Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 26



111 Ib 26

6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Mai
1985 i.S. Blust und 18 Mitb. gegen Kanton Thurgau und Regierungsrat des
Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 98 und 99 lit. c OG; Landumlegungsverfahren gemäss Art.
30 ff. NSG; Pflicht zum Beitritt zu einer Landumlegungskorporation,
Art. 36 NSG.

    1. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen
Beschluss des Bundesrates über die Genehmigung einer generellen
Nationalstrassenprojektierung (E. 3a).

    2. Die Verpflichtung der Grundeigentümer zum Beitritt zu einer
Landumlegungskorporation ist Folge der der kantonalen Regierung
bundesrechtlich verliehenen Kompetenz, für den Strassenbau notwendige
Landumlegungen von Amtes wegen zu verfügen. Das Umlegungsverfahren kann
vor Rechtskraft des Ausführungsprojektes eingeleitet, jedoch erst nach
dessen Genehmigung abgeschlossen werden (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Die Kantone Thurgau und St. Gallen planen seit langem in
Zusammenarbeit mit dem Bund den Zubringer Arbon zur Autobahn N 1. Dieser
Zubringer soll u.a. Arbon und die Wohngebiete der Umgebung vom starken
Durchgangsverkehr entlasten und einen flüssigen Anschluss an die Autobahn
sicherstellen. In den siebziger Jahren stand das sogenannte Projekt
"Grenzstrasse" im Vordergrund, doch stiess es auf heftige Opposition,
da es Wohnquartiere berührte. Schon damals hatte der Regierungsrat des
Kantons Thurgau ein Landumlegungsverfahren für den Landerwerb vorgesehen.
Die Eigentümer der innerhalb des Perimeters gelegenen Grundstücke stimmten
am 5. Juli 1974 der Gründung einer Umlegungskorporation zu.

    Um den Einwendungen gegen das Projekt "Grenzstrasse" Rechnung
zu tragen, wurde eine neue Linienführung gewählt, die in grösserer
Entfernung von den Wohngebieten verläuft. Mit Beschluss vom 2. November
1982 stimmte der Regierungsrat dem neuen generellen Projekt des im Kanton
Thurgau gelegenen Teilstückes des Zubringers Meggenhus-Arbon-Wiedehorn
zu. Mit Beschluss vom 14. September 1983 genehmigte der Bundesrat das
entsprechende Projekt. Gegen das in der Folge verfasste Ausführungsprojekt,
das vom 5. April bis 4. Mai 1984 öffentlich auflag, führten zahlreiche
Grundeigentümer Einsprache, so auch die jetzigen Beschwerdeführer. Die
Einspracheverfahren sind noch nicht abgeschlossen.

    Um die Arbeiten für die Ausführung des Projektes voranzutreiben,
beschloss der Regierungsrat des Kantons Thurgau am 13. August 1984
die Erweiterung der Landumlegung zur Ausscheidung des Trassees des
Zubringers Arbon zur N 1 im Umfang gemäss Plan vom 1. August 1984, und
er verpflichtete die Eigentümer der im Plangebiet liegenden Grundstücke
zum Beitritt zur Landumlegungskorporation Arbon.

    Eugen Blust und 18 weitere Grundeigentümer führen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, mit der sie
beantragen, der Beschluss vom 13. August 1984 sei aufzuheben;
eventuell sei der Beschluss aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen,
zunächst die Rechtskraft der Entscheide über die Einsprachen gegen
das Ausführungsprojekt betreffend den streitigen Zubringer zur N 1
abzuwarten und danach, falls das vorliegende oder ein abgeändertes
Ausführungsprojekt in Rechtskraft erwachsen sollte, zunächst zu versuchen,
das notwendige Land auf dem Wege der freiwilligen Güterzusammenlegung
zu erwerben. Zur Begründung ihrer Beschwerde machen sie im wesentlichen
geltend, der Bundesrat habe seine Kompetenzen überschritten, als er das
über 8 km lange Strassenstück Meggenhus-Arbon-Wiedehorn als Zubringer
zur Autobahn und damit als eine der Nationalstrassengesetzgebung
unterstehende Strasse anerkannt habe. Da dies nicht richtig sei, könne
keine Landumlegung gestützt auf das Nationalstrassenrecht angeordnet
werden. Auch sehe weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht die
Möglichkeit vor, die Eigentümer zum Beitritt zu einer Umlegungskorporation
zu verpflichten. Es könne den Eigentümern überdies nicht zugemutet werden,
sich auf ein Umlegungsverfahren einzulassen, solange nicht feststehe,
ob das Ausführungsprojekt rechtskräftig werde.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Einwendung der Beschwerdeführer, beim umstrittenen
Zubringer Arbon handle es sich um eine Kantonsstrasse und nicht um
einen zur Nationalstrasse gehörenden Anschluss im Sinne von Art. 6
NSG, richtet sich in Wirklichkeit gegen den Beschluss des Bundesrates
vom 14. September 1983 über die Genehmigung des generellen Zubringers
Meggenhus-Arbon-Wiedehorn. Der Bundesratsbeschluss über die Genehmigung des
generellen Projektes ist jedoch nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anfechtbar (BGE 110 Ib 402 E. 3; 106 Ib 31 E. 12b; 99 Ib 206 ff. E. 3;
97 I 578 E. 1a).

    Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Einsprachen gegen die
generelle Linienführung grundsätzlich ausgeschlossen sein. Auch soll mit
der Genehmigung des Projektes die Linienführung im wesentlichen endgültig
feststehen (BGE 99 Ib 207 f. E. 3). Was für die Linienführung zutrifft,
hat auch für die Anerkennung einer Strasse als Anschlussbauwerk, welches
der Nationalstrassengesetzgebung untersteht, zu gelten, bildet diese
Anerkennung doch Voraussetzung für die Planung solcher Anschlüsse im Rahmen
der generellen Nationalstrassenprojektierung. Die Frage, wo und welche
Anschlüsse vorzusehen sind, ist im Rahmen der generellen Projektierung zu
prüfen (BGE 106 Ib 29 E. 12a). Diese ist vom Bundesamt für Strassenbau
(früher Eidg. Amt für Strassen- und Flussbau) in Zusammenarbeit mit den
interessierten Bundesstellen und Kantonen durchzuführen (Art. 12 und 13
NSG). Sie findet ihren Abschluss mit der Projektgenehmigung durch den
Bundesrat (Art. 20 NSG).

    In den Beschluss der Bundesversammlung über das Nationalstrassennetz
sind derartige Anschlussbauwerke nicht aufzunehmen. Die Bundesversammlung
hat einzig über die allgemeine Linienführung und die Art der zu
errichtenden Nationalstrassen zu entscheiden (Art. 11 NSG). Zur technisch
richtigen Ausgestaltung der Nationalstrassen als Verkehrsverbindungen
von gesamtschweizerischer Bedeutung gehören hingegen die Anschlüsse
mitsamt den erforderlichen Zufahrtsstrecken, vermöchten doch sonst die
Nationalstrassen ihren Auftrag, hohen verkehrstechnischen Anforderungen
zu genügen und eine sichere sowie wirtschaftliche Abwicklung des Verkehrs
zu gewährleisten (Art. 5 NSG), nicht zu erfüllen.

    Kann im Einspracheverfahren gemäss Art. 26 ff. NSG gegen das
Ausführungsprojekt die generelle Linienführung als solche nicht beanstandet
werden, so ist ein Einsprecher mit der Einwendung, ein als Anschlussbauwerk
anerkanntes Strassenstück sei nicht nationalstrassenbedingt, auch nicht
bei seiner Einsprache gegen die Anordnung einer Landumlegung, die dem
Landerwerb für den Strassenbau dient (Art. 30 ff. NSG), zu hören. Der
Regierungsrat durfte daher mit Recht vom Bundesratsbeschluss über die
Genehmigung des generellen Projektes ausgehen, welches mit erfolgter
Genehmigung grundsätzlich verbindlich geworden ist. Er war deshalb nicht
verpflichtet, auf die Einwendung der Beschwerdeführer, die umstrittene
Zufahrtsstrasse sei nicht nationalstrassenbedingt, näher einzugehen.

    Auch das Bundesgericht ist nicht befugt zu prüfen, ob der
Bundesrat das Strassenstück Meggenhus-Arbon-Wiedehorn zu Recht als
Teil der Nationalstrasse N 1 anerkennen durfte. Die dem Bundesrat
zugewiesene Plangenehmigungskompetenz ist nicht dem Erlass einer
unselbständigen Verordnung des Bundesrates gleichzusetzen, die vom
Bundesgericht daraufhin überprüft wird, ob sie den Rahmen der im Gesetz
delegierten Kompetenzen sprenge oder aus anderen Gründen gesetzes- oder
verfassungswidrig sei (BGE 103 Ib 139 E. 4a mit Verweisungen). Sie stellt
vielmehr eine dem Bundesrat zugewiesene Kompetenz des Gesetzesvollzuges
im Nationalstrassenrecht dar, die der bundesgerichtlichen Kontrolle
entzogen ist (Art. 98 OG). Die Einwendung der Beschwerdeführer, der
Zubringer Arbon sei nicht nationalstrassenbedingt, richtet sich - wie
erwähnt - nicht eigentlich gegen das Ausführungsprojekt. Es handelt
sich dabei nicht um eine Einwendung, welche ein Eigentümer vortragen
kann, um darzutun, das Ausführungsprojekt verstosse im Bereich seines
Grundstückes gegen Bundesrecht. Einzig eine solche Einwendung kann er
indessen vorbringen, auch wenn ihre Gutheissung eine begrenzte Änderung
der generellen Linienführung zur Folge haben sollte. Doch kann er sich
nicht darauf beschränken, unter Geltendmachung allgemeiner öffentlicher
Interessen die generelle Linienführung als solche zu beanstanden (BGE 99 Ib
209 E. 3). Nur dies tragen die Beschwerdeführer aber in Wirklichkeit vor,
wenn sie sich dagegen zur Wehr setzen, dass der Bundesrat das umstrittene
Strassenstück als Teil der Nationalstrasse anerkannt hat, womit dem Kanton
der entsprechende hohe Bundesanteil an die Erstellungskosten zukommt.

    Auf die Beschwerde ist daher insoweit nicht einzutreten, als die
Beschwerdeführer geltend machen, der Bundesratsbeschluss über die
Genehmigung des generellen Projektes verletze das Nationalstrassengesetz.

    b) Somit kann sich einzig fragen, ob der Regierungsrat im
Hinblick auf die Realisierung des umstrittenen Strassenprojektes die
Erweiterung der bereits 1974 eingeleiteten Landumlegung beschliessen
und die Beschwerdeführer zum Beitritt zur Landumlegungskorporation
verpflichten durfte, bevor das Ausführungsprojekt rechtskräftig wurde,
oder ob er damit bis zur Genehmigung des Ausführungsprojektes hätte
zuwarten müssen, wie dies für die Beschlussfassung über eine allfällige
Enteignung zutrifft. Soll der Landerwerb für eine Nationalstrasse
im Enteignungsverfahren erfolgen, so ersetzt die Genehmigung des
Ausführungsprojektes den Entscheid über Einsprachen gegen die Enteignung
(Art. 35 lit. a und 55 EntG; BGE 108 Ib 507 E. 2). Das Enteignungsverfahren
beschränkt sich auf die Behandlung der angemeldeten Forderungen;
Einsprachen gegen die Enteignung sowie Begehren, die eine Planänderung
bezwecken, sind ausgeschlossen (Art. 39 Abs. 2 NSG). Die Genehmigung des
Ausführungsprojektes muss deshalb vorliegen, bevor das auf die Behandlung
der Forderungen beschränkte Enteignungsverfahren eingeleitet werden kann
(BGE 109 Ib 133 E. 2b; 99 Ib 490 E. 2).

    Für die Einleitung eines Umlegungsverfahrens gilt dies hingegen
nicht. Dieses Verfahren wickelt sich im Rahmen der Grundsatzbestimmungen
des Nationalstrassengesetzes nach kantonalem Recht ab (Art. 32
Abs. 2 NSG; vgl. BGE 105 Ib 96 ff. E. 5 und 6 sowie 109 ff. E. 2 und
3). Soweit Güterzusammenlegungen in Aussicht genommen werden - wie
dies im vorliegenden Falle zutrifft -, sind gemäss bundesrechtlicher
Anordnung Vorprojekte hiefür wenn möglich gleichzeitig mit den generellen
Strassenprojekten aufzustellen (Art. 33 NSG). Dass zu diesem Zwecke nach
kantonalem Recht Umlegungskorporationen gebildet werden können, liegt im
Interesse der betroffenen Eigentümer, wird doch damit deren Mitsprache
gewährleistet. Die von den Beschwerdeführern beanstandete Verpflichtung
der Eigentümer zum Beitritt zur Korporation ist Folge der der kantonalen
Regierung bundesrechtlich verliehenen Kompetenz, für den Strassenbau
notwendige Landumlegungen von Amtes wegen zu verfügen (Art. 36 NSG;
vgl. BGE 105 Ib 99 f. E. 6a und 109 f. E. 2a).

    Zur Klarstellung ist freilich festzuhalten, dass der Abschluss des
Umlegungsverfahrens mit der Neuzuteilung der einbezogenen Grundstücke
erst nach der Genehmigung des Ausführungsprojektes erfolgen kann. Die
Ausscheidung und Abtretung des für den Strassenbau benötigten Landes setzt
die Verbindlichkeit der im Ausführungsprojekt festgesetzten Strassengrenzen
voraus. Die Vorarbeiten für die neue Grundstückseinteilung - die Aufnahme
des Altbestandes und die Ausarbeitung des Neuzuteilungsentwurfs
einschliesslich der Ermittlung allfälliger Entschädigungs- und
Ausgleichszahlungen (Art. 31 Abs. 2 und 35 NSG) - können hingegen vorher
ausgeführt werden. Mit Rücksicht auf den erfahrungsgemäss erheblichen
Zeitaufwand, der für die Neuordnung der Grundstücke aufgewendet werden
muss, ist ein solches Vorgehen zweckmässig, auch wenn es das Risiko
einschliesst, dass im Falle der Nichtgenehmigung eines Projektes oder
von Änderungen, welche die Genehmigungsbehörde verfügt, gewisse Arbeiten
hinfällig werden.

    Wird im vorliegenden Falle ausserdem berücksichtigt, dass die
Erweiterung des Umlegungsperimeters erst nach der durch den Bundesrat
erfolgten Genehmigung des generellen Projektes beschlossen worden ist und
dass dieses - wie dargelegt - die Linienführung im wesentlichen endgültig
festlegen soll, so ergibt sich auch, dass die Wahrscheinlichkeit einer
unnützen Inanspruchnahme der Eigentümer gering und ihnen deshalb in
ihrem eigenen Interesse zuzumuten ist, sich an den Vorarbeiten zu
beteiligen. Ihre Mitwirkung in der Korporation schliesst auch eine
Einigung über die Neuzuteilung auf freiwilliger Basis nicht aus. Das
Vorgehen der Regierung führt daher nicht zu einem Verstoss gegen
die Regel des Art. 30 NSG über die Landerwerbsarten. Wird die Grösse
des Perimeters berücksichtigt, und werden ebenfalls die Vorteile des
Umlegungsverfahrens für den Landerwerb beachtet - es verteilt die Last
der Landabtretung auf zahlreiche Eigentümer und führt in der Regel zu
einer für die Bewirtschaftung rationelleren Grundstückseinteilung (BGE
105 Ia 326 E. 2c mit Verweisungen; 105 Ib 109 E. 2a) -, so ist auch die
Annahme des Regierungsrates nicht zu beanstanden, ein freihändiger Erwerb
des für die Strasse benötigten Landes falle ausser Betracht.