Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IA 62



111 Ia 62

13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24.
April 1985 i.S. Sozialistische Libysche Arabische Volks-Jamahiriya gegen
Actimon SA und Einzelrichter im summarischen Verfahren am Bezirksgericht
Zürich sowie Betreibungsamt 1 Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegen einen fremden Staat;
völkerrechtliche Immunität.

    Art. 84 Abs. 1 lit. c und d OG. Die Frage, ob ein verarrestierter
Betrag wegen hoheitlicher Zweckbestimmung vom Arrestbeschlag
auszunehmen sei oder nicht, hängt eng mit dem Immunitätsanspruch des
Staates zusammen. Es rechtfertigt sich deshalb, diesbezüglich auf die
staatsrechtliche Beschwerde einzutreten, ohne eine Erschöpfung des
kantonalen Instanzenzuges zu verlangen (E. 7a).

    Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in Vermögenswerte des
ausländischen Staates, wenn diese nicht hoheitlichen Zwecken
dienen. Völkerrechtliche Immunität im Hinblick auf die Natur der
verarrestierten Sache kann nur dann beansprucht werden, wenn diese in
erkennbarer Weise einem konkreten hoheitlichen Zweck gewidmet ist (E. 7b).

Sachverhalt

    A.- Am 21. Juni 1980 schloss die in Genf niedergelassene Firma
Actimon SA mit der Libyschen Arabischen Sozialistischen Volks-Jamahiriya
einen Vertrag über die Lieferung und Montage einer kompletten
Milch-Pasteurisierungsanlage in Fataeh zum Preise von 10'718'000
französischen Franken. Bei der Abwicklung des Vertrages ergaben sich
Meinungsverschiedenheiten vor allem hinsichtlich der Inanspruchnahme
der Garantiesumme durch die Bestellerin. Die Unternehmerin hält dafür,
sie habe gegenüber jener aus dem Werkvertrag noch einen Anspruch von
insgesamt SFr. 460'593.20.

    Am 2. Februar 1984 stellte die Actimon SA durch ihren Anwalt beim
Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich gegen
die Bestellerin ein Arrestbegehren für die genannte Forderung. Als
Arrestgegenstände bezeichnete sie:

    "Sämtliche Guthaben der Arrestschuldnerin ..., und insbesondere auch
   sämtliche Ansprüche und sonstigen Vermögenswerte, die auf den Namen der

    Central Bank of Libya oder die National Oil Company (of Libya) bzw.
   Übersetzungen dieser Bezeichnungen lauten, bei (verschiedenen Schweizer
   Banken in Zürich) alles bis zur Deckung der Arrestforderung nebst Zins
   und Kosten."

    Der Einzelrichter bewilligte den Arrest am 14. Februar 1984 für die
auf den Namen der Libyschen Arabischen Sozialistischen Volks-Jamahiriya
lautenden Vermögenswerte, wies ihn dagegen mit Verfügung vom 15. Februar
1984 ab, soweit die Arrestierung von Vermögenswerten der Central Bank of
Libya verlangt wurde.

    Gegen die Verweigerung des Arrestes bezüglich der auf den Namen der
Central Bank of Libya lautenden Vermögenswerte erhob die Actimon SA durch
ihren Anwalt beim Obergericht des Kantons Zürich Rekurs. Dieser wurde
mit Beschluss vom 30. April 1984 gutgeheissen, und der Einzelrichter im
summarischen Verfahren des Bezirks Zürich wurde angewiesen, den verlangten
Arrestbefehl auch bezüglich der auf diese Bank lautenden Vermögenswerte
auszustellen. Der Einzelrichter erliess gestützt hierauf am 30. April 1984
einen entsprechenden Arrestbefehl. Dieser führte zur Verarrestierung eines
im Depot der Central Bank of Libya bei der Schweizerischen Nationalbank
liegenden Schuldscheines der International Bank for Reconstruction and
Development im Betrage von SFr. 1'000'000.--. Bereits am 28. Februar
1984 hatte das Betreibungsamt Zürich 1 für die nämliche Forderung
einen Zahlungsbefehl gegen die Libysche Arabische Sozialistische
Volks-Jamahiriya erlassen, gegen den der Anwalt der Betriebenen innert der
von der Zustellung an laufenden gesetzlichen Frist Rechtsvorschlag erhob
(Zahlungsbefehl Nr. 673).

    Die Libysche Arabische Sozialistische Volks-Jamahiriya führt beim
Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde u.a. wegen Verletzung ihrer
völkerrechtlichen Immunität; sie macht geltend, das Obergericht habe in
willkürlicher Weise angenommen, für ihre Schulden könnten Aktiven der
Central Bank of Libya in Anspruch genommen werden; im Eventualstandpunkt
beruft sie sich auf fehlende Arresttauglichkeit des verarrestierten
Aktivums.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 7

    7.- a) Ihren Eventualstandpunkt begründet die Beschwerdeführerin
damit, die verarrestierten Wertschriften der Central Bank of Libya seien
nicht arresttauglich, weil sie zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben
bestimmt seien. Die Zentralbank habe lediglich die Aufgabe, Münzen
und Banknoten auszugeben sowie die Landeswährung zu schützen; sie übe
somit ausschliesslich hoheitliche Funktionen aus. Das kommerzielle
Bankgeschäft obliege dagegen in Libyen einer Reihe von anderen,
staatlich kontrollierten Banken. Die Beschwerdegegnerin meint dagegen,
der genannte Einwand wäre beim Arrestvollzug zu erheben gewesen, und
der Entscheid der Vollzugsbehörde hätte durch betreibungsrechtliche
Beschwerde an die Aufsichtsbehörden weitergezogen werden können;
die staatsrechtliche Beschwerde sei deshalb nach dem Grundsatz der
Subsidiarität (Art. 84 Abs. 2 OG) nicht zulässig. Dieser Auffassung
kann aber nicht beigepflichtet werden. Das Bundesgericht hat sich
schon im Urteil BGE 86 I 23 ff. in Erw. 5 mit der Frage befasst, ob die
verarrestierten Beträge nicht wegen hoheitlicher Zweckbestimmung vom
Arrestbeschlag auszunehmen seien. Es handelt sich hierbei um eine mit
dem Immunitätsanspruch des Staates eng zusammenhängende Frage, weshalb
es sich rechtfertigt, auf die staatsrechtliche Beschwerde auch in diesem
Punkt einzutreten, ohne eine Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges
zu verlangen (vgl. BGE 111 Ia 57 E. 2e; 110 Ia 43 ff.; 106 Ia 142 ff.,
welches Urteil die Beschwerdeführerin betrifft; 104 Ia 367 mit Hinweisen).

    b) Die Zwangsvollstreckung in Vermögenswerte des ausländischen Staates,
die hoheitlichen Zwecken dienen, ist unzulässig. Indessen lässt sich
nicht sagen, ausländische Staaten oder ihre Staatsbanken könnten nur
Vermögenswerte besitzen, die hoheitlichen Zwecken gewidmet sind. Neben
dem Verwaltungsvermögen besitzt die öffentliche Hand in der Regel auch
Finanzvermögen, das mit dem Vermögen von natürlichen oder juristischen
Personen des Privatrechts durchaus vergleichbar ist. Immunität im
Hinblick auf die Natur der verarrestierten Sache kann somit nur dann
beansprucht werden, wenn diese in erkennbarer Weise einem konkreten
hoheitlichen Zweck gewidmet ist, wie etwa der Pflege diplomatischer
Beziehungen (Botschaftsgebäude). Für Bargeld und Wertschriften kann nach
herrschender Auffassung so lange keine Immunität beansprucht werden, als
nicht bestimmte Summen oder Titel für derartige Zwecke ausgeschieden worden
sind (BGE 108 III 109/110 mit Hinweisen; 86 I 32; WALTHER J. HABSCHEID,
Die Immunität ausländischer Staaten nach deutschem Zivilprozessrecht,
in: Bericht der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, 1968,
S. 266). LUDWIG GRAMLICH vertritt allerdings eine für die ausländischen
Zentralbanken vorteilhaftere Auffassung. Er hält dafür, Guthaben
ausländischer Zentralbanken seien als Währungsreserven regelmässig von der
Zwangsvollstreckung auszunehmen (Staatliche Immunität für Zentralbanken?
in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht,
45. Band 1981, S. 594/595). Dieser Standpunkt vermag indessen nicht voll
zu überzeugen, hätte es doch sonst jeder ausländische Staat in der Hand,
sich durch Anlage beliebiger Mittel im Ausland auf den Namen seiner
Zentralbank eine praktisch unbeschränkte Vollstreckungsimmunität zu
sichern, also ein Ergebnis zu erreichen, das ihm nach den vorstehenden
Darlegungen jedenfalls nach schweizerischer Rechtsauffassung von der
Sache her nicht zusteht.

    Im vorliegenden Falle ist Arrestgegenstand ein im Depot der Central
Bank of Libya bei der Schweizerischen Nationalbank liegender Schuldschein
über SFr. 1'000'000.--, ausgestellt von der International Bank for
Reconstruction and Development. Die Beschwerdeführerin hat über die
Zweckbestimmung dieses Arrestobjektes keinerlei Ausführungen gemacht,
wenn man von der allgemeinen Behauptung absieht, es diene hoheitlichen
Zwecken. Demnach kann nicht gesagt werden, der Schuldschein sei im Hinblick
auf seine Bestimmung kein taugliches Arrestobjekt; er kann durchaus auch
zum gewöhnlichen Finanzvermögen der Libyschen Zentralbank gehören. Bei
dieser Sachlage erweist sich die Auffassung der Beschwerdeführerin,
wonach das Arrestobjekt aus Immunitätsgründen untauglich sei, als nicht
begründet. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann.