Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IA 67



111 Ia 67

14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6.
Februar 1985 i.S. Einwohnergemeinde Trimbach gegen Regierungsrat des
Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Gemeindeautonomie. Kanton Solothurn; Genehmigung eines
Gestaltungsplanes durch den Regierungsrat.

    Der Regierungsrat des Kantons Solothurn verletzt die Gemeindeautonomie,
wenn er anstelle des für die Beschlussfassung zuständigen Gemeinderates
einen Gestaltungsplan festsetzt, ohne dass die Voraussetzungen für eine
Ersatzvornahme gegeben sind (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Einwohnergemeinde Olten beabsichtigt die Erstellung einer
Schiessanlage auf Land der Bürgergemeinde Olten im Obererlimoos,
Gemeinde Trimbach. Im November 1980 beschlossen die Stimmbürger der
Einwohnergemeinde Olten den notwendigen Kredit. Die Stimmbürger der
Einwohnergemeinde Trimbach verwarfen am 26. Juni 1983 deutlich eine
Vorlage zur Beteiligung an dieser Schiessanlage mit Fr. 700'000.--.

    In der Annahme, er sei gemäss dem Baugesetz des Kantons Solothurn
(BauG) zur Auflage eines Gestaltungsplanes für die Schiessanlage
verpflichtet, beschloss der Gemeinderat von Trimbach am 26. August
1983 die Einleitung des Verfahrens und gleichzeitig die Erhebung einer
Einsprache. Während der Planauflage erhob die Einwohnergemeinde Trimbach
neben neun Privatpersonen und zwei Schiessgesellschaften Einsprache. Sie
wandte sich gegen die Realisierung des Projektes in dem ausserhalb des
Baugebietes liegenden Obererlimoos, wobei sie im wesentlichen geltend
machte, die Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24
des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) seien
nicht gegeben, da die Schiessanlage nicht standortgebunden sei und
überdies das dort ausgeschiedene Jura-Schutzgebiet beeinträchtige. Die
Projektverwirklichung käme überdies einer Missachtung des klaren
Volkswillens, wie er in der Ablehnung der Beteiligungsvorlage zum Ausdruck
gebracht worden sei, gleich. Ein kommunaler Beschluss über den aufgelegten
Gestaltungsplan erging nicht.

    Am 17. Juli 1984 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Solothurn den
Gestaltungsplan "Schiessanlage Obererlimoos" und wies die dagegen erhobenen
Einsprachen ab. In formeller Hinsicht erwog er, dass die Einwohnergemeinde
Trimbach als Einsprecherin nicht über den Plan befinden könne, sondern
in den Ausstand zu treten habe, wogegen sie zur Einsprache legitimiert sei.

    Gegen den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Solothurn führt
die Einwohnergemeinde Trimbach staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 4 BV und der Gemeindeautonomie.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführerin sieht eine Verletzung ihrer
Gemeindeautonomie darin, dass die kantonale Behörde über die Köpfe der
Einwohnerschaft hinweg und entgegen dem erklärten ausdrücklichen Willen
der Stimmbürger zugunsten einer anderen Gemeinde ein immissionsträchtiges
Grossprojekt von lediglich kommunaler Bedeutung bewilligt habe.

    b) Die solothurnische Einwohnergemeinde erlässt die für die
Ortsplanung erforderlichen Nutzungspläne. Zum Erlass des Zonenplanes und
der Erschliessungspläne ist sie gehalten (§ 14 Abs. 1 BauG), zum Erlass von
Gestaltungsplänen befugt (§ 14 Abs. 2 BauG). Zuständig zum Beschluss über
den Nutzungsplan ist der Gemeinderat, welcher gleichzeitig die dagegen
eingelangten Einsprachen beurteilt (§ 16 Abs. 2 BauG). Entscheide der
Gemeindebehörden über Pläne können in erster oder - bei gemeindeinternem
Rechtsmittelverfahren - zweiter Instanz beim Regierungsrat mit Beschwerde
angefochten werden (§ 17 BauG). Dieser hat die Nutzungspläne auch zu
genehmigen, wobei er sie auf Recht- und Zweckmässigkeit hin überprüft (§
18 BauG).

    c) Gestaltungspläne dienen der Wahrung besonderer planerischer und
baurechtlicher Anliegen (§ 44 BauG). Sie sind unabdingbar unter anderem für
Bauten und Anlagen mit schädlichen oder stark störenden Auswirkungen (Lärm,
Rauch, Gestank usw.) oder mit grossem Verkehrsaufkommen (§ 46 lit. b BauG).

    Die Beschwerdeführerin unterstellte die Schiessanlage der
Einwohnergemeinde Olten der Gestaltungsplanpflicht nach § 46 lit. b
BauG. Aufgrund dieses Obligatoriums erachtete sie sich gleichzeitig als
verpflichtet, eine entsprechende Planvorlage öffentlich aufzulegen. Ob
der Gemeinderat von Trimbach diese Verpflichtung zu Recht annahm,
kann offenbleiben, da die Planauflage erfolgte. Immerhin ist
festzuhalten, dass der Vorbehalt einer Sonderbauordnung für bestimmte
Bauvorhaben im allgemeinen die Gemeinde nicht verpflichtet, ihr von
Bauwilligen eingegebene Pläne auch öffentlich aufzulegen, sofern
sie mit deren Inhalt nicht einverstanden ist (ZAUGG, Die Zone für
Sonderbauvorschriften im Baurecht Bernischer Gemeinden, in: Berner Festgabe
zum Schweiz. Juristentag 1979, S. 559 ff., insbesondere S. 568, 588; BGE
vom 6. Juli 1977 i.S. Erben Kipfer, publiziert in BVR 1978 S. 80 ff.,
insbesondere S. 84-85, E. 3d; BGE vom 8. Juni 1983 i.S. Einwohnergemeinde
Zollikofen, publiziert in BVR 1983 S. 298 ff., insbesondere S. 305-306,
E. 4b). Jedenfalls folgt aus § 46 BauG keine Pflicht der Gemeinden, ihr
vorgelegte Gestaltungspläne, welche sie ablehnt, auch zu beschliessen. Die
Auflage des Planes beschränkt die Freiheit der Gemeinde nicht,
darüber negativ oder positiv zu entscheiden. Vielfach werden erst
das Auflageverfahren selbst, insbesondere die gegen den Plan geltend
gemachten Einsprachen, weisen, ob die Anordnung zweckmässig ist. Die
öffentliche Planauflage präjudiziert mithin den Planbeschluss in keiner
Weise. Anders entscheiden hiesse, das bundesrechtlich vorgeschriebene
Mitwirkungsverfahren der Planbetroffenen (Art. 33 RPG) illusorisch werden
zu lassen.

    d) Gestaltungspläne der Solothurner Gemeinden unterstehen -
wie alle Nutzungspläne - der regierungsrätlichen Genehmigung (§ 18
BauG). Diese Genehmigung verändert indessen den Rechtscharakter des Planes
nicht. Auch das vom Kanton genehmigte Gemeinderecht bleibt Gemeinderecht
(IMBODEN/RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Band 2, Nr. 144
B. I). Plansetzendes Gemeinwesen bleibt die Gemeinde.

    Die Genehmigung eines kommunalen Planes setzt mithin begriffsnotwendig
dessen Beschluss auf Gemeindeebene voraus. Genehmigt kann bloss werden,
was die Gemeinde beschlossen hat. Die kantonalrechtliche Genehmigung
ist dem Gemeindebeschluss nachgeordnet, vermag diesen aber nicht zu
ersetzen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist der Regierungsrat
einzig befugt, allfällige Änderungen an den Nutzungsplänen selbst zu
beschliessen, wenn deren Inhalt eindeutig bestimmbar ist und die Änderung
der Behebung offensichtlicher Mängel oder Planungsfehler dient (§ 18
Abs. 3 BauG). Dagegen ist der Regierungsrat - vom Falle einer hier nicht
interessierenden Ersatzvornahme bei Säumnis der Gemeinde in der Erfüllung
ihrer Planungspflichten abgesehen - keinesfalls befugt, stellvertretend für
die Gemeinde Nutzungspläne zu erlassen. Sowenig die zuständige kantonale
Instanz im Rahmen ihrer Rechts- oder Zweckmässigkeitskontrolle aus dem
kommunalen Rechtssetzungsverfahren hervorgegangene Vorschriften nach
Belieben durch eigene Normen ersetzen darf (Art. 18 Abs. 2 BauG; BGE 104
Ia 139 E. 3d), so sehr ist ihr verwehrt, im Autonomiebereich der Gemeinde
gegen deren Widerstand selbständig tätig zu werden und Vorschriften und
Pläne unter Umgehung der demokratischen kommunalen Willensbildung zu
erlassen. Ein solcher Übergriff verletzt die verfassungsmässig geschützte
Gemeindeautonomie.

    e) An diesem Ergebnis ändert nichts, dass im vorliegenden Falle
die Beschwerdeführerin selbst gegen den Gestaltungsplan Einsprache
erhoben hatte. Entgegen der Auffassung des Regierungsrates wurde sie
dadurch nicht davon ausgeschlossen, über den Plan zu beschliessen. Das
von den Gemeindebehörden zu vertretende öffentliche Interesse verlangt,
dass im Rahmen eines Plansetzungsverfahrens den Anliegen der Gemeinde
optimal Rechnung getragen wird, erheische dieses Interesse die Annahme
oder die Ablehnung des Planes. Die Ausstandspflicht im Prozess der
demokratischen Willensbildung trifft allenfalls Behördemitglieder oder
Versammlungsteilnehmer, die am Ausgang der Abstimmung ein besonderes
persönliches Interesse haben (BGE vom 9. Mai 1979 in: ZBl (1979) 80
S. 488), berührt indessen die föderalistische Kompetenzordnung nicht. Eine
Delegation von Rechtssetzungs- oder Verfügungsbefugnissen innerhalb
der föderalistischen Hierarchie ist grundsätzlich ausgeschlossen
(IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 141), in noch stärkerem Masse deren
Inanspruchnahme gegen den Willen der zuständigen Körperschaft.

    Indem der Regierungsrat des Kantons Solothurn einen kommunalen
Gestaltungsplan im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin genehmigt hat,
welcher durch kein Gemeindeorgan beschlossen war und durch den Gemeinderat
in Nachachtung eines negativen Volksentscheides bekämpft wurde, hat er
die Gemeindeautonomie der Beschwerdeführerin verletzt. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens braucht nicht geprüft zu werden, ob der Regierungsrat des
Kantons Solothurn überdies Art. 4 BV durch eine willkürliche Anwendung
materiellen Rechts verletzt hat. In Gutheissung der Beschwerde ist daher
sein Entscheid aufzuheben.