Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 76



111 Ib 76

18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 14. Juni 1985 i.S. X. gegen Eidgenössisches Militärdepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 55 Abs. 1 und 4 BtG, Auflösung des Dienstverhältnisses aus
wichtigen Gründen.

    Gelangt das Bundesgericht bei der Beurteilung einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zum Schluss, die Auflösung des
Dienstverhältnisses sei ungerechtfertigt, kann es nicht nur eine
Entschädigung zusprechen, sondern gegebenenfalls die Wiedereinsetzung
des administrativ entlassenen Beamten verfügen.

Sachverhalt

    A.- Am 1. Januar 1964 trat X. in den Dienst der damaligen Abteilung für
Sanität des Eidgenössischen Militärdepartements und wurde mit Wirkung
ab 1. Oktober 1972 als Fachbeamter der neu geschaffenen Sektion
"Totaler Sanitätsdienst", heute "Koordinierter Sanitätsdienst",
zugeteilt. Da sich zwischen ihm und seinem Vorgesetzten in der Folge
Spannungen ergaben, wurde gegen X. ein Administrativverfahren im Sinne
von Art. 55 BtG eingeleitet und mit der Untersuchung die Direktion der
Eidgenössischen Militärverwaltung betraut. Am 13. März 1984 erstattete
diese den Schlussbericht mit dem Antrag, das Dienstverhältnis
aus eigenem Verschulden des Betroffenen mit sofortiger Wirkung
aufzulösen. Abklärungen bezüglich des Verhaltens und des Charakters des
Vorgesetzten wurden vom Untersuchungsbeamten nicht getroffen. Mit Datum
vom 14. Dezember 1984 verfügte das Eidgenössische Militärdepartement
gestützt auf Art. 55 Abs. 1 BtG die Auflösung des Dienstverhältnisses
aus wichtigen Gründen. Gegen diese Verfügung des Departements erhebt
X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der er dem Bundesgericht beantragt,
die angefochtene Entlassungsverfügung aufzuheben und festzustellen, dass er
weiterhin im Bundesamt für Sanität als Fachbeamter verbleiben könne. Das
Bundesgericht verneint das Vorliegen wichtiger Gründe, die eine Auflösung
des Dienstverhältnisses nach Art. 55 Abs. 1 BtG rechtfertigen würden,
und heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Entlassung aus wichtigen Gründen erweist sich nach dem
Gesagten als ungerechtfertigt. Die angefochtene Entlassungsverfügung
ist aufzuheben, und es ist so zu halten, wie wenn die Verfügung nicht
getroffen worden wäre. Diese Folgerung hat das Bundesgericht bisher nur
im Hinblick auf die disziplinarische Entlassung gezogen (BGE 56 I 406
E. 3; KIRCHHOFER, Die Disziplinarrechtspflege beim Bundesgericht, ZSR 52
(1933), S. 27; KERN, Das Dienstrecht des Bundespersonals, Diss. Bern
1935, S. 146), sie muss aber auch im Hinblick auf die administrative
Entlassung im Sinne von Art. 55 BtG gelten (ebenso JUD, Besonderheiten
öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse nach schweizerischem Recht,
insbesondere bei deren Beendigung aus nichtdisziplinarischen Gründen,
Diss. Freiburg/Schweiz 1975, S. 276, und BAUMANN, Der Einfluss des
Privatrechts, insbesondere des Rechts des Einzelarbeitsvertrages, auf die
Ausgestaltung des Bundesbeamtenverhältnisses, Diss. Basel 1976, S. 181
f.). Wohl wird in der publizierten Praxis wiederholt gesagt, dass eine
Wiedereinsetzung durch das Bundesgericht bei der zu Unrecht verfügten
administrativen Entlassung nicht in Frage komme (statt vieler BGE 56 I
406 E. 3). Dabei ist jedoch zu beachten, dass bis zur Revision des OG
von 1968 gegen Entlassungsverfügungen im Sinne von Art. 55 BtG lediglich
die verwaltungsrechtliche Klage (zur Durchsetzung vermögensrechtlicher
Ansprüche) offen stand und das Bundesgericht im Klageverfahren lediglich
vorfrageweise die Unrechtmässigkeit der administrativen Entlassung
überprüfen konnte. Nachdem jedoch heute die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auch gegen Entlassungsverfügungen im Sinne von Art. 55 BtG zulässig ist,
ist diese Rechtsprechung überholt (GRISEL, Droit administratif suisse,
S. 264).

    Nichts anderes lässt sich aus Art. 55 Abs. 4 BtG ableiten. Diese
Bestimmung behielt unter der Herrschaft des alten OG folgerichtig
Ansprüche "des Beamten auf Entschädigung wegen ungerechtfertigter
Umgestaltung oder Auflösung des Dienstverhältnisses" vor, weil gegen
die administrative Entlassung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
zulässig war. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass mit der Zulassung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die administrative Entlassung
Art. 55 Abs. 4 BtG dahingehend auszulegen wäre, dass die vorzeitige
Entlassung aus dem Dienstverhältnis vom Bundesgericht nicht aufgehoben
und lediglich eine Entschädigung bei ungerechtfertigter Entlassung
zugesprochen werden könnte. Eine solche Auslegung findet im Gesetz nach
Sinn und Wortlaut keine Stütze. Eine Lösung dieser Art müsste vielmehr
im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein, wie das beispielsweise im Kanton
Aargau (§ 59 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom
9. Juli 1968) der Fall ist. Sie stünde im übrigen mit der bisherigen
Praxis des Bundesgerichts insofern im Widerspruch, als diese den Weg
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde als zulässig erachtet, wenn der
Beamte seine Entlassung an sich anficht, ihn dagegen auf den Weg der
verwaltungsrechtlichen Klage verweist, wenn er lediglich eine Entschädigung
für die unrechtmässige Entlassung verlangt (nicht publizierter Entscheid
vom 9. Dezember 1977 i.S. B.). Dieser Dualismus der beiden Verfahrensarten
schliesst es aus, dass lediglich eine Entschädigung zugesprochen werden
kann.