Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 V 347



110 V 347

57. Auszug aus dem Urteil vom 25. Oktober 1984 i.S. S. gegen
Verband der Krankenkassen im Kanton Zürich und Schiedsgericht in
Krankenversicherungssachen des Kantons Zürich Regeste

    Art. 23 und 25 KUVG.

    - Die Sachlegitimation ist von Amtes wegen zu prüfen; sie bestimmt
sich nach dem materiellen Recht (Erw. 1).

    - Für Geldforderungen aus unwirtschaftlicher Behandlung gemäss Art. 23
KUVG (im Verfahren nach Art. 25 KUVG) sind die einzelnen betroffenen
Krankenkassen sachlegitimiert, nicht aber ihr Verband (Erw. 1).

    - Formelle Berichtigung einer fehlerhaften Parteibezeichnung oder
unzulässiger Parteiwechsel (Erw. 2)?

Sachverhalt

    A.- Am 27. Dezember 1978 reichte der Verband der Krankenkassen im
Kanton Zürich (im folgenden Kassenverband genannt) gegen Dr. med. S. bei
der "Blauen Kommission" der Zürcher Ärztegesellschaft Beschwerde ein
wegen Missachtung des Gebots wirtschaftlicher Behandlung (Art. 23 KUVG).
Die "Blaue Kommission" kam am 4. September 1979 zum Schluss, dass der
Vorwurf der Überarztung gerechtfertigt sei; Dr. S. habe deshalb dem
Kassenverband Fr. 25'000.-- zu erstatten, die von diesem im Sinne der
Erwägungen an die Mitgliedkassen weiterzugeben seien.

    Die von Dr. S. hiegegen angerufene Paritätische Vertrauenskommission
schloss sich am 3. September 1981 im wesentlichen der "Blauen Kommission"
an.

    B.- Dr. S. reichte daraufhin beim kantonal-zürcherischen Schiedsgericht
in Krankenversicherungssachen Klage gegen den Kassenverband ein. Mit
Entscheid vom 24. Februar 1983 wies das Schiedsgericht die Klage
kostenfällig ab.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die sich gegen den Kassenverband
richtet, lässt Dr. S. in der Hauptsache beantragen, "es sei in Gutheissung
der Beschwerde das Urteil der Vorinstanz vom 24. Februar 1983 und demnach
auch der Entscheid der Paritätischen Vertrauenskommission vom 3. September
1981 aufzuheben".

    Der Kassenverband schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
beantragt Gutheissung und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur
Neubeurteilung.

    D.- Mit Schreiben vom 21. September 1983 erklärte der Kassenverband,
dass er in der Streitsache Dr. S. als Vertreter für die anschliessend
genannten Krankenkassen handle, wofür er aufgrund der Verbandsstatuten
vom 1. Januar 1980 legitimiert sei.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Ist eine Geldforderung aus unwirtschaftlicher Behandlung gemäss
Art. 23 KUVG im Verfahren nach Art. 25 KUVG zu beurteilen, so hat der
Richter vorweg zu prüfen, ob die Parteien zur streitigen Sache legitimiert
sind. Das bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Die Sachlegitimation
ist von Amtes wegen zu prüfen, so dass es nicht darauf ankommt, ob eine
Partei deren Fehlen gerügt hat oder nicht.

    Im vorliegenden Fall ist sowohl in den Rechtsschriften der Parteien
als auch in den Stellungnahmen der Vermittlungsinstanzen und den Akten
des Schiedsgerichts durchwegs der Kassenverband als Partei aufgetreten und
angeschrieben worden. Ein allfälliger Anspruch auf die Bezahlung des hier
streitigen Betrages durch den Beschwerdeführer wegen unwirtschaftlicher
Behandlung (Art. 23 KUVG) steht indessen den einzelnen Krankenkassen
zu, nicht deren Verband; dieser hätte die Kassen im Prozess vertreten
können. Dies entspricht konstanter Rechtsprechung (BGE 103 V 145, 98 V
158; RKUV 1984 Nr. K 583 S. 141; RSKV 1982 Nr. 489 S. 119, Nr. 505 S. 202
Erw. 3).

Erwägung 2

    2.- Der Kassenverband versucht den Mangel der fehlenden
Sachlegitimation dadurch zu beheben, dass er sich mit Schreiben vom 21.
September 1983 - mithin nach Abschluss des Schriftenwechsels vor dem
Eidg. Versicherungsgericht - als Vertreter der betroffenen Krankenkassen
erklärt. Er hat sich indessen während des ganzen bisherigen Verfahrens als
Partei ausgegeben und zu keinem Zeitpunkt weder ausdrücklich noch mittelbar
die nunmehr geltend gemachte Stellvertretung zu erkennen gegeben. Seine
Erklärung vom 21. September 1983 kann deshalb nicht als bloss formelle
Berichtigung einer Parteibezeichnung qualifiziert werden, bei der die
Identität der Partei von Anfang an eindeutig feststand, deren Benennung
aber falsch war. Es genügt nicht schon, dass die Sachlegitimation der
Krankenkassen und mithin die Stellvertretung durch den Verband aufgrund
der materiellen Rechtslage erkennbar war, um auf eine bloss formelle
Berichtigung der Parteibezeichnung erkennen zu können. Dieser Sachverhalt
müsste sich vielmehr anderweitig aus den Akten ergeben. Ebensowenig vermag
zu genügen, dass die Vertretung der Krankenkassen durch ihren Verband
in Prozessen wie dem vorliegenden in den Verbandsstatuten ausdrücklich
verankert ist. Ein solches Stellvertretungsverhältnis hätte im Prozess
kenntlich gemacht werden müssen (RKUV 1984 Nr. K 583 S. 142), was hier
rechtzeitig nicht geschehen ist.

    Das Vorgehen des Kassenverbandes läuft demnach auf den Versuch
eines Parteiwechsels hinaus, indem an seine Stelle die sachlegitimierten
Krankenkassen gesetzt werden sollen. Dafür fehlen die Voraussetzungen
(RKUV 1984 Nr. K 583 S. 141; BISCHOFBERGER, Parteiwechsel im Zivilprozess
unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und des zürcherischen
Zivilprozessrechts, Diss. Zürich 1973, S. 30 ff.).

    Unbehelflich ist zudem der Hinweis des Kassenverbandes auf
das Urteil N. vom 4. Februar 1982 (teilweise wiedergegeben in RSKV
1982 Nr. 505 S. 201). In diesem Falle hatte die damalige Vorinstanz
erkannt, dass die betroffenen Krankenkassen bereits im Verfahren
vor der Paritätischen Vertrauenskommission Partei gewesen seien,
und nahm deshalb lediglich die Berichtigung einer fehlerhaften
Parteibezeichnung an. Das Eidg. Versicherungsgericht hat die hiegegen
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen aus Gründen von
Treu und Glauben nicht gelten lassen, nicht aber deshalb, weil es einen
eigentlichen Parteiwechsel als zulässig erklärt hätte.

Erwägung 3

    3.- Aus dem Gesagten folgt, dass die streitige Forderung dem
Kassenverband nicht zusteht und diesem demnach zufolge fehlender
Sachlegitimation auch nicht zugesprochen werden kann. Das Schiedsgericht
hat den vom Kassenverband in eigenem Namen geltend gemachten Anspruch zu
Unrecht geschützt. Der Entscheid des Schiedsgerichts vom 24. Februar 1983
ist deshalb aufzuheben und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit
gutzuheissen. Nicht zu prüfen ist die Frage, ob die geltend gemachte
Forderung unter dem Rechtstitel der Rückerstattung wegen unwirtschaftlicher
Behandlung (Art. 23 KUVG) zu bestehen vermöchte oder nicht. Soweit der
Beschwerdeführer diesbezüglich eine Erkenntnis verlangt, ist auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.

    Die als "Entscheid" benannten Stellungnahmen der "Blauen Kommission"
und der Paritätischen Vertrauenskommission sind entsprechend der
diesen Instanzen gesetzlich und vertraglich zugewiesenen Aufgabe
Vermittlungsvorschläge; diese werden nur mit der (ausdrücklichen
oder stillschweigenden) Anerkennung durch die beteiligten Parteien
rechtsrelevant im Sinne einer Streiterledigung. Durch die Einsprache- oder
Klageerhebung werden sie hinfällig und bedürfen daher im gerichtlichen
Verfahren keiner formellen Aufhebung (RKUV 1984 Nr. K 583 S. 143).