Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 III 8



111 III 8

3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juli 1985 i.S. Wingeyer
und Mitbeteiligte gegen Straub und Obergericht des Kantons Thurgau
(Staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 82 Abs. 1 SchKG: Bauhandwerkerpfandrecht als Schuldanerkennung?

    Die Einigung des Bauhandwerkers als Subunternehmer mit dem Eigentümer
der Liegenschaft über die Eintragung und summenmässige Begrenzung des
Grundpfandes bildet in aller Regel keine Schuldanerkennung des Eigentümers
betreffend die pfandgesicherte Forderung. Diese Einigung betrifft nur
das Pfandrecht als solches (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügungen vom 28. Februar 1985 bewilligte das
Gerichtspräsidium Arbon die provisorische Rechtsöffnung in den Betreibungen
Nr. 68648 gegen Myrtha Wingeyer, Nr. 68647 gegen Heinrich Wingeyer,
Nr. 68646 gegen Andreas Honsell und Nr. 68645 gegen Roland Hohl. Es stützte
sich bei seinem Entscheid auf Bestätigungen des Grundbuchamtes Egnach
vom 6. und 7. Juli 1984, wonach auf den Parzellen der Betriebenen je ein
entsprechendes definitives Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen worden sei.

    B.- Die betriebenen Grundeigentümer erhoben gegen diese
Rechtsöffnungsentscheide Beschwerde an die Rekurs-Kommission des
Obergerichtes des Kantons Thurgau, die mit Entscheid vom 29. April 1985
abgewiesen worden ist.

    C.- Dagegen wenden sich Myrtha und Heinrich Wingeyer, Andreas Honsell
und Roland Hohl mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie
beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheide und die Abweisung der
Rechtsöffnungsgesuche, eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz zu
neuem Entscheid. Mit Verfügung vom 20. Juni 1985 ist der staatsrechtlichen
Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt worden.

    Der Beschwerdegegner und die Rekurs-Kommission beantragen die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts ist
ein Entscheid der letzten kantonalen Instanz über die provisorische
Rechtsöffnung ein Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG, so dass er mit
staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten
werden kann (BGE 98 Ia 350, 94 I 368 E. 3). Hingegen sind Begehren um
Abweisung der Rechtsöffnungsgesuche bzw. Rückweisung zu diesem Zwecke
unzulässig. Auf sie kann infolge der rein kassatorischen Natur der
staatsrechtlichen Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 98 Ia 350).

Erwägung 2

    2.- Die Rekurs-Kommission ist bei ihrem Entscheid davon ausgegangen,
das Bauhandwerkerpfandrecht habe nicht nur ein Sicherungsrecht
zum Gegenstand, vielmehr bewirke der Grundbucheintrag auch ein
selbständiges Forderungsrecht des berechtigten Bauhandwerkers gegen den
Grundeigentümer. Der Eintrag eines Bauhandwerkerpfandrechts und damit auch
der Grundbuchauszug würden zwar grundsätzlich nur für das Pfandrecht,
nicht aber für die dadurch sichergestellte Forderung den Beweis
erbringen. Der Grund hiefür liege darin, dass auch für unbestimmte,
wechselnde oder künftige Forderungen ein Bauhandwerkerpfandrecht
errichtet werden könne. In jenen Fällen jedoch, bei denen aus dem Text der
Grundpfandverschreibung Bestand und Höhe der pfandgesicherten Forderung
eindeutig hervorgingen, vermöge der Grundbucheintrag auch für diese in
Betreibung gesetzte Forderung den Beweis zu erbringen. Dies treffe hier
zu. Da der Grundbuchauszug eine öffentliche Urkunde darstelle, sei die
provisorische Rechtsöffnung zu gewähren.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer wenden unter anderem ein, dass durch
das Handwerkerpfandrecht keine Forderung, sondern nur ein Pfandrecht
verurkundet werde. Der Pfandeigentümer anerkenne mit der Anerkennung
des Pfandrechts nicht die Richtigkeit der Forderung, sondern nur den
Pfandrechtsanspruch. Der Beschwerdegegner verfüge daher für seine Forderung
über keinen Rechtsöffnungstitel.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 4 BV ist ein
Entscheid unter anderem dann willkürlich, wenn er eine Norm oder einen
klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich verletzt oder
sonst in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Die
Aufhebung eines Entscheids rechtfertigt sich jedoch nur, wenn sich nicht
nur die Begründung, sondern auch das Ergebnis als unhaltbar erweist
(BGE 109 Ia 22, 106 Ia 314 f.).

    b) Die Geltendmachung des Bauhandwerkerpfandrechts erfolgt in
aller Regel durch eine Betreibung auf Pfandverwertung. Gegen den
Zahlungsbefehl für die Bauforderung können sowohl der Werkpreisschuldner
des Baupfandgläubigers als auch der Grundeigentümer Rechtsvorschlag
erheben. Beide haben unabhängig voneinander volle Parteirechte. Wird
Rechtsvorschlag erhoben, kann gemäss Art. 82 SchKG die provisorische
Rechtsöffnung nur erteilt werden, wenn die pfandgesicherte Forderung
in einer öffentlichen Urkunde festgestellt ist oder auf einer durch
Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung beruht.

    Zwischen dem Bauhandwerker und dem Dritteigentümer des
Grundpfandes besteht indessen im vorliegenden Fall wie in aller Regel
kein Vertragsverhältnis, das als Schuldanerkennung in Frage kommen
könnte. Der Werkvertrag, der die Grundlage der in Betreibung gesetzten und
pfandgesicherten Forderung bildet, beschränkt sich auf den Bauhandwerker
als Subunternehmer einerseits und den Unternehmer andererseits,
der gegenüber dem Bauherrn nur in einem vom ersten unabhängigen
Vertragsverhältnis in Erscheinung tritt. Die fehlende vertragliche
Beziehung zwischen dem Bauhandwerker als Pfandberechtigten und dem
Dritteigentümer des Grundpfandes als Pfandschuldner wird auch dadurch
nicht überbrückt, dass sich der Dritteigentümer mit dem Bauhandwerker
aussergerichtlich auf die Begründung des konkreten Pfandrechtes geeinigt
hat. Diese Einigung betrifft nur das Pfandrecht als solches, nicht aber
Bestand und Umfang der pfandgesicherten Forderung. Auch aus der Einigung
über die summenmässige Begrenzung des Bauhandwerkerpfandrechts kann nicht
auf eine Anerkennung der pfandgesicherten Forderung geschlossen werden.

    Die Vorinstanz anerkennt zwar grundsätzlich, dass zwischen der
Limitierung der Grundpfandverschreibung einerseits und der Anerkennung
der pfandgesicherten Forderung andererseits zu unterscheiden ist. Wenn sie
aber dennoch aus der Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch Rückschlüsse
auf eine Schuldanerkennung des Dritteigentümers im Sinne von Art. 82 SchKG
ziehen zu können glaubt, so setzt sie sich mit ihren eigenen Annahmen in
einen unhaltbaren Widerspruch. Aus dem Umstand, dass der Grundeigentümer
und Bauherr im Zusammenhang mit einem Bauhandwerkerpfandrecht dann Gefahr
einer Doppelzahlung läuft, wenn er - wie im vorliegenden Fall - die
Dienste eines insolventen Generalunternehmers in Anspruch genommen hat,
lässt sich im Hinblick auf einen Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 82
SchKG nichts ableiten. Etwas anderes vertritt auch nicht SCHUMACHER
(Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A. 1982, S. 134 ff.), auf den die
Rekurs-Kommission verweist. Dieser Autor betont an anderer Stelle vielmehr
ausdrücklich, dass dem Verfahren betreffend die definitive Eintragung eines
Bauhandwerkerpfandrechts keineswegs die Bedeutung eines Forderungsprozesses
zukommen könne und in diesem Verfahren niemand verpflichtet werde,
eine bestimmte Forderung zu bezahlen. Das gelte auch für den Fall,
dass der Grundeigentümer der vorläufigen oder definitiven Eintragung
eines Bauhandwerkerpfandrechtes zustimme und daher ein entsprechendes
gerichtliches Verfahren entfalle. Die schuldrechtlichen Beziehungen
zwischen dem Baupfandgläubiger, dessen Werkpreisschuldner und dem
Dritteigentümer des Grundpfandes müssten in jedem Fall vorbehalten bleiben.
Soweit die Pfandsumme zur Diskussion stehe, gehe es ausschliesslich um die
oberste Belastungsgrenze des Grundpfandes. Daran ändere auch nichts, dass
in Art. 839 Abs. 3 ZGB etwas missverständlich von "Forderung" die Rede sei
(SCHUMACHER, aaO, S. 228 ff., N. 786-800, mit Hinweis auf BGE 105 II 152).

    Diese deutliche Unterscheidung zwischen der Pfandsumme einerseits
und der grundpfandgesicherten Forderung andererseits liegt ebenfalls den
entsprechenden Ausführungen von FRITZSCHE/ WALDER (Schuldbetreibung und
Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, N. 2 zu § 20) zugrunde. Auch
FÜLLEMANN (Durchsetzung und Vollstreckung des Bauhandwerkerpfandrechts
unter besonderer Berücksichtigung der Dritteigentümerverhältnisse,
Diss. Zürich 1984, S. 46 ff.) weist mit ganz besonderem Nachdruck
darauf hin und betont, im Verhältnis zwischen dem Bauhandwerker als
Subunternehmer und dem Dritteigentümer des Grundpfandes lasse sich
kaum je ein Titel für die provisorische Rechtsöffnung nachweisen, da es
an einem Werkvertrag zwischen diesen beiden regelmässig fehle und die
Anerkennung der "Forderung" als Pfandsumme nichts anderes darstelle als
die Einwilligung des Dritteigentümers, ein Bauhandwerkerpfandrecht im
entsprechenden Umfang zu begründen.

    c) Indem die Rekurs-Kommission aus der Haftungsbegrenzung des
Grundpfandes einen in der Sache durch nichts begründeten Rückschluss auf
eine Anerkennung der pfandgesicherten Forderung durch den Pfandschuldner
gezogen hat, hat sie offensichtlich gegen die dargelegten klaren und
unbestrittenen Rechtsregeln verstossen. Ihr Entscheid erweist sich
damit als willkürlich. Er steht auch in Widerspruch zum Verhalten der
Parteien. Bei der Anmeldung des Bauhandwerkerpfandrechts zu Handen des
Grundbuchamtes Egnach ist nämlich der formularmässig vorformulierte Text,
wonach der Grundpfandschuldner die Bauhandwerkerforderung anerkennt,
durchgestrichen worden. Seitens des Grundeigentümers bleibt daher nur das
Einverständnis zur Eintragung einer Grundpfandverschreibung übrig. Dem
vorformulierten Text wurde zudem noch eigens beigefügt, dass Schuldner der
Generalunternehmer Roland Logo, Architekt ETH, sei und dass das Begehren
um Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts nur der Sicherstellung des
Forderungsbetrages durch den Grundeigentümer diene. Die Parteien haben
damit mit aller nur erdenklichen Klarheit zum Ausdruck gebracht, dass
der Grundeigentümer und Grundpfandschuldner mit der Einwilligung zur
Eintragung die grundpfandgesicherte Forderung selbst nicht anerkennen
wollte. Die Rekurs-Kommission konnte sich nicht darüber hinwegsetzen,
ohne in Willkür zu verfallen.

    d) Im vorliegenden Fall ergibt sich ohne weiteres, dass sich die
angefochtenen Entscheide damit nicht nur in ihrer Begründung, sondern
auch im Ergebnis als unhaltbar erweisen. Sie sind daher antragsgemäss
aufzuheben. Will der Gläubiger den Rechtsvorschlag für die in Betreibung
gesetzten Forderungen beseitigen, hat er demzufolge gemäss Art. 79 SchKG
den ordentlichen Prozessweg zu betreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
erübrigt es sich auch zu prüfen, ob die weiteren Willkürrügen begründet
gewesen wären.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und die Entscheide
betreffend provisorische Rechtsöffnung der Rekurs-Kommission des
Obergerichts des Kantons Thurgau vom 29. April 1985 werden aufgehoben.