Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 209



111 Ib 209

42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. Oktober 1985 i.S. Dr. X. gegen Kantonales Steueramt
Zürich und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Revision einer rechtskräftigen Wehrsteuerveranlagung.

    Eine Revision ist ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige das, was
er im Revisionsgesuch vorbringt, bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon
im ordentlichen Veranlagungs- oder Rechtsmittelverfahren hätte geltend
machen können (E. 1).

Sachverhalt

    A.- Dr. X., von Beruf Chemiker, arbeitete bis Ende Februar 1977 als
Angestellter in Thalwil. Ab 1. März 1977 war er als Berater für die Firma
Y. S.A. in Brüssel tätig.

    Im Veranlagungsverfahren für die Wehrsteuer der 19. Periode (1977/78)
und der 20. Periode (1979/80) stellten sich die Steuerbehörden
auf den Standpunkt, Dr. X. sei Angestellter der Y. S.A. und
habe, da er in der Schweiz wohne, sein gesamtes Einkommen in der
Schweiz zu versteuern. Dr. X. vertrat zunächst die Auffassung, er sei
Selbständigerwerbender und unterhalte in Belgien eine Betriebsstätte. In
der Folge akzeptierte er jedoch die Einschätzungsvorschläge
der Steuerbehörden im Einspracheverfahren (19. Periode) bzw. im
Veranlagungsverfahren (20. Periode). Die entsprechenden Veranlagungen
sind rechtskräftig.

    Im Rahmen des Verfahrens um Festsetzung der von Dr. X. auf
den Beraterhonoraren geschuldeten AHV-Beiträge gelangte das Eidg.
Versicherungsgericht mit Urteil vom 9. April 1984 zur Auffassung,
der Pflichtige sei Selbständigerwerbender gewesen und habe in
Brüssel eine Betriebsstätte unterhalten. Dr. X. verlangte daraufhin
von den Steuerbehörden, die Einschätzung für die Wehrsteuer der
19. und der 20. Periode neu vorzunehmen. Das Bundesgericht weist eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Dr. X. gegen den ablehnenden Entscheid
der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich ab aus den folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Revision rechtskräftiger Veranlagungen ist im
Wehrsteuerbeschluss (WStB; heute: BdBSt) nicht ausdrücklich
vorgesehen. Eine - im vorliegenden Fall nicht zutreffende -
Ausnahme bildet nur das Nach- und Strafsteuerverfahren gemäss Art. 129
ff. WStB. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat indessen ein
Steuerpflichtiger in Anlehnung an die Art. 136 und 137 OG einen Anspruch
auf Revision einer rechtskräftigen Veranlagung oder eines rechtskräftigen
Einsprache-Entscheides, (a) wenn er entweder neue wesentliche Tatsachen
oder Beweismittel vorbringt, deren Geltendmachung ihm im früheren
Verfahren nicht möglich gewesen ist, oder (b) wenn die veranlagende oder
entscheidende Behörde wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt hat oder
(c) wenn Tatsachen nicht berücksichtigt wurden, die für die Beurteilung der
Steuerforderung wesentlich gewesen wären und den amtlichen Akten hätten
entnommen werden können (BGE 105 Ib 251 E. 3a; 74 I 406/7 E. 3; ASA 34,
150 E. 2, je mit Hinweisen auf die vom Bundesgericht im Bereiche anderer
eidgenössischer Abgaben und kantonaler Steuern entwickelte Rechtsprechung;
vgl. dazu auch MASSHARDT, Wehrsteuerkommentar, Ausgabe 1980, N 13 ff. zu
Art. 111 WStB; KÄNZIG, Wehrsteuer, 1. A., N 8 zu Art. 126 WStB).

    Eine Revision ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige
das, was er im Revisionsgesuch vorbringt, bei der ihm zumutbaren Sorgfalt
schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (BGE 105
Ib 251/2 E. 3a; ASA 49, 209 E. 2b; 34, 152 E. 4, je mit zahlreichen
Hinweisen). Insbesondere kann der ausserordentliche Rechtsbehelf der
Revision nicht mit Einwendungen begründet werden, die im ordentlichen
Rechtsmittelverfahren hätten erhoben werden können (ASA 49, 323, mit
Hinweisen). Eine andere Auffassung liesse sich mit den Erfordernissen
der Rechtssicherheit kaum vereinbaren. Aus diesem Grund ist die Revision
einer Veranlagungsverfügung, eines Einsprache-Entscheids oder eines
Beschwerde-Entscheids der kantonalen Rekurskommission wegen Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften oder wegen Nichtberücksichtigung von
aktenmässig bekannten Tatsachen in den seltensten Fällen möglich. Im
Gegensatz zum klassischen Revisionsgrund der nachträglich entdeckten
neuen Tatsachen und Beweismittel sind die beiden anderen, in der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung dem Grundsatz nach anerkannten
Revisionsgründe im wesentlichen nur auf letztinstanzliche Urteile
zugeschnitten.

    Eine Revision ist schliesslich ausgeschlossen, wenn der
Steuerpflichtige bloss seine mangelnde Rechtskenntnis im ordentlichen
Veranlagungsverfahren (BGE 75 I 311; 70 I 170) oder eine nach seiner
Auffassung falsche rechtliche Betrachtungsweise der entscheidenden oder
veranlagenden Behörden (BGE 105 Ib 251/2 E. 3a; ASA 39, 391 E. 3 in fine)
geltend macht (vgl. zum Ganzen auch eingehend STEINMANN, Die Revision im
Wehrsteuerrecht, StR 34 (1979) S. 194 ff.).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht als Revisionsgrund einmal eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, nämlich der Art. 95
und Art. 102 Abs. 2 WStB, geltend.

    a) Diese Rügen hätten der Beschwerdeführer bereits im ordentlichen
Veranlagungsverfahren erheben können; denn die behaupteten Mängel wären
ohne weiteres schon damals erkennbar gewesen. Die entsprechenden Vorbringen
sind daher von vornherein nicht zu einer Revision der in Frage stehenden
Veranlagungen geeignet. Sie wären im übrigen auch bei einer materiellen
Beurteilung nicht begründet.

    b) Der Beschwerdeführer will nämlich eine Verletzung von Art. 102
Abs. 2 WStB einzig darin erblicken, dass sein Gesuch vom 1. Mai 1980 um
Aufschub der Wehrsteuereinschätzung bis Mitte Juli 1980 mit Brief vom
7. Mai 1980 abgelehnt worden sei. Es sei ihm das Recht verweigert worden,
seine Begehren mündlich zu begründen und seine Beweise vorzulegen. In ihrem
Schreiben vom 7. Mai 1980 teilten die Steuerbehörden dem Beschwerdeführer
mit, dass die Eröffnung der bereits erfolgten Wehrsteuereinschätzung nicht
mehr verhindert werden könne, und empfahlen ihm, dagegen Einsprache
zu erheben. Somit wurde das Gesuch des Beschwerdeführers nicht im
Einspracheverfahren abgewiesen und konnte damit von vornherein Art. 102
Abs. 2 WStB nicht verletzen.

    c) Inwiefern die strittigen Veranlagungen Art. 95 WStB verletzen
sollen, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Gemäss seiner Beschwerde an
die Bundessteuer-Rekurskommission sollen offenbar die Steuerbehörden
diese Bestimmung dadurch verletzt haben, dass sie in der vom
Beschwerdeführer im Einspracheverfahren (19. Periode) unterzeichneten
Erklärung weder Steuersatz noch Steuerbetrag aufführten. Steuersatz
und Steuerbetrag müssen jedoch nicht in einer Rückzugserklärung im
Einspracheverfahren enthalten sein. Es genügt, wenn diese Angaben in
der Veranlagungseröffnung aufgeführt sind. Der Beschwerdeführer behauptet
nicht, die Veranlagungsverfügung, gegen die er die - mit seiner Erklärung
vom 14. Oktober 1980 zurückgezogene - Einsprache erhoben hatte, habe den
Steuersatz und den Steuerbetrag nicht angegeben.

Erwägung 3

    3.- Auch mit den anderen vorgebrachten Rügen lässt sich das
Revisionsgesuch des Beschwerdeführers nicht begründen.

    a) Im wesentlichen stützt sich der Beschwerdeführer auf das Urteil
des Eidg. Versicherungsgerichts vom 9. April 1984. Die von der Auffassung
der Veranlagungsbehörden abweichende rechtliche Beurteilung durch das Eidg.
Versicherungsgericht führt jedoch nicht zur Revision der rechtskräftigen
Wehrsteuerveranlagungen. Der Beschwerdeführer hätte seine ursprüngliche
und später vom Eidg. Versicherungsgericht geteilte Rechtsauffassung im
ordentlichen Veranlagungsverfahren, gegebenenfalls unter Ausschöpfung
der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel, geltend machen müssen.

    b) Neue Tatsachen oder Beweismittel bringt der Beschwerdeführer nicht
vor. Das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts stellt jedenfalls keine
neue erhebliche Tatsache dar, wären doch die Steuerbehörden an die darin
vertretene rechtliche Würdigung selbst dann nicht gebunden gewesen, wenn
dieses Urteil vor der rechtskräftigen Veranlagung bereits vorgelegen hätte.

    Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, sein Einkommen aus der
Beratertätigkeit sei nach der rechtskräftigen Veranlagung zur Wehrsteuer
der 19. und der 20. Periode auch in Belgien besteuert worden. Es kann
daher offenbleiben, ob in einer solchen Besteuerung ein Revisionsgrund
zu erblicken wäre, wenn er ihn rechtzeitig geltend gemacht hätte.

    c) Der Beschwerdeführer irrt sodann, wenn er den Steuerbehörden
vorwirft, sie hätten wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt, die sie
den Akten hätten entnehmen können. Die Veranlagungsbehörden haben den
Beschwerdeführer aufgrund des von ihm eingereichten - unvollständigen -
Beratervertrages mit der Y. S.A. als Unselbständigerwerbenden betrachtet
und dementsprechend sein Büro in Belgien nicht als Betriebsstätte
eingestuft. Damit haben sie nicht aktenkundige Tatsachen übersehen, sondern
aufgrund der vorhandenen Akten eine rechtliche Würdigung vorgenommen, die
der Beschwerdeführer im ordentlichen Einsprache- oder Beschwerdeverfahren
hätte bestreiten können, jedoch nicht in einem Revisionsverfahren.