B.- Im April und August 1981 klagten Frau A., Frau B. und Frau
C. beim Bezirksgericht Arlesheim gegen die Sektion Schweiz des African
Safari Club und gegen die African Safari Club AG. Frau A. forderte im
Verfahren Fr. 69'825.02 und KSh 2'500.-- Schadenersatz und Genugtuung,
Frau B. Fr. 10'000.-- Genugtuung wegen Verlustes ihrer Mutter K., Frau
C. Fr. 61'699.85 Schadenersatz und Genugtuung wegen Verlustes ihres Gatten
und ihres Sohnes.

    Die Beklagten, die beide ihren Sitz in Allschwil haben, widersetzten
sich diesen Forderungen, weil sie nicht als Veranstalter der Flugsafari
aufgetreten, für den Unfall und dessen Folgen daher nicht haftbar seien.

    Das Bezirksgericht wies mit Urteilen vom 27. September 1983 alle
drei Klagen mangels Passivlegitimation der Beklagten ab. Die Klägerinnen
appellierten an das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft, das am
29. Januar 1985 die Entscheide des Bezirksgerichts bestätigte.

    C.- Die Klägerinnen haben gegen die drei Urteile des Obergerichts
Berufungen eingelegt mit den Anträgen, sie aufzuheben und die
Passivlegitimation der beiden Beklagten zu bejahen.

    Die Beklagten beantragen, auf die Berufungen nicht einzutreten oder
sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es liegen drei Klagen verschiedener Klägerinnen vor, deren
Forderungen sich gegen die gleichen Beklagten richten und aus dem gleichen
schädigenden Ereignis abgeleitet werden. Die Parteien haben die drei
Prozesse vor Obergericht zusammen behandelt; die Vorinstanz hat gleichwohl
drei getrennte Urteile gefällt, die in materiellrechtlicher Hinsicht
aber auf identischen Entscheidungsgründen beruhen. Die Klägerinnen haben
zwar getrennte Berufungen eingereicht, die aber gleich begründet sind,
und die Beklagten haben darauf in einer Eingabe geantwortet.

    Gründe der Zweckmässigkeit sprechen hier dafür, dass das Bundesgericht
über die drei Berufungen in einem einzigen Urteil befindet. Rechtlich
steht dem nichts entgegen. Freilich kann die objektive oder subjektive
Klagenhäufung nur dann zu einem höheren Streitwert durch Zusammenrechnung
führen und die Berufung zulässig machen, wenn darüber ein einziges
kantonales Urteil vorliegt (Art. 47 OG; BGE 103 II 41 ff. mit Hinweisen,
namentlich auf BGE 78 II 182 und 40 II 76). Insoweit ergibt sich hier indes
keine Schwierigkeit, weil der Mindeststreitwert gemäss Art. 46 OG in allen
drei Fällen gegeben ist. Das Bundesgericht hat es zwar als Berufungsinstanz
vereinzelt abgelehnt, Verfahren von sich aus zu vereinigen, die kantonal
getrennt behandelt worden sind (BGE 40 II 76). Auch im Berufungsverfahren
können indes Gründe der Prozessökonomie eine Vereinigung rechtfertigen,
wenn wie hier inhaltlich gleiche Urteile angefochten werden und das
Bundesgericht darüber so oder anders als Berufungsinstanz zu entscheiden
hat (vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 10 zu § 40 ZPO/ZH). Die drei Verfahren sind
daher zu vereinigen und durch ein einziges Urteil zu erledigen.

Erwägung 4

    4.- Das Bezirksgericht hat die Passivlegitimation des Beklagten 1 schon
deshalb verneint, weil es sich um einen Verein mit ideellen Zwecken handle,
der mit der Reiseorganisation nichts zu tun habe. Das Obergericht lässt
das nicht gelten. Es nimmt an, der Beklagte 1 wolle nach seinen Statuten
den Mitgliedern günstige Reisemöglichkeiten nach Ostafrika verschaffen;
dass er dabei die Air-Agence AG (jetzt Beklagte 2) einzuschalten pflege,
schliesse eine selbständige Rolle in der Organisation und Durchführung von
Reisen nicht aus. Nach den Prospekten und den "Allgemeinen Vertrags- und
Reisebedingungen", die den Buchungen der Kunden zugrunde gelegen hätten,
seien die beiden Beklagten denn auch nebeneinander als Organisatoren der
Reisen aufgetreten. Vor Bundesgericht ist dies nicht mehr streitig. Es
erübrigt sich deshalb, die beiden Beklagten bei der Beurteilung der
Streitfrage auseinanderzuhalten.

    Das Rechtsverhältnis, auf das sich die Klägerinnen berufen, kann nach
Auffassung des Obergerichts entweder ein blosser Reisevermittlungsvertrag
sein, der als Auftrag gemäss Art. 394 ff. OR gilt, oder ein eigentlicher
Reiseveranstaltungsvertrag, der als Innominatkontrakt behandelt wird und
Elemente des einfachen Auftrages und des Werkvertrages umfasst (SCHLUEP,
in Schweiz. Privatrecht VII/2 S. 919 ff.; DALLÈVES, in XIVe Journée
Juridique 1974 S. 1 ff.; FRANK, in SJZ 77/1981 S. 145 f.). Ob das eine
oder andere zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und ist,
wie das Obergericht beifügt, aus der Sicht des Kunden zu beurteilen. Davon
gehen zu Recht auch die Parteien aus. Sie stimmen mit der Vorinstanz auch
darin überein, dass die Beklagten bei den in der Schweiz vereinbarten
Ferienarrangements, bestehend aus einem dreiwöchigen Hotelaufenthalt in
Kenya und dem Hin- und Rückflug, in allen drei Fällen als Reiseveranstalter
aufgetreten sind.

Erwägung 5

    5.- Da der Unfall sich auf der Flugsafari ereignet hat, ist
entscheidend, ob die Beklagten auch für diese zusätzlich vereinbarte
Reise als Vertragspartner und Veranstalter anzusehen sind. Nach den
Buchungen in der Schweiz ist die Frage klar zu verneinen. Zwar hätten
die Kunden die Flugsafari, die im Prospekt der Beklagten angeboten wird,
schon in der Schweiz zusammen mit ihrem Ferienarrangement buchen können;
sie haben jedoch darauf verzichtet und sich erst in Kenya entschlossen,
an einer dreitägigen Flugsafari teilzunehmen. Streitig ist, ob die
Beklagten gleichwohl durch die Vereinbarung über die zusätzliche Reise
verpflichtet worden sind und deswegen für die Unfallfolgen verantwortlich
gemacht werden können.

    a) Das Obergericht räumt ein, dass die Kunden nach dem Werbematerial
zunächst der Meinung sein konnten, die Flugsafari werde ebenfalls
von den Beklagten organisiert und durchgeführt, weil im Prospekt von
einer eigenen Safari-Organisation die Rede ist und Flugzeuge mit einem
Zebramuster abgebildet sind, das auch zum Signet der Beklagten gehört. Die
Vorinstanz hält den Klägerinnen jedoch entgegen, bei der Buchung der
Flugsafari in Kenya hätten die Interessenten sofort erkennen können,
dass sie den Vertrag darüber nicht mit den Beklagten, sondern mit der
"Amphibians Ltd." abschlössen. Die Klägerinnen halten daran fest, dass
es entscheidend auf den Eindruck ankomme, den die Beklagten mit ihrem
Werbematerial bei den Kunden erweckt hätten. Das hilft indes nicht darüber
hinweg, dass die Verträge über die Flugsafari in allen drei Fällen erst
in Kenya zustande gekommen sind; fraglich ist bloss, mit wem.

    Die Annahme der Vorinstanz, diese Verträge seien mit der
Fluggesellschaft "Amphibians Ltd." geschlossen worden, stützt sich nicht
auf Beweiswürdigung, die das Bundesgericht bände. Die Vorinstanz prüfte
vielmehr, wie die Reisenden das "Passenger-Ticket", das sie zur Teilnahme
an der Flugsafari berechtigte, insbesondere nach dem grossgedruckten Namen
der Gesellschaft und den Umständen der Buchung hätten verstehen müssen. Die
Klägerinnen halten dies für eine völlig verfehlte Rechtsauffassung, vor
allem weil die dreitägige Flugsafari auch Fahrten mit Landrover sowie
Unterkunft und Verpflegung umfasst habe. Das leuchtet durchaus ein, zumal
dem Ticket bloss die Strecke der Reise mit zwei bestimmten Nachtlagern
(Camps), dagegen nichts für die Dauer und den Preis oder Näheres über
die versprochenen Leistungen zu entnehmen ist. Der Vermerk "Booked by
ASC" spricht deutlich gegen einen unmittelbaren Vertragsschluss mit
der Fluggesellschaft, gleichviel ob die Kurzbezeichnung "ASC" für eine
der Beklagten oder für die African Safari Club Ltd. in Mombasa auf dem
Flugschein steht; so oder anders schliesst dieser Schein einen anderen
Reiseveranstalter, der dann die Fluggesellschaft als Erfüllungsgehilfen
eingeschaltet hätte, keineswegs aus.

    Ergibt sich aus dem Flugschein nicht zwingend, dass die "Amphibians
Ltd." die Flugsafari veranstaltet hat und damit den Teilnehmern gegenüber
als neue Vertragspartnerin aufgetreten ist, so braucht auch nicht geprüft
zu werden, ob die Teilnehmer unter den gegebenen Umständen Anlass oder
auch nur Gelegenheit gehabt hätten, gegen den Wechsel des Vertragspartners
Einwände zu erheben.

    b) Das heisst indes nicht, dass die Teilnehmer an der Flugsafari die
Beklagten leichthin als Vertragspartner auch für diese Leistung betrachten
durften. Entscheidend bleibt vielmehr, wer in Kenya die Buchungen, in denen
der Vertrag über die Safari zu erblicken ist, tatsächlich entgegengenommen
hat. Das Obergericht hat das nicht abgeklärt, weil von den Klägerinnen
nicht dargelegt worden sei, ob die Teilnehmer sich zu diesem Zweck an
ein Reisebüro in ihren Ferienhotels oder an eine andere Buchungsstelle
gewandt hätten. Die Klägerinnen bestreiten das und machen geltend, dass
das Obergericht in diesem Punkte nicht auf ihre Ausführungen eingegangen
sei und dass darüber kein Beweisverfahren stattgefunden habe.

    Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf einem Versehen, als
die Klägerinnen zumindest in der erstinstanzlichen Replik der drei
Prozesse klar behauptet haben, die Flugsafari sei von den Teilnehmern
aus der Schweiz in einem ASC-Reisebüro bzw. in einem ASC-Hotel gebucht
worden. Es trifft deshalb auch nicht zu, dass die Klägerinnen nicht
nur die Beklagten, sondern auch die Gerichte darüber bewusst im Dunkeln
gelassen hätten, wo die Safari gebucht, der Preis dafür bezahlt und die
Flugscheine ausgehändigt worden seien, wie ihnen in der Berufungsantwort
vorgehalten wird. Im übrigen halten die Beklagten es für durchaus möglich,
dass die Flugsafari von den Teilnehmern aus der Schweiz bei der African
Safari Club Ltd. in Kenya gebucht worden ist; nachdrücklich und wiederholt
bestreiten sie lediglich, dass dies bei ihnen in der Schweiz geschehen sei.

    c) Doch selbst wenn nur Buchungen bei der African Safari Club
Ltd. in Kenya anzunehmen sind, heisst dies nicht, dass die Haftung der
beiden Beklagten im vornherein zu verneinen sei. Nach ihrer Darstellung
besteht neben dem African Safari Club, Sektion Schweiz (Beklagter 1), der
gleichnamige kenyanische Mutterverein. Die Reisebüros in den ASC-Hotels
werden von der African Safari Club Ltd., Mombasa, betrieben. Im
Prospekt der Beklagten, der schon den in der Schweiz vereinbarten
Ferienarrangements zugrunde lag, war aber stets vom "African Safari
Club" als Ganzem die Rede; er sprach von den eigenen Hotels des Clubs,
von der eigenen Safari-Organisation in Kenya und von den Reisebüros
(Tourist-Offices) in den ASC-Hotels, wo die Safaris gebucht werden
könnten, darunter die im Prospekt geschilderte "Simba"-Flugsafari,
die in der Preisliste für Fr. 1'200.-- angeboten wurde. Unter diesen
Umständen spricht vieles dafür, dass auch die Unfall-Safari dort gebucht
worden ist. Nachdem die Klägerinnen dies im kantonalen Verfahren behauptet
hatten, konnte die Vorinstanz jedenfalls nicht ohne Beweisführung einfach
das Gegenteil unterstellen. Die angefochtenen Urteile sind daher wegen
Verletzung von Art. 8 ZGB aufzuheben (BGE 105 II 145 mit Hinweisen). Die
Sache ist an das Obergericht zurückzuweisen, da es an den erforderlichen
tatsächlichen Feststellungen fehlt, welche es dem Bundesgericht erlauben
würden, die streitige Passivlegitimation abschliessend zu beurteilen
(Art. 64 Abs. 1 OG).

    Erst wenn in tatsächlicher Hinsicht feststeht, bei wem die Teilnehmer
aus der Schweiz die Flugsafari in Kenya gebucht haben, kann beurteilt
werden, ob diesbezüglich ein weiterer Reiseveranstaltungsvertrag oder ein
blosser Vermittlungsauftrag anzunehmen sei. Von ergänzenden Feststellungen
hängt auch ab, ob die beiden Beklagten sich Buchungen bei ihren Mutter-
oder Schwesterorganisationen in Kenya entgegenhalten lassen müssen.
Dass die Teilnehmer die Beklagten jedenfalls dann weiterhin als
Vertragspartner betrachten durften, wenn sie die Flugsafari tatsächlich
an einem ASC-Schalter gebucht haben, ist offenbar auch die Ansicht der
Vorinstanz. Diesfalls besteht auch Klarheit nach den Kollisionsnormen des
schweizerischen internationalen Privatrechts, weil das auf den Hauptvertrag
anwendbare schweizerische Recht dann auch für den Zusatzvertrag gilt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufungen werden dahin gutgeheissen, dass die drei Urteile des
Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 29. Januar 1985 aufgehoben
werden und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen wird.