Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IA 239



111 Ia 239

41. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 27. November 1985 i.S. X. gegen Kantonsgericht Appenzell
I.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Art. 85 Ziff. 7 und Art. 113 BV.  Überprüfung
kantonaler Verfassungsbestimmungen durch das Bundesgericht?

    Die akzessorische Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen auf
ihre Vereinbarkeit mit den von der Europäischen Menschenrechtskonvention
gewährleisteten Rechten verfassungsrechtlichen Inhalts und mit dem übrigen
Bundesrecht kann jedenfalls dann mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt
werden, wenn das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung
der Norm durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten und
deshalb bei der vorgängigen Prüfung nicht zu berücksichtigen war (E. 3;
Präzisierung der Rechtsprechung).

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im
Strafverfahren.

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist auf ein erstinstanzliches Strafverfahren
grundsätzlich anwendbar (E. 6).

    Der Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung im
Strafverfahren ohne gewichtigen Grund ist mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK
unvereinbar (E. 7).

Sachverhalt

    A.- X. ist im Kanton Appenzell I.Rh. wegen wiederholten Diebstahls
und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt. Zu
Beginn des Verfahrens vor dem Kantonsgericht stellte er den Antrag,
die Hauptverhandlung öffentlich durchzuführen. Das Kantonsgericht wies
diesen Antrag in der Hauptverhandlung vom 13. Februar 1985 ab.

    In der Sache selbst fällte das Gericht kein Urteil; es erachtete den
Fall als nicht spruchreif und wies die Sache zur Ergänzung der Untersuchung
an die anklagende Behörde zurück.

    X. führt mit Eingabe vom 14. März 1985 staatsrechtliche Beschwerde
beim Bundesgericht. Er rügt eine Verletzung von Art. 4 BV sowie von Art. 6
Ziff. 1 EMRK und beantragt, den Beschluss des Kantonsgerichts Appenzell
I.Rh. vom 13. Februar 1985 aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Umstritten ist die Zuständigkeit des Bundesgerichts.

    Der angefochtene Beschluss stützt sich ausschliesslich auf Art. 43
Abs. 1 der Verfassung für den Eidgenössischen Stand Appenzell I.Rh. vom
24. Wintermonat 1872 (Fassung vom 24. April 1949; KV). Der Beschwerdeführer
rügt diese Verfassungsnorm als unvereinbar mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK und
mit Art. 4 BV. Das Kantonsgericht wendet ein, dass das Bundesgericht zur
Überprüfung kantonaler Verfassungsnormen nicht zuständig sei.

    a) In seiner bisherigen Rechtsprechung hat sich das Bundesgericht
für unzuständig erklärt, kantonale Verfassungsbestimmungen auf ihre
Vereinbarkeit mit den von der Europäischen Menschenrechtskonvention
gewährleisteten Rechten mit verfassungsrechtlichem Inhalt sowie mit dem
übrigen Bundesrecht zu überprüfen. Es erachtete eben diese Prüfung als
eine Aufgabe der Bundesversammlung, welche diese vor dem Entscheid über
die Gewährleistung kantonaler Verfassungen zu erfüllen habe (Art. 6
Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 85 Ziff. 7 BV; BGE 104 Ia 221/222 E. 1c mit
Hinweisen). Die Vorschrift von Art. 85 Ziff. 7 BV sei im Verhältnis
zu Art. 113 BV spezielleres Recht und entziehe dem Bundesgericht die
Zuständigkeit zur Überprüfung der kantonalen Verfassungen (BGE 104 Ia
219 E. 1b mit Hinweisen).

    Diese Rechtsprechung ist in der Lehre zum kleineren Teil auf
Zustimmung, mehrheitlich aber auf Ablehnung gestossen (vgl. die
Zusammenstellung in BGE 104 Ia 220 E. 1b; auf der Seite der Kritiker kommt
ANDREAS AUER hinzu, La juridiction constitutionnelle en Suisse, Basel und
Frankfurt 1983, Nrn. 267 ff., S. 150 ff.; deutsche Übersetzung von NANNI
ROJAS, Die schweizerische Verfassungsgerichtsbarkeit, Nrn. 267 ff., S. 156
ff., Basel und Frankfurt 1984. Kritisiert haben diese Rechtsprechung auch
JÖRG PAUL MÜLLER, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts
im Jahre 1978, in: ZBJV 1980, S. 292, und WALTER KÄLIN, Das Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 63 ff., der in Anmerkung 172
u.a. zusätzlich auf folgende Kritiker verweist: HANS HUBER, Die staats-
und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Jahre 1963, ZBJV 1964,
S. 421/422; MAX IMBODEN, Normkontrolle und Norminterpretation, in:
Staat und Recht, Basel und Stuttgart 1971, S. 241/242. Eine umfassende
Literaturübersicht findet sich schliesslich bei FRIDOLIN SCHIESSER, Die
akzessorische Prüfung, Diss. Zürich 1983, Zürich 1984, S. 303, Anm. 17,
der sich der allgemeinen Kritik anschliesst: S. 299 ff.).

    b) Ob die erwähnte Rechtsprechung aufgrund dieser nahezu einhelligen
und sachlich gewichtigen Kritik generell zu überprüfen ist, braucht für
die Beurteilung des vorliegenden Falls nicht entschieden zu werden. Wie
zu zeigen sein wird, geht es hier um ein Teilproblem, das unabhängig von
der Beantwortung der allgemeinen Frage gelöst werden kann.

    Die genannte Praxis beruht im wesentlichen auf der Überlegung,
dass es dem Bundesgericht nicht zustehe, dieselben Fragen der
Bundesrechtswidrigkeit einer kantonalen Verfassungsnorm zu beurteilen,
über die sich schon die Bundesversammlung im Gewährleistungsverfahren
ausgesprochen hat (BGE 104 Ia 220/221 E. 1b mit Hinweis). Diese Begründung
trifft auf den vorliegenden Fall insoweit nicht zu, als sich der
Beschwerdeführer auf die Europäische Menschenrechtskonvention beruft. Die
umstrittene Vorschrift von Art. 43 Abs. 1 KV wurde an der Landsgemeinde
vom 24. April 1949 angenommen. Die Bundesversammlung gewährleistete sie
mit Beschluss vom 29. September 1949 (BBl 1949 II 587). Die Europäische
Menschenrechtskonvention, auf deren Art. 6 Ziff. 1 der Beschwerdeführer
sich in erster Linie beruft, wurde am 4. November 1950 abgeschlossen;
sie trat für die Schweiz erst mit der Ratifikation am 28. November 1974
in Kraft (vgl. Liste über den Geltungsbereich der Konvention, SR 0.101,
anschliessend an den Konventionstext). Die Frage, ob Art. 43 Abs. 1 KV mit
der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei, konnte daher bei
der Gewährleistung der Verfassungsvorschrift noch nicht geprüft werden.
Demzufolge kommt der Grund für die bundesgerichtliche Rechtsprechung,
keine Prüfungskompetenz zu beanspruchen, die der Bundesversammlung zusteht,
im vorliegenden Fall nicht zum Zug. Soweit übergeordnetes Recht erst nach
der Gewährleistung kantonaler Verfassungsnormen in Kraft tritt, entfällt
die sonst von der Bundesversammlung vorzunehmende Prüfung. Damit aber fällt
der gemäss Praxis massgebende Unzuständigkeitsgrund für das Bundesgericht
dahin. Würde sich das Gericht gleichwohl auch in einem solchen Fall zur
Prüfung einer kantonalen Verfassungsvorschrift als unzuständig erklären,
so könnte älteres kantonales Verfassungsrecht die Durchsetzung neueren
übergeordneten Rechts, dem es nicht mehr entspricht, verhindern. Hiefür
spricht kein triftiger Grund. Die Rechtsprechung ist deshalb dahin zu
präzisieren, dass die Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen auf
ihre Vereinbarkeit mit den von der Europäischen Menschenrechtskonvention
gewährleisteten Rechten verfassungsrechtlichen Inhalts und mit dem übrigen
Bundesrecht jedenfalls dann mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt
werden kann, wenn das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung
durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten und deshalb
bei der vorgängigen Überprüfung nicht zu berücksichtigen war. Diese
Präzisierung der Rechtsprechung führt im vorliegenden Fall dazu, dass
die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Überprüfung von Art. 43 Abs. 1
KV zu bejahen ist.

Erwägung 4

    4.- Die 30tägige Frist zur Anfechtung der umstrittenen
Verfassungsvorschrift mit staatsrechtlicher Beschwerde ist längst
abgelaufen (Art. 89 OG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts
kann jedoch die Verfassungs- bzw. Konventionswidrigkeit einer kantonalen
Vorschrift auch noch bei der Anfechtung eines gestützt darauf ergangenen
Anwendungsakts geltend gemacht werden. Erweist sich der Vorwurf
als begründet, so führt das freilich nicht zur formellen Aufhebung
der Vorschrift; die vorfrageweise Feststellung ihrer Verfassungs-
bzw. Konventionswidrigkeit im konkreten Anwendungsfall hat nur zur Folge,
dass die Vorschrift insoweit auf den Beschwerdeführer nicht angewendet
und der gestützt auf sie ergangene Entscheid aufgehoben wird (BGE 104 Ia
87 E. 5 mit Hinweisen). Das Bundesgericht kommt somit nicht in die Lage,
eine kantonale Verfassungsvorschrift formell aufzuheben.

Erwägung 5

    5.- Dem Beschwerdeführer geht es in der Sache selbst darum, im
Strafverfahren vor dem Kantonsgericht eine öffentliche Hauptverhandlung zu
erwirken. Er beruft sich dabei in erster Linie auf den in Art. 6 Ziff. 1
EMRK enthaltenen Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen. Das
Kantonsgericht verweist demgegenüber auf Art. 43 Abs. 1 KV, wonach
Parteiverhandlungen vor den appenzell-innerrhodischen Gerichten nicht
öffentlich sind, soweit die Gesetzgebung nichts anderes bestimmt. Die
Strafprozessordnung des Kantons Appenzell I.Rh. enthält keine vom
Grundsatz des Art. 43 Abs. 1 KV abweichende Vorschrift. Im Kanton Appenzell
I.Rh. sind daher Strafprozesse aufgrund einer kantonalen Verfassungsnorm
nicht öffentlich. Es stellt sich somit die Frage, ob Art. 43 Abs. 1 KV -
auf den konkreten Fall angewandt - mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar sei.

Erwägung 6

    6.- Das Kantonsgericht wendet zunächst ein, dass Art. 6 Ziff.
1 EMRK nach einer neuesten Untersuchung gar nicht unmittelbar anwendbar
sei (MIRKO ROS, Die unmittelbare Anwendbarkeit der Europäischen
Menschenrechtskonvention, Diss. Zürich 1984, S. 93 ff.).

    Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts ist Art. 6 Ziff. 1
EMRK nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane sowie jener des
Bundesgerichts auf ein erstinstanzliches Strafverfahren wie das hier
in Frage stehende grundsätzlich anwendbar (Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. Februar 1984 i.S. Sutter,
in: Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A,
Volume 74, § 28, S. 13, mit Hinweisen, deutsche Übersetzung in: EuGRZ
1985, S. 232; BGE 108 Ia 92 E. 2c mit Hinweis). Auch die herrschende
Lehre nimmt die unmittelbare Anwendbarkeit der speziellen Garantien der
Europäischen Menschenrechtskonvention an (MICHEL HOTTELIER, La Convention
européenne des droits de l'homme dans la jurisprudence du Tribunal fédéral,
Diss. Genf 1985, S. 25; MARK E. VILLIGER, Die Wirkungen der Entscheide
der EMRK-Organe im innerstaatlichen Recht, namentlich in der Schweiz, in:
ZSR 104/1985 I, S. 471; LUZIUS WILDHABER, Erfahrungen mit der Europäischen
Menschenrechtskonvention, ZSR 98/1979 II, S. 328 ff., 334 ff.; JÖRG PAUL
MÜLLER, Die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention in der
Schweiz, ZSR 94/1975 I, S. 384). Der Hinweis des Kantonsgerichts auf
die Arbeit von MIRKO ROS kann schon deshalb nicht überzeugen, weil sich
die zitierten Ausführungen auf den Staat Belgien beziehen. Soweit sich
die Arbeit mit der Schweiz befasst, lässt sich daraus jedenfalls nicht
generell der Schluss ziehen, dass Art. 6 Ziff. 1 EMRK nach der Auffassung
des Autors nicht unmittelbar anwendbares Recht darstelle (MIRKO ROS, aaO,
S. 149 ff., 178 ff.).

Erwägung 7

    7.- Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat folgenden Wortlaut:

    "1. Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger

    Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört
wird, und
   zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden

    Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen
oder über
   die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage
   zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden,
   jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während des gesamten
   Verfahrens oder eines Teiles desselben im Interesse der Sittlichkeit,
   der öffentlichen

    Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat
   ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen
   oder der

    Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen, oder,
und zwar
   unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die

    Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall
jedoch
   nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang."

    a) Wie dargelegt, ist Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf ein erstinstanzliches
Strafverfahren wie das vorliegende grundsätzlich anwendbar. Der
in dieser Bestimmung enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit der
Verhandlung bezieht sich ferner auf die Publikums- und nicht bloss auf die
Parteiöffentlichkeit. Die Schweiz hat in bezug auf den in Art. 6 Ziff. 1
EMRK niedergelegten Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung einen
Vorbehalt angebracht. Dieser bezieht sich indessen auf das Verfahren vor
Verwaltungsbehörden sowie auf die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung
(Art. 1 Abs. 1 lit. a des Bundesbeschlusses über die Genehmigung der
Europäischen Menschenrechtskonvention vom 3. Oktober 1974, AS 1974
2148). Er kommt hier nicht zum Zug (BGE 108 Ia 92 E. 2c).

    b) Der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens bedeutet
eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz. Er soll durch die
Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen
am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung
gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht
werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und wie die
Rechtspflege ausgeführt wird. Durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
wird es der Allgemeinheit ermöglicht, den Strafprozess unmittelbar
zu verfolgen. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des
Grundsatzes der Öffentlichkeit im Strafprozess verbietet einen Ausschluss
der Öffentlichkeit dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen
Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte
Interessen Privater das vordringlich gebieten. In diesem Sinn sieht auch
Art. 6 Ziff. 1 EMRK Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit vor (BGE
108 Ia 92 E. 3a mit Hinweisen).

    c) Die Vorschrift von Art. 43 Abs. 1 KV schliesst die Öffentlichkeit
in Strafverfahren vor den appenzell-innerrhodischen Gerichten nicht nur
dann von den Verhandlungen aus, wenn überwiegende Gründe das gebieten;
sie lässt die Öffentlichkeit generell nicht zu.

    Das Bundesgericht hat nicht zu prüfen, ob diese Vorschrift
als solche konventionswidrig ist. Es stellt sich einzig die Frage,
ob ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention verstösst. Wie ausgeführt, wäre dem nicht so,
wenn in der vom Kantonsgericht zu beurteilenden Strafsache einer der
erwähnten Gründe vorgelegen hätte, die den Ausschluss der Öffentlichkeit
zu rechtfertigen vermögen. Das wäre etwa dann der Fall, wenn es um ein
Sittlichkeitsdelikt ginge und der Schutz der öffentlichen Sittlichkeit
oder der Schutz der Persönlichkeitssphäre des Opfers den Ausschluss
der Öffentlichkeit geboten hätten. Solche besonderen Gründe werden aber
vom Kantonsgericht nicht geltend gemacht und sind nicht zu erkennen. In
der Anwendung auf den konkreten Fall erweist sich die Verfassungsregel
des Art. 43 Abs. 1 KV somit als konventionswidrig. Die Beschwerde ist
daher gutzuheissen, und der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. Auf
die Rüge der Verletzung des Art. 4 BV ist nicht mehr einzugehen.