Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 111 IA 134



111 Ia 134

24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
13. Juni 1985 i.S. Hotelier-Verein Davos und 8 Mitb. sowie H. Christoffel
und 4 Mitb. gegen Regierung des Kantons Graubünden (staatsrechtliche
Beschwerden) Regeste

    Gemeindeautonomie, Teilrevision des Baugesetzes der Gemeinde Landschaft
Davos; Ausnützungsziffer, Bedeutung des Nutzungsmasses für die Ortsplanung.

    Ob die Regierung Vorschriften oder Planungsmassnahmen der
baurechtlichen Grundordnung einer Gemeinde nicht oder nur unter Vorbehalt
genehmigen darf, ist nicht eine Frage der Verletzung des Stimmrechts
oder des Grundsatzes der Gewaltentrennung, sondern einzig eine solche
der Gemeindeautonomie (E. 3).

    Die Regierung darf Bestimmungen, die ein zu hohes Nutzungsmass
vorsehen, die Genehmigung verweigern. Voraussetzung ist, dass sie
mit Grund annehmen darf, die Gemeinde habe die bei der Ortsplanung
zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen des Orts- und
Landschaftsschutzes, der Infrastrukturbelastung, der Wohnhygiene usw. bei
der Festsetzung des Nutzungsmasses im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens
ungenügend berücksichtigt (E. 6 und 7).

Sachverhalt

    A.- Am 28. November 1982 hiessen die Stimmberechtigten der Gemeinde
Landschaft Davos eine Teilrevision des kommunalen Baugesetzes vom 4.
Dezember 1977 (BauG) gut. Abgesehen von dem in der vorliegenden Sache
nicht umstrittenen Erlass von Bestimmungen über Einkaufszentren bezweckte
die Revision in erster Linie, im Interesse der Ortsansässigen den Bau
von möglichst grossräumigen Wohnungen zu fördern und die Hotellerie zu
verpflichten, bei Bauvorhaben auch Personalunterkünfte zu erstellen, um
den Wohnungsmarkt zu entlasten. Mit Beschluss vom 13. Juni 1983 genehmigte
die Regierung des Kantons Graubünden die Teilrevision mit Ausnahme der
eine Sonderbehandlung (Privilegierung) der Hotels schaffenden Bestimmungen
gemäss Art. 43 Abs. 3 lit. b und Art. 47 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 3 Satz
2. Die um lit. b reduzierte Regelung des Art. 43 Abs. 3 genehmigte sie
in einer von ihr modifizierten Fassung, die sie in ihre Erwägungen zum
Beschluss vom 13. Juni 1983 aufgenommen hat.

    In der von der Gemeinde gutgeheissenen Fassung lautete Art. 43 Abs. 3
wie folgt:

    Neubauten dürfen die anrechenbare Bruttogeschossfläche der Altbauten
   nicht überschreiten. Für Wohnhäuser, Hotels und deren
   Personalunterkünfte ist die Überschreitung zulässig, wenn:

    a) die Wohnungen im Hofstattrecht-Neubau durchschnittlich mindestens

    90 m2 BGF aufweisen,

    b) die Hotels und deren Personalunterkünfte die Voraussetzungen des

    Art. 47 Abs. 2 und 3 erfüllen.

    Für Hofstattrecht-Neubauten, die die anrechenbare

    Bruttogeschossfläche der Altbauten nicht überschreiten, gilt
Art. 46bis,

    Abs. 1.

    Die von der Regierung genehmigte Fassung weist demgegenüber folgenden
Wortlaut auf:

    Neubauten dürfen die anrechenbare Bruttogeschossfläche der Altbauten
   nicht überschreiten. Für Wohnhäuser ist die Überschreitung zulässig,
   wenn die Wohnungen im Hofstattrecht-Neubau durchschnittlich mindestens
   90 m2

    BGF aufweisen. Für Hofstattrecht-Neubauten, die die anrechenbare

    Bruttogeschossfläche der Altbauten nicht überschreiten, gilt
Art. 46bis,

    Abs. 1.

    Im übrigen ist die Neufassung von Art. 43 unbestritten. Sie sieht
unter Vorbehalten die Zulässigkeit von Zweckänderungen, Abweichungen
vom alten Grundriss und der alten Gebäudehöhe sowie von Erweiterungen im
Rahmen der ordentlichen Bauvorschriften vor.

    In den Abs. 1 und 3 von Art. 47 genehmigte die Regierung die beiden
nachfolgend hervorgehobenen Sätze nicht:

    Abs. 1:

    Hallenbäder, Sauna-, Spiel- und Sporträume, Kegelbahnen, etc., die
   betrieblich und baulich in Verbindung mit einem Hotel stehen, werden
   nicht angerechnet. Die zonengemässe Ausnützung kann für Hotels um 40%
   vergrössert werden. Dieser Bonus ist für den Neubau, die Erweiterung,
   den

    Umbau oder die bauliche Sanierung des Hotels zweckgebunden. Die

    Anrechnung überschüssiger, aus dem Bonus resultierender AZ auf
   anderweitige Bauten ist unzulässig.

    Abs. 3:

    Die Erteilung der Bewilligung für den Neu- oder Umbau eines Hotels
   kann von der Erstellung von Unterkünften in angemessener Zahl für die
   eigenen Hotelangestellten abhängig gemacht werden. Für die Erstellung
   von

    Personalunterkünften auf der Hotelliegenschaft kann ein Bonus von 40%,
   ausserhalb der Hotelliegenschaft eine Mehrausnützung im Sinne von Art.

    46bis Abs. 2 gewährt werden. Diese Personalunterkünfte sind ihrem
Zwecke
   zu erhalten, wobei die Baubehörde diese Zweckbindung in begründeten

    Fällen aufheben kann. Eine entsprechende Auflage ist im Grundbuch
   anzumerken.

    Die Regierung fügte ihrem Beschluss folgende Empfehlung bei:

    Der Gemeinde Davos wird nahegelegt, die nicht genehmigten

    Bestimmungen im Sinne der Erwägungen auf einen genehmigungskonformen

    Stand zu bringen und das Revisionsverfahren möglichst bald
durchzuführen.

    Gegen die Nichtgenehmigung der Sonderbestimmungen für
Hotels wandten sich der Hotelier-Verein Davos und acht Hoteliers
bzw. Hotelaktiengesellschaften sowie Hans Christoffel, Hotelier, und
vier weitere Gewerbetreibende mit staatsrechtlicher Beschwerde an das
Bundesgericht. Alle Beschwerdeführer rügen übereinstimmend eine Verletzung
von Art. 4 BV (Willkürverbot), Art. 22ter BV (Eigentumsgarantie) und
Art. 31 BV (Handels- und Gewerbefreiheit) sowie eine Verletzung der
Gemeindeautonomie. Hans Christoffel und die vier mit ihm beteiligten
Beschwerdeführer machen ausserdem eine Verletzung ihres Stimmrechtes und
des Grundsatzes der Gewaltentrennung geltend.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die umstrittenen Bestimmungen des Gemeindebaugesetzes bedürfen
gemäss Art. 37 des kantonalen Raumplanungsgesetzes vom 20. Mai 1973
(KRG) der Genehmigung durch die Regierung. Sie wird erteilt, "wenn keine
gesetzlichen Vorschriften verletzt und die öffentlichen Interessen
im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens wahrgenommen worden sind"
(Art. 37 Abs. 2 KRG). Sind Vorschriften oder Planungsmassnahmen
der baurechtlichen Grundordnung der Gemeinden (Art. 18 ff. KRG) zu
beanstanden, so steht es der Regierung zu, sie nur unter Vorbehalt zu
genehmigen (BGE 103 Ia 185 E. 2a). Der ganzen Vorlage wäre allenfalls
die Genehmigung zu versagen, wenn angenommen werden müsste, die Gemeinde
hätte die gültigen Bestimmungen ohne die zu beanstandenden Vorschriften
nicht erlassen (vgl. die analogen Erwägungen zur Teilnichtigkeit einer
Initiative, BGE 105 Ia 365 E. 3). Ob die Regierung eine Vorlage nicht
oder nur unter Vorbehalt genehmigen durfte, ist indessen keine Frage der
Verletzung des Stimmrechts, sondern einzig der Gemeindeautonomie. Diese
wäre verletzt, wenn die Regierung zu Unrecht eine ungenügende Wahrung
öffentlicher Interessen angenommen und deswegen die Genehmigung
verweigert hätte. Von einer Verletzung des unter dem Vorbehalt der
regierungsrätlichen Genehmigung ausgeübten Gemeindestimmrechts kann
demnach nicht die Rede sein. Ebensowenig kann von einer Verletzung des
Grundsatzes der Gewaltentrennung gesprochen werden. Die Regierung hat die
ihr zukommende Kompetenz ausgeübt, als Genehmigungsbehörde das revidierte
kommunale Baugesetz, welches die Ortsplanungsmassnahmen enthält (Art. 18
ff. KRG), zu überprüfen (Art. 37 KRG; Art. 26 des Bundesgesetzes über
die Raumplanung vom 22. Juni 1979, RPG). Die von Hans Christoffel und
den vier mitbeteiligten Beschwerdeführern erhobene Rüge, ihr Stimmrecht
sowie das Gewaltentrennungsprinzip seien verletzt, ist somit unbegründet.

Erwägung 6

    6.- Die Regierung hat die umstrittenen Bestimmungen einzig
deshalb nicht genehmigt, weil sie der Auffassung ist, das Ausmass
der Privilegierung der Hotels berücksichtige die bei der Ortsplanung
zu beachtenden Planungsgrundsätze (Art. 3 KRG) nur ungenügend. Mit
dem zu hohen Nutzungsmass, das durch die Teilrevision des kommunalen
Baugesetzes ermöglicht werden sollte, habe die Gemeinde das Gebot
verletzt, die öffentlichen Interessen im Rahmen des pflichtgemässen
Ermessens wahrzunehmen.

    Gemäss Art. 37 Abs. 2 KRG hat die Regierung die kommunalen Erlasse auf
ihre Rechtmässigkeit hin zu prüfen. Dazu kommt eine Ermessenskontrolle,
welche allerdings auf die von der Gemeinde zu wahrenden öffentlichen
Interessen beschränkt ist. Als solche gelten sowohl die kommunalen als
auch die kantonalen Interessen (BGE 103 Ia 185 E. 2b).

    a) Mit Rücksicht auf die im vorliegenden Fall begrenzte Kognition
des Bundesgerichts könnte von einer Verletzung der Gemeindeautonomie
nur dann die Rede sein, wenn die Regierung die Bestimmungen gemäss
Art. 3 und 37 Abs. 2 KRG willkürlich ausgelegt und angewandt hätte. Eine
Autonomieverletzung läge also nur dann vor, wenn die Annahme der Regierung,
das für Hotels ermöglichte Nutzungsmass führe zu grossstädtischen
Nutzungskonzentrationen, welche aus ortsplanerischen Gründen verschiedener
Art nicht zu verantworten seien, als unhaltbar zu bezeichnen wäre.

    b) Dass zu dichte Überbauungen in mehrfacher Hinsicht
städtebaulich nachteilig sind, ist offenkundig. Sie können zu einer
Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes führen. Ein zu hohes
Nutzungsmass kann z.B. unabhängig von der baulichen Gestaltung das
Gleichgewicht eines Dorfbildes derart empfindlich stören, dass die
kantonale Genehmigungsbehörde einer entsprechenden Zoneneinteilung
die Genehmigung versagen darf (so nicht veröffentlichtes Urteil vom
17. Oktober 1979 i. S. Gemeinde Tschiertschen, insbesondere E. 4b:
Einweisung eines grösseren Areals in eine Zone mit der Ausnützung von
0.55 nicht genehmigt; zur Ausnützungsziffer vgl. u.a. BGE 108 Ia 119 E. 2
mit Hinweisen auf die Literatur, sowie INSTITUT FÜR ORTS-, REGIONAL-
UND LANDESPLANUNG, Richtlinien zur Ortsplanung, Normblatt Nr. 514 420,
1966; SCHWEIZERISCHE VEREINIGUNG FÜR LANDESPLANUNG - VLP - Schriftenfolge
Nr. 17, Die Ausnützungsziffer, 1974; LEO SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht,
2. Aufl. 1984, S. 60).

    Zu hohe Nutzungen können sodann eine Überlastung der
Infrastrukturanlagen nach sich ziehen mit der Folge, dass die Gemeinde
früher oder später zu kostspieligen Sanierungen ihrer Strassen und
ihres Leitungsnetzes sowie zu einer Erweiterung ihrer öffentlichen
Dienstleistungen genötigt wird. Sie können ausserdem zu wohnhygienisch
schlechten Verhältnissen führen, indem sie verstärkte Immissionen auslösen
und die Besonnung, den Lichteinfall sowie die Belüftung der Neubauten
und der bestehenden Nachbargebäude verschlechtern.

    c) Es ergibt sich aus dieser zentralen Tragweite des Nutzungsmasses
für die Ortsplanung, dass die Regierung als kantonale Aufsichtsbehörde
einer zu hohen Nutzung die Genehmigung verweigern darf, ohne in Willkür
zu verfallen. Voraussetzung ist, dass sie mit Grund annehmen darf, die
Gemeinde habe die bei der Ortsplanung zu berücksichtigenden öffentlichen
Interessen des Orts- und Landschaftsschutzes, der Infrastrukturbelastung,
der Wohnhygiene usw. bei der Festsetzung des Nutzungsmasses im Rahmen
des pflichtgemässen Ermessens nur ungenügend berücksichtigt (was das
Bundesgericht im erwähnten Urteil i.S. Tschiertschen anerkannt hat). Ob
dies im vorliegenden Fall zutrifft, ist nachfolgend zu prüfen.

Erwägung 7

    7.- Bereits das geltende Baugesetz der Gemeinde Landschaft Davos vom
4. Dezember 1977 begünstigte die Hotels derart weitgehend (Art. 47),
dass das zonengemässe Nutzungsmass um 50% überschritten werden
durfte (Amtsbericht zur Landschaftsabstimmung vom 28. November 1982,
S. 34). Überdies enthält es in Art. 43 eine aussergewöhnlich grosszügige
Regelung für im sog. Hofstattrecht zu errichtende Neubauten. Das
Davoser Hofstattrecht bedeutet, dass eine Baute, wenn sie abgerissen
oder zerstört wird, im ganzen Landschaftsgebiet binnen drei Jahren im
bisherigen Umfang und in der bisherigen Höhe sowie mit der bisherigen
Zweckbestimmung wieder erstellt werden darf, ohne dass die Vorschriften des
Gemeindebaugesetzes über die Gebäudehöhe, Geschosszahl, Grenz-, Gebäude-,
Wald- und Gewässerabstände eingehalten werden müssen. Dagegen sind die
übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere jene über gefährdete
Gebiete, Abstände gegenüber Strassen, Baulinien, Dachformen und Parkplätze,
bei einer Hofstattrecht-Neubaute anzuwenden. Diese im bisherigen Recht
verankerte Regelung ist in die Teilrevision aufgenommen worden mit der
Ergänzung, dass bei einer Hofstattrecht- Neubaute auch die Bestimmungen
über die Wohnungsgrössen eingehalten werden müssen.

    a) Die Regierung hatte die bisher geltende Regelung am 26. Juni
1978 genehmigt. Die Beschwerdeführer und der Kleine Landrat werfen ihr
deshalb widersprüchliches Verhalten vor, wenn sie dem nun beschlossenen
Nutzungsmass ihre Zustimmung versage. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Die
Regierung als Aufsichtsbehörde darf besserer Erkenntnis folgen, ihre
frühere Genehmigungspraxis ändern und bei der Prüfung einer Revision
kommunaler Ortsplanungserlasse begangene Fehler korrigieren, ohne gegen
rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze und damit gegen Art. 4 BV zu
verstossen (BGE 108 Ia 124 E. 1). Ausserdem ist - wie die Regierung
in ihrer Vernehmlassung zutreffend bemerkt - am 1. Januar 1980 das
eidgenössische Raumplanungsgesetz in Kraft getreten. Die Regierung hat
daher auf die Einhaltung der Ziele und Grundsätze der Raumplanung zu
achten (Art. 1 und 3 RPG). Diese verlangen, dass wohnliche Siedlungen
geschaffen und erhalten werden, wofür dem Nutzungsmass entscheidende
Bedeutung zukommt. Die Bedürfnisse der Wirtschaft sind freilich nicht zu
vernachlässigen. Sie verdienen ihrerseits Förderung, was jedoch nicht
ausschliesst, dass die ihnen Rechnung tragenden Massnahmen in Einklang
stehen müssen mit dem Ziel, wohnliche Siedlungen zu schaffen und zu
erhalten (BGE 107 Ia 38 E. 3c).

    b) Dass die bisherige Ausgestaltung des Hofstattrechts zu
schwerwiegenden Nachteilen führte, geht aus dem Amtsbericht zur
Landschaftsabstimmung vom 28. November 1982 deutlich hervor (S. 23
und 28). Dort wird darauf hingewiesen, dass die überhöhte bauliche
Ausnützung, welche alte, zum Abbruch bestimmte Gebäude vermitteln,
den Boden verteuerte und eine spekulative Bauweise mit Kleinstwohnungen
förderte. Daher will Art. 43 BauG in seiner neuen Fassung für Wohnhäuser
eine Überschreitung der anrechenbaren Bruttogeschossfläche der Altbauten
nur zulassen, wenn die Wohnungen im Hofstattrecht-Neubau durchschnittlich
mindestens 90 m2 Bruttogeschossfläche aufweisen. Insoweit begrüsst die
Regierung die Gesetzesänderung als Massnahme, von der erwartet wird,
sie fördere den Bau von dringend benötigten Wohnungen für Einheimische.
Die Zulässigkeit entsprechender Regelungen ist vom Bundesgericht anerkannt
worden (nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. Dezember 1983 i.S. Hofer
gegen Regierungsrat Bern, E. 3).

    Trotz der Nachteile der bisherigen Hofstattrecht-Regelung will
die Gemeinde die Überschreitung der anrechenbaren Bruttogeschossfläche
der Altbauten auch für Hotels und deren Personalunterkünfte zulassen,
sofern die Voraussetzungen des Art. 47 Abs. 2 und 3 erfüllt sind
(d.h. es muss ein Hotel im Sinne des Gesetzes vorliegen, und überdies
sind Personalunterkünfte in angemessener Zahl zu erstellen). In diesem
Fall soll die zonengemässe Ausnützung für Hotels um 40% vergrössert
werden können (Art. 47 Abs. 1). Auch für die Personalunterkünfte auf
der Hotelliegenschaft soll ein sogenannter Bonus von 40% gewährt werden
können. Ausserhalb der Hotelliegenschaft sollen die Personalunterkünfte
gleich wie der Wohnungsbau für Einheimische begünstigt werden, d.h. es
soll je nach Zone eine Mehrausnützung von 15-20% zugelassen werden können
(Art. 47 Abs. 3 i.V.m. Art. 46bis Abs. 2). Diese nach wie vor weitgehenden
"Erleichterungen" für Hotels will die Gemeinde zulassen, obschon die
Anwendung des geltenden Art. 47 mehrfach Unbehagen verursacht hat und
eine Vergünstigung von bisher 50% der verfügbaren Bodenfläche für die
Berechnung des zulässigen Nutzungsmasses nicht gewollt war, wie dem
Amtsbericht zu entnehmen ist (S. 34).

    Es steht somit fest, dass die Gemeinde sowohl eine Revision des
Hofstattrechts (Art. 43) als auch des "Hotelartikels" (Art. 47) im Sinne
einer Begrenzung des zu hohen Nutzungsmasses als nötig erachtete. Dabei
geht aus dem Amtsbericht hervor (S. 27), dass die Vorlage des Kleinen
Landrates zunächst weitergehende Beschränkungen vorsah, dass der
Hotelierverein die vorgesehenen Einschränkungen jedoch ablehnte und dass
seinem Einwand in der neuen Vorlage weitgehend Rechnung getragen wurde.

    c) Unbestritten ist demnach, dass gewichtige öffentliche Interessen die
Reduktion des als zu hoch erkannten Nutzungsmasses für Hotelneubauten im
Hofstattrecht sowie im Rahmen der Zonenvorschriften gebieten. Es kann sich
daher einzig fragen, ob die Regierung bei der ihr obliegenden beschränkten
Ermessenskontrolle die von der Gemeinde beschlossenen Gesetzesänderungen
als ungenügend erachten durfte, ohne in Willkür zu verfallen. Ist dies
zu bejahen, so fragt sich weiter, ob sie hieraus den Schluss ziehen
durfte, es seien lediglich die Vorschriften über die Privilegierung der
Hotels nicht zu genehmigen. Dabei ist zu beachten, dass die Regierung
diesen Beschluss in der Meinung fasste, die Gemeinde könne eine weniger
weitgehende Begünstigung im Ausmass von 10-15% vorsehen; ausserdem habe sie
- die Gemeinde - eine Formulierung zu wählen, aus der unmissverständlich
hervorgehe, dass der Bonus für Hotels und für Personalunterkünfte
auf der Hotelliegenschaft nicht kumulativ gewährt werden könne. Der
Nichtgenehmigung kommt somit die Bedeutung einer befristeten Anordnung
bis zum Erlass einer genehmigungsfähigen Privilegierung der Hotels zu.

    d) Die Gemeinde begründet die Privilegierung der
Hofstattrecht-Neubauten damit, dass die alten Hotelliegenschaften
derart hohe Stockwerke aufweisen, dass der Bonus realisiert werden
könne, ohne dass die alte Kubatur wesentlich geändert werden müsse. Sie
ist der Meinung, dies spreche für die von ihr getroffene Lösung. Ihre
Überlegungen sind zwar verständlich, für die Zubilligung eines Bonus von
40% aber keineswegs zwingend. Die möglichen Nachteile einer so massiven
Nutzungserhöhung werden nicht dadurch ausgeschlossen, dass im wesentlichen
die alte Kubatur beibehalten wird. Ob im gleichen Kubus vier oder sechs
Geschosse erstellt werden, ist für die Nutzungsdichte mit allen ihren
Folgeerscheinungen von massgebender Bedeutung. Ausserdem steht nicht
fest, dass bei Hofstattrecht-Neubauten der zulässige Bonus in jedem Fall
im Rahmen der alten Kubatur verwirklicht werden kann.

    Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner, dass gemäss dem
"Hotelartikel" Bauten und Bauteile, welche erfahrungsgemäss sowohl
hinsichtlich ihres Ausmasses als auch ihrer sonstigen Auswirkungen
auf die Infrastruktur und die Nachbarschaft von beachtlicher Tragweite
sind, bei der Ermittlung des Nutzungsmasses nicht angerechnet werden. Es
handelt sich um Hallenbäder, Sauna-, Spiel- und Sporträume, Kegelbahnen,
etc., die betrieblich und baulich in Verbindung mit einem Hotel stehen
(Art. 47 Abs. 1 Satz 1). Die entsprechenden Bauten und Bauteile können
somit zu der um den Bonus erhöhten Nutzung hinzutreten.

    Die Privilegierung der Hotels gilt sodann nicht nur bei
Hofstattrecht-Neubauten, sondern auch bei einem Neubau auf einer bisher
nicht überbauten Liegenschaft. Bei dem in Davos zulässigen Nutzungsmass
führt der Bonus zu Nutzungen, deren Mass in der Tat als grossstädtisch
zu bezeichnen ist: Laut Zonenschema gemäss Art. 85 BauG betragen die
Ausnützungsziffern (AZ) in der Kernzone 1.5 (= 150%, d.h. bei einer
anrechenbaren Grundstücksfläche von 1000 m2 darf eine anrechenbare
Geschossfläche von 1500 m2 erstellt werden), in der Wohnzone W5 1.2 (=
120%), in der Wohnzone W4 0.8 (= 80%) und in der Wohnzone W3 0.6 (= 60%).
Der Bonus von 40% führt somit in der Kernzone zu einem Nutzungsmass
von 2.1 (= 210% oder bei 1000 m2 Grundstücksfläche 2100 m2 anrechenbare
Geschossfläche), in der Zone W5 zu 1.68 (= 168%), in der Zone W4 zu 1.12
(= 112%) und in der Zone W3 zu 0.78 (= 78%). Zusätzlich dürfen die oben
erwähnten Bauten und Bauteile errichtet werden, die nicht angerechnet
werden.

    Diese Nutzungsmasse gehen wesentlich über das im allgemeinen
übliche und empfohlene Nutzungsmass hinaus. In der Regel beträgt
die Ausnützungsziffer in Wohnzonen 0.25 bis 0.6 (d.h. bei 1000 m2
Grundstücksfläche sind 250 bis 600 m2 als anrechenbare Geschossfläche
zulässig; vgl. LEO SCHÜRMANN, aaO, S. 60). Gemäss dem oben angeführten
Normblatt Nr. 514 420 des ORL-Institutes liegt die optimale Grösse
der Ausnützungsziffer für Wohnzonen unter Einbezug einer Erhöhung
von höchstens 0.1 für Arealüberbauungen zwischen 0.4 und 0.7, wobei
sich der höhere Wert nur für städtische Verhältnisse eigne; eine höhere
Ausnützungsziffer vermindere den Wohnwert der Überbauung in der Regel stark
(Normblatt Ziff. 4.5). Die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung
empfiehlt für Wohnzonen Ausnützungsziffern von 0.2 bis 0.6, ein Mass,
das für Dorfkerne mit Gewerbeanteil auf 0.65 bis 0.9 erhöht werden könne
(VLP, Die Ausnützungsziffer, Schriftenfolge Nr. 17, S. 55). In einem
Entscheid aus dem Jahre 1982 (BGE 108 Ia 121 E. 2c) bezeichnete das
Bundesgericht eine Ausnützungsziffer von 0.8 als eine hohe, für sehr
dichte Miethausüberbauungen bestimmte Nutzung.

    Auch wenn berücksichtigt wird, dass diese Empfehlungen einige
Zeit zurückliegen, dass heute im Interesse des Gebots, den Boden
haushälterisch zu nutzen, eine verdichtete Bauweise gefordert wird und
dass den örtlichen Verhältnissen allenfalls auch mit hohen Nutzungen
Rechnung zu tragen ist, so zeigt der Vergleich der empfohlenen Werte mit
der nach dem Davoser Baugesetz geltenden Regelung doch, dass bereits die
zonengemässe Nutzung (0.6 in W3 bis 1.2 in W5 sowie 1.5 in der Kernzone
anstelle der von der VLP empfohlenen Werte von 0.2 bis 0.6 bzw. 0.9)
als dicht zu bezeichnen ist. Dies bestätigt auch der Vergleich mit der
Baunutzungsverordnung der Bundesrepublik Deutschland. Danach beträgt
die Geschossflächenzahl - welche dem bei uns üblichen Begriff der
Ausnützungsziffer entspricht - in Wohngebieten und gemischten Gebieten
mit ein- bis sechs- und mehrgeschossiger Bauweise 0.5 bis 1.2; lediglich
in Kern- und Gewerbegebieten kann sie auf über 2.0 ansteigen (§ 17 der
Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15. September 1977).

    Das Bundesgericht hat nicht zu entscheiden, welches Nutzungsmass als
tragbar zu bezeichnen ist. Zu beurteilen ist - wie erwähnt - einzig, ob der
Regierung eine willkürliche Ausübung ihres Aufsichtsrechtes vorgeworfen
werden kann, wenn sie zum Schluss gelangt ist, der undifferenzierte, in
allen Zonen zulässige Bonus von 40% zu dem bereits als verhältnismässig
hoch zu bezeichnenden Nutzungsmass trage den zu wahrenden öffentlichen
Interessen ungenügend Rechnung. Die aussergewöhnlich hohe Nutzung von
0.78 in der Wohnzone W3 bis 2.1 in der Kernzone, zu welcher dieser Bonus
führt, spricht deutlich gegen eine solche Folgerung. Dass die Gefahr der
Übernutzung nur auf den - in Davos zahlreichen - Liegenschaften besteht,
die der traditionellen Hotellerie mit Einschluss von Sanatorien und
Kliniken (Art. 47 Abs. 4) dienen, mindert das Gewicht der in Frage
stehenden öffentlichen Interessen nicht, im Gegenteil: die intensive
Nutzung von Hotelliegenschaften führt zu einer dem Sinn einheitlicher
Ausnützungsziffern für jeweilige Zonen zuwiderlaufenden Begünstigung,
deren Nachteile sowohl im Ortsbild als auch für die Nachbarschaft besonders
stark in Erscheinung treten können (vgl. BGE 109 Ia 33).

    Dazu kommt die zutreffende Feststellung der Regierung, dass
aufgrund des Wortlauts der Abs. 1 und 3 des Art. 47 angenommen
werden könnte, zusätzlich zum Bonus von 40% für Hotels gemäss
Abs. 1 könne auf der Hotelliegenschaft ein weiterer Bonus von 40%
für Personalunterkünfte gewährt werden. Aufgrund der Ausführungen im
Amtsbericht zur Landschaftsabstimmung vom 28. November 1982 (S. 35)
ist freilich anzunehmen, dass die Gemeinde nur an einen einmaligen
Bonus von 40% dachte. Doch beseitigen auch diese Ausführungen nicht
jeden Zweifel, wird doch im Amtsbericht im weiteren darauf hingewiesen
(ebenfalls S. 35), dass dann, wenn Personalunterkünfte nicht auf der
Hotelliegenschaft errichtet würden, keine 40prozentige Bevorzugung
zur Verfügung stehe, sondern dass ausserhalb der Hotelliegenschaft die
Personalunterkünfte der Ausnützungsprivilegierung gleichgestellt würden,
die für den Wohnungsbau für Ortsansässige gälte. Hieraus könnte sehr wohl
gefolgert werden, auf der Hotelliegenschaft dürfe in jedem Fall ohne
Berücksichtigung der Privilegierung der Hotels gemäss Art. 47 Abs. 1
für Personalunterkünfte ein zusätzlicher Bonus von 40% beansprucht
werden. Weder der Kleine Landrat noch die Beschwerdeführer nehmen zu
dieser von der Regierung zutreffend gerügten, offenbar missverständlichen
Gesetzesformulierung Stellung. Dass eine Kumulierung des Bonus für Hotels
und für Personalunterkünfte schlechterdings unverantwortbar wäre und der
von der Gemeinde verfolgten Absicht, die bisherige Nutzungserhöhung von
50% zu reduzieren, zuwiderlaufen würde, liegt auf der Hand.

    e) Unter diesen Umständen kann es sich einzig fragen, ob der Entscheid
der Regierung, die die Hotels privilegierenden Vorschriften nicht zu
genehmigen, deshalb nicht haltbar ist, weil die Gemeinde den Bonus
lediglich gewähren kann. Der Gedanke liegt nahe, bei der Anwendung
der entsprechenden Vorschriften könnte die Wahrung der öffentlichen
Interessen in ausreichendem Masse erfolgen und nur ein geringerer Bonus
gewährt werden. Es liesse sich auf die Rechtsprechung zur abstrakten
Normenkontrolle verweisen und einwenden, gleich wie das Bundesgericht
eine Norm nur aufhebe, wenn feststehe, dass sie nach anerkannten
Auslegungsregeln nicht verfassungskonform angewendet werden könne (BGE
107 Ia 294 E. 2c), dürfe die Regierung einer Gemeinderegelung nur dann
die Genehmigung versagen, wenn sie der Behörde nicht gestattet, die
öffentlichen Interessen im Einzelfall genügend zu wahren.

    Es ist allerdings fraglich, ob es angeht, für die abstrakte
Normenkontrolle geltende Grundsätze ohne weiteres auf die Genehmigung
von Ortsplanungserlassen zu übertragen, da die Genehmigungskompetenz
der Regierung sich mit der Normenkontrolle durch den Verfassungsrichter
kaum vergleichen lässt. Wie es sich damit verhält, braucht aber nicht
abschliessend entschieden zu werden. Die Regierung darf die Genehmigung
einzelner Normen verweigern, wenn sie mit Grund feststellt, dass deren
Anwendung aller Voraussicht nach zu einer ungenügenden Wahrung der für
die Ortsplanung massgebenden öffentlichen Interessen führen wird. Dass
das der Fall sein werde, durfte sie in der zu beurteilenden Sache mit Fug
annehmen. Sie durfte dabei bedenken, dass die Gemeindebehörde den Bonus
in Beachtung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit gewähren muss. Wenn
das Gesetz einen Bonus von 40% vorsieht, ist anzunehmen, dass er bei
pflichtgemässem Ermessen im Regelfall jedem Gesuchsteller zugestanden
werden muss. Der Umstand, dass die Gemeindebehörde den Bonus nach der
gesetzlichen Regelung gewähren kann und nicht zuerkennen muss, ändert
daran nichts.

    f) Demnach ist die Regierung mit ihrer Folgerung, der im kommunalen
Baugesetz für Hotels vorgesehene Bonus sei zu hoch, im Rahmen ihrer
Prüfungsbefugnis geblieben und nicht in Willkür verfallen. Sie hat
somit die Autonomie der Gemeinde Landschaft Davos nicht verletzt. Es
fragt sich daher einzig, ob sie mit ihrem Entscheid, die die Hotels
privilegierenden Vorschriften nicht zu genehmigen, auch die richtige
Konsequenz gezogen hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer
ist dies zu bejahen. Ausser der nicht in Frage stehenden Regelung für
Einkaufszentren bezweckte die Vorlage in erster Linie, den Wohnungsbau
für Einheimische zu begünstigen. Diese im Vordergrund stehende Zielsetzung
behält ihre Rechtfertigung auch unabhängig von der für Hotels vorgesehenen
Spezialregelung. Die Regierung hätte daher ihre Genehmigungskompetenz
überschritten und eine unverhältnismässige Sanktion angeordnet, wenn sie
die revidierten Bestimmungen in einem über ihren Beschluss hinausgehenden
Masse nicht genehmigt hätte (vgl. BGE 105 Ia 365 E. 3).