Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 50



111 Ib 50

11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
8. Juli 1985 i.S. Bank X und Y gegen Obergericht des Kantons Luzern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 9 IRSG, Art. 69 Abs. 2 und 3 BStP.

    Siegelung im Verfahren betreffend Rechtshilfe in Strafsachen.

Sachverhalt

    A.- Die Staatsanwaltschaft Bremen ersuchte die schweizerischen
Behörden in einem Strafverfahren gegen den deutschen Staatsangehörigen
Y um Rechtshilfe, vor allem durch Beschlagnahme von Unterlagen über
seinen Geschäftsverkehr mit der Bank X, Niederlassung Luzern. Die Bank
stellte dem Amtsstatthalteramt Luzern-Land Fotokopien der verlangten
Akten zu mit der Bemerkung, sie seien zu versiegeln und aufzubewahren,
da die Weiterleitung nach Deutschland nicht gewünscht werde. Daraufhin
erliess das Amtsstatthalteramt eine Verfügung betreffend Beschlagnahme
der ihm von der Bank übergebenen Akten, in der darauf hingewiesen wurde,
dass diese Akten den Strafbehörden von Bremen übergeben werden müssten. Die
Bank und Y erhoben Rekurs beim Obergericht, das ihn abwies. Dagegen führen
sie Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer beanstanden weiter, dass die beschlagnahmten
Papiere entgegen ihrem Antrag nicht versiegelt worden seien. Sie berufen
sich auf Art. 9 IRSG in Verbindung mit dem dort angeführten Art. 69 des
Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BStP).

    a) Die Frage der Versiegelung der beschlagnahmten Akten haben die
Beschwerdeführer im kantonalen Rekursverfahren nicht aufgeworfen. Es
fehlt somit in diesem Punkt an einem letztinstanzlichen Entscheid,
weshalb insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Hieran
ändert nichts, dass der Vertreter der Beschwerdeführer erst während des
Laufs der Frist für die Anrufung des Bundesgerichts bemerkt haben will,
dass die Akten entgegen dem vor erster Instanz gestellten Antrag nicht
versiegelt wurden. Er hätte die Akten durchaus schon vor der Einreichung
des Rekurses an das Obergericht konsultieren können.

    b) Der Einwand wäre im übrigen auch der Sache nach unbegründet. Die
Versiegelung könnte höchstens vom Besitzer der Papiere verlangt werden
und nicht auch vom Angeschuldigten, der nicht gleichzeitig Besitzer
ist (Art. 69 Abs. 3 BStP). Der Antrag hätte daher nur von der Bank
gestellt werden können. Die Versiegelung bezweckt, dem Besitzer zu
ermöglichen, bei der Sichtung der Papiere durch die Behörde mitzuwirken
und gegebenenfalls die Aussonderung und Rückgabe von Akten zu beantragen,
die für die Untersuchung nicht von Bedeutung sein können (Art. 69 Abs. 2
und 3 BStP). Sie ist demnach immer dann geboten, wenn die Beschlagnahme
von Papieren ohne Vorankündigung erfolgt und der Besitzer ausserstande
ist, sich an Ort und Stelle darüber zu äussern, was für die Untersuchung
wesentlich sein könnte und was nicht. Im vorliegenden Fall verhält es sich
anders. Der Bank wurde ausreichend Zeit eingeräumt, um die mit den Konten
des Angeschuldigten zusammenhängenden Unterlagen selbst zusammenzustellen,
und es wurde ihr sogar ermöglicht, Namen von Drittpersonen abzudecken,
die nach ihrem Dafürhalten für die Untersuchung belanglos sind. Es
ist daher unerfindlich, welche Rechte sie nach Versiegelung in einem
Entsiegelungsverfahren noch ausüben möchte. Sie legt dies denn auch nicht
dar und hat es namentlich unterlassen, konkret zu sagen, welche der ihr
bestens bekannten Papiere allenfalls von der Übermittlung an die deutschen
Behörden ausgenommen werden sollten.