Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 III 52



111 III 52

12. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 9. Oktober
1985 i.S. X. (Rekurs) Regeste

    Pfändung

    1. Schutz der Persönlichkeitssphäre des Schuldners.

    Angaben, welche die Aufsichtsbehörde für die Beurteilung der
Kompetenzqualität eines Pfändungsgegenstandes benötigt, kann der Schuldner
nicht unter Berufung auf den Schutz seiner Persönlichkeitssphäre verweigern
(hier: Angaben über Kundenaufträge im Zusammenhang mit der Pfändung eines
Automobils) (E. 3).

    2. Aufsichtsbehördliche Abklärung tatsächlicher Verhältnisse von
Amtes wegen.

    Die Aufsichtsbehörde, die dem Schuldner klare Fragen gestellt und ihm
eine Frist zu deren Beantwortung sowie zur Einreichung von Beweismitteln
angesetzt hat, verletzt ihre Pflicht, die aus der Sicht des Art. 92 SchKG
massgebenden tatsächlichen Verhältnisse von Amtes wegen abzuklären, nicht,
wenn sie dem Schuldner, der ihrer Aufforderung nicht nachgekommen ist,
keine Nachfrist gewährt (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 18. Februar 1985 belegte das Betreibungsamt bei X.  unter
anderem einen Personenwagen mit Pfändungsbeschlag. Durch Verfügung vom
21. Mai 1985 bestätigte es diese Massnahme unter Hinweis darauf, dass
die Kosten für das Fahrzeug in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag
stünden, der sich damit erzielen lasse.

    Nachdem X. gegen die Pfändung Beschwerde eingereicht hatte, forderte
ihn die kantonale Aufsichtsbehörde durch Schreiben vom 5. August 1985
anhand des folgenden Fragenkatalogs zu ergänzenden Angaben auf:

    "1. Wie oft und zu welchem Zweck haben Sie im letzten Jahr das

    Fahrzeug gebraucht?

    2. Welches waren die Bruttoeinkünfte, die Sie gestützt auf die

    Verwendung des Fahrzeugs im letzten Jahr realisieren konnten?

    Welches sind die Einkünfte, die Sie im letzten Jahr ohne Verwendung
   des Fahrzeugs erzielen konnten?

    3. Welches sind die Kosten, die Ihnen im letzten Jahr durch die

    Verwendung des Fahrzeugs entstanden sind?"

    X. wurde ersucht, die Fragen so detailliert wie möglich zu beantworten
und entsprechende Unterlagen einzureichen.

    Die Angaben, die X. hierauf mit Schreiben vom 26. August 1985 machte,
hielt die kantonale Aufsichtsbehörde grösstenteils für nicht hinreichend
nachgewiesen. Insbesondere gelte dies für den Betrag, den X. dank der
Benützung des Wagens habe erwirtschaften wollen. Mit Entscheid vom
19. September 1985 wurde die Beschwerde, soweit gegen die Pfändung des
Automobils gerichtet, abgewiesen.

    X. hat hiergegen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts rekurriert mit dem Antrag, der Personenwagen sei aus der
Pfändung zu entlassen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Rekurrent macht geltend, aus seinem Schreiben vom 26.  August
1985 sei eindeutig hervorgegangen, dass die für den Beweis seiner dortigen
Angaben geeigneten Unterlagen bei ihm zur Verfügung gestanden hätten.
Falls die Vorinstanz sie wirklich benötigt habe, so wäre sie nach seiner
Ansicht verpflichtet gewesen, sie von ihm zu verlangen. Ihre Aufforderung
vom 5. August 1985 sei in dieser Hinsicht nicht imperativ formuliert
gewesen; es habe geheissen: "wenn möglich". Indem die Vorinstanz die
Beschwerde abgewiesen habe, ohne ihm eine Nachfrist zur Einreichung von
Beweismitteln anzusetzen, habe sie Bundesrecht verletzt.

Erwägung 2

    2.- Diesen Vorbringen des Rekurrenten kann nicht beigepflichtet
werden. Die Vorinstanz hatte ihm im erwähnten Schreiben vom 5.
August 1985 klare Fragen gestellt und beigefügt, er werde gebeten,
diese "so detailliert wie möglich" (und nicht etwa: "wenn möglich") zu
beantworten und entsprechende Schriftstücke beizulegen. Der Rekurrent war
damit unmissverständlich aufgefordert, die zum Nachweis seiner Angaben
geeigneten Unterlagen einzureichen, und die Vorinstanz war keineswegs
gehalten, ihm hierzu noch eine Nachfrist anzusetzen. Daran vermag sein
Hinweis auf BGE 97 III 11 und 59 nichts zu ändern.

Erwägung 3

    3.- Mit dem Hinweis auf den vertraulichen Inhalt der als Beweismittel
in Betracht fallenden Unterlagen scheint sich der Rekurrent auf den
Schutz seiner Persönlichkeitssphäre berufen zu wollen. Auch dieser
Einwand ist unbehelflich. Bei der Beurteilung der Frage der Pfändbarkeit
eines als Berufswerkzeug angesprochenen Automobils ist unter anderem dem
Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit Beachtung zu schenken, da der Zweck
des Art. 92 Ziff. 3 SchKG, nämlich dem Schuldner die Existenz zu sichern,
nicht erreicht wird durch die Unterlassung der Pfändung von Hilfsmitteln,
deren Verwendungskosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen
(vgl. BGE 89 III 34; 84 III 20 unten mit Hinweis). Das Betreibungsamt
muss deshalb wissen, wieviel der Schuldner dank der Benützung des
Fahrzeugs einzunehmen in der Lage ist. Gewiss ist im vorliegenden Fall
mit der Offenlegung beispielsweise von Kundenaufträgen ein Eingriff
in die Persönlichkeitssphäre des Rekurrenten verbunden, doch ist dies
als Nebenwirkung eines ordnungsgemässen Pfändungsvollzuges in Kauf
zu nehmen (vgl. GILLIÉRON, in JdT 1985 II S. 5 f. N. 1 betreffend die
Auskunftspflicht beim Arrest).

Erwägung 4

    4.- Dass die Vorinstanz mit dem angefochtenen Entscheid Bundesrecht
verletzt hätte, hat der Rekurrent nach dem Gesagten nicht darzutun
vermocht.