Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 269



111 Ib 269

50. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
10. Dezember 1985 i.S. Gemeinde Eggersriet gegen Marcel Anderegg und
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 5 Abs. 2 RPG; Verjährung einer Forderung aus materieller
Enteignung.

    1. Für die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist einer
Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung ist beim Schweigen
des Gesetzes nicht darauf abzustellen, wann der Betroffene die
Eigentumsbeschränkung und die möglicherweise darin liegende materielle
Enteignung erkennen konnte oder hätte erkennen können. Die zehnjährige
Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Inkrafttreten der
Eigentumsbeschränkung zu laufen (E. 3a/aa).

    2. Ist im öffentlichen Recht die Unterbrechung einer
Verjährungsfrist, welche zugunsten des Bürgers wirkt, von Amtes wegen zu
berücksichtigen? (Frage offengelassen - E. 3a/bb).

    3. Auch das Prinzip von Treu und Glauben (Art. 4 BV) vermag im
vorliegenden Fall an der Tatsache nichts zu ändern, dass die Forderung
aus materieller Enteignung im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung verjährt war
(E. 3a/cc).

Sachverhalt

    A.- Marcel Anderegg ist Eigentümer der Parzelle Nr. 833 in
Eggersriet. Das Gebiet westlich von Fürschwendi, in welchem sich das
Grundstück befindet, wurde durch den Zonenplan der Gemeinde Eggersriet
vom 16. Dezember 1970 dem Übrigen Gemeindegebiet zugewiesen. Eine
Überbauung war jedoch bei Erfüllung bestimmter, allerdings sehr strenger
Voraussetzungen nach wie vor möglich.

    Am 4. Februar 1972 teilte Marcel Anderegg dem Gemeinderat von
Eggersriet mit, er beabsichtige, in den nächsten Jahren auf seinem
Grundstück ein Einfamilienhaus zu bauen. Gleichzeitig ersuchte er die
Behörde um eine schriftliche Garantie, dass er das in ein paar Jahren
noch machen könne. Der Gemeinderat antwortete am 10. Februar 1972 wie
folgt: Sein Baugrundstück befinde sich im Landschaftsschongebiet;
die Gemeinde sollte deshalb in diesem Gebiet nach Möglichkeit eine
Bautätigkeit verhindern. Indessen würden diese Bestrebungen durch einen
Präzedenzfall zum vornherein erschwert, weshalb sich die Gemeinde
zur Erweiterung des GKP-Gebietes entschlossen habe. Diese Massnahme
habe zur Folge, dass die vom Baureglement geforderte Baureife für sein
Grundstück erfüllt sei. Allerdings sei er, der Gemeinderat, nicht in der
Lage, ihm mit absoluter Sicherheit zu sagen, ob er in ein paar Jahren
noch eine Wohnbaute auf seinem Grundstück erstellen könne. Bereits am
14. Juni 1972 ersuchte Marcel Anderegg den Gemeinderat Eggersriet um
die Erteilung der Baubewilligung für ein Einfamilienhaus. Am 10. August
1972 beschloss dieser, das Gebiet westlich von Fürschwendi zur Überbauung
freizugeben. In der Folge unterblieb aber der Erlass eines entsprechenden
Teilzonenplanes, und der Gemeinderat von Eggersriet wies am 20. Februar
1973 das Baugesuch von Marcel Anderegg unter Hinweis auf die am 1. Juli
1972 in Kraft getretenen planungsrechtlichen Bestimmungen des BG über den
Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Gewässerschutzgesetz) vom 8.
Oktober 1972 ab. Auch der Regierungsrat des Kantons St. Gallen wies am 6.
September 1977 einen von Marcel Anderegg dagegen erhobenen Rekurs und
ein eventualiter gestelltes Begehren um Einzonung der Bauparzelle in die
Wohnzone ab. Im Rahmen einer Zonenplanänderung wurde das Grundstück am
26. März 1979 der Landwirtschaftszone zugeteilt.

    Marcel Anderegg stellte am 16. Dezember 1982 beim Gemeinderat
Eggersriet das Begehren, es sei festzustellen, dass das Bauverbot
bezüglich seiner Parzelle Nr. 833 in Fürschwendi einen Eingriff bewirke,
der den Tatbestand der materiellen Enteignung erfülle. Der Gemeinderat
Eggersriet wies das Begehren am 31. Oktober 1983 wegen Verjährung
des Entschädigungsanspruches ab. Marcel Anderegg erhob Rekurs beim
Regierungsrat des Kantons St. Gallen. Dieser fand, der Anspruch sei noch
nicht verjährt, hob demgemäss den angefochtenen Entscheid auf und wies
die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an den
Gemeinderat Eggersriet zurück. Dieser wandte sich jedoch mit Beschwerde an
das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, welches das Rechtsmittel am
14. März 1985 abwies. Das Bundesgericht heisst eine gegen diesen Entscheid
erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Gemeinde Eggersriet gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Verwaltungsgericht hat trotz Fehlens einer Gesetzesvorschrift
für Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung eine
Verjährungsfrist von zehn Jahren angenommen. Dies steht in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 108 Ib 340 E. 5b mit
Hinweis) und ist im vorliegenden Verfahren zu Recht auch nicht in Frage
gestellt worden. Streitig ist jedoch der Beginn der Verjährungsfrist.

    a) Das Verwaltungsgericht und mit ihm der Regierungsrat und der
Beschwerdegegner gehen - gestützt auf bundesgerichtliche Urteile und
verschiedene Meinungen in der Literatur - davon aus, grundsätzlich
sei für den Beginn der Verjährung einer Entschädigungsforderung aus
materieller Enteignung auf das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung
abzustellen. Voraussetzung sei aber, dass der Betroffene in diesem
Zeitpunkt die in der Eigentumsbeschränkung liegende materielle Enteignung
habe erkennen können und dass er seine Forderung an sich sofort hätte
geltend machen und durchsetzen können. Es ist im folgenden zu prüfen,
ob diese Annahmen der bundesgerichtlichen Praxis entsprechen.

    aa) Das Bundesgericht hat in BGE 97 I 624 ff. entschieden, die
Verjährungsfrist habe spätestens an dem Tag zu laufen begonnen, an dem
das Bauverbot in Kraft getreten sei; es habe bereits in einem früheren
Urteil (BGE 93 I 144 ff.) dargelegt, es hänge von der rechtlichen und
wirtschaftlichen Qualifikation des Grundstücks in diesem Zeitpunkt
ab, ob der Eingriff enteignungsähnlich wirke. Von diesem Datum an
sei die Forderung fällig und der Betroffene könne sie geltend machen
(vgl. auch ANDRÉ GRISEL, Traité du droit administratif, Neuchâtel 1984,
S. 666). Damit legte das Gericht den Grundsatz fest, dass für den Beginn
der Verjährungsfrist das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung massgebend
ist. Dieses Prinzip wurde in der Folge durch die Rechtsprechung bestätigt
(BGE 109 Ib 17 E. 3 mit Hinweis; vgl. auch BGE 109 Ib 262/263 E. 2a sowie
IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel
1976, Nr. 130 B VII, S. 967). Auch BGE 108 Ib 334 ff. brachte in dieser
Hinsicht keine Änderung. Das Bundesgericht setzte in diesem Entscheid
vielmehr jenen Grundsatz voraus, denn es kam zum Schluss, bei dessen
Anwendung wäre der Anspruch verjährt. Aufgrund der konkreten Umstände
des Falles stellte es indessen fest, der Beginn der Verjährungsfrist
sei für die Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Eigentumsbeschränkung deshalb nicht klar erkennbar gewesen, weil zur Zeit
der Entstehung des Entschädigungsanspruches jedenfalls in den Kantonen
noch unklar war, ob Forderungen des öffentlichen Rechts und namentlich
solche aus materieller Enteignung bei Fehlen einer ausdrücklichen
Bestimmung überhaupt verjährten (E. 5c). Daraus kann aber nicht abgeleitet
werden, das subjektive Merkmal der Erkennbarkeit für den Betroffenen sei
integrierender Bestandteil des Grundsatzes. Es ist vielmehr so, und dies
zeigen die Erwägungen des Bundesgerichts im genannten Entscheid deutlich
(S. 341), dass dieses Element allein aufgrund der konkreten Umstände des
Falles und im Rahmen von Treu und Glauben Bedeutung erhalten kann. Das
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen verweist indessen zur Stützung
seiner Argumentation auch noch auf das Urteil des Bundesgerichts vom
15. Dezember 1971 (BGE 97 I 809 ff.). In diesem Entscheid wie auch
in BGE 93 I 130 ff., auf den verwiesen wird, war indessen nicht der
Verjährungsbeginn streitig, sondern der Bemessungszeitpunkt. Aus
diesen Urteilen kann schon deshalb kaum etwas für die vorliegende
Frage abgeleitet werden. Übrigens hat das Bundesgericht inzwischen
auch hinsichtlich des Bemessungszeitpunktes seine Praxis präzisiert. Es
stellt heute ausschliesslich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Eigentumsbeschränkung ab (BGE 111 Ib 82 E. 1 mit Hinweisen). Im soweit
ersichtlich einzig publizierten Entscheid neben BGE 108 Ib 334 ff.,
in dem der Beginn der Verjährungsfrist zu bestimmen war (BGE 97 I 624
ff.), hat das Bundesgericht aber gerade nicht darauf abgestellt, ob der
Betroffene in diesem Zeitpunkt die in der Eigentumsbeschränkung liegende
materielle Enteignung erkennen konnte. Das Gericht hat es auch in anderen,
verwandten Sachbereichen ausdrücklich abgelehnt, für den Beginn einer
Verjährungsfrist zusätzlich auf den Umstand abzustellen, ob der Betroffene
Kenntnis vom Schaden hatte oder bei gebotener Sorgfalt hätte haben können
(z.B. Entschädigungsanspruch aus formeller Enteignung wegen Immissionen
von Autobahnen oder wegen Schäden infolge öffentlicher Werke, BGE 105 Ib 13
E. 3c und d, 108 Ib 487 E. 3). In gleicher Weise hat der Bundesgesetzgeber
in denjenigen Fällen, in denen er die Verjährung einer Forderung aus
einer bestimmten materiellen Enteignung normiert hat, erklärt, für den
Beginn der Frist sei allein das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung
massgebend (Art. 25 Abs. 3 des BG über die Nationalstrassen vom 8. März
1960; Art. 44 Abs. 3 des BG über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948;
Art. 181 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957). Es trifft
zwar zu, dass bei gewissen Verjährungsregelungen im öffentlichen Recht
des Bundes das subjektive Element der Kenntnis eine Rolle spielt. Das
ist aber meist nur dann der Fall, wenn zwei Fristen, eine relative und
eine absolute normiert sind. Dabei beträgt die relative Frist höchstens
fünf, nie jedoch zehn Jahre (vgl. dazu BGE 98 Ib 357 E. 2b; 108 Ib
152 E. 4b). Für den Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung
infolge Planungsmassnahmen gemäss RPG aber gilt - sofern keine positive
kantonale Regelung besteht - gemäss konstanter Praxis eine einzige,
zehnjährige Verjährungsfrist. Diese Lösung beruht auf einer Abwägung der
Interessen sowohl des betroffenen Privaten wie auch des Gemeinwesens,
gegen das sich der Anspruch richtet (BGE 108 Ib 340 E. 5b mit Hinweisen;
vgl. auch ANDRÉ GRISEL, aaO, S. 666). Der vorliegende Fall gibt keinen
Anlass, diese Interessenabwägung zu überdenken.

    Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass für die Bestimmung des
Beginns der Verjährungsfrist einer Entschädigungsforderung aus materieller
Enteignung beim Schweigen des Gesetzes nicht darauf abzustellen ist, wann
der Betroffene die Eigentumsbeschränkung und die möglicherweise darin
liegende materielle Enteignung erkennen konnte oder hätte erkennen können.

    Die Autoren, die die Relevanz der Kenntnis bejahen, vermögen dagegen
nicht zu überzeugen. ULRICH ZIMMERLI (ZBl 1974/75, S. 158) begründet seine
Meinung nicht; PETER DILGER (Raumplanungsrecht der Schweiz, Zürich 1982,
S. 490 f.) übernimmt die Ansicht Zimmerlis ohne Kommentar und HEINZ
AEMISEGGER (Raumplanung und Entschädigungspflicht, Bern 1983, S. 78)
verweist bloss auf das Urteil des Bundesgerichts vom 28. April 1982
i.S. Sarnen (BGE 108 Ib 334 ff.).

    Auch wenn die Verjährung einer Forderung aus materieller Enteignung
grundsätzlich mit dem Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung zu laufen
beginnt, so bedeutet dies indessen noch nicht, dass die konkreten Umstände
des Falles überhaupt keinen Einfluss auf die Bestimmung dieses Zeitpunktes
haben können. Die Norm, welche die Eigentumsbeschränkung stipuliert, kann
so gestaltet sein, dass allein aus ihr ohne Berücksichtigung weiterer
Elemente der Eintritt einer Eigentumsbeschränkung für ein bestimmtes
Grundstück feststellbar ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein
voraussetzungsloses Bauverbot verhängt wird (vgl. dazu z.B. BGE 97 I 624
ff.; 93 I 130 ff.). Die gesetzliche Regelung kann aber auch Bedingungen
oder unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, so dass nur zusammen mit allen
Umständen des Einzelfalles der Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist
festlegbar ist. In einer solchen Situation kann zwar das Inkrafttreten
der Norm massgebend sein, braucht aber nicht. Als Beispiel ist etwa auf
Art. 19 und 20 des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober
1971 (GSchG) zu verweisen. Die Frage, ob diese Regelungen für ein
bestimmtes Grundstück eine Eigentumsbeschränkung zur Folge hatten, kann
nur unter Berücksichtigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände
des Einzelfalles entschieden werden. Die wichtigsten Variablen sind dabei
die Bauzone und das Generelle Kanalisationsprojekt (GKP). Die Situation
ist nicht dieselbe, ob eine Gemeinde am 1. Juli 1972 (Inkrafttreten des
GSchG) über eine rechtsgültige Bauzone und/oder nur über ein genehmigtes
GKP oder über keines von beiden verfügte (vgl. dazu BGE 101 Ib 193 E. 2a
303 E. 2; Urteil vom 22. September 1982 E. 2b, im ZBl 1983/84, S. 78;
als weiteres Beispiel BGE 105 Ib 15 E. 3d).

    Die Gemeinde Eggersriet besass 1972 eine gültige Zonenplanung, welche
das Gebiet Fürschwendi mit dem Grundstück des Beschwerdegegners dem Übrigen
Gemeindegebiet zuwies. Gemäss dem Gesetz über die Raumplanung und das
öffentliche Baurecht des Kantons St. Gallen vom 6. Juni 1972 (Baugesetz)
war in diesem Gebiet das Bauen nicht grundsätzlich untersagt (vgl. dazu
Art. 21 in der Fassung von 1972) und laut Art. 26 des damals gültigen
Baureglements der Gemeinde Eggersriet war das Übrige Gemeindegebiet
zwar zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung bestimmt, doch waren
auch andere Bauten zulässig, wenn sie die landschaftliche Umgebung
nicht verunstalteten und sofern die Erfordernisse der Erschliessung und
Baureife sowie der Abwasserbeseitigung einwandfrei erfüllt waren. Für
nichtlandwirtschaftliche Bauten in den Weilern "Fürschwendi" und "Büel"
galten die Vorschriften der Wohn- und Gewerbezone WG 2 (Art. 11). Diese
wenn auch sehr eingeschränkte Überbauungsmöglichkeit wurde indessen mit dem
Inkrafttreten des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes am 1. Juli 1972
definitiv aufgehoben: Gemäss der damals gültigen Fassung durften aufgrund
von Art. 19 dieses Gesetzes Baubewilligungen für den Neu- und Umbau
von Bauten und Anlagen aller Art nur noch innerhalb der Bauzone oder,
wo solche fehlten, innerhalb des im Generellen Kanalisationsprojekt
(GKP) abgegrenzten Gebiets erteilt werden, und das auch nur dann,
wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation gewährleistet war.
Beim Übrigen Gemeindegebiet handelt es sich aber um keine Bauzone im
Sinne des Gewässerschutzgesetzes (BGE 101 Ib 304 E. 2b). Zwar führte
schon damals in der Nähe des Grundstücks eine private Kanalisationsleitung
vorbei; indessen kann offenbleiben, ob damit die Parzelle innerhalb oder
ausserhalb des GKP der Gemeinde lag, denn aufgrund der ratio legis ist
auf alle Bauten ausserhalb bestehender Bauzonen die Ausnahmebestimmung
von Art. 20 Gewässerschutzgesetz anwendbar (BGE 101 Ib 193 E. 2a, 304
E. 2b). Eine Baubewilligung hätte somit nur erteilt werden dürfen, wenn
der Beschwerdegegner ein sachlich begründetes Bedürfnis hätte nachweisen
können (vgl. dazu den inzwischen aufgehobenen Artikel 27 der AGSchV). Das
aber konnte er offensichtlich nicht. Sein Grundstück war somit nach
dem Inkrafttreten des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes nicht mehr
überbaubar. Das hat zur Folge, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am
1. Juli 1972 zu laufen begann und am 30. Juni 1982 endete.

    Etwas anderes ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesgerichts vom
28. April 1982 i.S. Sarnen nicht (BGE 108 Ib 334 ff.). Das eidgenössische
Gewässerschutzgesetz als mögliche Ursache einer materiellen Enteignung
stand hier gar nicht zur Diskussion. Dass die Entschädigungsforderung
trotz des Ablaufs von zehn Jahren seit dem Inkrafttreten der massgebenden
Eigentumsbeschränkung nicht als verjährt angesehen werden konnte, war eine
Folge der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Ob dieses Prinzip
auch im vorliegenden Fall die Berücksichtigung von Umständen verlangt, die
zu einem anderen Ergebnis führen, ist in Erwägung 3a/cc zu prüfen. Auch
aus dem Urteil vom 22. September 1982 i.S. Aesch (ZBl 1983/84, S. 78
ff.) kann für die hier zur Entscheidung stehende Frage nichts abgeleitet
werden. Die Gemeinde Aesch besass im Zeitpunkt des Inkrafttretens des
eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes am 1. Juli 1972 weder einen
rechtsgültigen Zonenplan noch ein genehmigtes GKP. Die streitigen
Grundstücke wurden erst mit dem Erlass des ersten Zonenplanes der Gemeinde
definitiv nicht mehr überbaubar. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen
weist allerdings darauf hin, dass trotzdem kein grundlegend rechtlicher
Unterschied zwischen den beiden Fällen bestehe. Mit dem Inkrafttreten des
Gewässerschutzgesetzes hätte auch im Fall Aesch keine Baubewilligung mehr
erteilt werden dürfen, weil die Grundstücke nicht innerhalb des engeren
Baugebietes gemäss Art. 28 AGSchV (in der bis zum 31. Dezember 1979
gültigen Fassung) lagen. Dies mag zutreffen, kann aber nicht dazu führen,
im vorliegenden Fall die Umzonung in die Landwirtschaftszone als die
für den Beginn der Verjährungsfrist massgebliche Eigentumsbeschränkung
anzusehen. Vielmehr hätte unter diesen Umständen auch im Fall Aesch
der 1. Juli 1972 als Stichtag angenommen werden müssen. Erfasst man
die Erwägungen dieses Urteils als Ganzes, so ist festzustellen, dass
das Bundesgericht für den Entscheid in der Sache tatsächlich vor allem
auf die Wirkungen des Gewässerschutzgesetzes abgestellt und somit den
1. Juli 1972 als den wirklich massgebenden Zeitpunkt vorausgesetzt
hat. Zudem stand im Fall Aesch nicht die Frage der Verjährung von
Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung zum Entscheid,
sondern es war der massgebende Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage
festzulegen, ob eine materielle Enteignung überhaupt vorliege. Dasselbe
gilt für den Fall Amden (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom
23. Februar 1983). Auch hier war nicht über die Verjährung zu befinden. Im
übrigen war es für die Frage, ob materielle Enteignung vorliege, nicht von
entscheidender Bedeutung, ob auf den Stichtag des 1. Juli 1972 oder auf
denjenigen des Inkrafttretens des revidierten Zonenplanes abgestellt wurde.

    bb) Der Beschwerdegegner macht in seiner Vernehmlassung zu Recht
nicht geltend, er habe während der Verjährungsfrist keine Möglichkeit
gehabt, seine Entschädigungsforderung gerichtlich durchzusetzen (vgl. dazu
ANDRÉ GRISEL, aaO, S. 666; FRITZ ZWEIFEL, Zeitablauf als Untergangsgrund
öffentlich-rechtlicher Ansprüche, Basel 1960, S. 47 f.). Indessen hat er
in seinem Rekurs an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen die Einrede
erhoben, er habe mit seinem Rekurs vom 8. März 1973 an dieselbe Behörde
die Verjährungsfrist unterbrochen. Obwohl sich der in diesem Rechtsmittel
gestellte formelle Antrag lediglich auf das am 14. Juni 1972 eingereichte
Baugesuch und die Einzonung bezogen habe, gehe doch aus der Begründung
klar und deutlich hervor, dass er im Falle der Ablehnung seiner Anträge
eine Entschädigung wegen materieller Enteignung geltend mache. Vor
Bundesgericht hält er die Einrede in dieser Form nicht mehr aufrecht,
sondern begnügt sich mit einem allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit,
Verjährungsfristen zu unterbrechen.

    Die Verjährung von öffentlichrechtlichen Forderungen zum Nachteil
des gegen das Gemeinwesen klagenden Bürgers ist nicht von Amtes wegen
zu prüfen (BGE 106 Ib 364 E. 3a mit Hinweis). Ob dasselbe für die
Frage der Unterbrechung einer Verjährungsfrist gilt, die zugunsten des
Bürgers wirken würde, kann offenbleiben. Der Beschwerdegegner hat seine
Ansicht, das Bauverbot würde in schwerster Art gegen Treu und Glauben
verstossen, falls nicht entschädigt würde, gegenüber dem Regierungsrat
geäussert. Damit aber gelangte er klarerweise an die unzuständige Behörde
(vgl. dazu Art. 124 f. des Baugesetzes). Unabhängig davon, ob jene
Meinungsäusserung geeignet gewesen wäre, die Verjährung zu unterbrechen,
konnte sie somit von vornherein keine Wirkung entfalten.

    cc) Ein konkreter Fall kann Umstände aufweisen, denen im Rahmen
des Rechtsinstituts der Verjährung zu wenig oder gar nicht Rechnung zu
tragen ist. Hier kann der aus Art. 4 BV abgeleitete Grundsatz von Treu
und Glauben für die Verwirklichung der gebotenen Gerechtigkeit sorgen,
sei es als allgemeines Prinzip oder unter bestimmten Voraussetzungen
in der qualifizierten Form des Vertrauensschutzes (vgl. dazu BGE 103 Ia
508 E. 1; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil,
Bern 1985, S. 222 ff.; ANDRÉ GRISEL, aaO, S. 388 ff.; ARTHUR HAEFLIGER,
Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 218 ff.).

    Im Unterschied zum Fall in BGE 108 Ib 341 E. 5c war vorliegend
klar, dass auch öffentlichrechtliche Forderungen einer Verjährung
unterliegen. Der Beschwerdegegner musste also grundsätzlich mit einer
solchen Möglichkeit rechnen. Der Gemeinderat von Eggersriet hat ihm in
dieser Hinsicht auch nie irgendwelche Zusicherung abgegeben oder sonstwie
ein Verhalten an den Tag gelegt, das geeignet gewesen wäre, in ihm ein
Vertrauen auf den Fortbestand seiner Entschädigungsforderung hervorzurufen
oder zu bestärken. Ebenso wenig hat er ihn von der Geltendmachung seiner
Forderung abgehalten. Im Gegenteil, der Gemeinderat hatte bereits am
20. Februar 1973 das Baugesuch des Beschwerdegegners unter ausdrücklicher
Berufung auf die am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen planungsrechtlichen
Bestimmungen des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes abgelehnt. Mit
diesem Entscheid musste es dem Beschwerdegegner klar sein, dass er auf
seinem Grundstück nur noch werde bauen können, wenn es in die Bauzone
eingezont werden würde. Er hatte denn auch im Rekurs an den Regierungsrat
einen entsprechenden Eventualantrag gestellt und gleichzeitig darauf
hingewiesen, sollte er nicht bauen können, so würde das nach seiner
Meinung den Tatbestand der materiellen Enteignung erfüllen. Damit brachte
er unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Rechtslage richtig
einschätzte. Er unterliess es jedoch in der Folge, entsprechende Schritte
zur Wahrung seiner Rechte zu unternehmen und machte erst am 16. Dezember
1982 bei der Gemeinde seinen Anspruch geltend. Selbst nach dem negativen
Entscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 6. September
1977 hätte er bis zur Verjährung noch mehrere Jahre Zeit gehabt, seine
Forderung anzumelden. Dass er damit ohne Not solange zuwartete, hat er
allein zu vertreten. Auch das Prinzip von Treu und Glauben vermag somit
an der Tatsache, dass die Forderung des Beschwerdegegners aus materieller
Enteignung im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung am 16. Dezember 1982 verjährt
war, nichts zu ändern.