Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 III 63



111 III 63

15. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 29. November
1985 i.S. B. (Rekurs) Regeste

    Art. 68 Abs. 1 und 144 Abs. 3 SchKG (Leistung und Rückerstattung
des Kostenvorschusses).

    Der Kostenvorschuss ist von jenem Gläubiger zu leisten, der das
Verwertungsbegehren gestellt hat. Hat ein Gläubiger einer nachgehenden
Pfändungsgruppe das Verwertungsbegehren gestellt, so sind nach der
Regel von Art. 144 Abs. 3 SchKG vorab die Kosten der Verwertung und
Verteilung zu bezahlen und ist somit auch der geleistete Kostenvorschuss
zurückzuerstatten; lediglich der Nettoerlös, der nach Abzug der Kosten
verbleibt, kommt den Gläubigern der vorangehenden Pfändungsgruppen zugute
(E. 2).

    Die Erwartung, dass die Kosten der Verwertung und Verteilung ohne
weiteres durch den Erlös gedeckt werden können, befreit den die Verwertung
begehrenden Gläubiger nicht von der Leistung eines Kostenvorschusses
(E. 3).

Sachverhalt

    A.- In verschiedenen Betreibungen - darunter der Betreibung des B. -
gegen N. wurde am 25. Januar 1985 die Pfändung vollzogen. Das die Pfändung
vollziehende Betreibungsamt nahm Aktiven zum Schätzungswert von insgesamt
Fr. 31'440.-- in die Pfändungsurkunde auf, vermerkte aber, dass die
aufgenommenen Vermögensgegenstände bereits vorgepfändet seien und erneut
gepfändet würden. Die Pfändungsvorgänge zugunsten von Pfändungsgruppen,
denen der Gläubiger B. nicht angehörte, wurden vom Betreibungsamt mit
total ca. Fr. 114'000.-- angegeben. Die Pfändungsurkunde diente als
provisorischer Verlustschein im Sinne von Art. 115 Abs. 2 SchKG.

    Am 26. April 1985 stellte der Gläubiger B. das Verwertungsbegehren für
den Betrag von Fr. 4'842.-- plus 5% Zins seit 7. September 1984 und die
Betreibungskosten. Das veranlasste das Betreibungsamt am 29. April 1985,
von ihm einen Kostenvorschuss von Fr. 1'200.-- zu fordern, dies unter
der Androhung, dass das Verwertungsbegehren als zurückgezogen betrachtet
werde, sofern der Kostenvorschuss nicht innert der Frist von zehn Tagen
geleistet werde.

    Nachdem B. das Betreibungsamt um Wiedererwägung der Verfügung ersucht
hatte, hielt dieses an der Forderung des Kostenvorschusses fest. Das wurde
dem Gläubiger durch eine zweite Verfügung (mit erneuter Fristansetzung)
am 4. Juni 1985 eröffnet.

    B.- Vom Gläubiger B. gegen die Auferlegung des Kostenvorschusses
erhobene Beschwerden wurden von der unteren und der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs abgewiesen. Ebenso
wies die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den
Rekurs des Gläubigers ab mit den folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 68 Abs. 1 SchKG sind die Betreibungskosten
vom Gläubiger vorzuschiessen und kann das Betreibungsamt, wenn der
Vorschuss nicht geleistet wird, die Betreibungshandlung einstweilen
unterlassen. Der Rekurrent bestreitet diese Obliegenheit zur Leistung
eines Kostenvorschusses dem Grundsatz nach nicht mehr.

Erwägung 2

    2.- Indessen hält der Rekurrent den Kostenvorschuss für entbehrlich,
weil gemäss Art. 144 Abs. 3 SchKG aus dem Erlös vorab die Kosten der
Verwertung und der Verteilung zu bezahlen seien. Nach der Meinung
des Rekurrenten wird aus der Verwertung der gepfändeten Aktiven im
Schätzungswert von total Fr. 31'440.-- ohne Zweifel ein Erlös resultieren,
aus dem die Kosten der Verwertung gedeckt werden können.

    Die obere kantonale Aufsichtsbehörde stellt sich demgegenüber auf
den Standpunkt, der zu erwartende Verwertungserlös werde vollumfänglich
an dem Rekurrenten vorangehende Pfändungsgruppen fallen; da diese jedoch
selber kein Verwertungsbegehren gestellt hätten, könnten sie nicht zur
Tragung der Kosten der Verwertung herangezogen werden. Dieser Auffassung
kann nicht gefolgt werden.

    Selbstverständlich kann von keinem Gläubiger der vorangehenden
Pfändungsgruppen, der kein Verwertungsbegehren gestellt hat, ein
Kostenvorschuss gefordert werden. Das ändert aber nichts daran, dass in
dem Moment, wo es zu einer Verwertung kommt - und sei dies auf Verlangen
eines Gläubigers einer nachgehenden Pfändungsgruppe, was nach Massgabe von
Art. 117 Abs. 2 SchKG durchaus möglich ist -, aus deren Erlös entsprechend
Art. 144 Abs. 3 SchKG vorab die Kosten der Verwertung und der Verteilung
zu bezahlen sind. Lediglich der Nettoerlös, der nach Abzug dieser Kosten
verbleibt, kommt den Gläubigern der vorangehenden Pfändungsgruppe zugute
- dies unabhängig davon, ob sie die Verwertung verlangt haben oder nicht
(FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
§ 32 Rz. 6; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibung- und Konkursrechts,
§ 29 N. 11). Werden indessen die Kosten der Verwertung durch den Erlös
nicht gedeckt, so können sie nur jenen Gläubigern auferlegt werden, die das
Verwertungsbegehren gestellt haben (BGE 55 III 122 ff.; FRITZSCHE/WALDER,
aaO). Umgekehrt sind in dem Fall, wo die Kosten durch den Erlös gedeckt
werden, diese vorweg dem Gläubiger zurückzuerstatten, der sie vorgeschossen
hat (JÄGER, Schuldbetreibung und Konkurs, I. Band, S. 485). Deshalb irrt
die kantonale Aufsichtsbehörde, wenn sie meint, die Kosten der Verwertung
und der Verteilung könnten dann, wenn ein Gläubiger einer nachgehenden
Pfändungsgruppe die Verwertung verlangt hat, nicht vom Erlös abgezogen
werden, bevor die Gläubiger vorangehender Pfändungsgruppen vollständig
befriedigt sind. Diese Gläubiger vorangehender Pfändungsgruppen haben erst
Anspruch auf Beteiligung am Verwertungserlös, nachdem - wie Art. 144 Abs. 3
SchKG es verlangt - die Kosten der Verwertung und der Verteilung bezahlt
bzw. jenem Gläubiger zurückerstattet sind, der sie vorgeschossen hat.

Erwägung 3

    3.- Nun übersieht aber der Rekurrent, dass Art. 144 SchKG einerseits
und Art. 68 SchKG anderseits zwei verschiedene Dinge regeln (vgl. BGE 90
III 36 ff.). Ungeachtet dessen, dass nach dem Gesagten die Kosten vorab
zu bezahlen sind, kann das Betreibungsamt einen Vorschuss fordern für
die Gebühren und Auslagen, welche die Verwertung voraussichtlich mit
sich bringen wird (vgl. zu den einzelnen Posten JOOS, Handbuch für die
Betreibungsbeamten der Schweiz, S. 230). Daran ändert auch die Erwartung
nichts, dass die Kosten der Verwertung und Verteilung ohne weiteres
durch den Erlös gedeckt werden können. Der Anspruch des die Verwertung
verlangenden Gläubigers besteht diesfalls nicht auf Befreiung von der
Bezahlung eines Kostenvorschusses, sondern nur - wie dargelegt - auf
dessen Rückerstattung nach durchgeführter Verwertung.

    Wenn also der Rekurrent im vorliegenden Fall auf der Verwertung
besteht und einen definitiven Verlustschein erlangen möchte, muss er
dem Betreibungsamt den geforderten Kostenvorschuss leisten. Er darf
damit rechnen, dass ihm dieser zurückerstattet wird, bevor die Gläubiger
vorangehender Pfändungsgruppen aus dem Erlös befriedigt werden.