Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 V 344



110 V 344

56. Auszug aus dem Urteil vom 18. Dezember 1984 i.S. Mordasini gegen
Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Zürich, und Kantonale
Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich Regeste

    Art. 43 Abs. 1 lit. a AVIG, Art. 65 Abs. 2 AVIV.

    - Das Erfordernis, wonach der Arbeitsausfall im Hinblick auf
seine Anrechenbarkeit "zwingend" durch das Wetter verursacht sein muss,
beinhaltet grundsätzlich nicht, dass Vorkehren zum Schutz der Arbeitnehmer
bzw. technische Massnahmen zur Fortführung der Arbeit getroffen werden
müssen, soweit aufwendige, kostspielige und insofern unzumutbare Massnahmen
in Betracht fallen und soweit allfällige Vorkehren in einer bestimmten
Branche nicht üblich sind (Erw. 3b).

    - In casu Pflicht des Arbeitgebers, zur Ermöglichung von Gipserarbeiten
die Fensteröffnungen mit Plastik abzudecken und ein Warmluftheizgerät
einzusetzen, verneint (Erw. 3c).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Der Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung setzt u.a. einen
anrechenbaren Arbeitsausfall voraus (Art. 42 Abs. 1 lit. b AVIG).
Gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. a AVIG ist der Arbeitsausfall anrechenbar,
wenn er durch das Wetter zwingend verursacht ist. Laut Art. 65 Abs. 2
AVIV wird die Schlechtwetterentschädigung nur ausgerichtet, soweit die
Arbeitnehmer unmittelbar dem Wetter (Regen, Schnee, Kälte) ausgesetzt
sind und deswegen nicht arbeiten können.

    Nach Auffassung der Vorinstanz ist das gesetzliche Erfordernis des
zwingend durch das Wetter verursachten Arbeitsausfalls dahin auszulegen,
dass die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer trotz zumutbarer Vorkehren
selbst direkt vom Wetter betroffen, d. h. an der Arbeit verhindert
werden. Nach den Abklärungen des Kantonalen Amtes für Industrie,
Gewerbe und Arbeit (KIGA) sollten Gipserarbeiten im Hinblick auf die
Begrenzung der Risiken nicht unter 0 Grad Celsius ausgeführt werden. Diese
temperaturmässig ausreichenden Verhältnisse zu schaffen, sei auch bei
extremer Kälte möglich, auf der fraglichen Baustelle "Farb" in Wetzikon
durch Abdecken der Fensteröffnungen mit Plastik und Einsetzen eines
Warmluftheizgerätes. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten arbeiten können,
sofern diese Vorkehren getroffen und damit die Temperatur am Arbeitsplatz
(unter Dach) auf die nötige Höhe gebracht worden wäre.

    b) Der Auffassung der Vorinstanz kann zumindest in dieser generellen
Form nicht beigepflichtet werden. Unbestritten ist, dass der Arbeitsausfall
nur als anrechenbar gilt, wenn er durch unmittelbare Witterungseinflüsse
zwingend verursacht wird. Das bedeutet, dass die Arbeiten - wie
im Kreisschreiben des BIGA über die Schlechtwetterentschädigung
(provisorische Ausgabe, gültig ab 1. Januar 1984) zutreffend dargelegt
- aus technischen oder aus in der Person der Arbeitnehmer liegenden,
auf das Wetter zurückzuführenden Gründen nicht mehr ausgeführt werden
können. Indessen fragt es sich, ob der Begriff "durch das Wetter
zwingend verursacht" auch beinhaltet, dass Vorkehren zum Schutz der
Arbeitnehmer bzw. technische Massnahmen im Hinblick auf die Fortführung
der Arbeit getroffen werden müssen. Dies ist aufgrund der Ausführungen
in der Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die
obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung
vom 2. Juli 1980 (BBl 1980 III 489) grundsätzlich zu verneinen, soweit
es sich um aufwendige, kostspielige und insofern unzumutbare Massnahmen
handelt und soweit allfällige Vorkehren in einer bestimmten Branche nicht
üblich sind. Der Bundesrat erklärt dazu (S. 533 f.):

    "Die Tatsache der schlechten Witterung kann vom Betrieb nicht
   beeinflusst werden. Er hat zwar unter Umständen die Möglichkeit, durch
   vorsorgliche technische Massnahmen auch bei schlechter Witterung die

    Fortführung der Arbeit zu erleichtern; bei den klimatischen
Verhältnissen
   unseres Landes sind diese Möglichkeiten jedoch wesentlich
   bescheidener als etwa in der Bundesrepublik Deutschland. Für
   unsere Verhältnisse scheint es deshalb angemessener, gegebenenfalls
   Schlechtwetterentschädigung zu zahlen als Einrichtungen zur Förderung
   der Winterarbeit auf Baustellen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung
   zu vergüten."

    Diese Ausgestaltung der Schlechtwetterentschädigung ist vom Gesetzgeber
stillschweigend akzeptiert worden und entspricht im wesentlichen der
bisherigen Ordnung (vgl. dazu HOLZER, Kommentar zum AlVG, S. 182 ff.,
insbesondere S. 185).

    c) Im vorliegenden Fall waren auf der Baustelle Liegenschaft "Farb"
in Wetzikon die Fenster noch nicht eingesetzt, als mit den Gipserarbeiten
hätte begonnen werden sollen. Aufgrund der Feststellungen des KIGA
erlaubten die Lufttemperaturen in der fraglichen Zeit Gipserarbeiten
nicht. Diese hätten durch in der Baubranche an sich übliche Vorkehren
(Abdecken der Fensteröffnungen und Einrichten einer Heizung) zwar
ermöglicht werden können. Indessen rechtfertigt sich gestützt auf
die glaubwürdigen Angaben gegenüber dem KIGA die Annahme, dass es der
Beschwerdeführerin nicht zumutbar war, im Hinblick auf die Vornahme der
Gipserarbeiten die notwendigen - recht kostspieligen - Installationen zu
treffen, zumal der Bauherr solche ablehnte. Mithin liegt ein anrechenbarer
Arbeitsausfall vor, sofern auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen
erfüllt sind. Dies ist gestützt auf die angefochtenen Verfügungen zu
bejahen ...