Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IB 126



111 Ib 126

27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Juni
1985 i.S. X.-Bank gegen Eidgenössische Bankenkommission
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Bankenaufsicht; Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit (Art. 3
Abs. 2 lit. c BankG).

    Die Mitwirkung einer Bank bei fiktiven Geschäften zur Abwendung einer
drohenden Beschlagnahme oder eines drohenden Arrests lässt sich mit dem
Gebot einwandfreier Geschäftstätigkeit nicht vereinbaren.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 23bis Abs. 1 BankG trifft die Eidgenössische
Bankenkommission (EBK) die zum Vollzug des Gesetzes nötigen Verfügungen
und überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften.

    a) Voraussetzung für die Ausübung der Bankentätigkeit ist die dauernde
Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit (Art. 3 Abs. 2 lit. c,
Art. 23quinquies BankG; BGE 108 Ib 190 f. E. 3a). Eine einwandfreie
Geschäftstätigkeit gebietet, dass die Bank keine rechts- und sittenwidrigen
Geschäfte tätigt (BGE 108 b 190 E. 3, 193 E. 5a; 106 Ib 148 f.). Auch wenn
das Bankengesetz hauptsächlich bezweckt, die Bankgläubiger vor Verlusten
zu bewahren (BGE 108 Ib 522 E. 5aa mit Hinweisen), so bezieht sich die
Bankenaufsicht nicht allein auf die Solidität und Sicherheit der Banken,
sondern insgesamt auf deren Vertrauenswürdigkeit (Art. 3 Abs. 2 lit. c,
Art. 4quater BankG; GYGI, Les objectifs de la loi, in: Internationales
Kolloquium Vorentwurf zum Schweizerischen Bankengesetz, S. 165 f.;
NOBEL, Die Sorgfaltspflicht des Bankiers, in: 50 Jahre eidgenössische
Bankenaufsicht, S. 218; HIRSCH, Les objectifs de la loi sur les banques,
in: 50 Jahre eidgenössische Bankenaufsicht, S. 277 f.). Die Verwicklung
in rechts- oder sittenwidrige Geschäfte kann das Vertrauen nicht nur
in die betroffene Bank, sondern in die Schweizer Banken ganz allgemein
beeinträchtigen. Die Banken haben deshalb die wirtschaftlichen Hintergründe
eines Geschäfts abzuklären, wenn Anzeichen darauf hindeuten, dass dieses
Teil eines unsittlichen oder rechtswidrigen Sachverhalts bilden könnte
(BGE 106 Ib 148 f., E. 2), und haben sich entsprechend einer Mitwirkung an
unrechtmässigen oder sittenwidrigen Geschäften eines Kunden zu enthalten.

    Hilft eine Bank einem Kunden bei der Abwicklung eines Geschäfts,
das eine - selbst nur eventuelle - Täuschung der Behörden (insbesondere
im Rahmen einer Schuldbetreibung, vgl. Art. 163 ff. StGB) oder eine
widerrechtliche Vermögensschädigung Einzelner (vgl. Art. 137 ff. StGB)
bezweckt, so ist ihre Geschäftstätigkeit zu beanstanden; ein solches
Verhalten würde unter Umständen sogar die verantwortlichen Organe
einer Strafverfolgung aussetzen (vgl. Art. 25 StGB). Die Mitwirkung bei
fiktiven Geschäften, die dazu bestimmt sind, die Bank als Inhaberin einer
in Wirklichkeit nicht bestehenden Forderung oder eines in Wirklichkeit
nicht bestehenden dinglichen Rechts erscheinen zu lassen, um eventuell
eine drohende Beschlagnahme oder einen drohenden Arrest zu verhindern,
lässt sich daher mit dem Gebot einwandfreier Geschäftstätigkeit nicht
vereinbaren. Das gilt auch gegenüber Massnahmen ausländischer Behörden
oder von Drittpersonen mit Wohnsitz im Ausland; ob in einzelnen
Fällen der Schutz höherer Interessen eine Ausnahme zu rechtfertigen
vermöchte, kann hier dahingestellt bleiben. Unerheblich ist auch,
dass die zwischen den unterzeichnenden Banken und der Schweizerischen
Bankiervereinigung einerseits sowie der Schweizerischen Nationalbank
andererseits abgeschlossene Vereinbarung über die Sorgfaltspflicht
der Banken bei der Entgegennahme von Geldern und über die Handhabung
des Bankgeheimnisses (VSB) vom 1. Juli 1982 den Banken lediglich
verbietet, Täuschungsmanövern ihrer Kunden gegenüber Behörden des In-
und Auslandes durch irreführende Bescheinigung Vorschub zu leisten (Art. 9
VSB). Unbekümmert darum, ob dieser Vereinbarung öffentlichrechtlicher oder
ausschliesslich privatrechtlicher Charakter zukommt (vgl. dazu BGE 109 Ib
154), verpflichtet sie die EBK bei der Auslegung des Art. 3 Abs. 2 lit. c
BankG nicht, da sie weder an der gesetzlichen Ordnung des Bankengesetzes
noch an der Aufsichtskompetenz der EBK etwas zu ändern vermag.