Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 290



111 Ib 290

53. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. April 1985
i.S. X. gegen Staat Aargau und Regierungsrat des Kantons Aargau
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 27 NSG, Art. 99 lit. c OG, Art. 48 VwVG und Art. 103
lit. a OG; Anfechtung des Einspracheentscheides über ein
Nationalstrassen-Ausführungsprojekt.

    Rechtsmittel gegen den Einspracheentscheid im Sinne von Art. 27 NSG
(E. 1a). Wer an einer Strasse wohnt, auf welcher der Verkehr infolge des
Autobahnbaus zunehmen könnte, ist zur Anfechtung des Ausführungsprojektes
noch nicht legitimiert (E. 1b). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
können weder die allgemeine Linienführung einer Nationalstrasse noch die
Anschlussstellen kritisiert werden, da diese bereits durch das Generelle
Projekt festgelegt worden sind (E. 1c).

Sachverhalt

    A.- Im April 1983 entschied der Regierungsrat des Kantons Aargau
über verschiedene Einsprachen gegen das Ausführungsprojekt für die
Nationalstrasse N3, Abschnitte 06 (Bözbergtunnel) und 07 (Bözbergtunnel
Südportal-Verzweigung N1/N3 Birrfeld). Er trat unter anderem auf die
Einsprache einiger in Villnachern wohnender Grundeigentümer und Mieter
nicht ein, da diese nicht legitimiert seien und im übrigen Einwendungen
erhöben, die sich gegen den Ausbau der Kantonsstrasse 474 und nicht gegen
den Nationalstrassenbau richteten.

    Gegen diesen Entscheid haben die Einsprecher
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und verlangt, dass das Projekt
und der zur Nationalstrasse führende Zubringer nicht genehmigt würden;
eventuell sei der Halbanschluss Wallbach aufzuheben. Das Bundesgericht
tritt auf die Beschwerde nicht ein aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Aargauer Regierungsrat hat mit dem Einspracheentscheid
in Anwendung von Bundesrecht eine Verfügung über Pläne getroffen. Solche
Verfügungen sind nur insoweit mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar,
als es sich um Entscheide über Einsprachen gegen Enteignungen oder
Landumlegungen handelt (Art. 99 lit. c OG). Steht kein derartiger
Rechtserwerb in Frage, ist keine Weiterzugsmöglichkeit ans Bundesgericht
gegeben und haben sich die Einsprecher mit verwaltungsrechtlicher
Beschwerde an den Bundesrat zu wenden (Art. 73 Abs. 1 lit. c und Art. 74
lit. a VwVG). Werden allerdings - wie hier - dieselben Pläne sowohl von
Enteigneten oder in ein Umlegungsverfahren Einbezogenen als auch von
weiteren Interessierten mit gleichen oder ähnlichen Rügen angefochten,
so behandelt das Bundesgericht aus Gründen der Rechtssicherheit und der
Prozessökonomie kompetenzausweitend sämtliche Beschwerden (vgl. BGE 110 Ib
401 E. 1c). Damit ist indessen erst die Frage des zulässigen Rechtsmittels
geklärt und bleibt jene der Beschwerdelegitimation zu prüfen.

    b) Nach Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 lit. a OG ist zur Beschwerde
bzw. zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die
angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an
deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher
oder auch nur tatsächlicher Natur sein, doch wird verlangt, dass der
Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung stärker als jedermann
betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung
zur Streitsache stehe (BGE 104 Ib 247 ff.; 110 Ib 100 f. E. 1a, 108 Ib 93,
250 f.)

    An einer solchen Betroffenheit und einer nahen Beziehung zur
Streitsache fehlt es hier. Die Beschwerdeführer wohnen in Villnachern,
rund 1 km von der projektierten Autobahn entfernt, haben kein Land an diese
abzutreten und werden durch den Autobahnverkehr in ihren nachbarlichen
Abwehrrechten nicht beeinträchtigt werden. Dass infolge der Errichtung der
N3 und des Halbanschlusses Wallbach der Verkehr auf der Kantonsstrasse
K474 zunehmen könnte, begründet noch kein schutzwürdiges Interesse an
der Anfechtung des Ausführungsprojektes, führt doch bekanntlich der
Nationalstrassenbau weit herum zu Änderungen des Verkehrsflusses auf dem
kantonalen und kommunalen Strassennetz und entsteht dadurch noch keine
beachtenswerte Beziehung der Strassenanstösser zur Autobahn selbst. Der
allfällige Ausbau der Kantonsstrasse 474 bildet weder Bestandteil
des Generellen noch des Ausführungsprojektes. Unter diesen Umständen
können die Einsprecher nicht zur Beschwerde zugelassen werden; anders
zu entscheiden hiesse, die vom Gesetzgeber verpönte "actio popularis"
einzuführen. Auf die eingereichte Rechtsschrift ist somit mangels
Legitimation der Beschwerdeführer nicht einzutreten.

    c) Selbst wenn über die fehlende Beschwerdebefugnis hinweggesehen
würde, könnte übrigens aus einem anderen Grunde auf die Vorbringen der
Beschwerdeführer nicht eingetreten werden.

    Die Beschwerde ist wohl im Anschluss an das Ausführungsprojekt erhoben
worden, richtet sich aber eigentlich nicht gegen dieses, sondern gegen das
vom Bundesrat am 28. Mai 1980 genehmigte Generelle Projekt, mit welchem die
nun beanstandete Linienführung der N3 und die Anschlussstelle in Wallbach
festgelegt worden sind (vgl. Art. 12 NSG). Angefochten werden kann jedoch
- mit entsprechend präziser und auf den Einzelfall bezogener Kritik -
nur das Ausführungsprojekt, während gegen das Generelle Projekt an sich
kein förmliches Rechtsmittel gegeben ist, sind doch Bundesratsentscheide
grundsätzlich, von einer einzigen gesetzlichen Ausnahme abgesehen (Art. 98
lit. a OG), der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BGE 99
Ib 266 ff. E. 2, 110 Ib 402). Soweit sich die Beschwerdeführer im weitern
dem Ausbau der Kantonsstrasse K474 widersetzen, sind ihre Vorbringen im
Einspracheverfahren nach Art. 27 NSG ebenfalls unzulässig.

Erwägung 2

    2.- Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind von den
unterliegenden Beschwerdeführern zu tragen. Eine Anwendung von Art. 116
EntG und Art. 115 Abs. 3 OG fällt ausser Betracht, da die Beschwerdeführer
nicht zu den Enteigneten zählen.